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Graf Dracula, der Böse, lebte hoch in den Bergen. Wie böse er war, weiß die Legende.
Der Blutsauger von der Burg Bran hat einen schlechten Ruf. Die Burg liegt nicht etwa tief im Wald versteckt,
sondern hoch auf einem Berg nahe Kronstadt/Brasov. Der historische Graf Vlad III, Tepes Draculea,
war der Spross eines wenig bedeutenden Fürstengeschlechts aus der Walachei, der sich einen Namen machte
als wüster und grausamer Draufgänger im Kampf gegen die Türken. Das Waldgebirge der Karpaten selbst ist
alles andere als unheimlich, wenn man von Bären und Wölfen einmal absieht, die es hier noch in großer Zahl gibt.
Auch die sind ungefährlicher, als ihnen nachgesagt wird. Bergbauern wirtschaften hier wie einst mit althergebrachten
Methoden und führen ein einsames, karges, aber freies Leben. Die Karpaten sind ein Hochgebirge mit lichten Wäldern,
Almen und hellen Kalkfelsen. In der Tiefe des verkarsteten Gebirges, vor allem im nördlichen Teil des Bihorgebirges
in den Westkarpaten, gibt es fantastische Höhlen. Fünf Eishöhlen wurden hier entdeckt. Die größte und schönste ist
die Scarisoara. Im Schein der Lampen funkeln Eisdome und gewaltige Eiszapfen, wie ein Gletscher deckt das Bodeneis
die Höhlensohle. Über 3.500 Jahre alt ist der riesige Eispanzer mit einem Volumen von 75.000 Kubikmetern.
Das Kamerateam von Filmautor Ernst Waldemar Bauer braucht Gletscherausrüstung und viel Gefühl für das richtige
Licht im transparenten und spiegelnden Eislabyrinth. Die eiskalte Winterluft fließt durch Schächte und Spalten
von den Bergen in den Höhlenraum. Dort gefriert das Tropfwasser zu Eis. Die schwere Kaltluft liegt am Grunde der
Höhle, selbst im Sommer wird sie kaum wärmer als ein Grad Celsius. Gefährlich sind wasserführende Höhlen.
Die Micula ist eine von ihnen. Ohne Taucherausrüstung geht da nichts. Gefürchtet sind Wassereinbrüche nach Gewitterregen.
Immer wieder geraten Höhlengänger durch Wildwasser dieser Art in Lebensgefahr. Höhlen sind auch Lebensräume für eine
Reihe hoch angepasster Tiere, Käfer vor allem, die ihr ganzes Leben im ewigen Dunkel verbringen. Fledermäuse und
Siebenschläfer sind Gäste, für die die Höhle ein Rückzugsraum ist. Großartige Höhlen wurden in jüngerer Zeit entdeckt.
Ein Star unter den Tropfsteinhöhlen der Welt ist die Piatra Altarului, die Altarhöhle. Durch einen engen Gang dringen
die Entdecker bis in die gewaltigen Tropfsteinhallen vor. Inzwischen haben die Höhlenforscher ein über acht Kilometer
langes System erforscht. Das Kamerateam hat diese unterirdische Welt festgehalten. Riesige Tropfsteinsäulen schimmern
im Licht der Scheinwerfer. Kalzitkristalle brechen und streuen das Licht tausendfach. Türkisfarben schimmernde Höhlenteiche,
von Kristallrosen gesäumt, Türme und Baldachine aus Tropfstein lassen mit ihrer Pracht die Mühen des Einstiegs vergessen.
Mit weißen, weichen Schuhen wird geklettert und sauberer Kleidung; Spuren zu hinterlassen ist verpönt. Nur ausgewiesene
Höhlenforscher haben eine Chance, dieses Heiligtum der Speleologen zu betreten. In der "Kalten Höhle", die zum
System der Piatra Altarului gehört, entdeckten die Höhlenforscher einen Bärenfriedhof. Seit der Vorzeit hat kein Mensch
mehr dieses Bärenmausoleum betreten. Der alte Zugang ist verschüttet. Heute gelangen nur Taucher in die Knochenhalle.
Dort liegen Schädel und Gliedmaßen von Tausenden von Tieren beieinander. Unsere Vorfahren haben die Bären wohl im Schlaf erlegt.
Kreuzförmig angeordnete Knochen und Schädel dürfen wohl so gedeutet werden, dass die vorzeitlichen Jäger dem "Gott der
Bären" an Ort und Stelle huldigten, um ihn zu versöhnen.
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