Von Gudrum Pauksch ©
Schon seit 10 Jahren reise ich nach Rumänien. Diese Reisen sind für mich immer
wieder eine Insel im Alltag und jedes Jahr freue ich mich schon Monate vorher
auf die Tour.
Oft liege ich schon Wochen vor der Reise den ganzen Abend auf dem Teppich
unseres Wohnzimmers vor der Rumänienkarte und plane die Route, rechne Kilometer aus und überlege wie viel Zeit ich
für was benötige und schreibe alles säuberlich auf Zettel und Listen und ärgere
mich, dass die mir zur Verfügung stehende Zeit viel zu kurz ist. In Rumänien
gibt es so viel zu sehen und zu erleben!
Nach ein paar Tagen telefoniere ich mit meinen Freunden
aus der Rumänienszene, die mir ganz tolle Reisetipps geben und mir versichern, dass
ich, wenn ich schon mal da bin auch noch unbedingt die Orte XY und erst recht Z
ansehen müsste. Dazu werden mir dann per Mail Fotos geschickt und Reiseberichte
empfohlen und ich wankelmütiges Weib komme so richtig ins Wanken und ändere meine Reisepläne und dann
die Änderungen und auch noch einmal die Änderungen der Änderungen und am Ende
fahre ich dann fast ohne Plan, aber mit vielen Ideen los.
Anders in diesem Jahr!
In diesem Jahr war meine Reise nach Rumänien etwas besonderes, denn
irgendwann im Januar teilte mir mein
Mann Thomas mit, dass er nun auch mal
mit nach Rumänien fahren möchte. Ab dem Augenblick dieser Offenbarung
lastete auf mir eine Riesenverantwortung, denn 1992 war unsere Familie schon
einmal nach Rumänien gereist und diese
Reise endete mit einer 14 Jahre währenden Rumänienallergie bei meinem Mann.
Tja, so ist das mit Rumänien. Die einen werden süchtig (ICH)und die anderen allergisch (ER).
Ich schrieb mir also auf die Fahnen meinem Thomas in unserem 3-wöchigen Urlaub
nur das schönste und beste Rumäniens zu zeigen, ihn mit zu meinen liebsten
Bekannten zu nehmen und dafür zu sorgen, dass er eine richtig schöne Zeit in
meinem Lieblingsland hat. Also beriet
ich mich besonders ausführlich mit
meinen Freunden und arbeitete einen
schönen Plan aus. Urlaubsreif und
aufgeregt fieberte ich dem 22.09.2006
- unserem Abreisetag - entgegen, so wie
ein verdurstender Wüstendurchquerer sich nach einer Oase sehnt!
Freitag, den 22.09.2006
Endlich war es soweit. Zuerst ging es noch am Vormittag zur Arbeit ins Amt, denn Rumäniensüchtige haben IMMER zu wenige Urlaubstage.
Mein Mann bepackte unterdessen das Auto mit all den Kisten und Sachen die ich als Geschenke für Freunde und zufällig Bekannte und die Kinder der Stiftung, die wir seit einem Jahr unterstützen, gesammelt habe. Natürlich ist jeder Quadratzentimeter freier Platz in einem Auto das nach Rumänien fährt verschwendeter Raum. Auch wenn es unterdessen vor Ort alles zu kaufen gibt in Städten mit großen Einkaufszentren und Ladenketten die man hier in Deutschland auch findet. Selbst das Futter von MC Donalds breitet sich in Rumänien aus wie der süße Brei im Märchen. Trotzdem finde ich es schön Überraschungen und kleine Geschenke dabei zu haben und diese zu verteilen.
Punkt
15 Uhr verabschiedeten wir uns von unserem Sohn Wilhelm, dessen Kumpel
etwas zu zeitig an unserer Haustür aufgetaucht war und mit dem schon Pläne für
die Nutzung der sturmfreien Bude geschmiedet wurden.
Bis zur Grenze nach Zinnwald waren es genau 172 km. Über Prag, Brno und
Bratislava ging es bis zum Hotel "M1 83" vor Budapest. Besonders der
Verkehr in Tschechien war zäh und
zermürbend und wir verkürzten uns die
Zeit mit dem Analysieren der seltsamen Fahrweise der Tschechen, die prinzipiell nur links
fahren und völlig unerklärlich auf offener freier Straße immer wieder bremsen.
Thomas hielt tapfer hinter dem Lenkrad durch und ca. 0.30 Uhr nahmen wir uns
ein einfaches Zimmer direkt an der
Autobahn für 35 Euro/ Nacht. Nach einem
Bier bzw. Wein schliefen wir begleitet von den Geräuschen die so ein
verkehrsgünstig gelegenes Autobahnhotel mit sich bringt doch irgendwann ein.
Zu
erwähnen ist noch, dass wir folgende Vignetten kaufen und unsere
Vorderscheibe damit bekleben durften
CZ 12 Euro (1 Monat gültig)
SK 11 Euro (1 Monat gültig)
H 21 Euro (1 Monat gültig)
Zweiter Tag
Samstag, 23.09.2006
Die Nacht war laut und unruhig, weil unser Zimmerfenster direkt zur Autobahn
lag. Ich zählte die vorbeifahrenden LKWs wie sonst Schäfchen oder Pusteblumen
auf einer Frühlingswiese und muss wohl tatsächlich irgendwann eingeschlafen
sein, denn am Morgen wachte ich schließlich auch auf.
7.45 Uhr gab es Frühstück und unproblematisch und irgendwie immer geradeaus
ging es durch Ungarn bis nach Cernad, wo wir um 12 Uhr Mitteleuropäische Zeit
die Grenze nach Rumänien passierten.
Was die anderen Länder können, können die Rumänen schon lange und so gibt es
seit 2 oder 3 Jahren auch in Rumänien eine Vignettenpflicht. Und weil die
Rumänen, wie ein Freund sehr treffend und drastisch auszudrücken pflegt immer gleich 2 Paar Eier haben, gilt diese
Vignettenpflicht nicht nur für die Autobahnen, sondern für ALLE Straßen im
Land. Diese Tatsache ist ja schon süß,
aber noch süßer finde ich, dass man diese Vignetten gar nicht so einfach zu
kaufen bekommt. Da Thomas und ich doch sehr DEUTSCH sind und wir das
Vignettenkaufen seit dem Vorabend sozusagen im Blut hatten, stürzten wir
sofort in die erste Tankstelle auf
rumänischen Boden und bekamen dort zu
hören, dass keine Vignetten vorrätig sind. Die Hersteller hätten Probleme mit
dem Papier! (Ob das der Wahrheit
entspricht ist zu bezweifeln, wahrscheinlich sollte es eine Art Notlüge sein).
Auch in der nächsten und übernächsten Tanke gab es die bunten Aufkleber nicht.
Für uns - nun schon seit mehr als 17 Jahren WESSIs - ein seltsames Gefühl,
etwas was man UNBEDINGT braucht einfach nicht zu bekommen. So hatten wir lange Zeit während unserer
Urlaubsreise Reise dieses kribblige Gefühl etwas Unrechtes zu tun bzw. etwas
Rechtes nicht getan zu haben. Irgendwann erklärte uns schließlich jemand, dass
es nur darauf ankommt bei der Ausreise eine Vignette vorzeigen zu können und ab da nahmen wir die
"Sache" gelassener.
In Cernad, praktisch dem ersten rumänischen Ort tauschten wir in einer
auf einem Hinterhof befindlichen (offiziellen) Wechselstube Euro
in Lei (1:35.000).
Seit ca. einem Jahr ist auch das mit dem Geld in Rumänien gar nicht mehr so
einfach. Es gibt zur Zeit neue
rumänische Lei und alte rumänische Lei. Bei den
neuen wurden einfach 4 Stellen der alten Lei weggestrichen. Das finde ich
Klasse, denn die Umrechnerei wird so viel einfacher. Die Rumänen hängen
aber an ihren Nullen und so werden sämtliche Geldgeschäfte für einen nicht so
an viele Nullen gewöhnten Ausländer doch recht unübersichtlich.
Unser Plan war heute bis nach Vladimirescu (bei Arad) zu fahren, wo uns unsere
Freunde Aurelia und Bernhard erwarteten. Über Sannicolaumare und Lovrin fuhren
wir nach Periam. Bernhard hatte mir den Tipp gegeben, dass es da
eine alte Hutfabrik gibt, die man wohl auch besichtigen könne. Ich liebe Hüte
und auch Hutmacher. Leider sind Hüte
selbst in Rumänien ein bisschen aus der Mode gekommen, denn die Fabrik
war wegen schlechter Auftragslage geschlossen. Als wir auf dem Werksgelände
stöberten und dabei einige Türen
öffneten, rief uns eine nette dralle
Frau im großgeblümten luftigen
Perlonkleidchen zu sich. Sie erzählte, dass das Werk seit 1.8.2006
geschlossen wäre und zunächst die Hüte auf Lager verkauft werden.
Wenn sich die schwierige Lage auf dem Hutmarkt wieder bessert, soll die
Produktion weiter gehen. Leider hatte auch das zum Werk gehörige Hutgeschäft
geschlossen. Es war ja auch Sonntag.
Etwas enttäuscht fuhren wir
weiter und ich hatte Gelegenheit Thomas erste
Kommentare über das was so an unserer Autoscheibe vorbei zog zu hören.
In den vergangen Jahren war ich mit einigen Rumänienfreunden unterwegs, mit
Haiko Kühne, Michael Horn und Ronny Müller und auch mit Karpatenwilli. Manche
meiner Reisebegleiter arbeiteten regelrecht während des Urlaubs und
recherchierten, erkundeten, saugten Informationen auf und andere passten sich
dem Schritt und Tritt und dem Rhythmus des Landes an und ließen sich treiben.
Jedem fallen andere Dinge ins Auge und jeder hat einen anderen Blickwinkel. Der
eine sucht die besonderen Gesichter für Fotos oder skurrile Gegenstände, der
andere schaut in die Natur und der nächste auf die Kultur. Mein Mann ist ein
richtiger Techniker und so war er während der Reise von Anfang an über die
diversen technischen (Not)lösungen der Rumänen bei der Bewältigung der
Knappheit (oder des Schwunds) von sämtlichen technischen Teilen und
Baumaterialen entsetzt oder auch entzückt.
Auf der Karte sah ich, dass es in Perivam auch einen Port, sprich Hafen, gibt
und lotse Thomas an das Ufer des Mureş, wo tatsächlich ein kleiner Hafen mit
einer skurrilen Fähre zu finden war. In einer gemütlichen Freilandkneipe
tranken wir unter einem Weindach (mit
prächtigen blauen Trauben) unseren ersten rumänischen Kaffee und begaben uns
dann weiter nach Calugareni zum Kloster Bodro.
Ich mag rumänische Klöster
und schon dieses - das Erste unserer Reise -verzauberte mich. Die Gegend, die
wir bisher am heutigen Tag durchfahren waren, ist trocken und flach. Doch das
Kloster Bodro war umgeben von einer
wunderschönen saftigen Blumenpracht, mit von Weindächern beschatteten
Innerhöfen in denen kleine Engelskulpturen auf Rosenbeeten wirkungsvoll platziert waren. Mitten auf
einem der schattigen Innenhöfe stand ein riesiger Ginkobaum von dem ich mir
sehr gern ein Blatt als Andenken
mitgenommen hätte. Leider lag nicht ein einziges Blatt auf dem Boden.
Im Kloster Bodro gibt es zwei und natürlich auch ausreichend Geschichten. Ein alter kleiner lustiger Mönch war mir sofort ins Auge gefallen und ich näherte mich ihm unauffällig, umkreiste ihn scheinbar völlig desinteressiert bis ich ihn schließlich lächelnd ins Gespräch ziehen konnte. Er hatte wirklich Schmäh und erzählte uns mit einer meisterlichen Pantomime eine der Geschichten des Klosters, bei der eine Kuh eine wichtige Rolle spielt.
Und die ging so: Ein junger Hirte war mit seinen Kühen auf der Weide, als eines der Tiere begann mit seinen Hörnern (die sind in der tiefer gelegten Kirche über der Tür zu sehen) den Boden umzugraben. Der Junge hörte ein seltsames Geräusch und sah etwas in der Sonne blinken. Es waren natürlich Goldstücke, ein richtiger Schatz kam zum Vorschein. Aufgeregt lief der Junge zu seiner Mutter und fragte sie, was er mit dem Schatz machen solle. Die Mutter sagte, der Junge soll den Fund im Kloster abgeben und zwar komplett. Sollte er etwas abzweigen wird er augenblicklich zu Stein. Natürlich gab der Junge nicht alles ab und natürlich wurde er zu Stein und dieser Stein ist im Kloster zu bewundern. Diese Geschichte spielte mir der kleine alte Mönch mit großer Hingabe und schauspielerischem Talent vor und ich hatte viel Mühe den nötigen Ernst zu bewahren. Anschließend ließ er sich noch vor einem Stein in Herzform fotografieren, über dessen Geschichte ich zu gern auch noch etwas erfahren hätte, aber es war schon spät und Aurelia und Bernhardt warteten auf uns.
Nach einem kurzen Besuch in der Klostersommerküche wo in großen Töpfen Hühner und Kraut zubereitet wurden begaben wir uns auf die Piste und fuhren weiter Richtung Arad.
Zu Arad habe ich ein gespaltenes Verhältnis (das ist eine ganz andere Geschichte) und deshalb suchte ich im Atlas einen Weg diese Stadt zu umfahren. In meiner Karte war bei Fântânele eine kleine Brücke über den Mureş eingezeichnet. Diese Brücke gibt es aber leider nicht mehr und so mussten wir doch durch das wilde Arad. Thomas entpuppte sich als ziemlich selbstbewusster und rasanter Rumänienstadtdurchfahrer und so kamen wir zwar zu spät aber doch mit schönen ersten Rumänienerlebnissen in Vladimirescu, einem Vorort Arad an.
Bernhard
und Aurelia empfingen uns herzlich und auch ich freute mich die beiden
wieder zu sehen. Ich kenne Bernhard und Aurelia schon seit einigen Jahren über
ein Internetforum welches sich mit Rumänien beschäftigt. Wir haben uns einige
Male hin und her besucht und hatten jedes Mal Spaß und interessanten
Gedankenaustausch, wie das so ist wenn zwei Welten aufeinander
prallen...nämlich einmal die durchschnittlich deutsche und die nicht
durchschnittliche rumänische.
Aurelia ist eine Rumänin mit einer ganz lieben und besonderen Ausstrahlung, die
mich mit ihrer Art die Welt zu sehen immer wieder verblüfft. Bernhard ist ein
ausgestiegener Österreicher, der sich in Vladimirescu, einem hässlichen Vorort
von Arad niedergelassen hat und dessen Leben nun unter dem Motto "Hilfe
für Menschen ohne Hilfe" steht. Und diese Devise hält er mit erstaunlicher
Geduld gerade denen gegenüber - denen er hilft - durch. Seine
Hauptunterstützung gilt einigen Zigeunerfamilien in Fiscut und der Produktion
von Sonnenheilmitteln, die (wenn man daran glaubt) wahrscheinlich für und gegen
alles gut sind. Ich empfehle diese Mittel immer gern weiter, besonders das
sonnenlichtangereicherte Mohnblumenblütenblätteröl, an dessen fehlerfreien
Aussprache ich einige Wochen geübt habe. ER hat wohl schon manche Heilung
geschafft. Mir persönlich fehlt leider der Glaube an die Mittelchen, aber ich
freue mich immer wieder über die Wunder die
mit den oder - meinetwegen- auch durch die- Substanzen geschehen. Auch das
Heilen durch Handauflegen ist eine von Bernhards Berufungen und es gibt
tatsächlich immer wieder Leute denen er damit hilft. All diese "Leistungen"
sind übrigens kostenlos! Das heißt, Bernhard nimmt prinzipiell keinerlei
Vergütung für seine Wunder (außer die Nachbarin hat vielleicht gerade einen
Kuchen gebacken und bringt ihm ein Stück rüber). Seit einiger Zeit ist Bernhard
auch sehr begeisterter Öl-statt- Diesel - Fahrer und experimentiert mit
selbstgepresstem Öl und seinem VW - Bus um mit möglichst wenig Unterstützung
der großen internationalen Ölkonzerne Auto fahren zu können.
Sein Haus in Vladimirescu ist ein "offenes Haus" und so schwirren auf seinem
Hof immer zahlreiche Nachbarinnen und Nachbarn und Kinder herum. Besonders ans
Herz gewachsen sind mir die kleine Paula und die etwas größere Dalina, die
immer bei mir war und meine Hand ergriff und sich an mich rankuschelte. Beide sind
zuckersüße Mädels, denen wohl aber der häufige Besuch aus dem Westen, den
Bernhard und Aurelia haben, nicht gut bekommt. Sie haben ganz schlimm
schlechte Zähne, die wohl auf die vielen Süßigkeiten die die Besucher
verschenken (ich auch) zurückzuführen sind.
Bei Aurelia und Bernhard zu sein ist schön. Aurelia ist eine ganz liebe und
fürsorgliche Gastgeberin und hatte ein leckeres Essen für uns gekocht. Leider
hatten Thomas und ich nicht so eine ganz genaue Ankunftszeit gesagt, so dass
alle noch um 4 auf das Mittagessen warteten. Wir hörten die Bäuche richtig knurren.
Trotzdem ergab es sich, dass wir zunächst Dalinas Oma besuchten, die die
Nachbarin von Bernhard ist und gerade die große Pflaumenernte zu Schnaps
verarbeitete. Der ganze Garten war mit Kessel und Behältnissen aller Art
vollgestellt und Bernhard, stolzer Besitzer eines Gerätes zum Messen des
Alkoholgehaltes des Schnapses (Ţuică - sprich Zuika) stellte fest, das der
Alkoholgehalt des in den einzelnen Behältnisse befindlichen Ţuicăs zwischen 35
und 63 % lag.
Insgesamt hat Elinitza ca. 50 Liter Schnaps hergestellt, der eine
Art Währung in Rumänien ist und zur Bezahlung von Handwerkern aber auch als
Mitbringsel bei Taufe, Hochzeit, Beerdingung und zu sonstigen Anlässen dient.
Ich weiß gar nicht wie dass nun zu EU - Zeiten werden soll, wo doch das
Schnapsbrennen scharfen gesetzlichen
Bestimmungen unterliegt!
Wir ließen uns den Ablauf der Brennerei ganz genau erklären und bekamen auch
eine Kostprobe geschenkt. Nachdem wir
die große Sau mit den kleinen süßen Ferkeln
im Stall bewundert hatten, gab es bei Aurelia Essen, nämlich eine
herrliche Bohnensuppe aus grünen Bohnen und dazu Kalbsschnitzel.
Natürlich hatten wir uns viel zu erzählen und besonders Thomas hatte 1000
Fragen
an Bernhard. Ich wunderte mich über die seltsamen Servietten die es bei Aurelia
gab und Thomas fand den Türschließer der Küchentür cool. Die Erklärung für die
Anwesenheit der außergewöhnlichen Gegenstände klang in unseren Ohren seltsam.
Bernhard antwortete nämlich lapidar:
Der Schwager einer Nachbarin arbeitet bei der rumänischen Bahn.
Als "Radklopfer"
Ich wunderte mich...
Hääääää?
Bernhard stellte die Gegenfrage, ob mir als Rumänienzugreisende noch nie
aufgefallen wäre, dass es ab der rumänischen Grenze keine Papierhandtücher und
kein Toilettenpapier in den Zügen gäbe. Stimmt, wenn er es so sagt! Er hat
recht! Bernhard erklärte, es wäre halt üblich, dass die
Angestellten das Zeugs mit nach Hause nehmen. Und der Türschließer wäre auch
vom Schwager der Nachbarin von einer Zugtür abmontiert. Das wäre halt so.
Nach dem Essen fuhren wir Edith und Günther Willner besuchen, die sich in
Santana, einem anderen Vorort von Arad niedergelassen haben und die ich
ebenfalls aus dem Rumänienforum kenne. Günther Willner ist in das rumänische
Abfallgeschäft eingestiegen und gerade dabei sein Haus mit Garten zu renovieren
und her zu richten.
Günther kredenzte uns einen leckeren und sehr hochprozentigen Ţuică, von dem
auch Bernhard - unser Fahrer - einen ganz ganz und wirklich nur ganz ganz
winzigen Schluck kostete. Nachdem wir
uns von Günther verabschiedeten und gerieten 3 Straßenecken weiter in
eine Polizeikontrolle. In Rumänien ist absolutes Alkoholverbot (0,00) für
Kraftfahrer und so stockte uns der Atem. Zuerst musste der Fahrer des Wagens
vor uns pusten und tatsächlich zeigte das Blasegerät einen Alkoholpegel an. Er hatte also getrunken. Die Polizisten
wiegten verzweifelt mit dem Kopf, der Kraftfahrer gestikulierte und redete
aufgeregt und auch wir waren ziemlich nervös. Der Polizist kam mit dem
Alkoholmessgerät zu Bernhard und eigentlich waren wir sicher, dass Bernhard nun
auch pusten muss und bestimmt 0,01pro Mille angezeigt werden. Der Polizist
reichte Bernhard das Gerät durch das
Fenster, aber nur damit er sehen kann , wie viel Promille sein Vorpuster hat.
Er sollte also NUR Zeuge sein. Im Auto machte es 4 x blubb - das waren die
Steine die uns vom Herzen fielen... blubb... - als wir "unbehelligt"
weiter fahren konnten durch die sternenklare rumänische Nacht.
Im Auto überlegte ich, dass heute ja erst mal der erste Tag in Rumänien ist und
ich schon vollgestopft mit Eindrücken bin. Das noch mehr auf mich zukommt an
diesem Abend wusste ich, denn wir wollten noch Martin besuchen.
Martin ist ein Freund von
Bernhard. Leider hat Martin vor einigen Jahren auf
Grund von Durchblutungsstörrungen beide Beine verloren.
Nun ist er auf einen Rollstuhl angewiesen und mit Hilfe von Freunden ist es uns
gelungen, ihm einen besonderen Handhebelrollstuhl zukommen zu lassen. Ich war
natürlich gespannt Martin persönlich kennen zu lernen, denn Bernhard hatte mir
schon einiges von ihm erzählt. Unser Besuch war angemeldet und wir wurden
freundlich in die Wohnung gebeten. Zuerst mussten wir uns durch einen dunklen
Eingang und einen nicht minder dunklen Hof tasten um in die Kellerwohnung zu
gelangen, in der Martin und seine Frau seit einigen Monaten leben. Vorher hat
Martin in einer Garage gewohnt und nun hat er ein Kellerloch ohne Strom und
Wasserversorgung zugewiesen bekommen. Wir nahmen in einem der beiden Räume der
Wohnung Platz. Damit wir uns sehen können, wurde eine Öllampe angezündet. Es
war wie im Mittelalter und das in einer europäischen Großstadt. Zuerst bedankte
sich Martin noch einmal für den Rollstuhl und dann erzählte er uns seine
Lebensgeschichte auf Deutsch. Martin wurde nämlich 1943 in Berlin, wo die
Familie in den Kriegswirren hingeraten war, als Sohn eines Banater Schwaben und
einer Siebenbürger Sächsin geboren. Nach dem Krieg siedelte man die Mutter mit
dem kleinen Martin wieder nach Rumänien aus. Den Vater verlor die Familie im
Krieg. Zurück in Rumänien hatten Martins Mutter große Not sich, Martin und den
Bruder Adelbert über die Runden zu bringen. So erzählte uns Martin von einem
Weihnachtsfest, an dem die Not so groß war, dass die Mutter den Kindern gar
nichts schenken konnte. Auf der Straße fand sie einige wenige Tannenäste, die
sie mit Zwirn an kahle Zweige band. Dieser Nottannenbaum wurde mit in buntes
Papier gewickelte Brotstücken geschmückt.
Nach einer guten Zeit mit guter Arbeit und Familie verlor Martin seine Beine
und bringt sich und seine Frau seit dem mit Handaufhalten durch. Schlimmer noch
als die Armut ist aber für Martin der schlimme Zustand seiner Identität. Er ist
Angehöriger der deutschen Minderheit in Rumänien, kann das aber, da ihm seine
Papiere - als er ein paar Monate auf der Straße leben musste verloren gegangen
sind - nicht belegen. So erhält er keinerlei Unterstützung aus dem großen Topf
z.B. des Deutschen Forums, einer von Deutschland finanzierten Organisation für
in Rumänien lebende Deutsche. Ich weiß dass so sehr viel Geld aus Deutschland zur Unterstützung der deutschen
Minderheiten in Rumänien fließt und es macht mich wütend und traurig, dass
gerade Martin bei dem es um ein
würdevolles Leben geht, nicht geholfen wird. Er wird mit seinen Problemen
allein gelassen. Ich habe Martin versprochen zu versuchen seinen Taufschein in
Berlin ausfindig zumachen. Das würde beweisen, dass er ein Deutscher ist und
ihn berechtigen Unterstützung zu bekommen.
Allerdings habe ich noch nicht die richtige Anlaufstelle für die
Recherchen gefunden.
Voller Emotionen und Eindrücken fuhren wir zurück nach Vladimirescu und gingen
auch bald ins Bett.
Sonntag, 24.09.2006
Es gibt verschiedene Möglichkeiten am Morgen geweckt zu werden. Unangenehme
(kalter Waschlappen, brenzliger Geruch, Schnarchen) oder auch sehr angenehme,
wie z.B. das läuten der Kuhglocken in einem rumänischen Dorf, kitzelnde
Sonnenstrahlen oder das Klappern von Geschirr gepaart mit Kaffeeduft, welches
mit der Gewissheit dass man sich an einen gedeckten Frühstückstisch setzen kann
verbunden ist. Letzteres war der Fall an diesem Morgen und so saßen Thomas und
ich gegen 8 Uhr in gemütlicher Runde mit Bernhard und Aurelia, der kleinen Paula
und ihrer Mama beim Frühstück und machten einen Plan.
Zuerst wollten wir die Zigeuner in Fiskut, dann Bernhards Ölpresse und später
einen großen Markt in Arad besuchen und gegen Mittag unsere Reise Richtung
Ariestal fortsetzen.
Große Pläne für einen kurzen Sonntag und deshalb "Tschakka" los ging es.
Wir stiegen in Bernhards VW Bus, der - da er vorwiegend mit Öl betankt
wird- hinten raus sehr lecker nach einer Frittenbude duftet und fuhren in das
südlich von Arad gelegene Dorf Fiscut. Thomas saß bei Bernhard vorn und ich
spitze meine Ohren um die beiden Jungs zu belauschen. Die meiste Zeit
unterhielten sie sich über Männersachen wie z.B. dem Öl-statt- Diesel-
Betankungsproblem, dem ich nicht soooo viel interessantes abgewinnen konnte.
Auf dem Weg durch Arad fiel Thomas auf, dass die Moped - und Motorradfahrer mit
doch recht seltsamen Helmen auf ihren Gefährten sitzen. Manche haben normale
Helme, andere Bauhelme, Fahrradhelme und sogar einen alten Stahlhelm haben wir
gesehen. Bernhard klärte uns über die Helmpflicht in Rumänien auf. Der
Gesetzgeber hat wohl vergessen zu definieren welche Art Helm der Helm zum
Schutz der rumänischen Rüben sein muss!
Der Weg nach Fiskut führte uns durch kahle Landschaften. Kein Baum oder Busch,
brache Steppenlandschaft und ab und zu
ein paar Maisfelder. Auf dieser durch die langweilige schier endlose Einöde
führende Straße kamen uns zwei junge Zigeuner entgegen und hielten uns an.
Obwohl wir in der entgegengesetzten Richtung unterwegs waren, stoppten sie uns,
stiegen ein und fuhren mit uns mit. Bernhard meinte nur, wir sollen uns nicht
wundern und so skurril wäre nun mal manches bei den Zigeunern für unsere Augen.
Aber wenn sie mal rückwärts fahren kommen sie am Ende vielleicht doch ans Ziel
und so war es auch. Es stellte sich heraus, dass ich
einen der beiden jungen Männer kannte. Es war Christi, der mal bei Bernhard in
der Mohnblumenblüttenblätterölproduktion gearbeitete und der einen sehr
hohen Wiedererkennungswert hat, denn
seine Augen haben ein besonders
Eigenleben. Guckt das eine gerade aus, schielt das andere verwegen um die Ecke.
Bernhard hatte Christi einige Male angeboten, wenn er zur Schule geht und lesen
und schreiben lernt seine Augenoperation zu bezahlen, aber so wichtig war dem
Burschen die Sache dann doch nicht - weder die mit der Schule noch die mit den
Augen!
Über Feldwege ging es nun
nach Fiscut und mein Mann wurde so richtig in die
eiskalte Zigeunerrealität geschmissen. Am Ende des Dorfes lebten mehrere
Zigeunerfamilien in ihren kleinen Lehmhäuschen. Zahllose nackigbeinige
Zigeunerkinder in verschiedenen Größen
kamen uns neugierig entgegen und auch die Frauen begrüßten uns
freundlich. Christis Mutter konnte sich sogar noch an mich erinnern und bat uns
in ihr Haus. Eine winzige Hütte,
bestehend aus 2 oder 3 Zimmern in dem 4 Betten stehen muss für 14 Personen
reichen. Die älteste Tochter der Familie hat schon wieder selber 6 Kinder.
Richtig arbeiten geht in dieser Familie keiner, sie leben von ganz wenig
staatlicher Unterstützung und ein paar kleinen Geschäften.
Noch ärger geht es der Nachbarfamilie. Denen ist das Haus aus Lehmziegeln über
den Kopf zusammengestürzt oder vielleicht auch zusammengeweicht. Bernhard hat
ein paar Leute in Deutschland gefunden, die etwas Geld zum Kauf der
Baumaterialien für ein 4 x 4 m (können auch 4x 5 m
gewesen sein) großes Haus gespendet haben. Die Zigeunerfamilie entschied sich
aber die Maße vielleicht nicht ganz so genau zu nehmen und baute ein paar Meter
länger und ein paar Meter breiter. Natürlich reichten die Steine nun nicht für
oben und so kam es zum Baustopp mangels Ziegel. Die Familie campiert nun samt
Kindern (darunter auch ein Baby) auf 2 Sofas die im Freien stehen und schon
gehörig gebraucht und durchgeweicht sind.
Mein Mann überstand diese Einblicke in das gar nicht so romantische
Zigeunerleben mit einer überraschend äußerlichen Gelassenheit, aber dass ihm
das Gesehene doch sehr beschäftigt zeigte sich in den nächsten Tagen und
Wochen, als er immer wieder darüber sinnierte, wie es wohl den Kindern auf
ihrem alten Sofa unterm Sternenhimmel gehen wird. Zum Abschluss durften wir
noch ein Foto von der ganzen Zigeunerfamilie machen und stiegen mitsamt Christi
und seinem Freund wieder in den Pommesbus. Nun zeigte uns Bernhard seinen
derzeitigen Lieblingsaufenthaltsort, nämlich seine Ölpresse, die sich auf einer
Bauernwirtschaft befindet.
Wir mussten auf ein von
einem hohen Zaun umgebenen Grundstück fahren, wobei uns Bernhard ausdrücklich
mitteilte, dass wir unbedingt so lange wie möglich im Bus sitzen bleiben
sollen, weil die beiden Wachhunde sehr sehr gefährlich wären und schon manchen
Menschen zerrissen und zerkaut hätten. Auf Deutsch sagte er uns aber, dass die
Hunde die liebsten und nettesten Hunde auf der Welt wären, aber es unbedingt
notwenig wäre, dass Christi und sein Kumpel höchsten Respekt vor den Tieren
haben, damit sie nicht in Versuchung kommen, dem Grundstück ungebetene Besuche
abzustatten. So werden also aus lieben Hunden böse Hunde gemacht!
Bernhards Ölmühle ist eine richtige Oase nach so viel rumänischer rauher
Wirklichkeit.
Er verarbeitet hier z.B. Sonnenblumenkerne zu Öl und experimentiert mit
Reinheitsgraden, Ergiebigkeit und Konsistenz. Thomas ließ sich alles ganz genau
erklären, und fand es gut. Aber er wird wohl trotzdem kein Öl in seinen
Dieselopel kippen, zumal das Öl bei uns in Deutschland nur wenig billiger ist
als Diesel an der Tankstelle.
Aber es ist natürlich auch gut zu wissen was man machen könnte, wenn die großen
internationalen Ölkonzerne oder die Ölscheiche eines Tages die DURCHDREHE
kriegen.
Auf dem Weg zurück nach Arad versuchte ich heraus zu finden, welchen Anlass
Christi und sein Freund wohl haben nach Arad zu fahren. Aha, Geschäfte waren
der Reiseanlass. Bernhard erklärte sich bereit, die Jungs dahin zu fahren, wo
sie hinwollten. Wir besuchten ein anderes Zigeunerdorf in dem Christi hinter
einem Zaun verschwand. Nach ein paar Minuten kam er aus dem Grundstück gestützt und
man merkte ihm an der Mimik seinen
Kummer und seine Wut an. Ich fragte ihn was denn los sei und es stellte sich
heraus, dass er sich bei einem Geldverleiher Geld geborgt hatte um Melonen zu
kaufen und diese dann mit Gewinn zu verkaufen. Der heutige Tag war der Tag der
Rückzahlung, doch der Verleiher hatte den Jungs das Geld vor die Füße
geschmissen und einen höheren Betrag gefordert. Ich fragte scheinheilig, warum
sie den Vertrag denn nicht schriftlich gemacht hätten und Christi antwortete,
dass der Verleiher sehr angesehen ist und sie ihm vertraut haben.
Es entspann sich folgender
skurriler aber völlig ERNST gemeinter Dialog (Übersetzer Bernhard)
Gudrun zu Christi: Um wie viel Geld ging es denn?
Christi zu seinem Kumpel: Um wie viel Geld ging es denn?
Kumpel zu Christi: 1, 5 Millionen
Christi zu Gudrun: 1,3 Millionen (kein Tippfehler)
Wir kicherten darüber aber Bernhard versicherte uns, dass solche skurrilen
Gespräche bei den Zigeunern durchaus üblich wären.
Der nächste Punkt auf unserem Tagesplan war der Besuch eines riesengroßen
Freiluftmarktes in Arad.
Auf einer schier unendlichen Fläche werden Sachen und nochmals Sachen
verkauft.
Auf Plastesäcken gibt es soweit das Auge reicht gebrauchte Kleidung auf Haufen.
Davor sitzen Zigeunerinnen, die diese Lumpen zum Stückpreis oder nach Kilo
verkaufen. So gibt es richtige Jackenberge und Schuhstraßen, aber auch ein paar
Ecken in denen Fahrräder oder Spielsachen verkauft werden. Ich bekomme auf
solchen Märkten einfach nur Zustände....
Mit Bernhard und Thomas lief ich also über den Markt. Der wilde Eingangsbereich
entsprach noch am ehesten meinem Geschmack, denn da boten ältere Leute auf
Plastikplanen Dinge an von denen ich mir nicht vorstellen kann, dass sich in
100 Jahren ein Käufer dafür findet.
So richtig schön skurril!
Etwas abseits aber gleichzeitig auch erhöht thronte ein alter Mann auf einem
umgekehrten Plastikeimer. Auf dem Schoß und vor sich hatte er seltsame Geräte.
Beim näheren hinschauen stellte sich heraus, dass es sich bei den Gebilden um
Fleischwölfe handelt die aus Regenrohren gefertigt wurden. Der Herr auf seinem
Eimer strahlte unendlich viel Würde und stolz auf sein Produkt aus, so dass es
uns förmlich zu ihm zog. Gut ist es in solchen Situationen einen Bernhardt
dabei zu haben, der die Mächtigkeit über die rumänische Sprache hat und uns
übersetzen konnte, was der Herr über seine Fleischwölfe erzählte.
Die Geschichte ging so:
Eigentlich waren die
Fleischwölfe für einen Geschäftsmann aus der Schweiz hergestellt wurden und
zwar in ziemlich hoher Stückzahl (20 Stk). Der Schweizer war nämlich so
begeistert von der tollen Funktionsfähigkeit der Apparate, dass er den
Wunderfleischwolf sofort in den großen und teuersten Läden der Eidgenossen feil
bieten wollte. Wie es aber nun mal im Leben so ist, verunfallte der
ausländische Geschäftsmann just als er die Teile abholen wollte und der
Erfinder des Superfleischwolfs blieb auf seinen Wundersupergigantmaschinchen
sitzen. Mit funkelnden Augen und erhobenen Zeigefinger beschwor uns der Herr
immer wieder, dass es in ganz Rumänien, ja ganz Europa keinen vergleichbaren
Fleischwolf gibt.
Das glaube ich übrigens auch, denn wer kommt schon auf die Idee so was aus
Regenleitungen zu bauen? Als der Verkäufer dann mal Luft holte und wir die
Frage nach dem Preis einwerfen konnten, staunten wir bei der Antwort noch viel
mehr über das Selbstbewusstsein des Verkäufers.
Unser Weg setzte sich schließlich- nach dem wir eine Markteintrittskarte
erworben hatten- durch die Lumpenstraßen des Marktes fort. Irgendwann trafen
wir Aurica, Flori und Edith, die sich zum Einkaufsbummel verabredet hatten. Es
sollte ein mehrstündiges Flanieren über
den Markt folgen und dabei hatte
ich jetzt schon den Kanal gestrichen voll von all den Lumpen die auf dem
Boden herumlagen. Bernhard, wohl selber kein Marktgänger, verstand meine
verzweifelten Blicke und während die anderen auf die Jagd nach Schnäppchen und
Raritäten gingen, schlenderten wir gemütlich, frei und ignorant an der
Spielzeugecke, der Gürtelmeile und auch der Plastelatschenstraße vorbei.
Bernhardt holte das Auto
und fuhr mit mir und der kleinen 4 jährigen Paula in ein Naherholungsgebiet der
Nähe der Stadt. Meine Erleichterung über die Entführung vom Markt kannte kaum
Grenzen.
Irgendwann während wir gemütlich beim Kaffee saßen und über die wichtigen Dinge
der Welt philosophierten klingelte Bernhards Telefon und Aurelia rief uns zum
Mittagessen. Elinitza hatte extra für uns ganz leckere hauchdünne und mit
Marmelade gefüllte Eierkuchen gebacken, die wir in fröhlicher Runde verzehrten.
Danach war die Stunde des Abschieds gekommen, denn Thomas und ich wollten
noch weiter ins Ariestal fahren. Bevor es aber losging, wurden uns noch diverse
Dinge eingepackt, z.B. eine kleine Reiseapotheke die das Allheilmittel
sonnenlichtangereichertes Mohnblumenblätteröl (für alles, gegen alles) und
Arnikatinktur (für alles, gegen alles) und etwas ebenfalls vom Sonnenlicht
beschienenen Laktosepulver (gegen Magenbeschwerden) beinhaltete.
Nach herzlichen Umarmungen und dem Empfang zahlreicher guter Wünsche für die
weitere Reise fuhren wir über Ineu, Varfurile und Campeni ins Ariestal. Die
karge Landschaft wurde mit jedem Kilometer gehaltvoller und grüner und
bergiger. Wir hielten einige Male an um schöne Aussichten zu genießen oder am
Straßenrand nach fressbaren schnüffelnde Schweinefamilien zu bewundern oder
auch an einem der zahlreichen am Wegesrand gelegenen Bars einen Kaffee zu trinken.
Schließlich
gelangten über den Vartoppass nach Arieseni. Von dort aus sollte eine
Seitenstraße in das Bergdorf Patrahajtesti abzweigen, welches das heutige
Tagesziel war. Von unserem Freund Wilhelm Scherz (besser bekannt unter
Karpatenwilli), der im Internet eine ganz ausführliche und informative Internetseite zum Thema Rumänien hat
(www.karpatenwilli.com) und ein richtig guter Rumänienkenner ist, hatte ich den
Tipp bekommen mit Thomas diesen Ort auf zu suchen. Die Besonderheit der ca.
1150m hoch gelegenen Streusiedlung ist, dass da die letzen Tulnicbauer der Region
leben. Tulnics sind einfache Holzblasinstrumente, die im Original bis zu 3 m
lang sind, an die Alphörner erinnern und vorwiegend von Frauen gespielt werden.
Sie dienten in den weit auseinander gezogenen Siedlungen dazu sich zu
verständigen oder den Mann abends von der Feldarbeit an den Abendbrotstisch zu
rufen.
Auf meiner Landkarte war ein dünner grauer Weg nach PATRAHAITESTI eingezeichnet
und schien alles schön unproblematisch, außer dass der Weg vielleicht nicht
ganz so gut sein würde. Thomas und ich waren noch ganz glücklich von unserer
schönen Fahrt durch das Tal mit dem vielen Grün, den Dörfern, den Tieren und
den Leitplanken, die statt wie vorgesehen mit 5 Schrauben jeweils nur mit einer
Schraube befestigt waren. Keine Ahnung wo die anderen Schrauben geblieben sind,
aber mit einer Schraube hielt es ja auch. Beschwingt machten wir uns auf die
Suche nach dem Weg in das Bergdorf. Leider fanden wir ihn nicht und fragten
fröhlich einen Polizisten nach dem Weg. Der schickte uns eine Seitenstraße am
Anfang des Dorfes hinein.
Der Weg war schlecht, wurde schlechter und nach ca. 2 km war er nicht nur am
schlechtesten, sondern endete auch an einem Sägewerk. Unsere Laune war immer
noch gut, denn wir waren in mitten der Berge, die Häuschen lagen idyllisch auf
Wiesen verstreut und nach einigem Suchen fanden wir an einem Häuschen ein paar
junge Leute. Diese waren übrigens gerade am grillen und hatten riesige Steaks
auf dem Feuer, so riesig wie ich noch nie Steaks gesehen hatte. Und ich habe
schon viele gesehen! Die beiden jungen Männer waren Urlauber aus Bukarest und
schauten sich unsere Karte gaaaanz lange an. Sie drehten sie einige Male und
berieten sich und während sich der Tag dem Ende neigte meinten sie, wir sollen
ins Zentrum fahren und dort die erste Gelegenheit rechts abbiegen. Mit
Steakduft in der Nase und normaler Laune eierten wir den Weg wieder zur
Hauptstraße zurück und fuhren einige Male die Straße von Ortseingang Ariesseni
hinauf und bis nach Garda de Sus wieder hinab und probierten dabei jede
Möglichkeit abzubiegen aus. Was sich in dieser Zeit mit unserer Laune geschah,
wissen all die, die schon mal in ähnlicher Situation waren.
Im Zentrum hielten wir an einem kleinen Laden und fragten die Verkäuferin nach
dem Weg. Sie rief einen Mann herbei der einen Mann herbei rief der sich
wiederum mit einem anderen Mann beriet. 3 Personen dieser Runde wussten wo der
Weg war, wobei das verschiedene Wege waren. 2 Personen meinten, dass wir die
Strecke mit dem Opel Omega nicht fahren können und zwei Leute waren der festen
Überzeugung dass so ein schönes Westauto den Weg schafft. Die Beratung zog sich
hin, die Dunkelheit brach über uns hinein und wir nickten zu allem und waren
froh als wir wieder im Auto waren. Ich schlug Thomas vor einfach irgendwo
anders zu übernachten, aber wir waren ja von Aurelia telefonisch angemeldet
wurden und so wollte Thomas auch hinfahren. Schließlich landeten wir wieder an
der Kreuzung, an der wir gut gelaunt vor 2 oder 3 Stunden zum ersten Mal
eingebogen waren. Die
Kreuzung war noch da, die gute Laune war weg. Kein Weg, kein Steg, kein Mensch,
kein Licht, die Gudrun fand PATRAHAITESTI nicht. Eisiges Schweigen an Bord. Und
da passierte was in Rumänien in solchen Situationen der höchsten Verzweiflung
immer passiert. Nämlich ein Wunder!!!! Vor uns stand plötzlich ein Haus vor dem
ein Quadt parkte. Der Quadtbesitzer kam gerade aus der Haustür, ich stürzte auf
ihn zu und sprudelte meinen ganzen Wegeskummer raus. Er hat mich verstanden und
ein gutes Herz, setzte sich auf sein Fahrzeug und meinte wir sollen ihm folgen.
Thomas schwieg nun nicht mehr, sondern brachte sehr direkt seine Meinung zum
Weg zum Ausdruck, denn gut war der nicht! Willi sagte später - waaaas, diesen
Weg seid Ihr mit dem Auto gefahren? - Natürlich hab ich Thomas nicht erzählt,
dass Willi mit seinem Freund die Strecke - immer berghoch - kilometerlang -
gewandert ist...Fest steht, wir hätten den Weg ohne den Quadtfahrer, der nach
seiner Rettungsaktion wortlos verschwand, niemals gefunden.
Doch dann war alles gut und wir standen vor der Tür der Familie Mocan. Die
Mocans waren gerade noch ein bisschen im Stress, denn sie hatten für ihren
Neffen eine Hochzeit ausgerichtet und die sich über 7 Tage hingezogen hatte.
Trotzdem erhielten wir ein schönes Zimmer und wurden reichlich bewirtet. Zuerst
gab es eine leckere Nudelsuppe, später gebratene Wurst und Kartoffelbrei und
selbst eingelegte Gurken. Den Schluss bildeten diverse kunterbunte Kuchenstückchen,
die wohl von der Hochzeit übrig geblieben waren.
Bei dem guten Essen besserte sich auch die Stimmung und schließlich gingen wir
gespannt auf den neuen Tag ins Bett!
Montag, 25.09.2006
Als ich am Morgen erwachte und die Sonne durch das
Fenster schien, war auch der letzte Rest vom "Kein - Weg - kein - Steg - Gefühl"
verschwunden und auf den Weg zur Toilette musste ich erst mal nach draußen
abbiegen und schauen, wo wir in der
dunklen Nacht gelandet waren. Auf jeden Fall unter blitzeblauem Himmel mit
Sonne! Umgeben von frühlingshaftem Grün! Und das Ende September! Ohhh wie
schön! Am Wohnhaus der Familie Mocan
und am Stall der mit Zwiebelzöpfen behangen war (nicht aus Dekorations-
sondern aus praktischen Gründen, aber doch sehr dekorativ) vorbei, gelangte ich
in den Obstgarten. Von da aus konnte man die Berge des Bihorgebirges sehen
und es war als ob sie ganz ganz laut
riefen, "komm Gudrun, komm Gudrun- besteig uns! Trau dich!" Während ich mich langsam um die eigene Achse
drehte um das Ausmaß der Schönheit der Aussicht in allen Richtungen und das für
Ende Oktober sehr saftige Grün zu bewundern, gesellte sich Opa Mocan zu mir und
wir kamen ins Gespräch. Er freute sich über meine Begeisterung für die
Landschaft und die schöne klare Luft und wir rätselten gemeinsam, wie lange ich
wohl brauchen würde um auf den Berg Bihor (Curcubata - 1848 m) zu gelangen.
Eigentlich sah der Berg ziemlich nah aus und ich konnte fast nicht verstehen,
dass er meinte, er würde wohl 2 Stunden bis hinauf brauchen und ich 4. Na ja,
das wollte ich nun schon mal ausprobieren und lief zurück in unser Zimmer wo
mein Mann gerade am Aufstehen war.
Thomas freute sich über meinen Vorschlag wandern zu gehen und nach einem
kräftigen Frühstück zogen wir die Wanderschuhe an, packten etwas Proviant ein
und marschierten gegen 10.00 Uhr los. Über die Wiesen des Nachbarn gelangten
wir auf einen Weg, der so schmal war, dass zwei dicke Kühe da nicht aneinander vorbei
hätten laufen können und rechts und links begrenzte jeweils ein Weidezaun den Pfad. Als Thomas den ersten rumänischen
Weidezaun sah, war es um ihn geschehen und es entspann sich eine große
bewundernde Liebe. Thomas konnte fortan an
keinen Zaum mehr vorbei gehen, ohne daran zu rütteln, zu ziehen und sich
zu wundern, wie mit so wenig Nägeln eine solche Stabilität erreicht werden
kann. Angetan war Thomas auch von der Vielfalt der eingesetzten
Baummaterialien. Es gab Lattenzäune und Drahtzäune, es gab Astzäune und Zäune, die aus den aufgedrehten
Drähten einer Stahltrosse gefertigt waren.
Der Weg führte uns über Weiden, vorbei an wilder
Minze und wildem Thymian, an Silberdisteln und all dem ganzen Grünzeug, welches
man sieht, wenn man nicht nur hinauf, sondern auch mal rechts und links des
Weges schaut.
Nach ungefähr 2 km galt es eine Entscheidung zu treffen. Laufen wir den bequemen Wanderweg weiter oder klettern wir den ausgetrampelten Waldpfad hinauf. Wir entschieden uns für den unbequemen Weg und begannen durch das Gestrüpp "sus sus sus la munte sus" zu steigen. Ach war das schön, Urwald, jede Menge Vogelbeerbäume, Farne. Moose und hoch hoch hoch... keuch ...und weiter hoch...schnief... und hoch... boah ist das steil...wieso wird das immer steiler? ...müsste nicht bald mal ein Weg kommen? ...Halt! Stopp! PAUSE!
Keuchend ließ ich mich auf
einen Baumstumpf plumpsen und hörte meinen recht ungesund klingenden rasselnden
Atemgeräuschen zu. Mein Mann sehr viel durchtrainierter wie ich, war mir immer
eine reichliche Anzahl von Schritten
voraus, behielt mich aber während er nach
einem einigermaßen guten Weg suchte im Blick, damit ich nicht verloren
gehe. Als sich mein Rasselatem in einen Keuschatem umgewandelt hatte, ging es
weiter. Nicht mehr so euphorisch und für meine Verhältnisse flott, sondern
schön langsam Schritt für Schritt mit vielen kleinen Pausen. Immer wieder
schaute ich, ob der Himmel irgendwo vor
uns zu sehen war, aber alle Baumwipfel hatten vor sich noch viele weitere
Baumgipfel die höher waren und auch wieder Wipfel vor sich hatten. Schließlich
gelangten wir auf eine Freifläche, von wo wir einen schönen Blick hinunter ins
Tal hatten. Thomas war stark im
Zweifel, ob wir überhaupt auf dem richtigen Berg waren, aber das war mir
unterdessen egal. Ich saß zufrieden zwischen dem Heidelbeerkraut und sammelte
alle im Sitzen erreichbaren Beeren zusammen. Über uns blauer Himmel und Sonne,
Verpflegung vom feinsten und um mich herum Natur... was wollte man mehr... ? Na
gut, wenn nun natürlich irgendwo noch ein schöner breiter Weg zum
Vorschein käme, der uns im
Spaziergangschritt zum Gipfel schlendern ließe, wäre das sooo schlecht nicht!
Aber man kann nicht alles haben und so kämpften wir uns weiter geradewegs den Berg hinauf, bis wir tatsächlich auf
einen Pfad stießen. Vergnügt
marschierten wir nun auf dem ausgetretenen Weg, doch so wie er aus dem
nichts entsprungen war, so verschwand er auch wieder ohne jegliche Vorwarnung
im Matsch. In Rumänien ist eben alles ganz ganz anders und auch die Einsteinige
Realitätstheorie scheint nicht in jedem Fall in den Karpaten zu gelten.
Also hieß es wieder klettern. Der Wald war hier nicht
mehr so dicht und es war zu merken, dass hier erst vor einiger Zeit Bäume gefällt wurden. Die Stümpfe standen
umher wie Sessel und für jemand untrainierten wie mich stellten sie eine große
Versuchung dar. Doch ich wollte die Rücksicht und die Geduld meines Mannes
nicht unnötig strapazieren und krabbelte zum Teil mit Händen und Füßen weiter
hinauf. Wieder gelangten wir an einen Weg, der sehr breit und von
Pferdefuhrwerken stark zerklüftet war. Frohen Mutes, dass wir nun bestimmt bald
ganz oben sind, wanderten wir weiter. An den Kurven der Serpentinen hatten wir
herrliche Ausblicke und rechts und links des Weges wuchsen Brombeeren, Fliegenpilze,
Maronen usw.
Plötzlich endete auch dieser Weg im Matsch.
Ein paar 100 m balancierten wir noch weiter, doch dann kamen wir an einer Quelle an und
es ging rechts nicht weiter, gerade aus nicht weiter und links ging es wieder
runter. Unterdessen war es 15.30 Uhr geworden. Schweren Herzens (Thomas war
bedeutend schwerer als meins) beschlossen wir den Rückweg anzutreten.
Nach einem kleinen Marsch durch den Wald - begleitet vom Bimmeln der Glocken der Kühe die hier im Wald weideten- fanden wir einen recht bequemen Weg der ziemlich steil ins Tal führte. Später stellte sich heraus dass es sich um ein Flussbett handelte, welches während der Schneeschmelze und starker Regengüsse einen reißenden Bach beherbergte, aber in den trockenen Zeiten für den Transport der gefällten Stämme genutzt wird. Nun war noch einmal Kletterei angesagt, allerdings nach unten. Es hat richtig Spaß gemacht zwischen den großen Steinen die irgendwann ja mal Felsen oder gar ein Teil des Berges gewesen sind herum zu krabbeln. Nach und nach wurde die Angelegenheit nasser und feuchter und schlussendlich wurde der Bachlauf doch wieder zum Bach. Zuerst war ich immer noch darauf bedacht meine Füße trocken zu halten, aber nach dem ich einige Male versuchte von Stein zu Stein zu balancieren, und trotzdem abrutschte, war es mir auch egal.
Ob die Füße nun ein bisschen nass oder ganz nass sind machte keinen Unterschied mehr.....ich wählte die
unkomplizierte Strecke durch den circa
knöcheltiefen Bach und fand dem Wasser im Schuh sogar noch eine gute Seite ab.
Die Blasen die ich mir an den Seiten der großen Zehen geholt hatte, wurden
durch die Feuchtigkeit schön aufgeweicht und taten gar nicht mehr weh. Um ein
paar neue Schuhe muss ich mich trotzdem
kümmern. Meine Wanderschuhe waren zwar teuer und sorgfältig ausgesucht, aber
trotzdem passen meine Füße irgendwie nicht zu ihnen und es wird beim Wandern
nicht immer ein blasenaufweichender Bach in der Nähe sein.
Der Abstieg ging viel
schneller als erwartet und weil es um uns herum einfach nur schön war, richtig
schön, schmissen wir uns auf die Wiese und genossen die Wolken die über uns
waren, den Anblick der Berge in der Ferne und der in der Nähe, das für
September immer noch verdammt grüne Gras, die kleinen Gänseblümchen und die
Silberdisteln......
Irgendwann war die Sonne so tief, dass es kühl wurde und unsere ganze Wiese voller Schatten war, so dass wir den Heimweg zu Mocans antraten. Dieses Mal war ich aber schneller als Thomas, denn dieser ging leidenschaftlich seinem neuen Hobby - dem Weidenzaunbewundern- und rütteln - nach. Bei der Kuh Steluza machten wir noch einen kleinen Zwischenstopp. Thomas war so begeistert von dem Tier, dass er ihm noch eine Rückenmassage verpasste. Das hat Steluza so gut gefallen, dass sie sogar zu schnurren begann! Habt ihr schon mal eine schnurrende Kuh gehört! ? Klingt echt sehr exotisch und gibt es garantiert nur im Apusenigebirge!
Schließlich trafen wir wieder bei den Mocans ein.
Bald saßen wir in gemütlicher Runde mit den Mocans und einigen Nachbarn und
probierten diversen Ţuică aus, wobei unserer aus Arad von Elinitza nicht so
gute Noten bekam.
Auf einmal trafen 3 gediegen gekleidete sehr vornehme und undezent parfümierte Damen ein, die sich als Besuch aus Frankreich entpuppten. Sie müssen irgendeine wichtige Rolle gespielt haben, denn die Frauen der Mocanfamilie flitzten auf einmal wie die Rehe über den Hof und kredenzten Kaffee und Kuchen und waren noch ein bisschen freundlicher als freundlich. Ich habe bis heute keine Ahnung wer die Damen sind, aber vermutlich gehören sie irgend einer Hilfsorganisation an.
Als die Französinnen dann die Tulnic-Werkstatt besichtigen wollten, gesellte ich mich zu ihnen.
Ratila Mocanu, die Museumsdirektorin, hatte ich schon mit ihrem Sohn am Abend vorher kennen gelernt als wir im Finsteren vor dem Abendbrot vom Licht in der kleinen Werkstatt angelockt wurden. Der Sohn stellte in der Werkstatt gerade Holzkrüge her und Ratila wuselte durch die Räume. Natürlich nahm sie auch gern ein Tulnic in die Hand und blies uns ein paar schöne Melodien.
Unser Freund Karpatenwilli war ja schon im Winter in Pathaitesti zu Gast gewesen und hatte die Tulnic-Künstlerin kennen gelernt. Damit ich mich gut auf die Reise vorbereiten konnte, hat er mir ein ca. 1 m langes Tulnic zu meinem Geburtstag im Juli geschenkt. Ich hatte mir fest vorgenommen ein paar Melodien auf dem Gerät zu erlernen, zumal meine übernächste Nachbarin eine sehr versierte Jagdhornbläserin ist und mir zu meinem Geburtstag ein paar recht schöne Liedchen (z.B. Sau tot) auf dem Tulnic vorspielte und mir anbot, mir das auch beizubringen. Allerdings habe ich es nur einmal geschafft ihren Unterricht in Anspruch zu nehmen. Dann demoralisierte mich nicht nur der ausbleibende Erfolg, sondern auch die verzweifelten Rufe der unbeteiligten Nachbarn, die um RUHE baten.
Nun ist der Tulnic vom Karpatenwilli ein dekorativer Gegenstand in meinem kleinen Rumänienzimmer im Keller unseres Hauses und wie schon öfter in meinem Leben gebe ich mich mit der Erkenntnis zufrieden: MAN MUSS NICHT ALLES KÖNNEN! Um so mehr bin ich natürlich in der Lage eine kleine 79 jährige Oma mit einem Gesamtkörpergewicht von höchsten 45 kg ausführlich zu bewundern, die einen 3 m langes Tulnic bläst und dabei den Zuhörer bezaubern kann.
Neben
den Melodien auf den traditionellen Instrumenten ist natürlich auch die
Werkstatt mit all den speziellen für
den Tulnicbau bestimmten Instrumenten interessant und die kleine
Verkaufsausstellung, in der man nicht nur Tulnics sonder auch Gefäße aller Art,
selbstgewebte Geschirrtücher und Teppiche käuflich erwerben kann. Während sich
die Französinnen mit allerlei Souvenirs eindeckten hatte ich Gelegenheit die
Werkstatt zu fotografieren.
Nach unserer Rückkehr in die Unterkunft erwartete ich eigentlich dass die Mocans uns das bereits angekündigte Abendessen servierten. Oh nein, statt dessen wurden die Französinnen ins Haus gebeten und man hörte bis auf die Gartenbank hinaus heftiges Besteckklappern. Ich ahnte es! Die Französinnen bekamen unser Abendessen und uns wurden Stunden später Nudeln mit Käse serviert, die so gar nicht Thomas Geschmack waren.
Auf der Bank vor Mocans Haus mit all den Nachbarn konnten wir dieses kleine Ärgernis allerdings schnell vergessen. Die Stimmung war unterdessen aller bestens. Bis es richtig kalt wurden philosophierten wir über Tulnics, Ţuică und das Leben, aber nicht über wichtige Französinnen!
Dienstag, 26.09.2006
Heute Morgen wusste ich ja was mich erwartet, wenn ich die Unterkunft verlasse und trotzdem ging mein erster Gang wieder an die Frische Luft. Ich wollte nachschauen, ob der unbezwungene Berg vielleicht ein bisschen schadenfroh grinst, ob der Himmel noch so blau und schäfchenwolkenbewölkt ist und ob die Luft noch genau so frisch und klar ist wie am Vortrag. Der erste Blick zeigte - es ist alles in Ordnung. Der Berg lag gelassen in der Ferne und kümmerte sich nicht um mich, das Wetter war klar und schön und die Luft rein und fein.
Das gute Frühstück entschädigte uns für das von den Französinnen weggefutterte Abendessen (da fällt mir ein in unserer Familie haben wir eh ein angespanntes Verhältnis zu den Franzosen- welches sich nun fortsetzt- aber das ist eine gaaaanz andere Geschichte!!!) und nachdem wir unsere Sachen gepackt hatten, machten wir uns auf den Weg, die Wasserfälle von PATRAHAITESTI zu besuchen. Der älteste Herr Mocan hatte uns den Tipp gegeben. Gleich hinter dem Haus ging ein schmaler durch Weidezäune begrenzter Weg entlang. (Ich erspare dem Leser an dieser Stelle weitere Ausführungen hinsichtlich Thomas Hobby, dem Weidenzaunrütteln) und führte dann steil ins Tal zu dem Fluss durch dessen Flussbett wir am Tag zuvor gewandert waren. Die alten Mocans waren gerade bei der Heuernte und winkten uns zu. Wir winkten freundlich zurück- aber es stellte sich heraus, dass wir nicht freundlich gegrüßt, sondern informiert werden sollten. Da wir nicht gleich begriffen, kam die kleine Oma Sorina Mocan über die Wiese geflitzt und redete auf uns ein. Weil wir immer noch nicht verstanden was los war, deutete sie uns, dass wir ihr folgen sollen. Aha, sie wollte uns eine Abkürzung zum Wasserfall zeigen. Wie ein Wiesel lief die alte Frau mit ihrem krummen Rücken und den gebogenen Beinen vor uns her, balancierte wie eine Elfe über Bretter die über morastische Stellen der Wiese gelegt waren und brachte uns zu einem Weidezaun, den wir überklettern sollten. Kaum hatte sie das erledigt, war sie schon unterwegs um ein Pferd welches auf einer Wiese etwas unterhalb graste " umzusetzen" und hatte plötzlich ein mächtiges Beil in der Hand um den Pflock in den Boden einschlagen zu können.
Wir aber hatten
Urlaub und schritten gemächlich zum Wasserfall. Am Flussufer
wuchsen jede Menge verschiedene Blumen
und Pilze und das Grün war hier noch unherbstlicher grün. Saftig grün. Der
Besuch des Wasserfalls lohnt sich auf jeden Fall.
Auf dem Rückweg nahmen wir eine kleine Abkürzung der Abkürzung und gelangten zu einem Feld, auf dem emsiges Gewusel herrschte. Es war nämlich Kartoffelernte und ca. 15 Leute standen in Reih und Glied und buddelten Kartoffeln aus. Wenn die Kartoffeln auf einer Zeile aufgesammelt waren, holte einer der Bauern das auf der Wiese grasendes Pferd, spann den Pflug an und grub die nächsten Kartoffeln aus. Zwischen den Leuten flitze natürlich auch wieder die 71 jährige Sorina Mocan herum, die wie ich beobachtete nicht nur die älteste, sondern auch die schnellste Kartoffelaufleserin war.
Irgendwie war es uns dann doch peinlich als
ausländische Urlauber den Leuten bei der Arbeit zu zuschauen und wir liefen
zurück zur Unterkunft. Im Hause Mocan angekommen erwartete uns Ioan mit einigen
Abschiedsgeschenken. Ich bekam einen handgefertigten Spazierstock und Thomas
einen kleinen Tulnic.
Der Weg vom Dorf Patrahaitesti hinunter nach Arieseni war im hellen genau so schlecht wie im dunkeln, nur dass man bei Licht betrachtet die Unebenheiten und Steine viel deutlicher sehen konnte und damit die Gefahr für den Unterboden des Autos viel besser vor Augen geführt bekommt. Thomas hatte die ganze Zeit das Gefühl, dass wir uns verfahren hätten, aber einmal im Leben hatte ich doch die richtige Richtung im Gespür und wir kamen ohne Schäden in der Stadt an.
Gemütlich und
immer schön nach rechts und links blickend fuhren wir durch das Ariestal
bis nach Albac, wo uns ein kleines
hübsches Kloster anlockte. Wie in allen Klöstern die wir in Rumänien besucht
haben, gab es eine ganz besondere liebevoll gepflegte Pracht aus Astern,
Zinnien, Studentenblumen usw. zu
bewundern. Überall gab es Blumenrabatten und
Gefäße mit dekorativ hergerichteten Pflanzen. Das ganze Kloster wirkte
gepflegt bis ins Detail und mit Liebe
behandelt. Die Nonnen des Klosters
waren auch gerade emsig bei der Arbeit, denn sie sortierten Holzabfälle, die
sie wahrscheinlich als Brennholz benutzten. Zwei Arbeiter in riesigen
Gummistiefeln, mit Pudelmütze und Wollpullovern in grellen Farben karrten das
Holz in einen Schuppen und bildeten einen krassen Gegensatz zu den schwarzgekleideten geradezu filigran
wirkenden Nonnen, die eher schwebten
als liefen.
Wie fast überall gab es auch hier eine junge Nonne,
die der deutschen Sprache mächtig war und uns zunächst erklärte, dass sie Deutsch in Regensburg
gelernt hätte und schon viel von der Sprache vergessen hatte. Sie redete mit
uns in einem sehr sanften Ton wirkte genau so wie man es sich von einer Nonne
vorstellt. Fast im Flüsterton
berichtete sie uns, dass in diesem Kloster, welches 14 Jahre alt ist 7
Nonnen leben. Ihren Lebensunterhalt verdienen sie mit dem Malen von Ikonen
und mit ein wenig Landwirtschaft.
Weiter fuhren wir nach Campeni, wo wir zum Mittag eine Suppe essen wollten. Zuerst gab es aber ein Parkplatzproblem, denn es war gerade Markttag. Als Thomas sich gerade mühevoll auf einen Platz geruckelt hatte und wir ausstiegen, kam ein Mann zu uns und erklärte, dass wir ganz ungünstig stehen und wir minütlich mit dem Eintreffen der Polizei und einen Strafzettel zu rechnen hätten. Also machte sich Thomas auf eine Runde zu drehen. Schließlich fanden wir einen Platz genau vor dem Markt. Nun war die erste Gelegenheit für mich eine Tschorba de Vacă zu essen. Vacă heißt soviel wie Kuh und ich LIEBE diese Suppe in Rumänien. Natürlich macht sie jede Küche anders, aber Rindfleischsuppe egal ob mit Nudeln oder Reis, mit viel oder wenig Gemüse, mit etwas Tomate oder ganz klar...diese Suppe schmeckt einfach immer, weil sie gut gewürzt und schön kräftig ist. Die eigentlich traditionellste Suppe in Rumänien ist übrigens die Tschorba de burtă, die aus Kutteln hergestellt wird die in einer weißen Brühe schwimmen und säuerlich abgeschmeckt ist. Diese Suppe ist auch sehr lecker. Hier mal das Rezept
(Quelle: http://www.ursulet.de/rezepte/cburta.htm)
500 gr. Kutteln (ungekocht)
Zwiebel (groß)
1 Zitrone
1 dl Rahm
Maggikraut
Blätter vom Stangensellerie
500 gr. Suppengemüse
Knoblauch (6-8 Zehen)
1-2 Eigelb
300gr. Kalbsknochen
Petersilie
Kutteln mit den Knochen in 3l Wasser mit 1TL Salz ca. zwei Stunden kochen. Suppengemüse (Sellerie, Gelberüben und Petersilienwurzel) und Zwiebel ungeschnitten zugeben und mitkochen. Wenn Kutteln gar sind Gemüse und Knochen herausnehmen. Suppe vom Feuer nehmen und salzen, mit Zitronensaft (oder Essig) säuern. Geschlagenes Eigelb und Rahm darunter mischen. Ca. 2EL Öl und den gepressten Knoblauch zugeben. Am Schluss frische Kräuter (vor allem Maggikraut) gehackt zugeben.
Uns stand aber der Sinn nach einer Kuhsuppe, die wir in einem der üblichen kleinen Restaurants bekamen. Das Restaurant war so "rumänienüblich", üblicher geht es kaum...es gab die üblichen Stühle und die üblichen Tischdecken mit den üblichen Brandlöchern die üblicherweise Zigaretten entstanden waren. Es waren natürlich auch die üblichen Gäste da - nämlich Geschäftsmänner die bei Kaffee heftig diskutierten und Jugendliche die vor ihrem Bier saßen und ihren Gedanken nachhingen. Auch der Getränkekühlschrank von Coca - Cola war üblich und die Kellnerinnen erst recht. Stark geschminkt in sehr seltsamen Uniformen aus synthetischen Stoffen mit geringem Baumwollanteil und hochgesteckten Haaren. Die Suppe schmeckte wie üblich richtig gut und ich war so richtig schön zufrieden. Wie üblich wenn ich in Rumänien bin. Mit der leckeren Suppe im Bauch schlenderten wir über den Markt in Campeni. Bauernmärkte in Rumänien sind immer schön, aber ich denke Ende September ist die beste Zeit für einen Marktbesuch. Es gibt Gurken und Bohnen, Weintrauben und Auberginen und natürlich Paprika. Leuchtend rot und meist kugelrund, so dass Thomas, der Ungläubige, jedes Mal zweifelte, dass es sich um Paprika und nicht um Tomaten handelte. Hinter Campeni verließen wir vorerst das Ariestal um entlang des Flusses Abrud ein paar Kilometer nach Süden fuhren um nach Rosia Montana zu gelangen, wobei noch einige Male Pausen an besonders sehenswerten Brücken eingelegt werden mussten. Thomas wunderte sich immer wieder über den rumänischen Einfallsreichtum beim Brückenbau. Zwei Holzstämme ohne Geländer, oder ein nicht mehr genutzter Telegrafenmast mit - wie luxuriös - Bohlen belegt und ein angepfiffenes Geländer (aber ohne all das geht es auch) gehen in Rumänien als Brücken durch. Kein Bauamt, kein Tüv der meckert, misst und kontrolliert. Es hält schon. Thomas - Stahlbauingenieur der sich den ganzen Tag mit Statik und perfekten Bauwerken beschäftigt schwankte immer wieder zwischen Spott - Wundern und Bewundern!
Rosia Montana ist ein besonderer Ort über den unter meinen Rumänienfreunden viel diskutiert wird. In den Bergen rings um den Ort gibt es Goldvorkommen, die zu den größten Europas zählen. Der Goldabbau in diesem Gebiet hat eine sehr lange Tradition, zuerst gruben die Daker das Gold aus und ab dem 1. Jahrhundert unserer Zeit die Römer. Noch heute sind angeblich ca. 145 km Stollen aus dieser Zeit vorhanden. Seit der "Wende" gibt es immer wieder Aufregung, denn wo Gold ist gibt es auch Interessenten. Hier spielt der rumänische Staat und eine kanadische Firma eine Rolle und natürlich Umweltorganisationen, die das Gebiet in dem seit so vielen Jahren gegraben und mit Chemikalien (Zyanid) hantiert wird zum ökologisch wertvollen Gebiet erklärt haben. Ich halte das allerdings für ein wenig übertrieben, denn aus einem Schweizer Käse kann man keine Schwarzwälder Kirschtorte machen, auch wenn man schöne grüne Protestplakate aufhängt. Nun hat eine kanadische Firma die "Schürfrechte" und die Bergarbeiter erst mal in die Arbeitslosigkeit geschickt. Da wir nun einmal in der Nähe waren, wollte ich Rosia Montana, den Zankapfel über den es sooo viele Meinungen gibt auch mal sehen. Wir fuhren in den Ort, der eigentlich entlang einer Straße liegt und in dem es immer bergauf geht. Je weiter wir hinein kamen, um so maroder wurden die Gebäude. Gleich neben der Kirche gibt es ein paar Wohnblöcke aus deren Fenstern in den unteren Etagen die Leute herausschauten oder Wäsche aufhängen und aus dessen oberen Etage kleine Birken heraus wuchsen. Im Ort war eine ganz seltsame Stimmung. Die vielen verlassenen Häuser, zerfallen und marode und die Menschen in den grünen T-Shirts mit dem Wappen einer Umweltorganisation. Ich dachte an das kleine sorbische Dorf Horno ganz im Osten Deutschlands, welches der Braunkohle weichen musste. Horno in der Lausitz (Ostsachsen) gibt es praktisch nicht mehr. Ein paar widerstandsfähige Bewohner leben in ihrem Dorf förmlich umbaggert wie in einem Käse mit überdimensionalen Löchern. Ob es in Rosia Montana auch bald so sein wird? Irgendwie hatte ich das Gefühl den Leuten lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende zu wünschen. Die Straße ins Dorf hinein endet auf einem Platz, der wohl früher mal ein richtig schöner Flecken gewesen ist, denn eine reichlich verzierte Hausfassade zeugt von einem gewissen verflossenen Wohlstand. Ich denke jeder der nach Rosia Montana kommt fotografiert diese Ruine, auch der Karpatenwilli, bei dem man auch nähere Informationen zu dem Ort, seiner Geschichte und den Sehenswürdigkeiten in der Umgebung bekommt. http://www.karpatenwilli.com/apuseni/romont.htm
Wir kamen uns ein bisschen vor wie auf der Vorbereitungsfeier zu einem Begräbnis. Am Hauptplatz befindet sich auch ein Büro der Umweltorganisation, die die hübschen grünen T-Shirts mit dem orangen Emblem an die Bevölkerung des Ortes verteilt hat. Ich klopfte zaghaft an die Bürotür und wurde so richtig enttäuscht. Statt ein emsiges Treiben mit Stapelweisen Protestplakaten und Transparenten saß ein ganz braves junges Mädchen mit schwarzer Lockenfrisur hinter einem leeren Schreibtisch und tippste auf ihrem Computer herum. Ich stellte keine Fragen, außer die wo denn das Museum von Rosia Montana ist und schüchtern wurde uns erklärt, dass wir die Dorfstraße wieder hinunter müssten. So sanft wie nur möglich schloss ich hinter mir die Tür um die Kleine nicht unnötig zu erschrecken und erblickte dabei einen Magazin Mixt mit einer Bar. Ein Blick zu Thomas, ein kurzes Nicken von ihm und schon saßen wir wieder mal in so einem so schön einfachen und urgemütlichen Etablissement mit mehreren finsteren Gestalten und ließen uns einen dieser kleinen überstarken Kaffees machen zu denen Thomas immer Milch braucht was auch hier zu einer hübschen Hilflosigkeit der Bardame führte. Hinter der Bar versteckte sich noch ein herrlicher Laden, der es mit jedem deutschen Tante Emmaladen der 50iger Jahre auf nehmen konnte. Wir kauften da einige Flaschen Wein und dachten, dass wir auch den Kaffee mitbezahlt hatten. Wie mir später beim Durchlesen des Kassenbons auffiel, haben wir den Kaffee doch nicht bezahlt. Deshalb eine Bitte an alle, die in Rosia Montana die Eckkneipe am Hauptplatz aufsuchen. Bitte bezahlt unseren Kaffee und stellt es uns dann in Rechnung! Vielen Dank!
Wir begaben uns nun auf die Suche nach dem Museum und fanden es auch nach mehrmaligem Fragen in der Nähe der Kirche. Es gibt kein Hinweisschild und der Eingang ist eigentlich ein Grundstückseingang etwas abseits von der Straße. Doch dann standen wir auf dem Gelände welches ich von vielen Fotos kenne und auf dem alte große Maschinen ausgestellt sind, die für das Fördern des Goldes benötigt werden. Natürlich wollten wir nun auch unter Tage, fanden auch den Eingang zum Museumsstollen, aber die Tür war verschlossen. Die Reisegruppe Pauksch trennte sich nun und Thomas suchte rechts und ich links nach einem Ansprechpartner. Ich hatte mehr Glück denn ich spürte einen Herren in seinem Büro auf, der mind. Direktor war und sich auf englisch mit mir unterhalten wollte. Oh goood, my English is soooo bad. I'm so sorry! Ich will INS Museum! Na ja, er verstand mich auch so und rief jemanden an der jemanden anrief der uns dann jemanden schickte. Wir warteten ein paar Minuten in der Sonne und schließlich kam ein älterer Herr mit einer Lampe angeschlendert. Leider sprach Carol nur wenig Deutsch und entschuldigte dafür. Ich fand ja, dass wir uns genau so entschuldigten müssen, dass wir kein rumänisch können. Also entschuldigten wir uns ein paar Mal hin und her, bezahlten nebenbei unsere 15 neuen Lei pro Nase für den Eintritt und erfuhren zudem noch, dass Carols ungarische Name da her rührt dass seine Mutter Ungarin war. Die Urgroßmutter väterlicherseits war allerdings deutsche. Nachdem das alles geklärt war ging es hinab in die Tiefe. 150 Stufen tipp tipp tipp. Es war als ob es in die Hölle ginge, kalt und feucht, wo wir uns doch gerade noch auf einer Bank gesonnt hatten.
Carol erklärte uns in welcher Art Gänge wir uns gerade befinden. In den römischen fast 2000 Jahre alten Stollen bekam man schon ein ehrfürchtiges Gefühl. Thomas bewunderte natürlich wieder die Technik, allerdings nicht die römische sondern die gegenwärtige und auch den Mut und die Risikobereitschaft der rumänischen Bevölkerung. Die Lampen zum Ausleuchten der Gänge würden jeden deutschen Sicherheitsbeauftragten zum Nervenzusammenbruch treiben. Die Kabel die zu den Lampen führen, haben teilweise keine Isolierung mehr und der Lampenschirm, der die Fassung vor der Feuchtigkeit schützen soll, war einfach oben auf die Lampe gesetzt, weil er immer voll Wasser läuft, wie uns Carol ganz selbstbewusst erklärte.
Nach der Besichtigung schnieften wir die 150 Stufen wieder hinauf und freuten uns wieder auf der Erde zu sein.
Ein Stück wollten wir noch weiter fahren und deshalb verabschiedeten wir uns von Rosia Montana (alles Gute!!!! - was immer auch das Gute für diese Stadt ist) und fuhren die Straße 74 A zurück nach Campeni und von da an weiter im Ariestal über nach Baia de Aries. Dieser Ort ist auch eine Bergarbeiterstadt. Die Mine befindet sich mitten im Zentrum ist auch seit ein paar Monaten geschlossen. Viele Leute sind arbeitslos geworden und selbst an so einem schönen sonnigen Herbstabend sah die Stadt so trostlos aus, dass wir statt einen Stadtrundgang nur eine kleine Stadtrundfahrt machten. Nach 5 km am Ende des Dorfes Brazesti fanden wir eine Pension mit sehr schönen und sauberen Zimmern und einer guten Küche. Auf der Terrasse gönnten wir uns ein Bier und genossen den Ausblick auf die umliegenden Berge (Turburelul 1304 m) und schönen Weidenflächen mit Weidenzäunen! Das besondere Spezial in diesem Hotel war für mich übrigens das kleine Fenster in der Duschkabine das während des Duschens einen wunderschönen Ausblick auf die schönen Berge gewährt. Nach einem schönen Abendbrot mit Tschorba und Wein war der Tag zu Ende.
Mittwoch, 27.09.2006
Der 27.September ist jedes Jahr für unsere Familie ein ganz besonderes Datum, auch wenn wir so manches Jahr gar nicht daran gedacht haben. Aber vielleicht ist es auch ein gutes Zeichen, wenn der Hochzeitstag nicht sooo wichtig ist und man ihn immer mal vergisst. In diesem Jahr haben wir ihn aber nicht vergessen, denn nun sind Thomas und ich 20 Jahre miteinander verheiratet. 20 Jahre...so eine lange Zeit und so viel ist passiert.
Gegen 9 Uhr waren wir nach einen prächtigen Frühstück wieder auf der Straße, immer noch entlang des Ariestals fuhren wir durch kleine Dörfer und Straßen die von sanften Gebirgszügen gesäumt waren. Überall war viel los. Kartoffelernte und Menschen die Dinge hin und her transportierten. Mir fiel auf, wochentags niemand unterwegs war ohne eine oder öfter mehrere Taschen, Beutel, Säcke mit sich herum zu schleppen und etwas von A nach B zu tragen. Aber an den Sonntagen, da hatte niemand etwas in der Hand.
Ganz besonders in Herz geschlossen hatte ich die schönen Fuhrwerke vor
denen mächtige Ochsen gespannt waren. Meistens strahlte der Begleiter des
Gefährts genau so eine Ruhe aus wie die schönen Tiere. Ganz gemächlich zogen
die mächtigen Ochsen ihre Last durch
die Straßen. Oft waren die Wagen so hoch und breit beladen, dass sie die ganze
Straßenbreite einnahmen und die Räder
nicht mehr zu sehen waren. Ein witziger Anblick, wenn man auf einmal einen
riesigen sich im Zeitlupentempo bewegenden 4 m hohen Heuhaufen vor sich hat.
Thomas hatte natürlich wieder die Gelegenheit sich zahlreiche Brücken, Zäune
aller Art und Leitplanken an zu schauen. Es gibt wirklich nur sehr sehr wenig
Leitplanken, in denen die vorgesehenen 5 Schrauben noch vorhanden waren. Meist hielt eine einzige Schraube die Planke fest.
Ob sie aber auch ein Auto vor dem Absturz in die Tiefe - was ja der eigentliche
Sinn einer Planke ist- abhalten würde, wage ich stark zu bezweifeln.
Aber nicht nur das Gebirge, die Menschen und die Leitplanken waren
interessant, sondern auch der Fluss Aries, unser Begleiter seit einigen Tagen.
Über mehrere Kilometer war sein Wasser
z.B. zweifarbig. Auf der einen Seite floss grünes Wasser und auf der
anderen graues. Nichts vermischte sich über Kilometer, als würde jemand mit
sicherer Hand und viel Ausdauer einen Strich entlang des Flusslaufes gezogen zu
haben, denn die Naturgesetze der Osmose und Diffusion waren für eine wirklich
lange Strecke außer Kraft gesetzt.
Auf Anraten der Schwiegertochter des Tulnicbauers bogen wir in dem Ort Buru nach Iarba ab. Dort soll es besonders schön sein. Leider hatten wir nicht so genau verstanden, um welche Art Schönheit es sich in dem Ort handelt, aber weil auf meiner Landkarte eine unitarische Kirche eingezeichnet war und ich mir darunter gar nichts vorstellen konnte, bat ich Thomas diesen kleinen Abstecher zumachen. Die Straße führte uns zunächst durch ein schönes Tal immer entlang der Iara. Im Städtchen parkten wir im Zentrum direkt vor der Kirche, die leider abgeschlossen war. Vor der Kirche mühte sich eine Gruppe von Männern damit ab einen Gabelstapler zu reparieren, aus dem überall schwarze Flüssigkeit (Öl ?) in kleinen Bächen heraus rann.
Wir fragten nach dem Schlüssel für die Kirche und wurden ein bisschen ignoriert. Ich hatte schon Verständnis dafür, dass ein defekter Gabelstapler wichtiger ist als zwei deutsche Touristen die in eine Kirche wollen. Doch wo wir nun schon einmal da waren klapperten wir sämtliche Läden der Dorfstraße ab. So ein rumänischer Gemischtwarenladen hat schon was und erinnert mich an "Das Haus der 1000 Dinge" in meinem Heimatort. All die nützlichen Dinge von Klopapier über Gardinen bis zu Plastikschalen und besonders formschöne ausgeblichene Plastikbrotkörbchen. Aber in den rumänischen Läden dieser Art gibt es auch noch Hufnägel und charmante Totenkränze mit grellbunten Kunstblumen und vieles ist ein wenig verstaubt und ausgeblichen.
Nach der anstrengenden Bummelei durch die Einkaufsmagistrate der Stadt
mit den 2 Läden, der verschlossen Kirche, 2 Denkmälern und einem defekten
ITALIENISCHEN Gabelstapler bedurften wir einer Pause und zogen uns in das
Kaffee auf einen Kaffee zurück. Das besondere an dieser Einrichtung war, dass
sich ein sehr großes Fenster neben der Tür befand. Es erinnerte mich an gewisse
Etablissements die es entlang der Straßen der deutsch - tschechischen
Grenze gibt. Nur saßen hier nicht
leicht (oder gar nicht) bekleidete Mädchen hinter der Scheibe, sondern 4
Polizisten, die in gemütlicher Runde einen Kaffee nach dem anderen tranken und
dabei durch die Scheibe ihrer Überwachungsfunktion nachkamen. Ansonsten war es
eines der Restaurants die einfach nur kalt und verräuchert sind. Wir
bekamen zum Kaffee schmutzige Löffel
serviert und eigentlich macht mir so
was nicht viel aus. Der Löffel wird gründlich mit irgendwas abgewischt und
fertig. Aber hier war mir die Geschichte doch reichlich unangenehm,
wahrscheinlich Ansteckung von meinem
Mann, der bei SOWAS überaus empfindlich ist. Der Kaffee war schnell getrunken
und als wir zurück zum Auto schlenderten, stand in der Gabelstaplergruppe ein
Mann der wie ein richtig echter Ungar aussah und einen großen Schlüssel in der
Hand hielt. Ach, dass ist es was ich an Rumänien mag, irgendwie kommt man doch
ans Ziel und das war ja in diesem Fall
die unitarische Kirche. Ich gebe zu, ich wusste nicht was eine unitarische
Kirche ist. Der rote Kreis der in
meinem Atlas aber um das Kirchensymbol
war, zeigte, dass es etwas ganz besonderes ist. Dir Kirche verblüffte mich
doch. Sie war innen total in blau - weiß gehalten und der "Altar" (es war kein richtiger Altar, eher ein Tisch) der Gemeinde den Pfarrer immer von hinten
sieht. Leider konnten wir uns mit unserem Führer nicht verständigen, weil er
nur rumänisch und ungarisch sprach und insgesamt ein wenig schüchtern wirkte.
Zu Hause habe ich dann über den Unitatrismus nachgelesen und bei Wikipedia
unter anderem folgendes gefunden...
Unter
"Unitas" verstehen Unitarier die Einheit von Gott, Natur und Mensch.
Zentrale Grundsätze sind der Glaube an die Einheit allen Seins, welches vom
Wesen des Göttlichen durchdrungen ist, und der Glaube an die menschliche
Vernunft. Die Unitarier leiten sich in der Lehre von den Antitrinitariern
der Aufklärung und den Sozinianern
ab und halten teilweise an ihren christlichen Wurzeln fest, auch wenn sich die
meisten der Unitarier von den christlichen Wurzeln gelöst haben. Unitarische
Glaubensgemeinschaften finden sich heute vor allem in Ungarn, Rumänien
(Siebenbürgen),
Großbritannien,
Deutschland und Nordamerika,
wo viele Unitarier eine konfliktfreie Verwirklichung ihres Glaubenslebens
suchten. Obwohl unitarische Vorstellungen in der Geschichte verschiedener
Religionen und religiösen Traditionen aufgetreten sind, spricht man von
Unitariern erst, seitdem sich Menschen dieses Glaubens zu Gemeinden
organisierten. Dies geschah im Wesentlichen nach der Reformation
und im Zeichen der Aufklärung, als es in Europa möglich wurde, das Dogma der
Dreieinigkeit in Frage zu stellen. Von den großen Kirchen als Ketzer
angesehen, wurden die Antitrinitarier oft verfolgt (siehe z.B. Michael
Servetus)
Wir gaben dem schüchternen unitarischen Ungarn ein bisschen Trinkgeld und verabschiedeten uns von Iarba um weiter Richtung Turda zu reisen. Nach einer Pinkelpause passierte ein großes Unglück. Als ich mich voller Schwung und Elan zurück ins Auto plumpsen lies, platze meine heißgeliebte älteste Jeans auf. Ich habe sie würdevoll hinter einem Busch beerdigt, vielleicht wird ein umherziehender Hirte sie finden bevor sie verwittert ist und sich daraus Putzlappen basteln!
Über Turda und eine Umfahrung von Târgu Mureş ging es weiter nach Balauseri, wo wir für einen Bekannten eines Bekannten ein kleines Päckchen für eine Familie abgeben sollten. Leider waren die Leute nicht zu Hause und wir übergaben das Paket einer ganz alten Nachbarin, die nach unserem minutenlangen Rufen tief gebeugt die Tür öffnete.
Auf der Strecke von Balauseri nach Sovate erstreckte sich ein Dorf nach dem anderen. Wir fuhren noch immer durch die Gebiete der ungarischen Minderheit und bewunderten die besonders schönen Dörfer mit den reichen Schnitzereien, besonders an den Toren. Vor Gehorghie durchfuhren das Gebirge Gurghiului. Am Pasul Pangarati (1256m) legten wir eine Pause ein. Wir standen in einer Nadelkurve und vor uns erstreckten sich wunderschöne Täler und Berge. Doch Thomas schaute auch den Berg hinunter und da lagen ungefähr 5 Milliarden Plastikflaschen. Ob die wohl jemals aufgelesen werden? Und was fühlt ein Rumäne (?) dabei seinen Krims Krams einfach einen Abhang hinunter zu werfen? Ich weiß jetzt jedenfalls ganz genau wie sich ein deutscher Tourist dabei fühlt das zu sehen und welche Gedanken er sich dazu macht. Bis zum Lacul Rosu war das nämlich das Thema in unserem Auto.
Um es mal mit den Worten meines
geliebten Reiseführers von 1972 zu sagen, der Lacul Rosu eingebettet in einem Tal des Munţii Hasmas und zwischen den Bergen Suhardul Mare (1507 m)
und Ghilcus (1376 m) gelegen, gehört zu den bedeutenden Sehenswürdigkeiten
Rumäniens. Er entstand als 1837 (alter Reiseführer) oder 1838 (neuer
Reiseführer) durch einen Erdrutsch.
Dabei ist der Wald buchstäblich ins Wasser gerutscht und noch heute sieht man
die Baumstümpfe, die unterdessen versteinert sein sollen, gespenstig aus dem Wasser ragen. Es ist in
meinen Augen überhaupt nicht so, dass es sich hierbei um eine wahnsinnig tolle
Sensation handelt Aber der See ist eben ein Ziel in einem Naherholungsgebiet
und sein Name bedeutet ROTER See oder auch Mördersee. So was zieht natürlich
immer. Wir drehten eine kleine runde und aßen ein Baumkringel, für den es wohl
keinen rumänischen sondern nur einen ungarischen Namen gibt und als auf dem Parkplatz zurück waren und
in unseren Opel steigen wollten, fiel uns ein anderes Auto auf, bei welchem die
ersten Buchstaben des Nummerschildes MAI waren. Das fanden wir ungewöhnlich und
während ich um das Auto herum schnüffelte um irgendwelche Indizien zu finden,
die das unbekannte Zeichen erklären,
kamen 3 mächtig wichtig aussehende und 1 normalaussehender Herr
Baumkringel essend auf uns
zugeschlendert. Mein loses Mundwerk schnatterte natürlich gleich darauf und in
meinem dilettantischen rumänisch versuchte ich die Wichtigkeit des Autos und
der Herren zu ergründen. Doch nur der Fahrer
kommunizierte mit mir, während die anderen 3 futternd in den Wagen,
einen Skoda Oktavia, einstiegen. Wenn ich es richtig verstanden habe hatte ich
es mit Funktionären einer Sonderpolizei oder der Feuerwehr zu tun. Aber mal
ehrlich so oberwichtig können die ja nun weiß Gott nicht gewesen sein, sonst
hätten sie nicht zu dritt in einem Autositzen müssen.
Die Straße führte uns nun durch den Bicaz Klamm. Das Flüsschen Bicaz hat
sich tief tief in die Felsen eingeschliffen und die Landschaft bietet dem
Reisenden ein beeindruckendes Bild. Fast hat man den Eindruck, dass man, wenn
man sich mitten auf die Straße stellt und die Arme ausbreitet rechts und links
an den Felsen anstößt. Das ist aber eine Frage des Blickwinkels, denn in
Wirklichkeit führt eine ganz normale Straße durch die Schlucht und dazu verläuft auch noch der Fluss. Ich war
schon auf meiner ersten Rumänienreise 1996 hier und damals schon genau so
beeindruckt.
Nun hatte ich Thomas auch diese besondere Sehenswürdigkeit meines Lieblingsurlaubslandes gezeigt und da sich der Tag dem Ende neigte wurde es Zeit eine Unterkunft zu suchen.
In der Dämmerung fuhren wir in das Örtchen Bicaz (10000 Einwohner) ein, welches am Fuße des berühmten Bicazstausee liegt. An einer T-Kreuzung entschieden wir uns Richtung Norden zu fahren und nach einer Kirche mit einem Terrassenförmig angelegten Friedhof erblickten wir ein riesengroßes Motel. Ich weiß auch nicht was mich geritten hat, aber ich schlug Thomas vor da zu nächtigen. Mein Mann ist ein vorsichtiger Mensch und meinte, ich soll mir doch mal die Zimmer ansehen. Ich marschierte die riesige und defekte Treppe zum Eingang hinauf, klinkte an einigen Türen die ich für selbigen hielt und wanderte weiter an verspiegelten Fensterfassaden. Irgendwo ging es dann doch rein und ich landete in einer riesigen Halle die als Bar genutzt wird. Alles war überdimensional und vor der Bar die gleichzeitig die Rezeption war kam ich - obwohl ich 172 cm groß bin- wie ein Zwerg vor.
Ich ließ mir von einer spindeldürren angemalten und geschmückten Bardame ein Zimmer zeigen. Dabei marschierten wir durch eine weiter mit Stühlen und Tischen ausgestatteten Halle an deren Ende ein Fernseher vor sich hindröhnte. Durch ein kleines Labyrinth ging es in die Motelzimmer. Ich warf einen kurzen Blick in das angebotene Zimmer und auch in das Bad, fand es ok und den Preis (50 Lei) auch und war zufrieden.
Als ich meinen Mann mit in das
Zimmer nahm, merkte ich schon auf dem
Weg dahin, dass ich nicht so ganz die richtige Entscheidung getroffen hatte.
Was ich als skurriles Motel empfand war für ihn Horror. Das Zimmer fand er
scheußlich und verwohnt und schließlich fragte er mich vorwurfsvoll, wo denn
das Fenster wäre. Natürlich hatte das Zimmer ein Fenster, aber bei der
Erstbegehung hatte ich entgegen meiner sonstigen Gewohnheit nicht zuerst hinaus
geschaut und so konnte ich nicht bemerken, dass das Fenster nicht in irgend
eine Landschaft zeigte, sondern in das Nachbarhotelzimmer. Es beschäftigt mich
noch heute, was sich wohl ein Architekt dabei denkt Zimmer mit solchen
Grundrissen und Anordnungen zu entwerfen und was Bauherren dazu bewegt, nach
solchen Entwürfen zu bauen.
Leider hatte ich auch nicht die Rattenlöcher mit dem davor ausgebreiteten Rattenfutter gesehen. Ich habe halt ein Dienstauge und ein Rumänienurlaubsauge welches nicht so sehr auf solche Details achtet.
Meinen Vorschlag noch ein anderes
Hotel zu suchen lehnte Thomas auch ab, meinte aber, er will auf gar keinen Fall
eine Minute länger als unbedingt nötig in dem Raum bleiben. Also begaben wir
uns in die Stadt. Unterdessen war es dunkel geworden und nieselte etwas. Das
trug dazu bei, dass Thomas seinen ersten Rumänienkoller so richtig "genießen"
konnte. Schließlich fanden wir ein recht annehmbares Lokal mit Biergarten, der
zur Straße zeigte. Eine Suppe und eine Flasche Wein ließ die Stimmung wieder etwas
besser werden. Nach der zweiten Flasche sah die Welt noch ein bisschen anders
aus und nachdem wir auch noch eine
dritte Flasche (Sec Murfatlar) und unzählige Male auf unseren 20. Hochzeitstag getrunken und alle Buchstaben des Alphabets
beim Name -Stadt - Land Spiel verwendet hatten, war die Welt wieder in Ordnung.
Schließlich waren wir die letzten Gäste
im Restaurant trudelten wieder zurück
in das schrecklich (Thomas) - schön skurrile (Gudrun) - Motel. Thomas
verkroch sich aus hygienischen Gründen in seinen Bundeswehrschlafsack mit
Ärmeln und Kapuze und auch ich schlief
weinselig in dem faktisch fensterlosen
Raum gut und fest ein
Mittwoch, 28.09.2006
Wir waren erstaunlicherweise in der Nacht weder von Ratten oder Vampiren noch von Mäusen und Flugsauriern angegriffen wurden und standen am Morgen fast ohne Kater sehr zeitig auf und vollführten einen Blitzstart. Die große Halle mit der Rezeption strahlte noch dieselbe verruchte Stimmung aus wie am Abend zuvor. Da es kein Tageslicht gab, schien die Zeit seit dem Vorabend stehen geblieben zu sein. Es war früh am Morgen, hätte aber auch mittags oder abends sein können. Die Bar war jedenfalls auch jetzt besucht, aber ich habe keine Ahnung, ob es dieselben oder nur ähnliche aussehende junge Männer waren wie die am Abend zuvor. Wer trotz unserer grusligen Eindrücke Lust hat in das Motel einzukehren, hier ist die Adresse: Complex turistic, Ceahlău-Bicaz; Tel: 0040233234767. Wir machten dass wir davon kamen und fuhren ca. 3 km durch die nieselige verschlafene Stadt zum Fuß der Stauseemauer.
Im Internet habe ich unter diesem Link folgendes über den Bicazstausee gefunden: http://www.myholiday.ro
Es ist
der größte Stausee auf Binnengewässer und wurde 1960 im Tal der Bistriţa
(Bistritz), in den Ostkarpaten, am Fuße der Gebirge Ceahlău und Stanişoara
zwecks Energieversorgung und Tourismus gebaut. Durch einen 5 km langen Tunnel,
der unter dem Botoşanu - Gebirge läuft, wird aus diesem See die
Wasserversorgung das Wasserkraftwerk Stejaru zugesichert. Der See hat eine
Länge von 34 km, seine Breite ist unterschiedlich, beginnend mit 200 m bis zu
2000 m, während die größte Tiefe, 90 m vor dem Damm gemessen werden kann. Der
Staudamm ist mehr denn 120 m hoch und 435 m lang. Die Fauna des Sees besteht
aus Plötzen, Döbel, Gründlingen, Brachsen, Näslinge, einheimische Forellen,
Regenbogenforellen; übrigens gibt es auch eine Forellenzucht bei Potoci. In der
Nähe des Staudammes wurde ein kleiner Hafen errichtet, von wo aus man mit dem
Schiff eine Rundfahrt über den See oder mit gemieteten Booten oder Paddelbooten
eine Wasserfahrt unternehmen kann. Es gibt ebenfalls Unterkunftsmöglichkeiten,
entweder im Hotel oder in Hütten.
Dort fanden wir ein nettes Restaurant wo wir ein zünftiges
Frühstück zu uns nahmen. Natürlich war ich ein wenig aufgeregt, wegen der Vorstellung dass hinter der Staumauer so viel
Wasser ist. Es braucht ja nur ein kleiner Stein aus der Mauer zu fallen und schon
sickert das Wasser erst ein bisschen durch und dann immer mehr und dann
so dolle, dass alles was im Flussbett liegt weggeschwemmt wird, nicht nur unser
Auto und der blau-gelb- rot angemalte Kinderspielplatz , sondern auch das
Restaurant mitsamt unserem Frühstück und uns... Puhhh! Wer die Gefahr liebt und
ruhig an so einer gefährlichen Staumauer schlafen kann, möchte ich das Motel
unbedingt empfehlen, denn es machte einen sehr guten Eindruck. Bicaz-Neamţ;
str. Barajului Nr. 39; Tel.: 0233254555
Natürlich besichtigten wir den Staudamm nicht nur vor unten, sondern fuhren auch auf die Staumauer. Normalerweise muss sich von da ein sehr schöner Ausblick auf den Stausee bieten, aber heute war es sehr trüb, so dass wir außer Beton und ziemlich wild, zerzaust und krank aussehenden Hunden nicht viel zu Gesicht bekamen. Auch einige Wächter zeigten sich, zogen sich aber bald wieder desinteressiert in ihre kleine Höhle zurück, die am linken des Staudammes für sie als Pausenraum in den Fels geschlagen war.
Unser Plan war nun, den 38 km langen Bicazstausee "linksrum" zu umfahren. Diese Strecke führt durch das Munţii Ceahlău durch einen Nationalpark. Zunächst fuhren wir endlos durch das Dorf Izvoru Muntelu welches mir sehr gefiel, weil man darin viele fantasievolle Ferienhäuser (z.B. ein runder Hausturm der von oben bis unten mit Holzschuppen bedeckt war) sehen konnte. Auch viele einfache Häuschen, die ich immer wieder faszinierend finde, säumten den Weg. Hinter dem Dorf war eine Schranke und eine Art Mautstation. Wahrscheinlich ist in der Reisesaison die Straße nur gegen Maut benutzbar. Nun war aber alles offen und wir schlängelten uns durch den Wald. Es gab außer Wald nicht viel zu sehen. Der Stausee war einige km entfernt und Berge gab es auch nicht. Kurz hinter dem Schitul (Schitul ist der Ableger von einem Kloster) Durău war unsere Fahrt jedoch zu Ende. Es hatte einen Bergrutsch gegeben und die Straße war für ca. 20 m mit ganz viel Schlamm zugeschüttet. Thomas prüfte mittels Stock wie tief der Schlamm war. Aber der Stock rutschte so tief in den Morast, dass wir keine Chance hatten. Also kehrten wir um. Auf der Hinfahrt war uns kein Mensch und kein Tier begegnet.
Auf der Rückfahrt
standen auf einmal mehrere
wunderschöne Pferde auf der Straße die wir mit Äpfeln aus dem Auto heraus
fütterten. Auch zwei Pilzsucher liefen
die Straße entlang. Nun mussten wir also die Straße rechts herum um den
Bicazstausee nehmen und wer einmal die Wahl hat, dem würde ich immer diese
Straße empfehlen, denn von hieraus bieten sich immer wieder wunderschöne
Ausblicke auf das Ceahlăugebirge, die wir auch immer wieder genießen konnten, da
sich der Nebel langsam verzog. Irgendwo in einem der vielen netten Restaurants
mit Pension tranken wir Kaffee, aßen eine Kuhsuppe und ein paar von diesen
leckeren Eierkuchen, die in Rumänien Palatschinken genannt werden. Die Straße
Nummer 15 b führte uns nach Leghin, wo wir
zur Besichtigung zweier Klöster die
zu den Moldauischen Stiftungen gehören abbogen. In einer Broschüre von Mihai Ion Pascu (
2002) fand ich folgende Informationen in charmantem Deutsch über das Gebiet um Piatra Neamţ in dem wir uns nun
befanden:
Neamţ
ist der Name von menschlichen Niederlassungen, von Gewässern sowie der eines
rumänischen Gebietes. Eines der zutiefst Moldauischen Gegenden mit
tiefreichenden und wertvollen Wurzeln der Geschichte.
In den Dokumenten der Zeit haben die "nemţi" (die Deutschen, rum neamţ, pl. nemţi = Deutscher, Deutsche) mit der Region Neamţ erst um 1674 etwas zu tun, als "...die Deutschen halten sich immer länger in den Städten auf, in Neamţu und Suceava und plündern was sie können in der Umgebung, wegen Nahrung" - vermerkte der Chronist Ion Necule, wobei der sich auf Söldnereinheiten bezog, die im Dienst der polnischen Nachbarn standen. Wir können auch die alte Gewohnheit der Rumänen in Betracht ziehen, die Bekleidung die keine Volkstracht war als "haine nemesti" (Städtische Kleidung) zu bezeichnen; und schließlich kann es der Widerhall auf die Anwesenheit fremder Handwerksmeister sein die herbeigebracht wurden um zur Errichtung der herrschaftlichen Gebäude beizutragen.
Sicher ist, dass der Ausdruck erst spät auftaucht, die Stadt Piatra Neamţ -heute Vorort (wahrscheinlich ist Hauptstadt gemeint!!!!) des Kreises Neamţ - war vormals als Cetatea de Piatra (steinerne Burg), Piatra lui Crăciun (Stein des Crăciun) oder einfach Piatra (der Stein) bekannt., neamţ wurde hinzugefügt, als sie ihre administrative Funktion erhielt.
Das Gebiet ist in Rumänien
einzigartig, das wird durch ein paar relevante Merkmale begründet:
ereignisreiche Vergangenheit von stark personalisierten menschlichen
Ansiedlungen, die Gruppierung in einem relativ kleinen Territorium einer großen
Anzahl von wertvollen Denkmälern, die weithin bekannten Kreationen der
rumänischen Volkskunst, die außergewöhnlich reizende Landschaft - Wiege des
rumänischen Lebensweges -, jetzt ein nationales Patrimonium von Bezugswert. In
richtiger Einschätzung der strategischen Vorzüge der Zone ließen mehrere
Herrscher hier Befestigungen errichten, die ihre Vorteilhaftigkeit vollauf
bestätigen; aber zusammen mit den Bojaren stifteten fromme Laien auch
hochherzige Gebetsstätten - "klösterliches Vaterland" formulierte ein Abt - sie
waren reich ausgestattet, wurden im Laufe der Zeit zu bedeutenden Kulturzentren,
gehrt von Persönlichkeiten der rumänischen Geisteswelt. "Die Wissenschaft ist
das, was wir wissen, und die Philosophie das, was wir nicht wissen", erachtest
Bertrand Russell, doch das Gebiet Neamţ wird das sein, was wir empfinden.
Das erste Kloster dieser Stiftungen, die wir nun besichtigen wollten war das Kloster Sihastria, zu welchem der obige Verfasser schreibt:
Talaufwärts von Secu gelegen, erhielt das Kloster, eine Mönchssiedlung aus der Zeit um das Jahr 1650, vom Bischof Ghedeon von Roman 1743 eine neue Kirche; nach den hetärisch-türkischen Kämpfen (1825) wieder aufgebaut, erhält es 1946 auch eine Kapelle. Besondere Aufmerksamkeit verdient die Malerei des Ikonenmalers Irineu Protcencu, eines bemerkenswerten Portätisten.
Soweit die trockene Theorie. Die Wirklichkeit ist viel frischer
und saftiger. Und hier im wahrsten Sinne des Wortes. Vor dem Eingang zum
Innenhof des Klosters begrüßte uns nämlich neben einem schönen geschnitzten Tor
ein großer schwer beladener LKW von dessen
Ladefläche es nicht nur tropfte sondern rann. Beim Näherkommen stellte sich auch der Grund für diese
kleinen Bäche heraus. Das waren Massen von Weintrauben, die er geladen hatte.
Viele Mönche und Helfer waren dabei den Wein in Körben und Kübeln in ein in
Stein gehauenes Kellergewölbe zu tragen und auch aus den Tragegefäßen rann der
Traubensaft. Natürlich latschten Thomas
und ich hinterher und bekamen so die uralte Weinpresse der Mönche zu Gesicht.
Allerdings standen wir auch im Weg herum und deshalb widmeten wir uns der Besichtigung des Klosters, welches im besten Renovierungszustand war und mit den vielen kleinen Kapellen und Blumenrabatten ein schöner Ort auf Gottes Erden ist. Lustig fand ich, dass sich das Kloster sogar einen Ordnungsmönch leisten kann. Ich wunderte mich sehr, als ich einen bärtigen Mönch mit Armbinde, 2 Bierflaschen im Arm den Blick auf die Blumenrabatte gerichtet den Eingang zum Kloster entlang bummeln sah. Ich schlenderte zu ihm hin, umschlenderte ihn ein bisschen und bei passender Gelegenheit, zack- sprach ich ihn an. Er erklärte mir, dass er für Ordnung zuständig sei und zeigte dabei stolz seine Armbinde.
Als nächstes schauten wir uns das Kloster Secu an, zu dem in der oben erwähnten Broschüre folgendes steht:
Im Tal des Flusses gleichen Namens wurde das Kloster als Nachfolger der Einsiedelei des Zosim um 1560 vom Statthalter Nestor Ureche, dem Vater des Chronisten, 1602 erbaut. Die Kirche überrascht durch ihre Ähnlichkeit mit der Architektur muntenischer Klöster-Fassaden in zwei Registern, Vorhalle auf Säulen; zwischen 1812 - 1818 wird sie vergrößert: über die alte Vorhalle erhebt sich ein Turm, und an der Westseite wird eine neue Vorhalle hinzugefügt. 1821 wurde sie zu einer Bastion der Hetäristen, 1850 wird die Malerei wieder hergestellt. Der befestigte Innenhof umfasst zwei Kapellen und Türme; am südöstlichen befindet sich die Stiftungsinschrift der Kapelle aus der Zeit von Vasile Lupu von der Burg Neamţ. Das Museum für alte Kunst stellt Kultusgegenstände, Handschriften, Druckwerke aus.
Dieses Kloster hat mir auch sehr gut gefallen. Die Leute denen wir da begegneten hatten alle etwas zeitentrücktes an. So fielen mir zwei ältere Nonnen auf, die wir schon vorher auf dem Weg getroffen hatten. Ganz in Schwarz gekleidet waren sie und sahen wie alle Nonnen ein ganz klein wenig wie Pinguine aus. Natürlich gab es aber auch Farbtupfer und das waren 4 riesengroße lila Einkaufsbeutel aus Plastik die die beiden mit sich herum schleppten.
Über den Hof stiefelten Arbeiter in Gummistiefeln und oberschenkellangen Mänteln, um die in der Hüfte noch ein Gürtel geschnürt war. Ein Mönch diskutierte lauthals mit einem älteren Mann, den er scheinbar von etwas zu überzeugen versuchte und auch sonst liefen durch das Gelände interessant aussehende Menschen, besonders Männer in Anzügen und Hüten, die auf mich fast ein bisschen jüdisch wirkten.
Die Krönung war für mich aber ein großer imposanter älterer Mönch mit langem Bart der auf einer Bank saß und intensiv mit seinem Handy telefonierte. Im gebührenden Abstand warteten einige Leute auf das Ende des Telefonats, aber er ließ sich überhaupt nicht stören. Wie gern hätte ich ein paar Stunden auf dem Klosterhof zwecks Leutebeobachtung zugebracht. Aber wir wollten noch weiter und bestiegen bald unser Auto. Auf den Weg zurück zur 15 b kamen wir noch an einer Wundermaschine vorbei. Ich dachte dass es eine Steinezerkleinerungsmaschine sei, aber Thomas erklärte mir, dass Erdreich aus einem Flussbett herausgebaggert wird und dann nach Körnungsgröße "sortiert" wird. In Deutschland würde man bei solchen Maschinen vielleicht von einem Kieswerk sprechen, aber in diesem Fall war diese Bezeichnung gar nicht angebracht. Es war einfach eine Kiessortiermaschine mit vielen Rädern und Riemen und der sortierte Kies rann den Abhang hinunter. Die Arbeiter wunderten sich über unser Interesse und winkten von ihrem Hügel hinunter während wir sie fotografierten.
Eigentlich gibt es in
der Umgebung von Neamţ ganz viele Klöster, da ich aber meinen Mann- einem
Rumänienneuling- zur Seite hatte, konnte ich nicht ganz so wie ich wollte und
musste die Klosterbesuche gut dosieren. Eins nahmen wir uns noch vor, nämlich
das Kloster Neamţ. Dieses Kloster besteht aus einer riesigen Anlage. An der
hölzernen Eingangstür mussten wir erst mal 5 Lei Eintritt berappen. Ehrfürchtig
wie in jedem Kloster durchschritten wir das Eingangsportal als uns der
Pförtnermönch hinterher gelaufen kam. Er schob uns ohne Widerrede in den
kleinen Souvenirladen gleich links am
Eingang und stellte uns dem Verkäufer vor. Dieser sprach uns im akzentfreien
Deutsch an. Antonius, so hieß der Mönch hatte eine ganz tolle lächelnde
Ausstrahlung und wir waren beide sehr in seinen Bann gezogen. Es entspann sich
ein ausgiebiges und interessantes Gespräch.
Er fragte wo wir her wäre und interessierte sich seltsamerweise für Luther,
Wittenberg und ganz besonders für
Luthers Frau, Katharina von Bora. Während sich die meisten Nonnen oder auch
Mönche bei den Gesprächen immer sehr scheu und zurückhaltend gaben, strahlte
Antonius eine Mischung aus Bildung, Männlichkeit, Weltoffenheit und tiefen
Glauben aus. Er erzählte uns, dass er nach der Schule und dem Gymnasium eine
Lehre als Schlosser absolviert hätte
und im Alter von 22 Jahren ins Kloster gegangen wäre. Er wäre mit seinem
Leben sehr zufrieden und wir fragten ihn ein bisschen über seine Lebensgewohnheiten im Kloster aus. Er erzählte uns,
dass die Mönche heutzutage nicht nur Handys, sondern auch Radios und sogar
Fernseher in ihren Zellen haben. Einen Fernseher hätte er nicht, aber ein
kleines Radio. Dafür müsse er eigentlich zur Beichte gehen.
Wir erfuhren von ihm auch, dass in den 50iger Jahren Ceauşescu alle Mönche die jünger wie 60 Jahre waren aus den Klöstern entfernen ließ. Wer sich weigerte das Kloster zu verlassen, kam mind. für 15 Jahre ins Gefängnis. Nach fast 20 Jahren wurde diese Maßnahme aber etwas enthärtet und bald entwickelte sich wieder ein normales Klosterleben.
Schließlich fragte uns Antonius ob wir in die Kirche gehen und welcher Konfession wir angehören. Als wir wahrheitsgemäß antworteten dass wir "Heiden" sind, bedauerte er das sehr für uns und wir diskutierten eine Weile, was uns der Glaube gibt - aber auch was er uns nimmt. Gott - so sagte Antonius, hätte für das Leben des Menschen mehr vorgesehen als geboren zu werden, zu wachsen, heiraten, Kinder zu zeugen und aufzuziehen und schließlich zu sterben. Das Leben wäre viel reicher!
Ich finde mein Leben auch so
ganz reich.
Leider wurde dann unser Gespräch unterbrochen und wir schauten uns das Kloster an. Mit einem Stundenbrett rief ein Mönch zur Sluşbă (Messe) und während der sakralen Gesänge hatte ich Zeit und Muse mir vor Augen zu führen, auf welchem monumentalen Gelände ich mich auch in diesem Kloster befinde. In der bereits mehrfach erwähnten Broschüre kann man über das Kloster Neamţ folgendes lesen:
Im Tal des Flusses Nemţişor in den moldauischen Vorkarpaten, einer Zone von Obstgärten und Wäldern, überragt vom Gipfel Pleşu (915 m) und dem Berg Debreanu (883 m) richtete etwa im 13. Jahrhundert ein Mönch, Nicodim, eine Einsiedelei ein - so die Überlieferung. Sicher ist, dass das Kloster die Bemühungen nachfolgender Stifter vereint, nämlich der Fürsten Petru I. Musat, Alexander des Guten und Stefan des Großen ( 14. - 15. Jahrhundert), von denen wir das "bedeutendste Kloster der Moldau" (Val. Puscariu) zum Erbteil erhielten. Die große Kirche 1497 "...viel beeindruckender als alle die Stefan bis dahin erbauen ließ, sowohl durch die Ausmaße ihres Grundriss als auch durch ihre Höhe" (N. Iorga) bedeutete den Höhepunkts des Stils, der sich in der Architektur jener Zeit eingebürgert hatte und vielen Kirchen in der Moldau als Vorbild diente.
Nach der Besichtigung des Klosters konnten wir es uns nicht verkneifen
auch noch den großen runden Buchladen vor den Toren der Klosteranlage zu
besichtigen, in dem es nicht nur
Bücher, sondern kirchliche Gegenstände jeglicher Art zu erwerben gibt. Ein
Mönch sitzt mummelig entgegengesetzt
der Tür und demonstriert lange Weile
und Desinteresse. Thomas und ich machten unsere Runde (in einem runden
Buchladen macht man wirklich und selbstverständlich eine RICHTIGE Runde) und
als wir den Laden ohne etwas zu kaufen verließen, schmetterte ich schon im
Türrahmen stehend ein fröhliches "La revedere", was soviel wie "auf
Wiedersehen" heißt, in den Saal. Die Antwort - auch la revedere - kam, als wäre
der Absender genau hinter meiner rechten Schulter. Ungläubig schaute ich mich
um und versuchte es mit einem deutschen "auf Wiedersehen" Die Antwort kam
direkt aus der Richtung meines linken Ohres. "Auf Wiedersehen!". Thomas und
ich mussten schmunzeln. Dieser
Riesensuperrundbuchladen hatte eine lustige Akustik und unser Mummelmönch hatte
mit den "Touris" viel Spaß, denn nun saß er schmunzelnd in seinem Buchverkäufersessel.
Nun wurde es aber Zeit endlich unser heutiges Reiseziel in Angriff zu nehmen. Und wenn es noch so lockt, heute keine Kirchen, keine Märkte und auch keinen Kaffee mehr, sondern fahren, fahren und fahren. Über Târgu Neamţ fuhren wir Richtung Norden und sahen, dass sich der Charakter der Dörfer verändert. Viele Dächer waren nun mit Blech gedeckt, überall gab es Schnörkel und Verzierungen und Blumen wuchsen üppig in den Gärten. Und ganz oft mussten wir Pferdefuhrwerke überholen, mit deren Hilfe die Bauern ihre Ernte nach Hause brachten.
Gegen 18 Uhr erreichten wir Gura Humorului und wenig später den
Ortsteil Manastirea Humorului, wo meine Freundin Elena zu Hause ist. Elena
kenne ich nun seit genau 10 Jahren. Während
meiner ersten Rumänienreise mit
Haiko Kühne die wir in einem Lada absolvierten der gleichzeitig auch als
Wohnwagen diente, waren wir zufällig nach Humorului gekommen. Es war Sonntag
und viele Leute liefen zur Kirche. Auf der Dorfstraße rannte eine Frau in Nationaltracht im Dauerlauf in
Richtung Kirche und Haiko sagte zu ihr "Tu eşti frumoasă, Doamnă" was soviel heißt
wie, Du bist eine schöne Frau. Elena freute sich über das Kompliment und später
trafen wir sie in der großen Dorfkirche wieder. Sie sang im Chor und deutete uns wir sollen am Gottesdienst
mit teilnehmen und dann auf sie warten. Das war doch was und so stellten wir uns brav in die Kirche. Haiko
auf die Männerseite und ich auf die Frauenseite. Ein orthodoxer Gottesdienst
ist lang. Sehr lang. Man steht die ganze Zeit und ab und zu ist man
aufgefordert sich hin zu knien und wieder auf zu stehen und gleich wieder hin
zu knien. Ich war völlig fasziniert und lies mich richtig in das sakrale Reich
entführen. Der Preot war ein stämmiger sehr bedeutend aussehender bärtiger Mann mit einer wunderschönen tiefen
Stimme. Nach dem 3-stündigen Gottesdienst passte uns Elena vor der Kirche ab
und nahm uns mit nach Hause. Ich war sofort verliebt in das Anwesen mit der
Wohnküche in der ein großer brauner Ofen stand und das
efeuberankte Zimmer, dass sie uns als Gästezimmer anbot.
Unterdessen habe ich einiges vom Leben der Familie mitbekommen. Elenas
Töchter Valerica und Stelluza heirateten und bekamen jeweils 2 Kinder und die
jüngste Tochter Viorica wurde von einem kleinen zickigen Mädchen zu einem
richtigen Star der rumänischen Volksmusik und arbeitet heute im Fernsehen u.a.
als Moderatorin diverser Sendungen im Volkskunstkanal. Und auch sonst hat sich
viel geändert. Beim ersten Besuch gab es auf dem Anwesen gar keine Toilette.
Verschämt wurde uns empfohlen diverse Geschäfte im Pferdestall zu erledigen.
Beim zweiten Besuch gab es im Sägewerk einen Verschlag mit einem hübschen
Plumpsklo drin, durch dessen Bretterwände der Wind pfiff und das mit diversen
Ausschnitten aus Illustrierten geschmückt war. Ich habe es geliebt dieses Klo
aufzusuchen, weil man sich da jedes Mal
durch Berge von Sägespänen kämpfen musste nach denen es mehr roch als nach
Plumpsklo. Vor 3 Jahren war von all dem nix mehr übrig. Die Familie ist durch
viel viel Mühe und harte Arbeit zu Wohlstand gekommen und das kleine hübsche
Haus ist in ein repräsentatives Gebäude mit Hotel umgebaut wurden. Es gibt
Zentralheizung und ein ordentliches Klo, modern eingerichtete Gästezimmer. Das
Essen wird in einem Speiseraum mit Schrankwand und geschnitzten Stühlen serviert und als Gast hat man Zutrittsverbot
in die Küche, in der nun nur noch Dumitru, der Hausherr schläft, der sich mit
der Modernisierung seines zu Hauses durch die Frauen seiner Familie immer noch
nicht so richtig anfreunden kann und jeden Abend geduldig, wenn er aus seinem
kleinen Sägewerk kommt Triaden darüber ergehen lässt, dass er sich gefälligst
sofort wenn er von Arbeit kommt umzuziehen und zu waschen hat.
Nun waren wir also an Elenas Haus angekommen. Thomas war noch nicht hier gewesen und ich wollte ihm nicht nur Elenas Familie vorstellen, sondern auch die schöne Bukowina mit den Klöstern und den hübschen Dörfern zeigen.
Zunächst war er aber sehr beeindruckt von dem grünen Neubau der nun Elenas zu Hause war. Da Elena gerade nicht da war, fuhren wir den Berg hinauf zum Kloster, wo Elena mit ein paar anderen Frauen Decken, Teppiche und diverse Souvenirs an Touristen verkauft. Es war schön als ich Elena erblickte und wir uns umarmten.
Elena unterbrach ihre
Verkaufstätigkeit, denn es war eh schon spät geworden und es würden nicht mehr
so viele Touristen in Kauflaune kommen und wir
fuhren zurück ins Haus. Zuerst machen wir einen Rundgang und bewunderten
alles was innerhalb der letzten 1,5 Jahre neu entstanden ist. Elena kann wirklich
sehr stolz sein auf das was sie mit ihrer Familie
geschaffen hat, aber ich vermisse das einfache und natürlich was das
Heim früher mal ausgestrahlt hat. Allerdings bin ich da auch sehr im Zwiespalt
und finde, dass ich nicht das Recht habe mir zu wünschen dass bei Elena alles
so bleibt wie vor 10 Jahren, nur weil ich es
schöner finde.
Nach dem Rundgang bekamen wir ein schönes Zimmer zugewiesen und während wir ein bisschen in unseren Sachen kramten und sortierten, eilte Elena um uns das Essen zu zubereiten. Das Essen bei Elena ist immer außergewöhnlich gut und außergewöhnlich abwechslungsreich und einfach unglaublich. Zum Abendessen gab es Suppe mit Huhn, gebratenes Fleisch, Käse, Maisbrei, Heidelbeerschnaps und eine Art Quarkkeulchen mit Heidelbeeren und Sahne. Alles einfach nur SUPER lecker und im Gegensatz zudem modernen Haus ganz einfach aus frischen Zutaten und traditionell hergestellt. Am Abend setzen sich dann Elena und Dumitru zu uns und mit Händen und Füßen erzählten wir wie es uns geht und was wir erlebt haben.
Ein ereignisreicher Tag ging zu Ende. Ich bin froh dass ich Reisetagebuch führe, sonst würde ich bestimmt viel vergessen davon.
Sonntag, 29.09.2006
Wie immer habe ich bei Elena gut geschlafen und dann auch gleich die Vorzüge des modernen Hauses genutzt und geduscht. Direkt ein bisschen froh war ich, dass die Dusche etwas kompliziert zu bedienen war und ich mich nicht ganz so wie in einem deutschen Mittelklassehotel sondern doch wie in Rumänien fühlen konnte.
Das Frühstück das uns gereicht wurde war überreichlich mit selbstgemachter Paprikapaste, gebratenen Würsten und Ei, Marmeladen selbstgemacht natürlich und Honig.
Wir hatten heute vor uns das Weingut Cotnari und einige Klöster auf dem Weg dahin an zuschauen. Beim Frühstück eröffnete uns Dumitru, dass er sich das erste Mal nach 10 Jahren einen freien Tag gönnen würde und mit uns reisen möchte. Das war eine große Ehre für uns und ich freute mich auf einen schönen Tag.
Zuerst schauten wir uns gemeinsam das Kloster Humor (erbaut 1530) an, welches in dem UNESCO Katalog "Große Denkmäler der Welt" verzeichnet ist. In dem Heftchen "Rumänien - Bucovina - ein Klosterarchipel" ISBN 973-97620-3-4 ist über das Kloster Humor folgendes zu lesen:
In den unendlichen Wäldern am Fuße des Höhenzuges Obcina Mare gründete der Stadthalter Oanâ nach 1400, zur Zeit der Herrschaft von Alexander dem Guten, eine Gebetsstätte im Tal des Flusses Humor. Noch zu sehen sind die Ruinen der Mauern in unmittelbarer Nachbarschaft der jetzigen Kirche des Klosters Humor, die 1530 "durch Kosten und Mühe" des Kanzlers Teodor Bubuiog auf Anregung des Fürsten Petru Rares erbaut wurde.
Das Klösterliche Leben wurde 1785 bei der Annexion der Bukowina durch das Habsburgerreich unterbrochen: bloß die Kirche nahm ihre pfarramtlichen Aufgaben bis zum 1. August 1991 wahr, als der Status eines Klosters wieder hergestellt wurde, dem aber jetzt Nonnen dienen.
Die Architektur
Ein Gebäude in Kleeblattform ohne Turm über dem Schiff, wie auch im Falle anderer Bojarenstiftungen. Das besondere Element ist die offene Vorhalle mit Arkaden, eine Neuerung der Zeit, die sowohl von der lokalen Bautradition als auch von außen kommenden Einflüssen der Renaissance bestimmt war. Eine Neuheit ist auch die Grabkammer über dem Grabgewölbe: vor allem in den unzähligen Tagen der Not wurden hier Wertgegenstände aufbewahrt. Die Fassaden zeigen das bekannte Spiel von Bogen und Nischen, die steinernen Einfassungen an den gotischen, zweiteiligen Fenstern sind rechteckig. Der Wehrturm wurde von Vasile Lupu 1641 errichtet. Restaurationsarbeiten sind im Gange. Die Innenausmalung die mindestens zum Teil von "Toma, Maler aus Suceava" 1535 ausgeführt wurde, bewahrt das ikonographische Schema, betont aber Bewegung und Menschlichkeit des Ausdrucks. (Das heilige Abendmahl, Apsis des Altars, das Gastmahl Abrahams in der südlichen Halbkuppel, Votivbild der Mutter Gottes in der Kuppel des Vorschiffs) Beachtlich sind die Ikonen byzantinischer Art (16. Jahrhundert) , die Porträts der Stifter in den Grabnischen und die Grabsteine.
Die Außenmalerei zeigen voll auf die Kunst des Meisters Toma - die ältesten Freilichtfresken in der Bukowina, wo, wie Kritiker Vasile Drâguţ sagte: "...eine festliche Orchestration von warmen Farben zur Sprache kommt, aus der das Rot glanzvoll hervor tritt". Einzigartig in seinem Wert ist in unserer alten Malerei das Bild der Mutter Gottes mit dem Kindlein im Giebelfeld des Portals; ebenfalls in der Vorhalle lässt sich das Jüngste Gericht von außen sehen, es erhält durch die Arkaden Licht. Während die Nordwand von der Witterung zum größten Teil verwischt wurde, bildet die Südwand einen wahren Kunstschatz. Die Akathhistos-Hymne bedeckt den Großteil der Oberfläche, es treten besonders die Verklärung Marias und die Monumentalkomposition "Die Belagerung Konstantinopels" hervor, ein gewollter historischer Irrtum, Träger der für jene Zeit spezifischen antiosmanischen Botschaft: dazu kommen brennende Scheiterhaufen, der Akathistos des Heiligen Nikolaus und die Legende vom verlorenen Sohn. Die Apsiden der Kirche zeigen die Schar der Heiligen, die nur in der Außenwandmalerei in der Bukowina vorkommt, ein umfassendes Fresko, das ebenfalls als Aufruhr zur Verteidigung der Moldau gegen die Bedrohung des Halbmondes betrachtet wird. Das Evangeliarum von Humor (1473) mit der berühmten Miniatur des Fürsten Stefan des Großen (jetzt im Museum des Kloster Putnas befindlich) und der geschnitzte Thron mit den Auerochsenköpfen bestätigen unter anderem den Wert, der dem Kloster schon seit Anbeginn als Kulturzentrum zukam.
Puhhh, eine Riesenabhandlung, aber die Fresken des Klosters sind immer wieder spannend und interessant und ich stehe jedes Jahr vor den Wänden wie ein Kind vor einem Bilderbuch und entdecke immer wieder neue und schöne Bilder. Natürlich lockt mich auch der Grusel, denn besonders im Inneren der Kirche (teilweise gerade auf Grund von Renovierungsarbeiten verdeckt) werden den Sündern die unheimlichsten Dinge angetan, die da reichen von Kopfabschlagen über irgendwelche Körperteile abhacken bis hin zum Kochen in einem großen Kessel. Die Opfer haben allerdings bei diesen Prozeduren keinen so richtig unglücklichen Gesichtsausdruck, also kann das alles soooo schlimm gar nicht sein.
Im Kloster Humor gibt es noch viel mehr zu bewundern, z.B. die herrlichen Rosen auf den Rabatten, die in allen Farben leuchten und teilweise richtig intensiv duften. Eine andere Sensation ist der Wehrturm, der fast ein bisschen verschämt wie ein Mann neben dem mädchenhaft wirkenden Kloster steht. Diesen Turm zu besteigen ist gar nicht so einfach. Nach oben hin wird der Treppenaufgang sehr eng und die Stufen so hoch, dass ich schon einige Male befürchtete da stecken zu bleiben und nun das Besteigen meinem Mann und Dumitru überlassen habe. Dabei habe ich vor ein paar Jahren mal fast einen ganzen Tag auf dem Turm verbracht. In einer Nachtfahrt von Timisoara nach Humor lernte ich einen Jungen kennen, der Mathematikstudent war. Irgendwie hatten wir einen Draht zueinander und kletterten nach der Zugfahrt gemeinsam auf dem Turm um den ganzen Tag von da oben die Welt zu sehen und auf englisch (was wir beide nicht konnten) und rumänisch (was ich nicht konnte und kann) über die Welt zu philosophisieren. Unterdessen lebt Alex schon seit einigen Jahren in London und wir haben uns einige Male hin und her besucht.
Nun wurde es aber Zeit Humor zu verlassen und wir fuhren südöstlich in Richtung Cotnari.. Die Gegend war ziemlich flach und trocken und trostlos und genau so war es um die Dörfer bestellt. Das Kloster Probata, welches auf unserem Weg lag und unbedingt auch besichtigt werden musste, war eine richtige Oase. Die hier lebenden Nonnen hatten auch im ganzen Gelände Blumenrabatten angelegt. Eine kleine Nonne mit dem wohltönenden Namen Finopelia führte uns durch die Anlage. Das Kloster ist ziemlich wuchtig umgeben ist es von 6 m hohen Wehrmauern, mit viereckigen Türmen und den Überresten eines Fürstenwohnhauses. Die Außenbemalung ist mit der Zeit sehr schadhaft geworden, jedoch - so las ich in einem Reiseführer- wäre sie von einer gewissen Eleganz und Durchsichtigkeit der Farben gekennzeichnet. Ich fand das Kloster sehr zart in den dicken Mauern liegend, aber dass kann auch an der kleinen sanftmütigen Finopelia gelegen haben. Über eine unendliche Holperstraße fanden wir nach Harlau. Natürlich mussten wir einige Male nach dem Weg fragen und selbstverständlich kam es dabei zu gewissen Wirrnissen. Nicht umsonst heißt ja eine alte Pfadfinderregel " Frage nie einen Einheimischen nach dem Weg!" Auch auf den abgelegensten Straßen kamen uns Kinder mit Schultaschen entgegen, an die wir aus unseren 2 Riesensäcken Kuscheltiere verteilten. Manche Kinder waren ganz verdattert als wir die Teddys und Tiger und Hunde und Enten und Affen in Ihre Händchen drückten und ich dachte, was wohl passieren würde, wenn in Deutschland ein Auto mit ein paar Verrückten anhält und Kindern Kuscheltiere in die Hand drückt. Bestimmt wäre das schon ein Grund die Polizei zu rufen.
In Harlau machten wir Station. Ich werde die Stadt als sehr ländlich in Erinnerung behalten und immer diesen Park mit den typisch rumänischen buntbemalten "Umzäunungen" aus Rohr in Erinnerung behalten. Wir parkten das Auto in der Geschäftsstraße und machten uns auf die Suche nach einem Restaurant. Dumitru wirkte irgendwie so unsicher und deshalb übernahm ich die Führung und die beiden Männer liefe hinter mir her. Auf der Straße gab es zwei Etablissement die allerdings keine Speisen feilboten, sondern eher so ganz richtige einfache Bierstuben waren, wie ich gerne besuche, für die sich Dumitru aber zu Tode schämte und ganz leise und niedergeschlagen entschuldigte. Sollte es in Harlau wirklich keine Speisegaststätte geben? Wie gerufen schlenderten zwei attraktive stolze Polizeibeamte an mir vorbei und zu Dumitrus völligem Entsetzen sprach ich die beiden an und fragte nach einem Restaurant. Die Männer konnten englisch und führten uns nach kurzem Überlegen durch die Hinterhöfe eines Neubaugebietes in eine Gaststätte die von Außen recht heruntergekommen aussah und von innen aber nicht nur sehr gutes Essen, sondern auch eine schöne Atmosphäre bot. Es gab Tschorba de burtă und gebratene Leber mit Kartoffeln, was sehr lecker schmeckte. Beim Bezahlen hätte die Kellnerin Thomas fast das Zehnfache des eigentlichen Rechnungsbetrages abgeknöpft - mit diesen Nullen oder doch nicht Nullen - kann man schon mal durcheinander kommen - auch als Einheimische, aber Thomas hat es doch gemerkt.
Ich hatte mich ja auf dem Hinweg mehr auf die Polizisten als auf den Weg konzentriert und so war ich froh dass Dumitru und Thomas den Rückweg wussten. Nun marschierten die beiden Jungs durch das Neubaugebiet voran und ich stolperte hinterher.
Aus vielen der Neubaufenster schauten Ofenrohre heraus und in einer Erdgeschosswohnung war ein junger Mann gerade dabei ein solches Rohr zu installieren. In allen rumänischen Neubaugebieten sieht man so was und mir wurde erklärt, dass das mit dem gestiegenen Öl - und Gaspreisen zu tun hat, die viele rumänische Familien nicht mehr bezahlen können. Damit sie im Winter nicht frieren müssen, installieren sie Öfen, die mit Holz oder was auch immer beheizt werden können. Allerdings kommt es dadurch auch sehr oft zu Wohnungsbränden.
Wir fanden unser Auto
wieder und erreichten nach 10 km die auch in Deutschland berühmte Weinstadt
Cotnari. In der Vierteljahresschrift "Ferien in
Rumänien", die von der nationalen Tourismusbehörde verlegt wird, kann man
über das Weinbaugebiet Cotnari folgendes
lesen:
Dieses Weinbaugebiet existiert seit mehr als 7 Jahrhunderten und hatte
seinen Höhepunkt zur Zeit Stefan des Großen / 1457 - 1504) erreicht.
Dem bekannten Herrscher lagen diese Weinberge ganz besonders am Herzen. Zu
Beginn des18. Jahrhunderts war es Dimitrie Cantemir, der in seinem Descriptio
Moldavie schrieb: "Der beste Wein wird in Cotnari gekeltert, einem
Marktflecken in der Nähe von Harlau...ich wage zu behaupten, er sei erlesener
und besser als andere europäische Weine, ja, sogar als der Tokayer..."
Um 1886 schrieb der bekannte deutsche Önologe W. Hamm in einer in Leipzig
veröffentlichten Arbeit nachdem er die Sorte "Fleur de Cotnari" aus
dem Jahr 1845 gekostet hatte: "Im Jahr 1886 ist dieser Wein noch
vollkommen gesund, sehr feurig, stark und aromatisch, ähnlich den spanischen
herben Weinen, wie z.B. den Magala-Wein"
Wen wundert es da noch, dass anlässlich der Pariser Weltausstellung 1889 der
Cotnariwein den großen Preis errang?
Heute werden in Cotnari Weine erzeugt, die ausschließlich aus autochthonen
Sorten stammen, ein seltener Fall in den rumänischen Weinbaugebieten.
Grasă de Cotnari - der König der rumänischen Weine- schimmert wie Altgold
und sein Geschmack erinnert an Honigwaben und Bittermandeln. Der Trank soll den
Nachtisch begleiten und schmeckt delikat zu Mehlspeisen, Kuchen und Torten.
Die Tamaioasa romaneasca ist auch eine süße Sorte, voller Aromen und passt zu
intimeren Gesprächen nach einem guten Essen. Doch vor diesen beiden Sorten sind
die Feteasca Alba und die Francusa-Weißweine, die den Geschmack und die
Frische der Weintraube bewahrt haben - gute Begleiter der verschiedenen
Speisen, wie z.B. ein saftiger Braten, Fisch oder Kohlrouladen.
Die Erfahrung zeigt, dass die aufgeführten Weinsorten es leider nicht in die Supermärkte Deutschlands schaffen. Statt dessen gibt es in den ganz unteren Regalen der Supermärkte ein paar rumänische sehr sehr preiswerte supersüße Weine, die so gar nicht meinen Geschmack treffen.
Ich war schon im Jahr2004 in Cotnari und hatte mit einem Bekannten das Weingut besucht. Ich war damals sehr angetan von der Protzigkeit gepaart mit rumänischer Schludrigkeit und konnte auch an einer kleinen Weinverkostung teilnehmen. Damals standen unsere Sterne gut, den wir wurden sehr ehrenvoll behandelt und durften in einem sehr prunkvollen Saal Platz nehmen. Die großen schweren Stühle hatten aber bestimmt schon einige heftige Erlebnisse gehabt, denn mein Begleiter - auch nicht so ganz federleich- brach fast mit dem ihm zugewiesenen Stuhl zusammen. Ein englischsprechender Verkaufsdirektor führte uns ein paar Weine vor und zeigte uns dann Teile der Produktion. Für ganz wenig Geld konnten wir einige Flaschen des guten Weines erstehen.
Dieses Mal war es aber anders. Thomas, Dumitru und
ich warteten lange in der kitschigen
Marmorhalle und als Thomas anfing die Nerven zu verlieren, kam schließlich der
Herr von vor 2 Jahren. Um die Haare
herum war er ganz zerzaust und er machte einen grauen lustlosen und vor allem
verschlafenen Eindruck. Er hatte so gar keine Lust auf uns. Nein, also eine
Weinprobe ist nicht möglich, aber er schickt uns jemand der uns Wein verkauft. Ich ließ mich wieder auf diese riesigen Sessel plumpsen. Thomas und
Dumitru schritten die riesige Marmorhalle auf und ab. Thomas hatte unterdessen
seine Beschäftigung gefunden, in dem er die riesigen Fensterscheiben, die
Verkleidungen und auch das Mobiliar einer gründlichen Qualitätskontrolle
unterzog und dabei sehr lustige Entdeckungen machten, wie ich an den Lauten die
er von sich gab erkennen konnte. Schließlich kam tatsächlich eine Dame, die sah
nicht verschlafen, sondern eher nach Migräne aus. Sie führte uns in einen
Verkaufsraum der wie ein Museum hergerichtet und wirklich sehr fein war. Wir
sollten uns den Wein aussuchen den wir kaufen wollten. Na ja, wenn wir schon
mal da sind. Wir wählten ein paar Flaschen auf Gut Glück und diese wurden in
Kartons und Beutel verpackt. Aber nur
zum Kaufen waren wir natürlich nicht gekommen. Der Wein, den es in Cotnari zu kaufen gibt, ist zwar viel viel besser als
der billige Fusel der unter den Namen Cotnari in den Supermärkten hergestellt
wird, aber mich und auch Thomas interessieren nicht nur die Endprodukte sondern
auch wie was gemacht wird.
Ich versuchte der Frau zu erklären, dass ich nun noch gern hinter die Kulissen schauen würde. Ich gebe zu, ich tat das vielleicht etwas zu ungeduldig und zu fordernd, jedenfalls verstand die Frau mich nicht und das brachte mich nach der Warterei so richtig auf die Palme. Als wir am Auto waren, war ich - um es gelinde auszudrücken - mit der Gesamtsituation unzufrieden. Mir war zu warm (es war fast Oktober und um die 30 Grad heiß) und wir hatten zwar Wein, aber nix gesehen. Da entdeckte ich einen Weg durch das Gebüsch und war gespannt wo der mich hinführen würde. So gelangten wir genau da hin wo wir hin wollten nämlich in den hinteren Teil der Winzerei. Massenhaft riesige Fässer verbunden mit Rohren und Röhren die mit Rädern versehen waren und deren poliertes Metall in der Sonne glänzte standen in der Reihe und zeigten uns den Weg zur Weinannahme. In den Boden eingelassen befand sich eine riesige vierteilige Matschmaschine und unaufhörlich brachten Traktoren und - was ich besonders schön fand - Pferdefuhrwerke Trauben, die in die Maschine geworfen und dort zerquetscht wurden. Durch unterirdische blanke Edelstahlrohre verschwand der so gewonnene Saft und die ausgepressten Weintrauben wurden mittels Förderband auf ein Pferdefuhrwerk befördert und wegtransportiert. Es war ein interessantes und emsiges Treiben, ständig kam jemand und brachte Trauben oder schaute oder wollte Geschäfte machen. Dumitru hatte bald Gesprächspartner gefunden und ich verstand mit einem halben Ohr dass es um verschiedene Rebsorten und Hektoliter und "bani" (also Geld) geht.
Irgendwann erschien die
migränebehaftete Weinverkäuferin. Sie wirkte
in der Herbstsonne zwar immer noch zerzaust, war aber viel zugänglicher und netter. Sie bot
uns an noch weitere Abläufe zu besichtigten und dieses Angebot nahmen wir
sehr gern an. Die Weinanlieferung fand außerhalb der
" Weinfabrik" statt und wir mussten direkt auf das Werksgelände, vorbei an
einem Pförtner. Jeder weiß, dass Pförtner so ziemlich die wichtigsten Leute in
einem Betrieb sind, an dem es erst mal vorbei zu kommen gilt. Der Pförtner der Weinfabrik
Cotnari war aber ein ganz unscheinbarer
Mensch der uns mit einem Lächeln durch das Tor winkte. Wir befanden uns nun in
einer Art Gasse, die rechts durch blitzende Weinsilos (Hunderte) gesäumt war
und links von der Herstellungsstrecke bzw. Abfüllstraße die in einem langen
Haus untergebracht ist begrenzt wurde.
Wir sahen uns alles ganz in Ruhe an und die Frauen ("Fetice") freuten sich sogar, dass wir Ausländer so neugierig waren und kicherten und wir hörten sie spekulieren aus welchem Land wir wohl kommen. Franca? Germania?
Ganz hinten war der Anfang der Abfüllstraße. Dort wurden die Flaschen aus Rollcontainern auf ein Laufband gestellt - mit schönem Geschepper - und verschwanden hinter einer Wand. Im nächsten Raum wurden die Flaschen gewaschen und wackelten auf ihrem Laufband laut klirrend durch ein kleines Fenster und kamen in eine vollautomatische und vollständig verglaste Abfüllstrecke. Die nächste Station war die Etikettierung, die im krassen Gegensatz zu der modernen Abfüllerei von ein paar Frauen mit Hand erledigt wurde. Die Flaschen kamen wieder in Rollcontainer und wurden für den Versand fertig gemacht. Damit war die "Weinabfüllung" erledigt, doch es gab noch eine Tür. Auf wackligen provisorischen Treppenstufen stolperte man in eine Art Keller, wo sich neben vielen Kisten mit gefüllten Weinflaschen ein Wasserhahn befand, der aber kein Wasserhahn war, sondern ein Weinhahn. 2 sehr ansehnliche stramme riesengroße Männer waren mit dem Befüllen von Kanistern beschäftig und die Weinverkäuferin überwachte das ganze. 80 Liter brauchten die Männer die extra aus Iaşi angereist waren für eine Taufe. Wir liefen zurück zum Auto und sammelten alle leeren Behältnisse, die wir hatten zusammen und leerten noch eine halbgefüllte Wasserflasche um uns auch einen Vorrat von diesem leckeren Wein anzulegen.
Über Târgu Frumos fuhren wir
nun weiter nach Râsca.
Auch in diesem Kloster,
welches sich im Tal des Râsca - Flusses befindet und welches 1542 erbaut wurde
stachen die wunderbaren Blumenrabatten ins Auge. Als
wir das Kloster betraten, hörten wir ein klägliches
Miauen. Wir schauten uns einige Male um und sahen die zum Miauen gehörende
Katze nicht. Schließlich entdeckte Thomas das kleine Tierchen auf einem Baum.
Es war hinauf geklettert und traute sich nun nicht mehr hinunter. Thomas half ihm und in seiner Angst, zerkratzte der
Stubentiger meinem Mann die Unterarme, die dann ein wenig wie Hakfleisch aus
sahen Ich bin mir sicher, dass Ende September die allerschönste Reisezeit für
Rumänien ist, denn so prächtige
Asternbüsche und Studentenblumenmeere bekommt man sicher sonst zu keiner
anderen Zeit zu Gesicht.
Aufgefallen ist mir in diesem Kloster auch so richtig bewusst, dass die Nonnen auch Urlaubsreisen in andere Klöster machen. Mit uns war eine Nonnenreisegruppe im Kloster und die jungen Mädchen schritten würdevoll durch die blühende Anlage um dabei auf Schritt und tritt mit ihren Fotohandys Bilder zu machen.
Schließlich wurde es Zeit sich auf den Heimweg zu machen. Dumitru drängelte ganz dezent, denn er musste sich ja noch um die Tiere zu Hause kümmern.
Samstag, 30.09.2006
Um 8.00 Uhr gab es Frühstück und wie nicht anders zu erwarten bog sich der Tisch in Elenas Speiseraum wieder einmal unter den garantiert selbstgemachten und total naturell zubereiteten Lebensmitteln. Mein Mann und ich saßen eine Weile beim Frühstück und wetteiferten anschließend um die witzigsten Texte auf den Postkarten an Verwandte und Freunde und schrieben Tagebuch. Gegen 10 Uhr brachen wir schließlich nach Moldoviţa auf, wo ich Thomas ein weiteres Kloster zeigen und mit ihm die Künstlerin besuchen wollte, die die wunderschönen Ostereier verziert.
Beide Stationen des Tages waren mir bekannt, denn ich war schon einige Male im Kloster Moldoviţa und die Eierkünstlerin hatte ich im April 2005 mit Karpatenwilli besucht.
Von Gura Humorului nach Moldoviţa sind es 40 km, ich hatte die Strecke ein wenig kürzer in Erinnerung. Nachdem wir einen Fluss überquert hatten, verließen wir die Hauptstraße um nach Moldoviţa abzubiegen zu welchem wir auf einer Nebenstraße gelangten. Damit Thomas ein bisschen mehr Kontakt zu einheimischen Bevölkerung bekommt und natürlich auch um etwas Gutes zu tun, schlug ich Thomas vor den sympathischen Herrn der uns vom Wegesrand winkte mit zu nehmen. Es war ein richtig schöner typischer rumänischer Tramper mit Gummistiefeln und Axt auf der Schulter und einem Hütchen auf dem Kopf. Natürlich riss er sofort die linke Fahrertür auf, doch leider hatten wir uns noch nicht daran gewöhnt, dass wir ab und zu mal jemanden mitnehmen wollten und hatten Taschen und anderen Krempel auf der Rückbank verstreut. Der Herr versuchte sich auf den belegten Platz zu drängeln und fing dabei lauthals an zu reden. Ich sprang schnell aus dem Auto und dirigierte ihn auf den Platz hinter Thomas, der etwas leerer war. Die Autotür fiel zu, ich stieg ein und ab ging die Fuhre. Unser einheimischer Mitfahrer gab sich sehr große Mühe mit uns zu kommunizieren und je mehr er begriff, dass wir ihn nicht verstanden, um so lauter redete er.... er brüllte förmlich!!!! Ich weiß überhaupt nicht was er uns erzählte. Ich versuchte ihn ein bisschen in sein Gespräch zu ziehen und nach seiner Familie oder zumindest dem Ziel seiner Reise zu fragen, aber ich verstand kein Wort von dem was er mir ins Ohr brüllte. Schließlich wollte er einen Stift und Papier und schrieb uns seine Adresse auf. Wir sollten ihn besuchen kommen und könnten auch mehrere Wochen oder Monate bei ihm wohnen. Ein nettes Angebot. Ich versuchte in seinen Luftholpausen immer noch heraus zu bekommen wohin er denn will, aber er deutete, wir sollen ruhig fahren. Er kommt mit wohin wir fahren. Na gut !
Unser erstes Ziel am heutigen Tag war Glikeria, die Künstlerin, die die Ostereier so schön verziert. Ich war ganz stolz dass ich aus dem Gedächtnis heraus den Weg zu ihr fand, obwohl mein letzter und einziger Besuch ja schon 1,5 Jahre her war.
Wir stiegen aus dem Auto und baten unseren Mitreisenden das auch zu tun. Er merkte dass wir jemanden besuchen wollten und deutete uns, dass er am Auto auf uns warten wird.
Glikeria erkannte mich nicht gleich, aber als ich das Wort Karpatenwilli in den Raum warf, leuchteten ihre Augen ganz groß. Ich holte noch einen Stapel Fotos aus meiner Tasche die wir von ihr im letzten Jahr bei der Arbeit und von den von ihr gemachten Ostereiern geknipst hatten und schon wurden wir begrüßt wie Freunde.
Bald saßen wir in der Küche. Sie hatte noch anderen Besuch, eine Familie aus Hasselfelde die Puppenspieler sind und so ziemlich zum ersten Mal durch Rumänien reisten. Es gab Kaffee mit Honig, den ich allerdings trotz Glikeria Zureden mit großer Vorsicht genoss. Im Vorjahr hatte ich einen schlimmen Husten und Glikeria gab mir einen Löffel Pollen zu essen, was ein ausgezeichnetes Medikament bei Erkältungen sein soll. Doch leider bekam ich von dem Pollen eine ganz schlimme allergische Reaktion, bei der ich das Gefühl hatte auf das doppelte anzuschwellen und vielleicht ein Krankenhaus aufsuchen zu müssen.
Nachdem Kaffee zeigte uns Glikeria ihre kleine Künstlerwerkstatt. Alles war noch wie im Vorjahr, nur dass die bemalten Eier ausgetauscht waren. Ich war nun im großen Vorteil, denn ich kannte die einzelnen Arbeitsschritte. Geduldig zeigte die Künstlerin alles und erklärte Schritt für Schritt und beantwortete unsere 1000 Fragen mit einem Lächeln, obwohl sie diese ja bestimmt schon alle sehr oft gehört hat.
Es gibt 2 Methoden die Eier zu gestalten. Die erste Methode ist die Eier mit buntem Wachs zu verzieren. Dabei wird der Wachs in verschiedenen Farben in feinen Mustern auf das Ei gebracht, so dass ein buntes Relief entsteht.
Die traditionelle Methode ist die, wie sie auch die Sorben , die in Sachsen lebende slawische Minderheit anwendet. Es ist eine Heidenarbeit und funktioniert ungefähr so: Auf ein weißes Ei werden alle Stellen mittels eines selbst gebastelten Instruments (bestehend aus Halter und einem ganz feinen Metallröhrchen) mit dunklem Wachs bedeckt, die weiß bleiben sollen. Dann wird das gesamte Ei gelb gefärbt. Nun wird wieder ein filigranes Muster mit Wachs auf dabei gebracht , dass alle Flächen abdeckt die am Endei gelb bleiben sollen. Dann wird das Ei rot gefärbt und akkurat und mit flinken Strich werden zum Schluss alle Stellen abgedeckt die rot bleiben sollen. Zum Schluss kommt das ganze Ei in schwarze Farbe und sieht nun aus wie ein Stück Kohle. Als ich das zum ersten Mal sah war ich sehr erschrocken, denn ich wusste ja, was unter der Schwärze für eine Arbeit steckt. Glikeria sah mein verschrecktes enttäuschtes Gesicht und lächelte mich ermutigend an. Dann zog sie unter ihrem Tisch einen Propangaskocher hervor und hielt das schwarze Ei über die Flammen. Die Stellen, die sie erwärmt hatte, wischte sie lächelnd mit einem Zellstofftaschentuch ab und es kam ein in weiß, gelb, rot und schwarz leuchtendes wunderschönes Ei zum Vorschein. Im Anschluss werden die Ostereier noch poliert und bekommen eine hübsche Schleife. Natürlich kaufen wir 5 dieser wunderbar filigran gestalteten Eier, obwohl es sehr schwer fällt sich zu entscheiden. Jedes Ei ist anders und alle sind ganz besonders schön. Zum Abschied schenkte und Glikeria noch ein Ei und einen Holzteller, damit wir etwas haben, worauf wir die Eier präsentieren können.
Der Besuch bei Glikeria dauerte fast 2 Stunden und als wir zum Auto kamen,
fiel uns unser Mitfahrer wieder ein. Ihm war es wohl zu langweilig geworden und
er war verschwunden. Auch auf dem Weg zum Kloster Moldoviţa sahen wir ihn
nirgends laufen. Vielleicht war er erst mal in einem der zahlreichen Magazin
Mixt untergekommen.
Obwohl wir auf dieser Reise schon ganz schön viele Klöster angeschaut hatten, wollte ich Thomas nun noch das Kloster Moldoviţa zeigen. Es gehört auch zu den bemalten Klöstern was in den Status des Weltkulturerbes aufgenommen wurde. Ich war nun schon zum vierten Male hier und trotzdem zog mich auch das Kloster mit der wunderschönen bunten Kirche und den liebevoll gepflegten Blumenbeeten in seinen Bann. Schon das Eingangstor war eine Augenweite, denn des war mit wildem Wein behangen, welcher ein wenig störrisch durch das Tor lugte und durch die Sonnenstrahlen eine ganz besonders schöne kräftige Farbe hatte.
Wir hätten fast großes Glück
gehabt, denn eine Gruppe Schweizer Touristen im eleganten Zwirn wurde von der
resoluten stockschwingenden Schwester Tamara (sie spricht deutsch und erklärt
auch den Weg zur Eierfrau Glikeria) durch das Kloster geführt. Allerdings kamen wir etwas
zu spät und konnten nur wenigen Ausführungen
lauschen. Ein Gespräch mit den Schweizern ergab sich
dann in der Wartegemeinschaft an der
Klostertoilette wo wir uns gegenseitig nach dem woher und dem warum ausfragten
und ich- ehrlich gesagt- ganz bescheiden ein bisschen damit glänzen konnte,
dass ich schon fast überall da war wo die Gruppe mit ihrem Touribus hingekarrt
wurde und noch vieeeel mehhhhrrrrrr.....gesehen habe.
Danach fuhren Thomas und ich gemütlich zurück nach Gura Humorului zum Kloster, wo Elena und Aurica sich Mühe gaben Tischdecken und Teile von Trachten an Touristen zu verkaufen. Allerdings meinten sie mit entsprechender Trauermiene, dass sie am heutigen Tag noch kein einziges Stück verkauft hätten. Naja, so ganz richtig kann man den beiden das nicht glauben, gerade wegen der theatralischen Gesichter!
>Wir ließen die beiden
cleveren Geschäftsfrauen allein um den schönen Friedhof von Manastirea Humor zu
besuchen. Immer wenn ich im Dorf bin zieht es mich dahin, auch wenn es
vielleicht keine uralten historisch bedeutenden Grabstätten gibt, so strahlt
für mich dieses Stückchen Erde doch immer eine wilde Ruhe aus. Wenn man den
Friedhof betritt sind alle Grabsteine abgewandt. Man läuft zunächst einen Hügel
hinab und sieht nur Grabsteinrückwände. Wenn man sich dann umdreht kann man von
unten nach oben die Inschriften lesen
und die vielen Blumen sehen. Es gibt ein paar Apfel- und Pflaumenbäume mit
besonders großen Früchten wie ich jedes Mal wenn ich im Herbst da bin
feststellen kann. An dem Tag unseres Besuches schien die Sonne und auf fast allen Gräbern strahlten die
Winterastern üppig in verschiedenen Blau - und Lilatönen.
Doch nicht allein die Atmosphäre zieht mich immer wieder auf den Gottesacker sondern auch ein ganz bestimmtes Grab, welches ich jedes mal lange suchen muss, denn es ist immer sehr verwildert und zugewachsen, obwohl der Tod der jungen Frau gerade mal 7 Jahre her ist.
Auch dieses Mal machte ich mich (mit Unterstützung
von Thomas) auf die Suche nach Nellis
Grab. Nelli war die Freundin von Valerica, Elenas mittlerer Tochter. Als ich
sie bei meinem ersten Besuch kennen lernte, fand ich diese stark aufgeputzte
überlaute schrille Person ziemlich unerträglich. Beim Besuch im nächsten Jahr
saß Nelli in der damals noch sehr urigen und einfachen Wohnküche von Elena und
war schon bedeutend leiser. Während unserer Unterhaltung zog sie sich auf
einmal die Perücke vom Kopf und eine Glatze, an der sie sich kratze, kam zum
Vorschein. Es war erschreckend für mich und ich traute mich zunächst gar nichts
dazu zu sagen. Schließlich erzählte Nelli, dass sie Krebs habe. Sie war damals
schon sehr krank, dass merkte ich, als sie mich in die Stadt begleitete. Sie
war noch so jung und so viel ruhiger, sie hatte Schwierigkeiten lange zu stehen
und weit zu laufen.
Als ich wiederum ein Jahr später bei Elena zu Besuch war, war Nelli nicht zu Hause sondern wohnte bei Ihrer Tante in Iaşi. Ich fuhr mit dem Zug dahin um Nelli zu sehen und platzte da in eine ganz traurige Stimmung. Nelli hatte furchtbare Schmerzen und lag weinend auf dem Sofa. Die Tante, selber Krankenschwester war machtlos und wusste nicht mehr weiter. Nelli stammt aus einer sehr einfachen Familie ohne finanzielle Mittel und auch die Tante hatte ihr ganzes Geld aufgebraucht. Die beiden erzählten von schlimmen Zuständen im Krankenhaus, davon dass das Essen ganz furchtbar ist und man nicht nur die Ärzte sondern auch die Anästhesisten und Krankenschwestern bestechen muss. Nelli konnte das nicht mehr und so lag sie nach einer schweren OP an ihrem im Nacken befindlichen Knochenkrebs mit einer völlig fremden alten Frau zusammen im Bett.
Ich saß da und war völlig hilflos. Ich konnte dezent etwas Geld da lassen, aber es war alles nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Das war im September und wenige Wochen später ist Nelli gestorben.
Im nächsten Jahr besuchte ich Nellis Mutter die vor Trauer wahnsinnig geworden war. Der Vater ist ein starker Alkoholiker und der Bruder geistig behindert und auch ein Säufer.
2 Stunden saß ich in der kleinen unaufgeräumten und nicht geheizten Kammer und hörte Nellis Mama beim Klagen, schreien und verzweifelten Weinen zu. Unterdessen hat sie sich wohl etwas gefangen und ist nach Italien als Fremdarbeiterin gegangen. Damit finanziert sie die Trunksucht ihres Sohnes und ihres Mannes in Rumänien.
Nun besuche ich jedes Jahr Nellis Grab. Es ist immer mit Unkraut überwuchert und völlig zugewachsen. Ein kleiner blauer Eimer ohne Boden steht neben dem Kreuz, wahrscheinlich schon seit dem es das Grab gibt. Er ist neben dem einfachen Holzkreuz wie ein Denkmal für etwas Kaputtes.
Mit Thomas befreite ich das Grab von Unkraut und wir vergruben ein paar Tulpenzwiebeln . Bestimmt haben sie in diesem Frühlinge geblüht......
In trauriger Stimmung verließen wir den Friedhof, die warme Sonne, die bunten Blumen machten mich nicht fröhlich sondern unterstrichen meine melancholische Stimmung bis wir den Hügel hinauf gelaufen waren. Doch dann stießen wir das Friedhofstor auf und waren wieder im richtigen Leben, mitten auf der Dorfstraße mit dem bunten Treiben der Fahrzeuge und Pferdefuhrwerke, den alten Leute auf der Bank und weiter hinten den beiden Kirchen und davor Elena und Aurica, die wohl immer noch kein gutes Geschäft gemacht hatten.
Nun hatten noch einen Besuch bei der Familie der älteren Tochter Elenas vor. Diese Familie lebt ganz nah am Kloster und betreibt eine Pension und macht internationale Geschäfte mit Holz. Die Entwicklung dieser geschäftstüchtigen Leute verfolge ich nun schon seit11 Jahren. Bei meinem ersten Besuch war der älteste Sohn Alexander gerade geboren und die Familie lebte in einem Zimmer einer alten Bauernkate. Von Jahr zu Jahr wuchs der Wohlstand der Familie, erst betrieb man eine kleine Bar, dann wurde ein großes Haus mit Pension gebaut und ein richtiges Sägewerk entstand. Jetzt baut die Familie eine Luxuspension, die 300000 Euro kosten soll und mit 100000 Euro von der EU gefördert werden sollen. Auf der Verbindungsstraße zwischen der Stadt und dem Ortsteil Kloster Humorului hat der Bau schon begonnen. Ich finde es etwas befremdlich dass Fördergelder der Eu für einen derartigen Prunkbau mit Fitnesscenter und Sauna zur Verfügung gestellt wird, zumal da " nur" 5 Arbeitsplätze für einen Zeitraum von 2 Jahren geschaffen werden müssen. Wir hatten also vor diese Familie zu besuchen. Mein erster Gang ist immer zur Großmutter, die in einem kleinen traditionellen Häuschen auf dem Grundstück wohnt. Sie wird im Februar 2007 100 Jahre alt und jedes mal wenn ich Elena besuche ist eine meiner ersten vorsichtigen Fragen, wie es denn der Großmutter geht. Und ich freue mich immer, wenn ich zur Antwort bekomme, dass es ihr gut geht.
Die Großmutter saß vor ihrem alten traditionellen Haus und lies sich von der Sonne bescheinen. Ich begrüßte sie und fühlte mich sehr geschmeichelt, dass sie mich auch dieses Mal wieder erkannte. Es gehe ihr sehr gut erzählte sie mir, nur die Augen hätten etwas nachgelassen. Multe Sanatate, liebe Großmutter wünsche ich von ganzen Herzen.
Nach dem unherzlichsten
Kaffeetrinken zu dem ich in Rumänien jemals eingeladen wurde und das im Haus
Stelluza stattfand, besuchten wir noch
Elenas mittlere Tochter Valerica die in der Stadt Humorului wohnt und auch dort
eine Pension betreibt. Diese jungen Leute, bei den wen ich auch Trauzeuge bin,
sind sehr lieb und herzlich und zeigten uns voller stolz ihre liebevoll und
geschmackvoll eingerichtete Pension.
Ganz süß sind die beiden Jungs Stefan und Mihai
Den Abend verbrachten wir wieder gemeinsam mit Dumitru und Elena, die uns ein liebevolles Abendbrot gerichtet hatte.
Sonntag, 01.10.2006
Heute hieß es Abschied nehmen von Elena und Dumitru, von Viorica und allen anderen. Elena fuhr noch einmal ein riesiges Frühstück mit gebratenen Würsten im Eierkuchenteig und gebratenen Pilzen, mit Kalbfleisch und Gurken usw. auf....
Schon von Anschauen war man satt.
Nach dem Frühstück packten wir unsere Sachen und ich machte mich zu Fuß auf dem Weg zur Kirche, den ich bei meinen früheren Besuchen oft gegangen bin um Elena an ihrem Verkaufsstand zu besuchen oder zum Kloster oder zum Gottesdienst zu gehen. Dieses Mal war ich ja mit Thomas und dem Auto unterwegs und so ergab sich die Gelegenheit bisher noch nicht. Um so mehr genoss ich nun den kleinen Spaziergang. Aha, hinter diesem Zaun wohnte ein neuer Hund, der alte war so klein und giftig und jedes Mal wenn ich früher an dem Hof vorbei gegangen war, habe ich überlegt ob ich verpflichtet wäre bei dem kleinen Giftköder Mund - zu -Mund Beatmung und Herz-Druck -Massage zu machen, wenn er vor Aufregung über mich einen Herzanfall bekommt. Beim nächsten Grundstück erinnerte ich mich, dass ich da eines Morgens einen riesigen abgebrühten Schweinekopf (mit Augen und lächelnden Schweinemund) auf einem Hackklotz im Vorgarten gefunden hatte. Um das Haus herum war es still, nur der tote Kopf blinzelte milde lächelnd in die Morgensonne und gleich ein Stück weiter graste die Kuh, um, die ich mir immer ein bisschen Sorgen machte, denn auf ihrer Wiese standen im Herbst die leuchtend lila Herbstzeitlosen in hoher Zahl, von denen ich gehört habe, dass die Zwiebeln sehr giftig sein sollen.
Der Gottesdienst in der Kirche außerhalb des Klosters
ist für mich immer ganz besonders feierlich und weihevoll. Die Leute ziehen zum
Gottesdienst ihre besten Sachen an und kommen
feierlich die Dorfstraße entlang geschritten und den von Lebensbäumen
eingefassten Weg zur Kirche hinauf, gerade wenn für sie die richtige Zeit zum
Gottesdienstbesuch ist. Es ist nicht wie bei uns, dass es einen festgesetzten
Beginn gibt, sondern jeder kommt, wann er halt so fertig ist mit den kleinen
und großen Verrichtungen eines Sonntagmorgens.
Als ich ankam war die Kirche schon kräftig gefüllt, links hatten die Frauen und Mädchen Aufstellung genommen und der Kirchenchor sang schon in den höchsten aber auch allerschönsten Tönen.
Ich genoss ein paar Minuten die schöne Atmosphäre und ging dann nach draußen, setze mich zu ein paar alten Frauen auf die Bank und hielt nach meinem Gatten Ausschau, der mit Elena und dem vollbepackten Auto zur Kirche kommen wollte. Nach einigen Minuten kamen die beiden auch. Thomas angezogen wie ein Mitteleuropäer und Elena hatte die Tracht an, mit der ich und mein Reisegefährte Haiko Kühne sie damals das erste Mal auf der Straße gesehen und angesprochen hatten.
Wir verabschiedeten uns herzlich und machen uns nun auf den Weg nach Isaccea, wo wir schon erwartet wurden.
Über Falticeni, Adjud und Tecuci fuhren wir mit einer kleinen Pause bis Galati. Die
Landschaft war sehr karg und die meisten der Straßendörfer zogen sich endlos
dahin. Unterwegs sahen wir viele Ausflügler, die sich an den seltsamsten
Rastplätzen zum Picknick niedergelassen haben. Es entzieht sich völlig meiner
Kenntnis und meinem Verständnis, nach welchen Gesichtspunkten rumänische
Familieväter die Rastplätze für Ihre Familien aussuchen. Entweder verfahren sie
nach dem Prinzip "Sehen und gesehen werden!" Oder sie bevorzugen
verkehrsgünstige Lagen wo sich möglichst viele Augen nach Ihrem Abzug über die
hinterlassenen Müllberge "erfreuen" können.
In Galati fanden wir ohne
viel Mühe die Fähre, die uns über die Donau bringen sollte. In unmittelbarer
Nachbarschaft zur Fähre befindet sich ein Touristenkomplex in dessen kleinen
Ferienhäuschen ich schon 2 mal übernachtet habe. Doch die waren dieses Mal
nicht gefragt, denn in Isaccea wartete ja Costel und Vasile auf uns. Niemals
wenn ich an der Fähre von Galati bin, werde ich darauf verzichten, in das zu
dem Touristenkomplex gehörende Restaurant einzukehren
und eine Rindfleischsuppe zu essen, denn für mich- ein absoluter
Rindfleischsuppenfan- sind diese Suppen dort die Krönung. Leckere kräftige
Brühe mit Suppengrün und ordentlich Fleischstücken...dazu ein paar Nudeln... einfach
und köstlich.
Da schönes Wetter war, konnten wir unsere Suppen auf der Terrasse löffeln, die Kellnerin behandelte uns mit der bei den rumänischen Kellnern (ja, gut- ES GIBT AUSNAHMEN) Arroganz und während wir auf die Suppe warteten, konnten wir dem bunten Treiben auf und um die Fähre zuschauen.
Nach der Überfahrt waren es noch ca. 50 km zu fahren. Es wurde langsam dunkel und ich war froh, als wir nach einer kleinen Ehrenrunde, doch die Kirche des heiligen Martini fand.
Ich stieg aus dem Auto und musste einige Male um das Haus herum gehen und klopfen und schließlich kam ein ziemlich förmlicher Costel aus dem Eingang heraus.
Costel ist der Pfarrer der orthodoxen Kirsche. Als ich 2005 mit Karpatenwilli durch Rumänien fuhr, war eines unserer Ziele Isaccea, wo wer schon vor einiger Zeit mit einer anderen Freundin den Pfarrer Costel und seine junge energische Frau Carmen kennen gelernt hat. Es war einer dieser typischen Bekanntschaften, die einem in Rumänien so passieren, nämlich zufällig und spontan. Willi traf Costel auf der Straße und zeigte ihm nicht nur die schöne Kirche sondern auch das Projekt, dass er und seine Frau für die hilfsbedürftigen Kinder der Kirchengemeinde unterhalten. Willi war von den netten jungen Leuten angetan und wollte mir das Projekt und natürlich auch Costel und Carmen vorstellen.
Als ich wieder zu Hause war, schrieb ich Willi diesen Brief über unsere Tage in Isaccea.
Lieber
Willi, als ich heute die Bilder von unserem gemeinsamen Urlaub im April 2005
durchsah, fand ich ein Bild von Carmen und Costel. Ich musste sehr
lachen, weil mich die beiden vom Foto her anschmunzelten und bekam so ein
warmes schönes Gefühl im Bauch. Es war sehr nett bei den
Beiden und ich habe die fröhliche Gastfreundschaft der jungen
Pfarrersleute überaus genossen! Die muntere resolute und kluge Carmen,
die schnatternd die Fäden der Gemeinde zusammenhält, und der ruhige würdevolle
Preot Costel mit den sanften Augen waren für mich ganz markante Begegnungen auf
unserer Reise.
Erinnerst
Du Dich an den guten Wein aus Costels Garten und an unsere Diskussion am
Küchentisch, die wir mit Händen und Füßen führten über
Orthodoxie, den lieben Gott im Allgemeinen und die Biochemie? Erinnerst Du
Dich, wie Du dem armen Costel die riesige Salami unter die Nase gehalten hast,
die wir für die Kinder mitgebracht hatten und das, obwohl der arme Kerl seit
Wochen fastete und deshalb kein Fleisch essen durfte? Ich fand das SEHR gemein
von Dir und Costel ist für mich seither ein Held, weil er sich zurück halten
konnte und Dich nicht SOFORT erschlagen hat, mit der Salami!
Erinnerst
Du Dich auch noch an die vielen Blumen im Wald über dem Kloster Cocos und das
saftige Grün des Bärlauch, der wuchs soweit das Auge reicht? Und erinnerst Du
Dich daran, wie wir den Bärlauch für das Abendbrot pflückten und Costel
in seinem Talar würdevoll immer wieder über das
fußlange Kleidungsstück durch den Wald stolperte? Ich weiß nicht warum, aber
Talare flößen mir Ehrfurcht ein, so wie anderen Menschen Arztkittel
oder das Wort Gesundheitsamt. Ich muss heute noch lachen, wenn ich daran denke,
wie Costel Dich um den Autoschlüssel bat, weil er sich umziehen
wollte. Ups, kaum hatte er den Talar abgelegt, wurde aus dem würdevollen Hirten
ein ganz normaler Mensch in Jogginghose, T-Shirt und Gummisandalen. Ich gebe
zu, ich war ein bisschen enttäuscht, und ich überlege noch heute, was ich
eigentlich unter dem Talar erwartet habe!
Oder
erinnerst Du Dich, als wir den Ausflug zu der römischen Ruinenburganlage Noviodunum machten und Costel die
Eidechse fing? Oder wie ich an der Donau verhaftet wurde, und Du das auch noch
lustig fandest? Es war schon sehr lustig und interessant in Isaccea!
Zu
Carmen und Costel habe ich heute noch engen Mailkontakt, da die Beiden ja das
Kinderprojekt betreuen. Dieses Projekt gefällt mir sehr gut, und ich
halte es für überaus SINNVOLL, es nach meinen besten Kräften zu unterstützen.
Am besten gefällt mir, dass es ein Projekt ist, das von Rumänen, also von
Carmen und Costel, ins Leben gerufen und aufgebaut wurde, ohne jeglichen
Einfluss oder Mitwirken von ausländischen Initiatoren. Im Moment werden 22
Kinder aus sozial schwachen Familien betreut, das heißt, die Familien sind
Sozialhilfeempfänger! Die Kinder gehen nach der Schule in das Kinderhaus und
bekommen eine warme Mahlzeit. Dann werden gemeinsam die Hausaufgaben gemacht,
und anschließend wird gebastelt oder gespielt. Bevor die Kinder wieder nach
Hause gehen, bekommen sie noch mal etwas zum Essen. Carmen erzählte mir,
dass für einige Kinder das Essen in der Einrichtung die einzigen Mahlzeiten am
Tag sind. Bis zum Juni wurde das Projekt gefördert. Für jedes Kind bekam Carmen
pro Tag 2 Euro, und für dieses Geld wurde das Essen, das Personal und die
Nebenkosten bezahlt. Es ist schon ein Wunder, wie Carmen das hinbekommen hat,
aber schließlich ist sie ja auch studierte Ökonomin. Seit Juli sieht es aber
nun ganz schlecht aus mit dem Projekt, denn es gibt keine Unterstützung mehr,
da die Förderung ausgelaufen ist. Eigentlich sollte die Gemeinde das Projekt
nun unterstützen, aber auch diese Kassen sind leer. Die Lehrer bringen nun für
die Kinder Lebensmittel von zu Hause mit, Dinge, die im Garten wachsen, wie
sich Carmen ausdrückte! Aber ich frage mich, was das jetzt im November wohl
sein wird. In meinem Garten wächst nix mehr! ...
Auf Deiner Internetseite, die Du über einen früheren Besuch in Isaccea gemacht
hast, steht, dass für die Kinder Computer angeschafft werden sollten, und
geplant war, die Einrichtung baulich zu verändern. Diese Vorhaben sind nun
realisiert. Und ausgerechnet jetzt, nach dem Wegfall der finanziellen
Förderung, steht alles in Frage und es geht nun um das tägliche Brot - und das
buchstäblich!
Auf jeden Fall ist das
Projekt etwas, für das sich aus meiner Sicht JEDE Unterstützung lohnt. Meine
Kollegen und ich machen in diesem Jahr eine Weihnachtspaket-Aktion für die
Kinder und schicken ihnen persönliche Geschenke. Carmen erzählte uns, dass
manche der 7 bis 15-Jährigen noch nie von ihren Eltern ein Weihnachtsgeschenk
bekommen hätten. Auch die alten Leute im Dorf sollen bedacht werden, und so
werden ca. 70 Pakete im Dezember auf die weite Reise in den Osten Rumäniens
gehen, alle individuell und mit viel Liebe gepackt. Was aber noch viel
wichtiger wäre als unsere Pakete, wäre, wenn wir Carmen auch finanziell
unterstützen könnten. Jede Geldspende, und sei sie noch so klein, würde helfen
das Projekt am Leben zu halten und Hilfe zur Selbsthilfe geben.
Eine gute und
sinnvolle Betreuung und Beschäftigung für die Kinder zu ermöglichen,
damit sie einen guten Start in das bestimmt sowieso schon zu schwere Leben haben halte
ich für eine sehr effektive Arbeit. Deshalb lieber Willi, bitte ich Dich, Augen
und Ohren offen zu halten und vielen Leuten von Isaccea und Carmen, Costel und
den Kindern zu erzählen. Und sollten sich Menschen finden, die das
Kinderprojekt finanziell unterstützen wollen, dann leite diese bitte an mich
weiter. Das Spenden von gebrauchter Kleidung oder Spielsachen halte ich
übrigens gerade hier aber auch überhaupt für wenig sinnvoll!
Mit lieben Grüßen, Gudrun .
Seit dieser Zeit unterstütze ich das Projekt in "loser" Form und wollte nun natürlich auch Thomas zeigen, wo so manche von ihm und mir und von vielen anderen lieben Menschen gespendeten Euros "hingehen"!
Nun waren wir da und wie schon geschrieben machte uns Costel die Tür
auf und begrüßte uns etwas steif. Wir wurden höflich in die Wohnstube gebeten
und neben Costel tauchte ein weiterer, etwas älterer Herr auf. Dieser war
Vasile, Costels Schwiegervater. Carmen, die Hausherrin bekamen wir nämlich
leider während unseres ganzen Aufenthaltes nicht zu Gesicht, da sie in Bukarest
weilte um dort in einem Krankenhaus ihr
erstes Kind zur Welt zu bringen. Aber die resolute Carmen dirigierte, wie wir
mitbekamen ihre beiden Männer gezielt und wirkungsvoll auch aus dem
Entbindungszimmer. Der förmliche Costel und sein Herr Schwiegervater
dirigierten uns also in das Wohnzimmer und baten uns Platz zu nehmen. Höflich
stellten sie sich vor uns hin und Costel zog einen Zettel und versuchte eine -
wie ich später mitbekam nach dem Hören aufgeschriebene offizielle
Begrüßungsrede zu halten. Er hatte sicher sehr geübt. Er war sehr ernst. Der
Schwiegervater hatte auch einen sehr offiziellen Blick. Costel mühte sich sehr.
Ich hatte zunehmend Mühe ernst zu bleiben und auch sehr große Mühe etwas zu verstehen. Costel stammelte weiter und
ich verstand kein Wort. Dann geschah es. Ich konnte nix dafür. Es platze
förmlich aus mir heraus. Ich musste so lachen. Lachend stand ich auf und
umarmte Costel und Vasile und von den beiden fiel eine tonnenschwere Last. Sie
wurden mit einem Schlag irgendwie
richtig SONNIG und baten uns in die gemütliche Küche mit dem Tisch in der Mitte
und den urigen Holzhockern, wo wir uns niederließen und bei Vasilis gutem
Essen, Ţuică und Wein, doch noch so richtig gut ins Gespräch kamen, auch wenn
Costel und Vasile kein Wort deutsch oder englisch und Thomas fast kein Wort
rumänisch verstand. Irgendwie ging es und wir hatten einen schönen und lustigen
Abend. Vasile umsorgte uns wie es keine deutsche und rumänische Hausfrau es
besser gekonnt hätte und irgendwann fielen wir müde und zufrieden ins Bett.
Montag, 02.10.2006
Um 8 Uhr standen wir auf
und Vasile war schon dabei für uns ein leckeres Frühstück zu zubereiten.
Zunächst kamen wir dazu unser vollgestopftes Auto zu entleeren, denn bisher war
es ja bis unter das Dach mit Geschenken für die Kinder des Projekts
vollgestopft. Wir hatten säckeweise Plüschtiere, Kartons mit neuer Kleidung,
Bastelmaterial und sogar ein Puppenhaus und ein Puppentheater mit. Ganz zu
schweigen von einem riesigen Barbiewohnmobil mit dem Thomas und ich schon
heimlich in unserem Wohnzimmer ein bisschen gespielt hatten und über das wir sehr
gestaunt haben, weil es mit seinen kleinen Einrichtungsgegenständen
sehr sehr kitschig ist. Das alles packten wir nun erst mal in das Büro der
Stiftung um es später den Kindern, wenn sie nach der Schule ins Projekt kommen
zu überreichen. Thomas hatte für jedes Kind einen Rucksack mit Trinkflasche (
gesponsert vom Wasserwerk Leipzig) vorbereitet und auch diese sollten die
Kinder später erhalten. Da der Unterricht in Rumänien oft in 2 Schichten
abgehalten wird, z.B. die größeren Kinder erhalten vormittags Unterricht und
die kleineren am Nachmittag, trafen wir tatsächlich 3 Kinder im Aufenthaltsraum
der Stiftung an. Ich konnte mich nicht
beherrschen und stellte das rosafarbene Barbywohnmobil auf den Tisch.
Für die Kinder war das ein richtiges Wunder. Sie bekamen riesige Augen und
trauten sich zunächst gar nicht richtig etwas anzufassen. Das kleine Mädchen
war richtig verzaubert und Thomas erklärte den beiden ca. 8 jährigen Jungs die
technischen Details und die Bedienung. z.B. konnte man an dem Fahrzeug eine
vorbeiziehende Landschaft "einschalten" was für mich die Krönung des Kitsches
war. Ich fand die Freude der Kinder sehr beeindruckend aber auch, dass sich
alle verstanden und miteinander
kommunizieren können, ohne die Sprache des anderen zu beherrschen.
Costel - nun im Talar (ICH WEISS JA NUN DASS PREOTEN "DRUNTER" haben und dass sie auch nur Menschen sind), zeigte uns seine Kirche, die vor 6 Jahren renoviert wurde und neue Wandmalereien erhielt. Thomas durfte sogar mit "hinter" den Altar, ein Privileg, welches nur Männer haben. Frauen würden diesen heiligen Raum entweihen! Tja!
Costel ist ein leidenschaftlicher Angler und oft ist es ja so, dass man
denkt, das was einem selber Spaß macht, muss auch den anderen gefallen und so
hatte sich Costel als besonderen Höhepunkt des Tages ausgedacht mit uns Angeln
zu gehen. Er suchte seine Bambusangeln zusammen, die so lang waren, dass sie
nicht in den Dacia passten und ließ Vasile und Thomas in sein Auto steigen.
Dann befestigte er mit einem Strick die Angeln seitlich an der Außenseite der
Türen, so dass die Fischereiwerkzeuge nun vorn und hinten über das hinaus
ragten. Nun konnten auch ich und Costel ins Auto steigen und wir fuhren circa 10 min
ein paar aufgeweichte Feldwege entlang, die sich parallel zur Donau
befanden. Ich war ja gespannt was für ein lauschiges Plätzchen uns Costel
raussucht...aber es war dann einfach nur eine Art Tümpel, wo wir ausstiegen, die
Angeln von den Türen banden und an 5 Ruten Regenwürmer badeten. Thomas- ganz
Städter - hatte so gar keine Erfahrung und auch gar keine richtige Lust zum
Angeln und ich als Fischertochter aufgewachsen sehe im Angeln eigentlich auch
nicht ganz den Sinn, da man doch Fische viel schneller mit einem ordentlichen
Netzzug haben kann. Ich bekam keine Angel zugeteilt, sondern war nur dazu da
die Männer für ihre gefangenen Fische zu bewundern. Ich beobachtete
Wasserschlangen und Frösche, und auch ein paar Eidechsen, die wie kleine
Saurier aussehen und sich sogar fangen ließen. Ab und zu kam auf dem Feldweg
ein Traktor oder Pferdefuhrwerk entlang gescheppert dessen Fahrer und Insassen
verwundert den Kopf verdrehten, um zu sehen mit wem denn der Herr Pfarrer heute
auf Angeltour ist. Am besten haben mir aber die beiden Kühe gefallen, die am
anderen Ufer ganz ruhig und gemütlich grasten. Die Sonne beschien sie so, dass
sie schwarz und zusammen mit den am Ufer wachsenden Pflanzen fast wie filigrane
Scherenschnitte aussahen, die immer mal einen riesigen Kuhfladen fallen ließen.
Und ich hatte Zeit und musse und mich
z.B. darüber zu amüsieren, wie Vasile- sowieso sehr zappelig und sehr
ungeduldig veranlagt - um den ganzen Teich wanderte um den besten Platz zum
Angeln zu finden. Aber er hielt es nicht länger wie 5 min an einer Stelle aus.
Thomas blieb an Ort und Stelle und badete geduldig seine Würmer. Neben 2 großen
Ästen hatte er auch einen riesigen, WIRKLICH riesigen Frosch - und einen
mittelgroßen Fisch an der Angel. Nach 5 Stunden. Es war heiß, Thomas bekam
einen Sonnenbrand und eigentlich wäre es nicht schlimm gewesen, wenn wir nach 2
Stunden wieder nach Hause gefahren wären. Aber Costel war ganz vom Jagdfieber
ergriffen. In bester Laune zog er ca. 20 Fische aus dem Teich und seine
Schadenfreude über die Erfolglosigkeitseiner Mitjäger war nicht ganz zu
übersehen. Mein Mann war nun unterdessen schon so rot wie eine Tomate und "
unterirdisch" auch leicht frustriert, über seine magere Beute. Meine
aufmunternden, tröstenden und witzigen Kommentare und Aufheiterungsversuche
verzischten wirkungslos. Alle atmeten
auf, als die Angeln eingepackt wurden und wir zurück ins Pfarrhaus fuhren.
Dort bereitete uns Vasile schnell ein Mittagessen, das wir dann
gemütlich unter dem vor dem Haus befindlichen Dach aus Weinblättern einnahmen.
Anschließend machten sich Vasile und die Haushaltshilfe über die (bis auf
einen) von Costel gefangenen Fische her. Ich kenne es ja so, dass die Fische
erst getötet und dann geschuppt und aufgeschnitten werden. Zu meinem Entsetzen
war hier die Reihenfolge ganz anders. Die Fische wurden bei lebendigen Leibe geschuppt
und dann aufgeschnitten. Ich versuchte Vasile mein Entsetzen zu erklären, aber
obwohl wir uns immer verstanden, verstand er mich hier nicht. Die armen armen
Fische!
Nach dem Mittagessen sind wir zu den Kindern vom Projekt gegangen. Nun
waren ca. 15 Kinder und auch ein schmucker Koch und eine sehr resolute und förmliche Lehrerin da.
Natürlich wusste sie das wir kommen, aber ich glaube die arme hatte sich etwas
anderes, so in etwa etwas wie eine Delegation unter unserem Besuch vorgestellt.
Es lag eine gewisse Steife in der Luft, die aber bald verflog, als wir den
Kindern das Puppenhaus überreichten und es aufbauen ließen. Alle waren
begeistert und sogar Costel erschien- pathetisch im Talar gekleidet - und stand
entzückt vor dem Puppenhaus und richtete verschämt ein paar Schlafzimmermöbel
gerade aus. Auch das Puppentheater war ein Gaudi. Wir bastelten aus
Holzkochlöffel und einem winzigen Teil unserer vielen mitgebrachten
Bastelsachen Figuren für Schneewittchen
und die 7 Zwerge. Mit den Figuren wollten nun auf einmal alle anwesenden Kinder
in das aufgebaute Zeltpuppentheater. Das war ein richtig schönes Gedrängel.
Ein weiterer Höhepunkt war unsere Heißklebepistole. Thomas wies einen älteren Jungen als Heißklebepistolenverantwortlicher ein und dieser übte seinen Job sehr ernsthaft und gewissenhaft und auch unfallfrei aus. Ungefähr 2 Stunden blieben wir bei den Kindern, dann hatte der schmucke Koch eine riesige Ladung Eierkuchen fertig und Costel holte uns ab, damit wir noch einen Ausflug in das nahe gelegene Kloster Cocos machen konnten. Wenn wir mit Costel allein waren, war der immer so ein richtiger Lausejunge und es war für mich faszinierend wie Thomas und er sich ohne Kenntnisse der Sprache des anderen verständigten. Waren wir aber in der Öffentlichkeit, lief Costel anders, sprach anders und strahlte eine große Würde aus. Auf unserem Weg zum und auch im Kloster mussten wir immer wieder anhalten, weil alte oder auch junge Menschen sich von Costel segnen und ihm die Hand küssen wollten. In diesen Momenten war mir Religion völlig fremd. Costel ist ein Mensch aus Fleisch und Blut, er ist, trinkt lacht und geht auf Toilette wie jeder anderer...
Das Kloster Cocos ist schön. Ich hatte es schon im Jahr zuvor mit Karpatenwilli, Costel und Carmen besucht.
Heute aber richteten wir unser Hauptinteresse auf die kleine Farm, die
zum Kloster gehört und bewunderten die Truthähne (ich führte Willis Trick mit
der Zwiesprache mit den Putern vor und Thomas war beeindruckt), die Schweine
und die putzig dreinschauenden Strauße. Auch ein hübscher Esel war der, der
unter einem Baum Pause machte.
Den Abend verbrachten wir wieder in Costels Küche. Vasile hatte die Fische(die armen) zubereitet, in dem er sie gesalzen und in Maismehl gewendet und anschließend in der Pfanne schön knusprig gebraten hat. Danach wurden sie in kräftiges Salzwasser eingelegt und kalt gegessen. Sie waren, wenn man mal davon absieht wie sie zu Tode gekommen sind, unheimlich lecker. Es gab Wein und Ţuică und bis spät hatten wir Spaß und lachten.
Wir wollten auch etwas zur gemütlichen Runde beitragen und holten eine Flasche unserer Spezialabfüllung von Cotnari. Costel trank höflich einen Schluck und teilte uns dann mit, dass ihm Wein aus Cotnari prinzipiell nicht schmeckt. Er würde nur Wein aus Murfatlar trinken.
Vasile lief die ganze Zeit wie ein aufgescheuchtes Huhn um uns herum und fragte aller 5 min ob wir etwas davon oder davon oder vielleicht hiervon wollten. Schließlich gelang es mir ihn nach seinem Beruf zu fragen. Es stellte sich heraus dass er Pensionär ist und früher mal Inspektor für ...? ? irgend etwas ganz wichtiges war.
Neben Schnaps (mehrere verschiedene Sorten) stand auch Wein (mehrere verschiedene Sorten), Bier (eine Sorte), Mineralwasser und Milch in diversen Flaschen und Gläsern auf dem Tisch und wir sprachen diesem und jenem Getränk auch sorglos zu (es gibt ja an so einem Abend unendlich viele Gründe auf irgend etwas anzustoßen.
Irgendwann holte ich die CD mit der Musik von Viorica und Costel und Vasile waren sehr begeistert von den tiefen warmen Gesängen und schließlich tanzten sie in der kleinen Küche um den Tisch... das alles war schon sehr sehr gemütlich, aber weil wir am nächsten Tag etwas besonderes vorhatten, war es wohl doch besser zu Mitternacht ins Bettchen zu verschwinden.
Dienstag, 03.10.2006
Um 6.30 Uhr weckte uns Vasile. Der Frühstückstisch war gedeckt und nach dem munteren Abend war der Morgen ziemlich still um den Tisch. Um 7 Uhr stiegen wir ins Auto und fuhren in das ca. 36km entfernte Tulcea, welches das Tor zum Donaudelta ist. Tulcea hat ca. 90 000 Einwohner und wurde ca. im 8. Jahrhundert vor Christus gegründet. Die Römer benutzten die Stadt als Hafen für ihre Kriegs- und Handelsflotte. Wie viele Gebiete in Rumänien wechselten die Herrscher, mal waren es die Byzantiner mal die Walachen. Ca 1416 wurde die Stadt von den Osmanen unterworfen. Die Eroberungen gingen "Hin und Her", aber unter dem Strich ist Tulcea immer eine wichtige Hafenstadt gewesen und heute ein- oder auch DER Ausgangspunkt für Touren ins Donaudelta.
Costel hatte einen Bekannten namens Ion, der Bootstouren anbietet. Mit dem waren wir am Hafen von Tulcea um 8 Uhr verabredet. Wir waren ein bisschen überpünktlich und standen nun am Anfang der Uferpromenade im Trüben und es war kalt und unfreundlich. Um uns herum tollten Straßenhunde in mehreren Rudeln, die sich gegenseitig Abfälle abjagten und miteinander spielten oder kämpften. Vor ein paar Jahren war ich auch schon einmal hier und habe mir die Zeit an der Uferpromenade vertrieben. Mit einem Raketenschnellboot bin ich damals nach Sulina gefahren und um mir die Zeit zu verkürzen, war ich die Uferpromenade auf und ab spaziert und habe mir die großen und kleinen Schiffe und Boote angeschaut. Irgendwann wird die Promenade bestimmt auch mal ganz toll und es werden schicke Restaurants und Geschäfte entstehen. Bis jetzt hat die holprige Promenade aber diesen maroden Charme, wie vor ein paar Jahren ein Rumänienkenner seinen Gesamteindruck von Rumänien umschrieb und damit in der Rumänienkennerszene Empörung hervor rief. Auch heute gibt es schon einige Restaurants und in einem dieser kaufte ich mir vor 6 Jahren eine Portion Mici. Mici sind längliche Klopse die mit Natron angereichert werden und dadurch diesen besonderen Geschmack erhalten und von denen man noch Wochen später aufstoßen muss. Ich mag diese Dinger nicht, nie und nirgends und halte es auch für SEHR gefährlich Mici von Straßenbratereien zu kaufen, aus hygienischen Gründen. Trotzdem gerate ich immer wieder in Situationen wo ich es TROTZDEM tue. Das endet meistens so, dass ich in ein "so ein Ding" reinbeiße, das unnatürlich rosa (blutig) schimmernde Fleisch im Inneren sehe und mich geschwind nach einer Möglichkeit umschaue den fauligen Geschmack wegzuspülen (viiiieeeel Bier oder viel Ţuică zur Desinfektion) und mich der restlichen 3-10 Mici unauffällig zu entledigen. In Tulcea ist das kein Problem. Man braucht nur etwas essbares in der Hand zu halten und schon wird man von zehn bis 21 STÜCK Hundeaugen angehimmelt.
Als Dank für die Fütterung hat man für den restlichen Spaziergang eine schwanzwedelnde Hundefangemeinde, die geschlossen auf Tritt und Schritt folgt und vor der man nicht fliehen kann. So muss es Tokiohotel und Robby Williams gehen.
Aber nun zurück zum Geschehen am 03.10.2006. Wir warteten also auf Ion,
sahen den Hunden zu und froren ein bisschen. Die Zeit schritt voran und nach
einer gerade noch erträglichen Wartezeit erschien ein dünner älterer (?) Mann.
Ich hatte mir die Boote ja schon ein wenig angeschaut und als Ion auf das-
sein- Boot zuging, war ich der Meinung, dass wir nicht das schlechteste
erwischt hätten. Es war ein kleiner lustiger Kutter, dessen Namen ich leider
vergessen habe. Es ging die steile Uferbefestigung hinunter und über ein mir
sehr wacklig und kippelig erscheinenden Steg (natürlich quietschte ich ein
wenig- aber Thomas kann mit solchen Situationen umgehen und gab mir seinen
starken Arm zum Halt) gelangten wir auf das Boot, welches über eine richtige
Kajüte mit 8 Betten, ein Klo (ich ging da lieber nicht rein, weil ich Angst
hatte dort stecken zu bleiben) , ein Sonnendeck und eine kleine Kabine für den
Kapitän Ion hatte, wo das Steuerrad und diverse andere nautische Geräte
untergebracht waren.
Zuerst fuhren wir den Hauptarm der Donau entlang. Ich bin diese Strecke schon 3 oder4 mal mit dem Schiff und einmal 2005 mit dem Auto mit Karpatenwilli gefahren. Vom Wasser aus ist die Strecke ziemlich unspektakulär. Es gibt rechts und links Wälder, immer mal ein paar Häuser und ein paar Angler, die am Ufer ihre Zelte aufgeschlagen haben. Am interessantesten waren noch die Schiffe die uns begegneten und von wirklich riesigen Containerfrachtern bis hin zu Ruderbooten reichten.
Als ich mit Willi versucht habe weit möglichst mit dem Auto ins Delta vorzudringen, sind wir gerade mal bis Gorgova gelangt. Im Frühjahr 2005 herrschte Hochwasser und die holprige Straße war hinter dem Ort überschwemmt und alle Orte nur noch per Schiff zu erreichen. Trotzdem war es sehr interessant durch die Orte zu fahren, die von Ukrainern und Lipovener besiedelt sind. Die Häuser hatten für mich einen eindeutig russischen Märchenerzählerinneneinschlag mit ihren grünen und blauen Anstrichen und den Verzierten Giebeln. Auf den Wegen suhlten sich Schweine und vom Weg aus sah man viele alte Bäume die ihr Leben lang nasse Füße haben. Der Hauptarm der Donau ist natürlich ganz anders, denn er ist der wichtigste Weg im Delta und muss deshalb ordentlich befestigt und die Fahrrinne ausgebaggert sein, damit auch die ganz großen Schiffe die Wasserstraße befahren können.
Vor Baba Rada bogen wir nach Mila 23 ab, was soviel wie 23.Meile bedeutet. Uns war übrigens ziemlich kalt auf dem Boot und Ion schleppte uns eine Decke nach der anderen heran und wir versuchten uns mit Ţuică ein bisschen aufzuwärmen. In Mila 23 war unser Rastplatz. Ich hatte von dem Ort schon viel gehört und stellte mir so eine Art Touristenzentrum vor. Aber so war es nicht, sondern es war ein wirklich armes Dorf.
In einem Reisebericht im Internet fand ich unter diesem Link http://www.geogr.uni-goettingen.de/hg/Karpaten/Route/Protokol/prot2403.htm diese Erläuterungen
Mila 23
Es
ist ein typisches Fischerdorf an einem alten Donauarm des Sulina Stroms, das
seinen Namen nach der 23. Flussmeile erhielt. Guter Ausgangspunkt für Ausflüge
in den Deltadschungel. In der Nähe befinden sich schwimmende Schilfsinseln und
ein Pelikanreservat.
(Quelle: Marco Polo, 2001)
Bevor ein künstlicher Kanal gebaut wurde, war die Entfernung von Mila bis zum
Schwarzen Meer 23 türkische Seemeilen. 1 türkische Seemeile beträgt ca. 1,6 km.
Die künstliche Inselplattform war nur mit dem Boot erreichbar. 90 % aller
Fischarten im Donaudelta kommen auch dort vor. Aufgrund des vorkommenden
Lehmbodens ist keine Landwirtschaft möglich. Das Dorf ist 150 Jahre alt. Es
leben hier 300 Einwohner, größtenteils Russen und Lipovener. Die Einwohner sind
sehr religiös. Des weiteren ist eine Schule (1. bis 8. Klasse) vorhanden. Der Lebensstandart
ist allgemein sehr niedrig, da neben schlechten Verkehrswegen auch keine
Wasserleitungen vorhanden sind.
Das Dorf ist bis zum Kanalbau mit dem Deich, alle ein bis zwei Jahre
überschwemmt worden. Die 100 Jahre alte Kirche stand dadurch ständig unter
Wasser. Die Einwohner bauten 1985 eine Plattform in die Kirche, um auch bei
Hochwasser zur Kirche gehen zu können.
Die Kirche und Plattform hielten nicht lange dem Wasser stand -> Einsturz
der Kirche. Während des Kommunismus war es verboten, eine neue Kirche zu bauen.
Genau so sahen wir Mila 23. An der Schiffsanlegestelle eine kleine Bar mit Kaffee und einer Art Lagos sowie natürlich Schnaps und Bier im Angebot und ein kleiner Laden, der so das übliche Sortiment anbot. Wir machten einen Spaziergang und kamen an der Schule, auf dessen Schulhof die Kinder in Uniform ihre Pause vertobten und am Dorfplatz der unter Wasser stand vorbei. Die Wege waren matschig und die Häuser ohne Ausnahme klein und verwohnt. Überall schnatterten Enten und Gänse und hier hatte ich ganz besonders den Eindruck, dass die Zeit stehen geblieben ist. Wir machten uns nach dem wir einen Kaffee getrunken hatten und davon und auch von unserem Spaziergang erwärmt waren mit unserem Boot weiter auf den Weg durch das Delta. Jetzt wurde es richtig schön. Ion bog auf kleine Nebenarme ein und wir sahen nun viele schön alte Bäume, Wasserpflanzen, viele Vögel ( trotz unserem laut knatternden Motor). Es ist unvorstellbar wie filigran die Arme und Ärmchen und Ärmelchen des Deltas sich verzweigen und auch beeindruckend, dass sich die Bootsführer da durchfinden.
An den Ufern trafen wir
auch hier immer wieder Angler, die es sich in Zelten und Schilfhütten mit
ganzen Sippen gemütlich gemacht hatten. Manche waren so stolz auf ihren Fang,
dass sie ihn mit geschwollener Brust hochhoben und ihn uns präsentierten als
wir vorbeigeknattert kamen. Costel saß
die ganze Zeit eigentlich ziemlich phlegmatisch da. Er war müde und fror und
legte sich ab und zu mal runter in die Kajüte um eine Runde zu schnarchen. Als
er aber die Fische sah wurde er richtig lebendig und wackelte unruhig hin und
her. Mein Mann konnte der Angelei nicht so richtig etwas abgewinnen und auch
durch seinen Misserfolg am Vortag war er kein Angelfreund geworden.
Schließlich warf Ion an einer Art Flusskreuzung das Boot an. Es war nicht so, dass wir im Gegensatz unserer kilometerlangen Fahrt durch das Delta allein waren, sondern es musste sich wohl um einen sehr berühmten und beliebten Angelplatz, ja fast ein Angelzentrum handeln. Mehrere Schiffe und Boote hatten da festgemacht und viele Männer hielten ihre langen und kurzen Ruten ins Wasser.
Eventuelle Fänge wurden
lautstark gefeiert, besonders wenn es sich um Prachtexemplare handelt. Nun war
auch die Zeit für Costel gekommen. Ion packte eine Ladung winzige Fische auf
den Tisch und Costel nahm sich eine der bereitgelegten Angeln und bohrte einem
der Tiere ganz unchristlich den Haken durch Auge um ihn dann ins Wasser zu
lassen. Thomas zögerte noch, aber als nach einigen Minuten der erste Fisch an
Costels Angel zappelte erwachte auch in ihm das Jagdfieber. Was nun folgte war
sehr spannend. In dem Moment wo Thomas seine Angel ins Wasser hielt hatte er
auch schon den ersten Fisch dran. Ion oder ich - abwechselnd - bastelten ein neues
Fischlein an die Angel und kaum war dieses im Wasser, hatte schon wieder ein
größerer Fisch danach geschnappt. Die kleinen Köderfische konnten es gar nicht
genießen wieder in ihrem ursprünglichen Element zu sein. Das ging im
Minutentakt. Ich weiß allerdings nicht welche SORTE Fisch das war. Meiner
Meinung nach handelte es sich um eine Karpfenart, vielleicht Barsche, und die Fische hatten eine Größe von 15 - 25
cm. Seit dem Thomas so viele Fische fing, war es bei Costel sehr ruhig an der
Angel. Eine Weile war das auch ok, doch dann schlug Costel vor, den Platz auf dem Kutter zu tauschen. Aber auch auf
Costels ursprünglichen Platz fing Thomas mind. 75 % mehr. Nun hatte mein Mann
auch richtigen Spaß am Angeln und bald waren die kleinen Köderfische alle.
Ion hatte eine Notreserve Regenwürmer mit (Rühme) die an Thomas Angel auch
reißenden Absatz fanden und nicht mal in Ruhe ertrinken konnten ehe sie
gefressen wurden. Während der ganzen
Zeiten brausten immer wieder Motorboote über die starkbefahrene
Urwaldflusskreuzung und mit Ruderbooten wurde gemächlich über die Sehnen der
ausgeworfenen Angeln gerudert. Keiner regte sich darüber auf. Die Sonne schien,
die Vögel zwitscherten und es war ein schöner Nachmittag. Nach 2, 5 Stunden und
mit einer großen Schüssel kleinerer und mittlerer Fische - aber ohne den ganz
großen repräsentativen Fang- mahnte Ion zum Aufbruch, da es nun schon bald
dunkel werden würde. Also war mein Job als Fischauge - und
Regenwurmdurchstecherin zu Ende und wir kuschelten uns auf dem Deck der kleinen
Schaluppe in Decken gehüllt zusammen, denn nun wo wir wieder still saßen kroch
die Kälte wieder in uns hoch.
Die Landschaft wurde immer schöner, je kleinere Wasserstraßen Ion benutzte. Wir fuhren kreuz und quer durch das Delta und Thomas war bald überzeugt, dass wir uns verfahren hatten. Schnell ging die Sonne in einem wunderbaren Farbspektakel unter. Es war sehr romantisch die alten Bäume, das Wasser auf dem sich die Sonne in allen Farben spiegelte und die ab und zu dekorativ daran vorbeifliegende Vogelschwärme zu sehen. Störend war nur das laute Tuckern unseres Bootes. Irgendwann möchte ich mal eine Fahrt durch das Delta machen mit einem Boot ohne Motorantrieb. Nach Möglichkeit möchte ich aber auch nicht selber rudern, denn ich muss ja die Hand für das Fernglas freihaben.
Thomas hatte immer mehr den Eindruck dass wir im Zickzack durch das
Delta fahren, zumal Ion auch einige Male Angler nach dem Weg fragte. Einmal
wurden WIR von einem prächtigen Schiff (Boot- Jacht) angehalten und nach dem
Weg gefragt. Bei dieser Gelegenheit präsentierte die gesamte Belegschaft ihren
Fang. Riesige Hechte wurden stolz hochgehalten. Thomas und Costel hielten sich
vornehm zurück. Sie hätten sehr viele aber nicht so riesige Fische zeigen
können. Costel meinte um 21 Uhr wären wir im Hafen von Tulcea. Als es richtig
dunkel war, zündete Ion eine Bordlampe an. Nun sahen wir gar nichts mehr und weil es immer kälter
wurde, verzogen wir uns in die Kajüte und schliefen. Als ich erwachte waren wir schon an der Anlegestelle. Schade,
ich hätte gern die Einfahrt nach Tulcea
erlebt, denn diverse Lampen gab es an
in der Skyline der Bezirkshauptstadt schon zu bewundern.
Es war nun tatsächlich 21 Uhr, wir bezahlten Ion und bedankten uns hin und her, stiegen ins Auto
und tuckelten langsam zurück nach Isaccea. Ich war müde, bemerkte aber, dass
Thomas so gar nicht gesprächig war. Bei Vasile angekommen zeigten wir stolz
unseren Fang, worauf sich Vasile sofort an das zubereiten der Beute (eines
kleinen Teil davon) machte, denn es war ja sooooo viel.
Thomas wollte von mir eine Taschenlampe und verschwand zum Auto. Mein warum und weshalb beantwortete er mir mürrisch, bisher endlich erzählte, dass etwas mit dem Auto nicht stimmt, weil während der Fahrt die Öldrucklampe und die Motorkontrolllampe aufleuchteten und das gar kein gutes Zeichen wäre. Costel und Vasile versuchten uns zu beruhigen. Das wäre sicher kein ernstes Problem sondern auf die vielen Kurven die wir in Rumänien gefahren wären, zurück zu führen. Costel würde bei seinem Chef, dem lieben Gott ein gutes Wort für uns einlegen und das Auto segnen und so wäre schon alles gut.
Schließlich wurde es doch wieder ein schöner Abend. Vasile tänzelte immer um den Tisch und erzählte laut und schnell und fast ununterbrochen. Als er dann den Schnaps in die Biergläser goss, wurde er ruhiger und Costel und Thomas unterhielten sich (ohne gemeinsame Sprache)über Autos, Hitler, Zigeuner und Rumänien im Allgemeinen und im besonderen. Ich war so müde, dass ich dann ins Bett ging und die Jungs allein ihrem Philosophieren und Vasiles Obhut überließ.
Mittwoch, 04.10.2006
Heute wollten wir weiter fahren, auch weil Vasile und Costel nach Bukarest reisen wollten um nach Carmen zu sehen, die ja am nächsten Tag das Kind zur Welt bringen sollte
Thomas hatte kaum die Augen auf und schon beschäftigte ihn das Auto und seinen Glauben an Costels gute Beziehungen nach oben, den er gestern zweckdienlich noch erblühen ließ, hatte merklich abgenommen. Die bösen Lichter brannten noch beim Starten des Wagens, aber wenn Thomas das Gas und die Kupplung trat erloschen die Lichter. Thomas las im Servicebuch nach und entnahm daraus, dass es sich THEORETISCH bei dieser Konstellation nicht um ein Problem handelt. Damit Thomas sich noch ein bisschen besser beruhigte, riefen wir in unserer Autowerkstatt in Deutschland an. Auch die sahen es so, dass es wahrscheinlich nicht schlimm ist und erkundigten sich nach dem seltsamen Hindergrundgeräusch. Thomas saß während des Telefonats untern Weindach in Costels Garten und neben ihm saß ein freches Huhn, dass - soweit bei Hühnern möglich- mit einer gewissen Bauernschläue auf dem Tisch nach den Krümeln des Frühstücks schaute und gackerte. Der Werkstattmensch in Deutschland war ganz neidisch auf das schöne Wetter was wir hatten und erzählten uns von Dauerregen und Kälte in Deutschland...Deutschland? Häää Deutschland...was war das gleich? Wir waren in einer gaaanz anderen Welt!
Costel hat so richtig schön die Ruhe weg. Er hatte einen riesigen und wunderschönen Blumenstrauß den ihn die Frauen - genau so wie Kekse und Kuchen - in die Kirche gebracht hatten auf den Tisch gestellt. Costel ist für mich so wie so der Schöngeist und Genießer schlechthin. Ganz in Ruhe und voller Genuss tut er alles was er tut. Er freut sich an Tieren, Pflanzen, Menschen und dem Wetter. Er genießt seinen Job mit all den Vorteilen und man spürt wie zufrieden er mit seinem Leben ist.
Vasile war für das Packen für die Reise nach Bukarest verantwortlich.
Wir sahen ihm beim Hühnerfangen und Hühnerschlachten zu. Kaltblütig enthauptete
er die Viecher mit dem Messer und lies sie kopflos über den Hof flattern. Zum
Glück hatte sich mein braunes bauernschlaues Lieblingshuhn aus der Affäre
gezogen. Thomas, der das Gemetzel mit ansehen musste, verlor übrigens die
Schachpartie zu der Costel ihn- fern jedes Reisestresses während sein
Schwiegervater auch für ihn packte-
aufgefordert hatte.
Allmählich und nach 2 gewonnenen Schachspielen wurde auch Costel aktiv. Er brachte 2 5 Liter Gläser Honig, Blumen - und Bohnensamen, 4 Liter Wein und eine große Flasche Ţuică. All das sollten wir mit nach Deutschland nehmen und uns an die Tage bei ihm erinnern. Wir schauten noch mal im Haus des Kinderprojektes vorbei, wo der Koch gerade mit der Zubereitung einer Hühnersuppe beschäftigt war.
Die kleineren Kinder bereiteten sich auf den Unterricht am Nachmittag vor und die zahlreichen Geschenkkartons die wir in das Büro gestapelt hatten waren leergeräumt und die Dinge sortiert.
Wir verabschiedeten uns ausführlich, machten noch diverse Fotos und fuhren mit guten Wünschen und Winken 3 Ecken um das Carre. Vor dem Neubaublock hielten wir an, da wir noch der alten Tati Gherginia einen Besuch abstatten wollten. Die alte Frau leitet an einer Durchblutungsstörung in folge dessen ihre die Füße regelrecht abgefault sind. Bernhard, meinen Freund aus Arad, der Wunderheiler, hatte Gherginia schon einmal besucht und nicht nur sie, sondern das ganze Städtchen Isaccea mit seinen Heilmitteln kostenlos behandelt. Dabei muss er einen großen Eindruck hinterlassen haben, denn Carmen hatte ja auch viel von den Mittelchen angefordert, die wir dann für sie mitgenommen haben. Bevor wir das Haus betraten warnte Costel Thomas in dem er sagte, dass Tati Gherginia keinen schönen Anblick bietet. Thomas betrat tapfer mit uns den Wohnblock. Wie überall in Rumänien sind die Treppenhäuser der Blocks in Rumänien sehr herunter gekommen. Meistens sind dafür aber die Wohnungen sehr gepflegt und liebevoll eingerichtet.
Tati Gherginia lebt mit ihrer Tochter in einer Einraumwohnung, die sehr voll mit diversen Habseligkeiten ist. Die kleine alte Frau thront auf ihrem Bett und der Rollstuhl, den wir ihr vor einem Jahr geschickt haben, steht unbenutzt auf dem winzigen Balkon und schaut sich allein die Landschaft an. Gherginia ist bestimmt seit Monaten nicht aus dem Zimmer gekommen, einfach weil sich niemand findet, der sie aus dem 2. Stock hinunter ins Freie trägt und in den Rollstuhl setzt. Sie freute sich sehr über unseren Besuch und verwechselte Thomas gleich erst mal mit Bernhard. Als Costel sie aufklärte, sagte sie, dass sie die beiden nur verwechselt hätte, weil sie den gleichen Körperbau hätten, was sehr schmeichelhaft für Thomas ist. Sie wickelte dann seelenruhig ihre kranken Füße aus um sie uns zu zeigen, was dazu führte, dass die beiden Männer ganz blass wurden und wir uns schnell verabschiedeten.
Vor dem Haus umarmten wir Costel und wünschten ihm und Vasile und natürlich besonders Carmen und dem Baby alles Gute. Wir würden uns sehr freuen, wenn Costel und Carmen uns in Deutschland bald einmal besuchen würden.
Nun fuhren wir in Richtung Westen, das erste Mal seit unserem Start und man könnte auch sagen, wir waren auf dem Heimweg. Es ging wieder durch die karge Landschaft der Dobrudscha.
Wir statteten einem kleinen Kloster ein Kurzbesuch ab um ein paar Fotos zu hinterlassen, die ich auf meiner Reise 2005 von den Mönchen die wie echte Weihnachtsmänner aussehen, geschossen hatte.
Leider war von den fotografierten Mönchen keiner "zu Hause" aber zwei andere Mönche nahmen die Fotos zufrieden entgegen, obwohl sie sie schon auf Karpatenwillis Seiten bewundert hatten. Nach dem wir noch eine Familie in Greci besucht, Kaffee getrunken und Weintrauben gegessen hatten, begaben wir uns in Richtung Braila, wo es nach Galati die zweite Fähre für Autos über den Hauptarm der Donau gibt.
Ich war dort 1997 schon einmal mit Haiko Kühne und einem als Wohnmobil umgebauten Lada-Kombi. Als wir aber an der Fähre anstanden und sahen, dass die Fahrzeuge beim verlassen der Fähre mind. einen halben Meter ins Wasser tauchten, nahmen wir von der Überquerung Abstand und reisten nach Galati weiter, wo wir kein Aquarium aus dem Lada machten.
So richtig viel hatte
sich nicht verändert. Im Vergleich wirkten die Gegebenheiten in Galati sehr
großstädtisch und hier waren wir in der tiefsten Provinz. Als wir unser Auto
auf die Fähre gefahren hatten, wurden wir fast erschlagen von der drückenden
Hitze. Wir hatten Lust auf ein kaltes Getränk, deshalb fragte ich den Fährmann-
oder zumind. den der wie ein Chef aussah-, ob wir denn noch Zeit hätten etwas
trinken zu gehen. Der Seemann nickte und sagte, dass es frühestens in einer
halben Stunde weiter geht. Also liefen Thomas und ich ein Stückchen bis zur Hafenkneipe und gönnten uns eine Fanta.
Plötzlich kamen zwei große LKWs die auf die Fähre fuhren und damit war das Wasserfahrzeug ausgelastet. Die
Fährmatrosen kappten die Taue und Thomas und ich hatten Mühe und Not gerade
noch auf die schon abgelegte Fähre zu springen. Na, wo gibt es denn so was. Erst
halbe Stunde versprechen und dann nach 15 min
schon losfahren. Thomas war empört, denn mit deutscher Zucht und Ordnung
hatten diese Gepflogenheiten nichts zu tun. Überhaupt war die Stimmung in unserem Auto an diesem Tag nicht besonders gut. Es
lag etwas in der Luft als ahnten wir was kommt. Und für diese Ahnung hatten wir
in Form der immer mal aufflackernden Lampen
am Armaturenbrett auch einigen
Grund. Wir schlängelten uns durch Braila, ich konnte nichts besonderes an der
Stadt finden. Irgendwo erspähten wir einen Geldautomaten und ich hüpfte raus,
um unsere Reisekasse aufzufüllen. Solche Automaten sind übrigens gar kein
Problem, sie arbeiten zuverlässig und sind in jeder Stadt und jedem größeren
Dorf zu finden. Schließlich geriet ich mit Thomas noch in einen Streit, weil
wir uns über den unkompliziertesten Weg in Richtung Westen nicht einigen konnten. Eigentlich ist Thomas ja viel fitter
im Weg finden wie ich, aber trotzdem kann ich mir meistens nicht verkneifen
meine Meinung im bezug auf Fahrtrouten kund zu tun....und manchmal kommt das
eben nicht so gut an. Wir waren schon fast raus aus der Stadt als 2 propere
Damen mit Perlonkleid, Kaltwellenlöckchen und großen Plasteohrklips am
Wegesrand standen und den Finger hoch hielten. Ich schlug Thomas vor, diese
beiden zu fragen, ob wir richtig auf dem Weg nach Buzau sind. Thomas hielt an
und noch ehe ich mich aus dem Auto geschält hatte, hatten sie schon die Tür zum
Rücksitz aufgemacht und versuchten ihre Hintern auf unsere vollbepackte
Rückbank zu quetschen. Thomas ist ja höflich und so räumte er so gut es ging
die Plätze frei, während ich die Damen nach der Strecke befragte. Ja ja, wir
sind richtig und sie wollen auch in Richtung Westen.
Nun hatten wir wieder Tramper mit und ich hörte die Damen hinter mir von dem Auto schwärmen. Ist ja klar, sie standen bestimmt schon eine Weile in der prallen Sonne bei 30 Grad und wir hatten unsere Klimaanlage an. Richtig stolz waren die Mädels und fragten uns, ob wir aus Frankreich kommen. Wir mussten sie leider enttäuschen, denn wir sind ja nur deutsche, aber das war ihnen auch recht und das schöne Auto....
Wir fuhren mit den Damen genau 16 km und dann rummste es in den Innereien des Autos und die Öllampe und die Motorlampe brannten wieder. Thomas verkündete "Der Motor zieht nicht mehr!"
Tja!
Nun war es da, das Problem! Costels Beziehungen zum lieben Gott scheinen nicht so ganz weitreichend zu sein und die Diagnose unserer Werkstattleute zu Hause war auch nicht richtig. Nun mussten wir sehen wie wir alleine, am Arsch der Welt im hintersten Rumänien bei 32,4 °C Außentemperatur zurecht kommen. Zuerst setzen wir die beiden Damen an die frische Luft, die nun auf einer endlosen Allee zwischen den Nussbäumen mitten in der Wendei standen, die Armen. Dann wendete Thomas und wir zuckelten mit 20 km/h die 16 km zurück nach Braila. Ich wusste dass es da eine Opelwerkstatt gibt, denn ich hatte Reklame an einigen Laternenmasten gesehen. Diese Information hob die Stimmung meines Mannes um 0,0001 Prozent Punkte auf der nach unten offenen Richterskala. Die Schilder an den Laternen mit Pfeilen und Angaben wie viel Meter es bis dahin sind waren allerdings irreführend und mit einem kaputten Motor eine Schnitzeljagd durch Braila zu machen war auch nicht so ganz das was unsere Nerven heute brauchten. Allerdings waren die Schilder mit einer Telefonnummer versehen und vielleicht konnten wir uns verständigen. Zuerst wollte ich aber Passanten nach dem Weg fragen. Ich stelle mich unter eine beschilderte Laterne und wartete auf einen passenden Passanten. Zuerst kam ein mittelalter Herr. Ich fragte "Wo ist?" und zeigte nach oben. Ich weiß nicht was er dachte, aber erschaute mich ganz komisch an. Der nächste Herr den ich ansprach war etwas jünger und wieder schaute ich ihm tief in die Augen und dann nach oben. Es funktionierte nicht. Alle guten Dinge sind 3 und nun kam eine Frau mit 2 Einkaufstüten in einem Blumenkleid des Weges. Ich fragte sie, sie sagte höflich dass sie es nicht weiß und ging weiter.
Also überquerte ich die Straße und kaufte mir in einem Magazin Mixt (Laden für alles) eine Telefonkarte für mein Handy. Um das Guthaben einzulösen muss man eine Nummer anrufen und die freundliche Computerstimme leitet dann durch die Guthabenaufstockungsprozedur. Leider reicht mein rumänisch und mein Englisch nicht dafür aus, so dass ich mir immer jemand suchen muss, der das für mich übernimmt.
Die älteren Damen im
Geschäft konnten es auch nicht, schickten mich aber zu ihren Nachbarn. 2 junge
Männer saßen da in einem Geschäft in dem ein einzelner Renault stand. Es war eine Art Autohaus. Der
Besitzer verstand etwas englisch und ich
bat ihm mein Telefon aufzuladen und erzählte ihm von unserem Pech. Gar
kein Problem meinte er, er hätte einen Freund der in einer Autowerkstatt
arbeitet. Eh ich mich versah, saß der nette junge Mann in unserem Opel und Thomas zuckelte gemäß seiner Anweisungen um ein paar Ecken
und bald standen wir vor einer sehr mitteleuropäischen Werkstatt. Wir hatten ja
auf unserer Reise schon viele Reparaturbuden (Werkstatt ist in vielen Fällen
da einfach das falsche Wort) gesehen,
die meisten waren sehr primitiv. Das Öl tropfte aus den Autos auf den blanken
Fußboden und es wurde eher mit Hammer und Säge gearbeitet, als mit irgendwelchen Feinmechanikerwerkzeug. Aber hier war es anders. Wir
standen vor einer nagelneuen bestens ausgestatteten Werkstatt von mobil1. Einer
der Monteure nahm sich unser an und weil er etwas deutsch sprach, sprudelten
wir gleich unsere ganze Geschichte heraus. Filip, so hieß der für uns
verantwortliche Mechaniker konnte uns nicht so richtig folgen und schob uns schließlich in einen
Warteraum. Dort sollten wir uns Hinsetzen bis er sich wieder meldet! Mal
ehrlich!!! Puh! Keine Minute hielt es Thomas da aus und auch ich konnte keine
1,5 Minuten warten, ehe ich zu den Männern in die Werkstatt lief und in einen
gebührenden Abstand (0,75 m) zu der eifrig diskutierenden Männeranhäufelung.
Auf jeden Fall hatten wir ein gutes Gefühl in dieser Werkstatt. Das Auto wurde
auf die Bühne gehoben und ca. 10
Mechaniker gesellten sich um die Hebevorrichtungen. Es wurde diskutiert.
Lange! Dann wurde geschraubt. Ich stand im Weg und ein Lehrling musste mir
einen Stuhl (gelber Plastikstuhl!) holen, mit dem ich dann vor die Tür gesetzt
wurde. Ich fühlte mich abgeschoben und hatte Angst, dass unser Auto ganz
schlimm kaputt ist und wir nicht mehr weiter kommen. Und dann sitzt man wie
eine Alterspräsidentin auf dem perfekt betonierten Hof einer rumänischen
Autowerkstatt!
Das Resultat der langen Suche war, dass es sich um einen größeren Motorschaden handelt. Filip erschien um uns das mitzuteilen und diverse Lösungsvorschläge zu unterbreiten. Es würden einige Ersatzteile für die Reparatur nötig sein, die aber erst bestellt werden müssen. Lieferdauer 6 Werktage. Die zweite Möglichkeit wäre der Versuch einer Notreparatur.
Wie ich es verstanden habe ist folgendes passiert. Der Kettenspanner der Antriebskette zur Kurbelwelle hat sich in seine Einzelteile zerlegt. Das Teil ist etwas ganz spezielles aus Kunststoff und ist dazu da Veränderungen in der Kettenlänge auszugleichen.
Wir entschieden uns für die Notreparatur, denn wer will schon 6 Tage in Braila bleiben.
Erst jetzt fingen wir an zu überlegen, wie und wo und ob wir überhaupt versichert sind. Mit meiner neuen Telefonkarte riefen wir unsere Werkstatt zu Hause an, die unsere Versicherungsvertreterin gut kennen. Diese waren so nett sich nach unserer Versicherung zu erkundigen und erleichtert stellten wir fest, dass uns in jedem Fall geholfen wird. Das war schon erst mal gut. Unterdessen saß nun Thomas neben mir und wir berieten, was wir machen wenn das Auto ganz kaputt oder halb kaputt ist. Irgendwann erlöste uns Filip in dem er uns mitteilte, dass nun Feierabend sei und das Auto morgen repariert wird. Er könne uns anbieten ein Taxi zu rufen. Der Taxifahrer wäre ein Freund und würde sich um uns kümmern und in ein Hotel bringen. Wir vertrauten der Werkstatt und wir vertrauten Filip. Wir nahmen nur kleines Gepäck aus dem Auto (Zahnbürste und Wechselschlüpfer in Handtasche verstaut) und überließen unser gesamtes Gepäck samt Auto Filip und seinen Leuten.
Filips Taxifahrerfreund war auch eine Wucht! Wir saßen kaum im Auto schon fühlten wir uns wieder aufgehoben und gut betreut. Ich weiß den Namen nicht mehr, aber wer in Braila einem jungen einbeinigen Taxifahrer begegnet, der weiß, dass es unserer war und dass er sich ihm anvertrauen kann. Leider konnte er uns auch keine Empfehlungen zur Abendgestaltung geben, er meinte wir sollen im Hotel essen und sonst wäre nichts los. Wir fuhren gar nicht lange und schon landeten wir vor einem Hotel. Der Taxifahrer brachte uns zur Rezeption und managte, dass wir ein Zimmer bekamen. Das Hotel war sehr in Ordnung, wir bezahlten 32 Euro mit Frühstück und konnten trotz der Aufregung, Hitze und der Ungewissheit gut schlafen.
Donnerstag, 05.10.2006
Um 10 Uhr holte uns der Taxifahrer ab. Es ist ungewöhnlich für uns Frühaufsteher soviel Zeit am Morgen zu haben und so hatten wir uns sehr lange beim Frühstück aufgehalten und jede Menge Kaffee getrunken. Nun waren wir gespannt, wie es um unseren Opel stand.
Als wir in die Werkstatt kamen machte Filip ein besorgtes Gesicht. Es wäre noch ein Problem dazu gekommen. Etwas von den defekten Teilen des Kettenspanners hätte sich in den Ölfilter gesetzt und so hat der Motor zu wenig Öl bekommen und ist heiß gelaufen. Dadurch sind einige Hydrostößel kaputt gegangen. Ich fand das doch sehr interessant was so ein Auto alles hat. Hydrostößel. Noch nie hatte ich davon etwas gehört. Wir sollten uns wieder auf die gelben Stühle setzen und ich schrieb einem Freund in Deutschland per SMS von den Hydrostößeln. Da Stefan sich mit Motoren auskennt, glaubte ich ihm, dass wir auch mit defekten Hydrostößel noch weiter fahren können.
Zuerst aber saßen wir auf dem Hof und beobachteten das Kommen und gehen. Es wurden ständig neue Autos gebracht und fertig bearbeitete abgeholt. Die Besitzer verzogen sich- oft Kettenrauchend- in den Warteraum oder traten nervös von einem Bein auf das andere. Ständig brachten die Mechaniker irgendwelche Teile, die sie lärmend in einen Abfallcontainer warfen.
Um 13.30 Uhr konnten wir nun weiter fahren. Thomas bezahlte die Rechnung von 140 Euro. Wenn man bedenkt wie lange Filip und seine Kollegen an unserem Auto gearbeitet hatten ist das wirklich nicht viel. Erstaunlicherweise weigerten sich sowohl Filip als auch die Leute im Büro Trinkgeld von uns anzunehmen.
Zum Abschied lümmelte sich Filip noch mal an mein offenes Fenster und wünschte uns gute Reise. Wir würden schon gut heim kommen. Später habe ich noch mal Kontakt zu Filip aufgenommen und ihm gesagt, dass wir gut zu Hause angekommen sind. Er meinte, dass er darüber sehr erleichtert wäre, denn so ganz geheuer war ihm die Sache auch nicht.
Nun waren wir aber wieder auf der Straße. Mit gemütlichem Gezuckel ging es über Buzau in Richtung Târgovişte. Kurz vor der einzigen richtigen Autobahn Rumäniens fanden nahe der Stadt Dragodano wir einen Touristenkomplex, der uns sehr stark an ein modernes Wirtshaus im Spessart erinnerte. Eigentlich lag das Hotel an einer Hauptstraße und doch wirkte es abgelegen. Es war ein Stückchen eingerückt und seitlich hatte sich noch ein großes flaches Restaurant angeklebt. Das Restaurant wirkte mit den vielen 100 leeren Stühlen offen und doch verlassen. Das Hotel war plüschig, abgewohnt und die Damen von der Rezeption standen schon mind. 200 Jahre da und waren genau so staubig und abgenutzt wie die gesamte Einrichtung. Ich wunderte mich echt, dass Thomas hier schlafen wollte. Das Zimmer war klein, schlecht gelüftet und irgendwie war alles staubig, wollig .. ... ! Wir bezogen also unser Zimmer und gingen in das Restaurant. Im großen Saal hätten wir uns verlaufen also setzten wir uns auf die Terrasse, auf der sich schon ein paar Anzugmänner niedergelassen hatten, die das Essen teilnahmslos in sich hinein schaufelten und dabei ihr Handy oder ihren Laptop bedienten. Ein paar Tische weiter saß ein Pulk Zigeuner, so richtig dunkle Typen mit Seitenscheitelfrisur und dicken Schnauzbärten gekleidet in auberginenfarbenen Anzügen, die schon ein paar Jahre auf dem Buckel haben. Sie waren eifrig beim Diskutieren und gestikulierten dabei. Mir ist schon öfter aufgefallen, dass sich Rumänen beim Kommunizieren berühren und bei den Zigeunern ist das richtig ausgeprägt und jedes Wort wird von einer flotten Handbewegung begleitet. So saßen wir an diesem Tag auf der Terrasse, besahen uns die Leute und die vorbei rauschenden Autos und jeder hing so seinen Gedanken nach.
In dem plüschigen Bett mit den durchgelegenen Laken konnte ich schlecht schlafen.
Donnerstag, 06.10.2006
Geweckt von Hundegebell und Zigeunerdiskussionen vor der Zimmertür fuhren wir weiter nach Westen. In Gaesti suchten wir ein Restaurant für ein Frühstück aber irgendwie hatte das Örtchen mit den engen Straßen noch nicht ausgeschlafen. Nachdem wir ein paar malkreuz und quer gefahren waren entdeckten wir tatsächlich eine Art Cafe. Die Bedienung war ein bisschen stolz als wir ausländischen Gäste uns bei ihr nieder ließen und bediente uns sehr freundlich und hatte auch gar nichts dagegen als wir unsere Konservenbüchsen auspackten. Nach einem fröhlichen Frühstück ging es weiter über die Straße Nummer 7 nach Pitesti. Von dieser Strecke gibt es keinerlei Besonderheiten zu berichten, außer dass der Himmel grau war und es zum ersten mal während unseres Urlaubs so richtig regnete. Lebendiger und schöner wird dann die Strecke nach Râmnicu Vâlcea. Dann ging es weiter Richtung Horezu.
Nach einigen Kilometern lächelte - JA WIRKLICH- lächelte uns ein
kleines schönes Kloster mit silbernen Dächern von einem Hügel an und selbst
Thomas konnte nicht widerstehen. Da mussten wir einfach hin. Es war das Kloster
Govora und es war für mich LIEBE auf den ersten Blick. Wir ließen das Auto am
Fuße des Hügels stehen und liefen einen mit Pflastersteinen ausgelegten Weg
hinauf. Auf der rechten Seite befand sich der Garten der Nonnen und links eine
Weide mit ganz hübschen Schafen.
Diese hatten richtig viel Wolle, aber nicht soviel dass sie wie ein Fass auf Beinen aussehen (wie Stefan Tumbrocks Schaf Gudi), sondern sie wirkten richtig schön kuschelig. Natürlich nahmen wir sofort Kontakt auf und blökten die Schafe an, wo rauf sie zurück blökten. Wir machten einen ganz schönen Lärm und so hörten wir leider erst zu spät, dass ein Traktor den Weg hinauf tuckerte. Es war ein grüner Traktor und die Traktoristin war eine richtig schöne dralle Nonne mit Kopftuch und roten Wangen und einem freundlichen Lächeln. Ein zu schönes Bild. Thomas schlich sich auf den Hänger des Traktors und ließ sich nach oben fahren. Ich lief die paar Meter und war bald im Inneren des Klosters, dass wie eine Burg angelegt war. Während aber heut zu Tage Burgen ja meistens Museum oder "Eventstätte" sind, war diese "Burg" bewohnt und lebendig. Die kleine Kakteensammlung auf dem Sims hatten die Nonnen nicht für zahlungskräftige Touristen, sondern für sich selber hingestellt.
Ganz besonders in diesem Kloster empfing mich eine ruhige weihevolle Stimmung. Hier war es nicht die übergroße Würde und das Imposante, sondern hier waren es die Einfachheit und die Ursprünglichkeit, die mich in Bann zogen. Thomas und ich schlenderten durch die Anlage und weil es regnete waren wir auch die einzigen Touristen. Unter einem Dach saß eine ältere kränkliche Nonne, die Bohnen schälte. Wir lächelten uns zu und es war kein Lächeln nach dem Motto, gibst Du mir was geb ich Dir was, sondern es war einfach ein fröhliches Lächeln zwischen zwei sich völlig fremden Menschen an einem verregneten Tag. Auch in diesem Kloster bewunderte ich die die liebevoll angelegten Blumenbeete, die blauen Herbstastern, die übergroßen Studentenblumen im kräftigen orange und die duftenden roten Rosen. Der Regen störte uns nicht, wir nahmen uns Zeit auch noch hinter die Mauer zu schauen und dort gab es 3 wunderbare Dinge!
Erstens einen herrlichen kleinen und über und über mit Rosen
zugewachsenen Friedhof für die Nonnen. Auf den
Grabkreuzen standen die Namen der Nonnen und ihre Sterbedaten. Die
Nonnen heißen natürlich nicht Maria Teodorescu sondern Telephinia und ähnlich.
Noch ein bisschen markanter als die bunten Blumen war das UFO. Na ja, es war
kein richtiges UFO auch wenn es ganz genau so aussah und sich erst bei
näherer Betrachtung als einmalig
schöner Wasserbehälter entpuppte. Dieses Ufo im Garten der Nonnen war wieder
eine der skurrilen Entdeckungen bei der ich mir überlege, ob ich nur weil
ich gerade Urlaub habe ein besonderes
Auge dafür habe, oder ob es halt wirklich und tatsächlich ein rumänisches
Phänomen ist. Die 3. Besonderheit war der Hund, der im Garten einen Käfig
bewohnte, der mich sehr an die Käfige von Gutamano erinnerte. Nur dass es für
einen Hund eine Luxusvilla ist, während
es für einen Menschen eine sehr schlimme Unterbringungsart ist. Thomas und ich
hatten Spaß das Grundstück zu besichtigen und schließlich begann der Regen wieder stärker zu werden
und deshalb verzogen wir uns in die Vorhalle der Kirche.
Thomas wollte ein paar Ansichtskarten als Erinnerung kaufen und als die
diensthabende Nonne bemerkte dass wir Ausländer sind und auch noch Deutsche gab
es kein halten mehr. Mit wehender
Tracht stürmte sie durch den Regen und kam nach einigen Minuten mit einer
anderen Schwester wieder. Diese entschuldigte sich zunächst im perfekten
Deutsch dafür dass sie so schlecht deutsch spricht und dann zeigte sie uns ganz
stolz und ausführlich ihre Kirche. Die Führung begann mit dem Bild über der
Eingangstür. Sie versicherte uns, dass die Darstellung Marias mit den Flügeln
und dem Mantel einmalig auf der Welt sei. Nach der Besichtigung befragten wir
die Nonne, deren Namen ich leider
vergessen habe nach dem Leben im Kloster aus. In Kloster Gorovan leben 15
Nonnen, von denen aber nur 7 arbeiten
können. Die anderen sind zu alt oder krank.
Der Tagesablauf in diesem Kloster sieht so aus:
7 Uhr Aufstehen
7-8 Uhr Messe
8-9 Uhr Frühstück
9-12 Uhr Arbeit
12-13 Uhr Mittagessen mit Ruhe
13-18 Uhr Arbeit
18-21 Uhr Messe
und danach geht es ins Bett. Eigentlich ist das ein ziemlich gemütlicher Tagesablauf. Ich war schon in Klöstern wo die letzte Messe bis abends um 22 Uhr ging und am Morgen um 2 Uhr werden schon wieder die nächsten Gottesdienste abgehalten wurde. Die Nonnen finanzieren ihren Lebensunterhalt vorwiegend durch die Spenden, die die Besucher geben, aber sie betreiben auch Landwirtschaft und im Winter sind sie künstlerisch tätig in dem sie Ikonen in Hinterglastechnik malen. Natürlich wollten wir uns das anschauen, aber uns wurde versichert, dass wir das nur im Winter könnten, denn jetzt wären alle einsatzfähigen Nonnen mit der Ernte beschäftigt. Aber sie würde uns gern einige der Ikonen zeigen.
Nun wurden wir in das
Haupthaus geführt, in die gute Stube. In dem großen Raum standen 2 große Tische
in T - Form um die Wände gab es zusammengewürfelte aber doch schöne Alte
Schränke, Kommoden und Vitrinen mit Büchern und diversen sakralem Kitsch. Am
meisten stach mir eine riesige Vase ins
Auge, die auch ins Museum der Meißner Porzellanmanufaktur passen könnte. So ein
richtiges Prunkstück und völlig unwirklich in diesem Kloster.
Die nette Nonne zeigte uns verschiedene Ikonen, die in der Technik der Hinterglasmalerei gefertigt waren. Sie hatten alle kräftigleuchtende fröhliche Farben. Thomas und ich beschlossen eins der Bilder zu kaufen. Die Nonne kramte sofort aus allen Schränken und Ecken Ikonen heraus und breitete sie auf dem Tisch aus. Wir beschlossen den Heiligen Michael zu erwerben, der ganz mit viel Gold verziert war und nun über dem heimatlichen Sofa hängt und uns bewacht und behütet und an das Kloster mit den netten Nonnen erinnert.
Die Freude über den Verkauf und die unverhoffte Einnahme von 100 Euro
war sehr groß bei den Nonnen und wir
wurden zum Mittagessen eingeladen. Leider - so entschuldigte sich unsere Nonne-
wäre heute vegetarischer Tag, doch das
Essen würde uns sicherlich trotzdem schmecken. Flugs erschienen mehrere Nonnen
und wie beim "Tischlein deck dich" wurde der ganze Tisch mit leckeren
Speisen belegt, mit Brot und sauren Gurken, mit Flaschen für Wasser und
Schnaps. Zuerst wurde uns eine Gemüsesuppe serviert und dann gab es eine Art
Bohnenbrei aus weißen Bohnen, sehr gut gewürzt mit viiiel Knoblauch dazu und
Maisbrei. Es war ein ganz einfaches Essen, aber sehr lecker. Zum Schluss
türmten 2 Nonnen noch einen riesigen Berg Weintrauben vor uns auf. Eine Nonne
mit überdimensionaler Brille auf der Nase nötigte uns immer wieder kräftig zu
zulangen, was wir auch mit Freude taten.
Als wir satt waren, huschte eine junge Nonne ins Zimmer und signierte - wie wir es uns gewünscht hatten - unsere neuerwobene Ikone. Nun war es Zeit die Nonnen zu verlassen. Die Ikone wurde sorgfältig in zig Hüllen Packpapier verpackt und wir stiegen ins Auto und zuckelten im Regenwetter weiter in Richtung Westen. Thomas hielt sich genau an die von Filip vorgegebene Reisegeschwindigkeit von 80 -100 km/h. Das Auto war zwar etwas lauter als vorher, aber sonst funktionierte alles hervorragend.
Die Häuser in dieser Gegend sahen hatten wieder einen ganz anderen Stil als die vom Vortag. Sie waren etwas höher gebaut und hatten einen überdachten Umbau mit Säulen. Es waren fast kleine Burgen, die die Straßen säumten.
Das nächste Tagesziel war das Kloster Bistriţa, welches auch ein sehr bekanntes Kloster ist. Mir war es einfach zu groß und zu mächtig und vielleicht lag es auch an dem Gegensatz zu dem kleinen gemütlichen Kloster Gorovan mit den netten Nonnen. Thomas hatte unterdessen die Nase von Klöstern voll und nun konnte ich ihn nicht mehr überreden die Klöster Horezu und Arnota zu fahren, obwohl man diese Klöster laut meiner Freunde auch gesehen haben sollte. Auf dem Weg nach Târgu Jui kamen wir durch viele Orte wo das für die Gegend typische Schwarze Keramikzeugs an den Straßenrändern verkauft wurde. Aber unser Ziel war heute nicht die Kunst des Volkes, sondern höhere Kunst.
Wie alle Nationen der Welt hat
auch Rumänien einige besondere herausragende Erfinder oder Künstler
hervorgebracht. Eine der bekanntestes ist wahrscheinlich der Bildhauer
Brancusi, der in dem kleinen Dorf Horbita bei Târgu Jui 1876 geboren wurde.1904 siedelte er nach
Paris und wurde dort ein berühmter Künstler. Ich hatte schon lange Zeit von ihm
gehört und beim Besuch der Moma im Jahr ... das erste mal seine Werke (Vogel)
gesehen. Nun freute ich mich einige seiner bekannten Werke im Original in
Rumänien zu sehen. Das berühmteste ist natürlich die unendliche Säule, die wir
durch Zufall auch fast sofort fanden. Sie steht wie ein Telegrafenmast mitten
in einem gepflegten aber baumlosen Park, der von Wächterinnen in blauen Uniformen bewacht wird. Die Säule hat
bestimmt schon jeder einmal gesehen und ist eigentlich nichts spektakuläres,
außer man zieht in Betracht, dass es für einen rumänischen Dorfjungen zu Beginn
des vergangenen Jahrhunderts schon ziemlich modern war, SOLCHE Kunst zu machen.
Thomas freundete sich gleich miteiner der Wachdamen an und ließ sich erklären, wo die anderen Kunstwerke zu
besichtigen seien. Wir fanden, den
Zentralpark aber mehr als die Kunst lockte uns erst mal der herbstbunte
Gemüsemarkt. Wir liefen die Paprikastraße und den grüne Gurkenweg und kamen
schließlich in eine blitzsaubere Fleischhalle, die ihren Charme durch das für
unsere Augen skurrile Angebot und dem deutlichen chlorhaltigem
Desinfektionsmittelduft behalten hat. Im Gebrauchsgegenständeviertel erwarben wir 20 kleinere
handgeschnitzte Holzlöffel a 20 Lei , die ich immer gern als Geschenk für
Freunde und Bekannte zu Hause bereit halte.
Schließlich kamen wir doch zur Kunst zurück und liefen auf den schattigen Wegen des Parks kreuz und quer, bis wir zu einer öffentlichen Toilette kamen, vor sich zahlreiche Schach- und Kartenspieler ihre Klapptische und Klappstühle aufgebaut hatten, um mit großem Ernst und Feuereifer ein paar Spielchen zu machen. IRGENDWANN- ich schwöre- IRGENDWANN, werde ich mal einen ganzen Tag, einen ganzen Abend und vielleicht auch die ganze Nacht genau an so einem Ort verbringen und Schach spielen. Wahrscheinlich werde ich alle Spiele verlieren, aber ich werde richtig großen riesigen Spaß haben und den alten Männern in die Augen schauen. Heute waren wir aber in Sachen Kunst unterwegs. Ich fragte einen der Herren, der sein Spiel gerade beendet hatte, nach dem Weg zu der Kunst von Brancusi und er, lustig, charmant und nett mit Hütchen und Aktentasche brachte uns prompt zum Tor des Kusses. Von da aus war der Tisch des Schweigens nicht weit.
Bei Wikipedia fand ich
unter dem Stichwort Târgu Jiu folgendes
dazu:
Eine herausragende Sehenswürdigkeit ist die Skulpturenensemble von Constantin Brâncuşi mit dem Tisch des Schweigens , dem Tor des Kusses und der Unendlichen Säule . Das Ensemble wurde in den Jahren 1937/38 als Auftragswerk der Frauenliga von Gorj errichtet und soll an die gefallenen Soldaten des Ersten Weltkrieges erinnern. In den 1950er Jahren versuchte der damalige Bürgermeister das Kunstwerk niederzureißen, was aber aufgrund eines zu schwachen Motors des Bulldozers nicht gelang. 1996 nahm der internationale World Monuments Fund (WMF) das Ensemble von Târgu Jiu in die Liste der weltweit hundert gefährdetsten Monumente auf. Daraufhin gab die Weltbank Rumänien einen Kredit in Höhe von 2,6 Millionen US-Dollar zwecks Restaurierung.
Thomas und ich schlenderten durch die historischen, bedrohten und nun mit viel Geld instand gesetzten Kunststücke und versuchten uns in die Stimmung hinein zu versetzen, die der Künstler ausdrücken wollte. Um den Tisch des Schweigens standen schöne große Weiden, deren Zweige sich im Wind sanft hin und her schwenkten. Das fand ich sehr romantisch.
Nun wollten wir auch noch das Geburtshaus des Künstlers in Horbita besuchen und fuhren ca. 20 km weiter westlich auf der Strasse 67 d durch endlose aber schöne Bauerndörfer mit vielen Häusern in ungewöhnlicher Architektur. Ganz am Ende von Horbita fanden wir das alte Holzhaus mit dem schönen Tor und den vielen Blumen. Leider hatte das Museum schon kurz vor 17.00 Uhr geschlossen und so konnten wir uns nur rings herum umsehen und raten, welchen Zweck die außen ausgestellten Geräte haben.
Nun fuhren wir zur Hauptstraße zurück um nach Tismana zu fahren. Auch Tismana ist ein sehr berühmtes Kloster.
Bei Wikipedia im Internet fand ich unter Tismana folgenden Eintrag
Tismana ist ein Ort in der rumänischen Walachei im Bezirk Gorj mit etwa 8.500 Einwohnern.
Besonders bekannt ist der in den Transsilvanischen Alpen gelegene Ort durch das rumänisch-orthodoxe Kloster Tismana. Tismana ist das älteste noch vorhandene Kloster in der Walachei. Der Ort entstand im 15. /16. Jahrhundert um das Kloster herum und ist heute ein wichtiges rumänisches Zentrum der Holzindustrie. International bekannt ist der Ort neben dem Kloster auch durch die Handwerkergenossenschaft "Arta casnică", deren Kunsthandwerk international vertrieben wird.
Ein erstes Kloster am Ort errichtete Fürst Radu II. (1377 bis 1383). Es sollte dazu dienen, dem sich im nahe gelegenen Ungarn ausbreitenden Katholizismus an der Grenze ein geistiges Bollwerk entgegen zu setzen.
Dank reichhaltiger Schenkungen besaß das Kloster bereits kurz darauf zehn Dörfer im näheren Umfeld, weitere zehn Dörfer in Serbien, zehn Zigeunersiedlungen, die Zollämter bei Calafat, Balta Bistretului und Vâlcan, den Zehnt der Kupfererzgruben von Bratilovo, sowie umfangreiche Agrarflächen.
Nachdem das Kloster in den folgenden Jahrhunderten wieder verfiel, ließ Fürst Radu cel Mare (Radu der Große, 1495-1508) ein neues Kloster am Ort errichten.
Das Kloster liegt in einem Tal, um es zu besuchen kann man (muss aber
nicht) dass Auto auf einen Parkplatz abstellen und dann eine steile Straße zum
Kloster hinauf laufen. Gemeinsam mit einer anderen Familie die zum Gottesdienst
unterwegs war taten wir das. Ich war stolz, nicht ganz so laut zu schnaufen wie
der Familienvater als wir bergauf gingen. Das Kloster ist sehr groß mit
mehreren Höfen und großer Blumenpracht. Wie alle Klöster, die wir besucht haben,
war es in einem sehr guten Zustand. Wir schauten uns alles in Ruhe an, auch den
Friedhof für die Mönche und waren dann auf dem Weg in die Kirche. In der
Vorhalle trafen wir auf einen alten und
sehr ehrwürdigen Mönch hinter dem ca.
20 Leute her liefen. Auf einmal schwenkte der ganze Tross vom direkten Wege in
die Kirche ab und kam auf mich zu. Völlig unvorbereitet hielt mir der würdige
Würdenträger mit einer blitzschnellen Bewegung ein Eisenkreuz unter die Nase
und ich wusste gar nicht was ich tun
sollte. Ich zögerte, denn ich war total perplex. Dieser Mann und dieses Kreuz und der
Überraschungsmoment. Schließlich küsste ich das Kreuz, der Mönch fand mein
zögern aber wohl irgendwie amüsant. Vielleicht erriet meine Gedankengänge...wie
viele Menschen werden wohl hier schon draufgeküsst haben?
Mit Donnerstimme fragte
er mich - "evangelisch? katholisch?" 44 Augenpaare schauten mich an. Ich konnte
die Wahrheit nicht sagen. Ich flüsterte ein verschämtes und gepresstes
evangelisch.....ich habe gelogen. Der Pope mit seinem Schwarm schaute mich
nüchtern an und zog in die Kirche.
Als wir uns alles genau angeschaut hatten, die Architektur, die schönen
Ikonen und die Blumen und das Kloster
verließen, trafen wir den Popen wieder. Dieses mal war er damit beschäftigt 2
Autos zu segnen, die wahrscheinlich ihre Besitzer gewechselt hatten. Die neuen
Besitzer wollten ganz sicher sein und
damit sie von Unfällen und Pannen verschont bleiben, dachten sie, dass das
benetzen mit in Weihwasser getauchten Ysopsträußchen sicher ein großer Garant dafür ist.
Der Pope lächelte uns schelmisch zu, so nach dem Motto, na ihr glaubt doch eh nicht an das was ich tue und als ich an ihm vorbei lief, oder auch weil ich nur evangelisch bin, zack zack, spritze das Weihwasser und ich wurde auch auf die Schnelle gesegnet. Ob es daran lag, dass wir auch weiterhin gut mit unserem von Filip reparierten Auto fahren konnten?
Und noch etwas lernte ich vor diesem Kloster. Eine Familie kam mit einem schönen großen Hund an uns vorbei. Der Hund wollte meine Bekanntschaft schließen und schnupperte an mir herum. Ich habe Angst vor Hunden, seit ich vor ein paar Jahren in der Maramureş mal von einem Hirtenhund gebissen wurde. Wie ich es gelernt habe redete ich freundlich und mit honigsüßer Stimme auf die überdimensionale Bestie ein, die mich schwanzwedelnd beschnupperte. Muşcă, tu eşti bine. Muşcă, ce mai faci. Das sollte heißen, Hund, du bist gut. Hund wie geht es dir? Die Rumänen lachten sich halb tot, denn ich sagte "Beißen, du bist gut. Beißen wie geht es dir?" Ich dachte bisher nämlich immer dass Muşcă Hund heißt, dabei heißt es BEISSEN und Cîine heißt Hund! Gott sei Dank verstehen auch rumänische Hunde kein rumänisch!
Das war wieder ein ereignisreicher Tag und es wurde Zeit sich ein
Nachtlager zu suchen. Wir fuhren das Tal, in dem sich das Kloster befindet noch
ein Stückchen "nach hinten" und fanden dort den Touristkomplex Tismana. Ein
verwohntes Hotel in dem gerade eine Betriebsfeier für eine Waldarbeiterbrigade
stattfand hatte noch ein Zimmer für uns frei. Es war wieder mal eines der
Zimmer bei dem man sich denkt, was denken die sich dabei? Die Möbel unlogisch,
kreuz und quer durch das Zimmer waren die Kabel für die elektrischen Geräte
gespannt und der textile Fußbodenbelag hatte richtigen Monsterwellen. Am
meisten beeindruckte mich die Duschmatte in dem kleinen Bad. Sie war aus den
Verschlüssen von Plastikflaschen gebastelt und im kräftigen Rot-Weiß-Blau. Mit
weißen Verschlüssen war das Wort Ursu (Bär) zusammengesteckt. Ich fand das
schon sehr makaber. Ich wunderte mich über meinen Mann. Klaglos zog er in dieses
Zimmer ein. Zu Beginn unserer Reise wäre das unmöglich gewesen.
Samstag, 07.10.2006
Um 8 Uhr fuhren wir in Tismana los. In Baia de Arama suchten wir uns
ein Restaurant zum Frühstücken. Die Wirtin machte uns eine ordentliche Portion
Ei mit Würstchen und legte extra für uns ein paar Papiertaschentücher auf die
Toilette, damit wir es schön weich haben, falls wir mal müssen. Das fand ich sehr
nett.
Unser nächstes Ziel war Baile Herkulane oder Herkulesbad, das berühmte
Heilbad. Ich war die Strecke auf der 67d schon im Vorjahr mit Karpatenwilli
gefahren und freute mich schon im Voraus auf die schönen Landschaften, die sich
uns bieten werden. Vor uns lagen Schluchten,
umgeben von steilen Felswänden, teils sehr schroff und teils ein
bisschen sanfter doch immer wunderschön. Manchmal waren wir absolut im Schatten und manchmal lugte die Sonne hinter
den Felsen hervor und beschien die Gegenseite der Schlucht, so dass man meinen
konnte in einem Gebirge aus echtem Silber unterwegs zu sein.
Hinter dem Ort Godenau war die Welt zu Ende und 44 km lang ging es nur durch wunderschöne Landschaft. Irgendwo mitten im Gebirge stand ein Mann und winkte uns. Er tat uns leid und wir hielten an um ihn mit zu nehmen. Er hatte Plastikschuhe an und sah ein bisschen wüst aus. Sein Strickpullover war voller Heu. Wahrscheinlich hatte er irgendwo in einem Stall oder auf dem Feld übernachtet. Als wir hielten, hatte ich den Eindruck dass er es gar nicht fassen konnte. Es war für ihn sicherlich ein großer Glücksfall dass er mitgenommen wurde. Kaum war er im Auto packte er Brot und Käse aus und schmatze drauf los. Natürlich bot er uns auch etwas an. Nach 5 Minuten hörten wir ein zufriedenes Schnarchen. Unser Mitfahrer war eingepennt.
Ungefähr 10 km vor Baile Herkulane gab es einen kleinen Stau, denn da
wurde die Straße gebaut. Mit riesigen Geräten und überdimensionalen Rohren
machte sich ein Trupp Bauarbeiter daran Durchflüsse für das aus den steilen
Felsenwänden heraus sickernde Wasser zu bauen. Thomas stellte sich sehr fachmännisch zu den Bauarbeitern und
kam mit den Leuten ins Gespräch. Sie wunderten sich dass Deutsche einfach so
Urlaub in Rumänien machen, wo sie doch
auch nach Spanien, Griechenland oder in die USA reisen könnten. Ganz genau
wurden wir befragt was wir uns schon alles angesehen hatten und die Bauarbeiter
waren mit unserem Programm zufrieden. Ich erzählte ihnen, dass ich auf einer früheren Reise Wassermühlen besichtigt
hätte und sie rieten uns, nach Putna zwischen Baile Herkulane und Anina zu
fahren, denn dort gäbe es auch Mühlen.
Nach weiterer Fahrt durch die herrlich schroffe Landschaft immer am wilden Fluss Cerna entlang gelangten wir in die ersten Vororte von Baile Herkulane, die aber nur aus einzelnen Touristkomplexen bestanden, denn es war nicht mehr Platz in den engen Schluchten. Ca 5 km vor Herkulesbad befindet sich die erste halbwegs gerade Fläche nach 40 km. Dort ist ein Zeltplatz zu finden. Im Vorjahr hatten Karpatenwilli und ich unsere Zelte da aufgebaut und natürlich fand sich auch wieder ein Hund, der uns bewachte gegen ein kleines Entgeld, dass im Auslecken einer bereits durch uns fast so gut wie ausgeleckten Konservendose (Bierwurst) bestand. Ich zeigte Thomas den Platz und damit nicht genug...mein Mann sollte noch ein ganz besonderes Highlight sehen.
Zuerst sahen wir aber, dass die Cerna, so heißt der Fluss der sich durch
das Tal schlängelt, sehr wenig Wasser
hat und das hat zur Folge, dass auch die
tausendewirklich tausende Plasteflaschen die die Rumänen mit großer
Vorliebe und ohne jeglichen erkennbaren Grund in den Fluss geworfen haben
besonders gut zu sehen waren. Als ich diese Müllkippe sah, war mir schon klar,
dass mit meiner besonderes Besondersüberraschung bei meinem ordnungsliebenden
Mann kein Blumentopf zu gewinnen war. Ich bat den Hirten, der es sich auf
unserer Rückbank so richtig gemütlich gemacht hatte auszusteigen, da wir baden
wollten. Er setzte sich auf die steinerne Brüstung um auf unsere Rückkehr zu
warten. Ich packte unsere Badesachen ein und marschierte mit Thomas eine kleine
Treppe die an der Straße hinunter zum Fluss führte entlang. Es war klitschig
und überall lag Müll herum. Um uns die Flaschen und ich hörte meinen Mann
hinter mir schimpfen, was denn das für eine Sauerei hier wäre. Nach etwa 200 m
kamen wir bei meiner Überraschung an. In einem Loch, dass sich unter der Straße
befindet und dass nicht größer als 3x 2 Meter war, saßen ca. 10 Rumänen in dem
berühmten Heilwasser von Herkulesbad, dass wohl für alles und gegen alles
hilft. Mein Mann fragte mich, ob das mein Ernst sei und ich erwarte, dass er
"da rein steigt" und auf den Müll guckt. Eigentlich war es ja mein Ernst und
als ich mit Karpatenwilli da war gab es
viel weniger von allem, nämlich viel weniger Leute und viel weniger Müll
und dafür mehr Wasser.
Meine extrasupertolle Überraschung, die ich tagelang angekündigt hatte,
hat also nicht geklappt. Die Frau von Welt kann aber auch mit solchen Pleiten
leben und irgendwann hat sich Thomas auch wieder beruhigt.
Unser Hirte wartete brav auf der Brüstung. Lange Zeit war ja nicht vergangen und ganz selbstverständlich stieg er wieder ins Auto. Nun war es nicht mehr weit bis in das berühmte Heilbad, dass diesem schon bereits erwähnten maroden Charme 100 % gerecht wird.
Wir komplimentierten unseren Mitfahrer aus dem Auto, obwohl der hatte gar nicht so richtig Lust hatte uns zu verlassen. Er sagte uns dass er zum Bahnhof müsse. Hätten wir gewusst wie weit er bis dahin laufen musste, hätten wir ihn sicher dahin gebracht. Aber dass es mind. 5 km zu laufen waren, erkannten wir erst als wir die Stadt verließen. Thomas kramte aus dem Auto seine alte Lederjacke hervor und wir schmissen sie dem Mann über. Der wusste gar nicht was ihm passierte und schaute uns ungläubig an. Ich suchte ein paar Konservendosen und was wir sonst noch so an Vorräten hatten zusammen und stopfe sie dem jungen Mann in Taschen und in seinen Stoffbeutel. Dann verabschiedeten wir uns. Der Hirte blieb einen Moment stehen und dann mit einer halben Kehrtwende drehte er sich rum und rannte- ja er rannte- wie ein Blitz davon. Ich hatte unterdessen eine Toilette entdeckt, die auf dem Mittelstreifen der Kurpromenade zwischen den Blumenbeeten unterirdisch versteckt war. Thomas schlenderte schon ein bisschen los. Als ich aus der Toilettenanlage heraus trat, stand der Hirte wieder vor mir. Zitternd!!! Er kramte aus der Lederjackentasche eine winzige Schachtel Streichhölzer hervor, so wie man sie zu Werbezwecken geschenkt bekommt. Er hielt sie mir unter die Nase. Thomas hatte sie wohl in der Jacke gelassen und der Hirte, dachte dass das versehentlich passiert sei. Er wollte wahrscheinlich nicht in Verruf geraten, diese Streichholzschachtel geklaut zu haben. Ich winkte ab und meinte, "Cadou cadou", was soviel wie Geschenk heiß. Der Mann begann zu strahlen und packte mich und umarmte mich so fest, wie ich in meinem ganzen Leben noch nicht umarmt worden bin. Die Umarmung roch ein bisschen nach lange nicht gewaschen und Heuschober, aber sie war so impulsiv und erleichtert, wie eine Naturgewalt. Ich muss ganz oft an diese Begebenheit denken und sie ist etwas ganz ganz besonderes für mich.
Das Heilwasser von Baile Herkulane, dass in letzter Zeit (vielleicht liegt es am Verbrauch der großen und zahlreichen Hotels?) immer knapper wird, soll bei zahlreichen Erkrankungen, angefangen von Rheuma bis hin zu neurologischen Erkrankungen helfen. Viele alte Badehäuser und Hotels, die teilweise renoviert und teilweise fast verfallen sind zeugen von einer prunkvollen Vergangenheit. Es war ein ruhiger sonniger Tag und wir spazierten die Promenade entlang und konnten uns lebhaft vorstellen, wie vor ein paar Jahrzehnten Damen mit Hütchen und Herren im Anzug im Cafe saßen und sich nach dem anstrengenden Badetag dieses und jenes Stückchen leckeren Kuchen gönnen und Kaffee trinken. Hoffen wir, dass wir diesen "es ist hier was zu Ende gegangen" Eindruck nur hatten, weil wir zur falschen Zeit da waren. Und wenn wir uns nicht getäuscht haben, ist unser Wunsch, dass das Heilbad bald wieder aufersteht und ein richtig schönes snobistisches Kurstädtchen wird. Zum Baden gehen in einem der Kurhäuser konnte ich Thomas leider auch nicht überreden und so ging es weiter Richtung Anina. Die Straße E 70 war so kurvig, dass es Thomas beim Fahren richtig schlecht wurde.
In Prigor bogen wir von der Hauptstraße ab und schlängelten uns durch eine saftig grüne Hügellandschaft - auf Anraten der Straßenbauarbeiter aus dem Cernatal - nach Putna. Gleich am Ortseingang stand schon die erste Mühle. Wenn ich hier von Mühlen schreibe sind nicht große stolze Windmühlen sondern Getreidemühlen gemeint, die an kleinen Bächen stehen und in denen kleinere Nachbarschaften ihren Mais zu Mehl verarbeiten. Außerdem gab es ganz in der Nähe noch eine Art " Kraftwerk" mit dem aus der Kraft des Bächleins wohl Energie erzeugt werden sollte.
Wir fuhren ein Stück weiter ins Dorf und fanden noch einige Mühlen. Das
Dorf Putna machte einen zerfallenen und wirklich elendigen Eindruck. Es
spielten ein paar Kinder auf der Straße und eine Oma saß vor ihrem Haus und
puhlte Bohnen ab. Thomas reichte es bald. Während ich gern noch ein bisschen
weiter gegangen wäre, hatte er die Nase
voll von dem Elend und dem Verfall und wollte zurück. In der Nähe des Platzes
wo wir das Auto geparkt hatten, stand das am besten erhaltene Gebäude des
Dorfes. Es war ein Kloster. Ein ganz großer dicker Mönch lebte dort. Wir
spazierten durch die Anlage und sahen uns auch die neuerrichtete Kirche an,
aber uns wurde nicht warm ums Herz. Als wir durch die schöne Landschaft durch
10000 Kurven zurück fuhren und dabei überall Leute bei der Kartoffelernte sahen
hatten wir Glück, denn an der ersten Mühle am Ortseingang machte sich nun eine
ältere Frau zu schaffen. Sie wollte ihre Maiskörner mahlen und so hatten wir Gelegenheit die Mühle auch in Aktion zu
sehen. Tränenüberströmt erzählte die Frau uns ihre schlimme Geschichte vom
tödlich verunglückten Sohn und vom Mann der sie immer schlägt. Wir räumten unsere Geschenkkiste leer und gaben der Frau
alles was wir noch hatten. Sie strahlte schließlich unter Tränen und stand vollgepackt verloren und verlassen auf
der Straße als wir davon fuhren...
Nun fuhren wir weiter durch wunderschöne Landschaft und herrliche Schluchten durch die sich kleine Bächlein schlängelten. Die Herbstlaubfärbung auf die ich mich so gefreut hatte war noch nicht so richtig in Schwung gekommen aber auch das für den Herbst untypische Frühlingsgrün hatte etwas besonderes. Thomas war leider nicht gut drauf. Ihm war nach wie vor schlecht und er dachte über mögliche Ursachen nach. Vielleicht eine Lebensmittelvergiftung? Oder doch die unendlich vielen Kurven? Ich denke er hat einfach zu lange nichts gegessen.
Die Dörfer die wir jetzt durchfuhren hatten nun wieder einen ganz ganz anderen Charakter wie die die wir am Vortag gesehen haben. Hier standen die Häuser dicht gedrängt beieinander und sahen aus wie große Mauern mit Fenstern und Türen die die Straße bewachten. Viele Häuser standen leer und waren dem Verfall preisgegeben.
Nachdem wir die beeindruckende Schlucht Minisuli in deren Mitte sich das Dorf Valea Minisuli gequetscht hatte, passiert haben, waren wir auch schon in Steierdorf, einem berühmten Städtchen das bis vor ein paar Jahren vorwiegend von Banater Schwaben bewohnt wurde.
Hier etwas zu der Geschichte des Dorfes, gefunden bei home.arcor.de/flataretu/steierdorf/Hist/monograph/st2.htm
Herkunft und Ansiedlung
Die
offizielle Geburtsstunde von Steierdorf war am 24 Juni 1773
Um
den wachsenden Bedarf an Holzkohle zu befriedigen, wurden Holzschläger und
Köhler in den Orawitzer Forst, damals wohl ein Urwald, angesiedelt.
An
jenem Tag erreichten sie das Tal der heutigen Schulgasse ('Schusstagassl'),
fällten nahe der Quelle eine Eiche und stellten ein Kreuz auf den Baumstamm.
Wer genau diese Leute waren und woher sie kamen, ist im
Detail dem Familienbuch zu entnehmen. Hauptsächlich war es der österreichische
Raum: Ischlergegend, Grundlsee, also das Salzkammergut und die Steiermark -
daher der Name des Ortes.
Im
laufe der Zeit sind noch weitere Siedler zugewandert. Einige davon sind
weitergezogen, die meisten aber sind geblieben und haben sich eine Existenz
aufgebaut.
1775
kamen 6 Köhler und 6 Holzarbeiter, die aus Deutschland stammten und sich in
Tschanad, Csatad , Pantschova, Triebswetter, und Groß-Jetscha vorher als Bauern
niedergelassen hatten, nach Steierdorf.
Der
Hüttenmeister Brunner hatte 1794 15 Familien aus verschiedenen kameralen Teilen
des Banats zur Ansiedlung in Steierdorf geworben. Bis auf 4 Familien kehrten
sie aber alle in ihre Ansiedlungsortschaften zurück. [Stanglica]
Als
Folge der Verkürzung der Fruchtration auf einen 1/2 Metzen folgten weitere
Auswanderungen: 1801 nach Bukowatz, 1804 nach Karansebesch, 1819 nach
Königsgnad und 1826 nach Ruskberg.
Später
erfolgte eine neue Ansiedlungsphase in der sich zahlreiche Familien, vor allem
aus der Slowakei und Böhmen, in Steierdorf niederließen.
In
der Folgezeit gab es viele Zuzüge die in Chroniken ganz genau aufgezeichnet
sind z.B.:
1856
Aus Schmölnitz kommen weitere Zipser: 49 Männer mit 20 Frauen und 36 Kindern.
Sie wurden im Freudental oder der heutigen Sommerfrische zu angesiedelt, wo
sie auf den erhaltenen Parzellen ihre Wohnhäuser in den Jahren 1868-70
erbauten. Da in dieser Zeit das regnerische Wetter vorherrschend war, wurden
die von ihnen geschlagenen Lehmziegel des öfteren verweicht, was zu vielen
Klagen Anlass gab. Dies war der Grund, dass diese Kolonie Jahrzehnte hindurch den
Namen Jammertal führte. Erst nach der Gründung der
Sommerfrische-Aktiengesellschaft im Jahre 1893, als sich durch den
Fremdenverkehr die Lage dieser Siedler erfreulich besserte, wurde diese Kolonie
auf den Namen Freudental umbenannt. (Slovig)
1872
Hundert Jahre nach der Gründung zählt Steierdorf ca. 10.000 Einwohner.
1891
Laut statistischer Daten vom Jahre 1891 hatte Steierdorf-Anina eine
Bevölkerungszahl von 12.144 Seelen, die sich nach ihrer Muttersprache wie folgt
verteilte: 7553 Deutsche, 1553 Slowaken und Böhmen, 425 Rumänen, 329 Ungarn und
2234 andere. Die Zahl der Häuser war in jenem Jahre 1497.
Die
Arbeiterschaft der Steg. verteilte sich wie folgt: Bergleute 2200, Eisenwerk
1100 Forstbetriebe 500, Beamte und Angestellte 190. Zusammen 3990 Mann.
Man
erzeugte damals 180.140 Tonnen Steinkohle, 1921 Tonnen Eisenstein und 8289
Tonnen Roheisen. (Slovig)
1903-04
Auswanderung nach Deutschland und Ozd, Oberungarn nach Unruhen, Streiks und
Entlassungen.
1906
Beginn der Auswanderung nach Amerika.
Im
Zusammenhang mit den 2. Weltkrieg ist es zu der sogenannten 'Flucht' gekommen:
Mit dem Rückzug der Wehrmacht wurde auch ein Teil der deutschen Bevölkerung mit
Güterzügen in Sicherheit gebracht.
Sie
wurden als Flüchtlinge verteilt: im Sudentenland, Franken, Ostbayern.
Einige sind nach dem Krieg auch dort geblieben. Die anderen
sind freiwillig zurückgekehrt oder (so die in Sudetenland) mussten der
entsprechenden Aufforderung folgen.
Die
in Steierdorf-Anina verbliebenen hatten zum Teil ein weitaus schlimmeres Los.
Einige wurden nach Russland verschleppt - d.h. sie wurden in einer Nacht- und
Nebelaktion in die damalige Sowjetunion gebracht und hauptsächlich im Bergbau
eingesetzt. Viele sind nicht mehr zurückgekehrt.
Die
Dramatik beider Vorgänge ist durch Zeitzeugen in der Banater Berglanddeutsche
Zeitung belegt.
Schließlich
hat in den 70ziger Jahren die - wohl unumkehrbare - Auswanderung in die
Bundesrepublik begonnen.
Bei
der Volkszählung vom 7. Januar 1992 bekannten sich noch immer 1.432 Personen zum Deutschtum (579 in Anina und 853
in Steierdorf).
Leider dürften diese Zahlen unterdessen auch sehr stark zurück gegangen sein, aber insgesamt machte das Dorf schon bei unserer Einfahrt einen ziemlich munteren Eindruck.
Wir hatten also nun
unser Tagesziel erreicht und ich dachte, dass es ganz einfach sein wird eine
schöne Unterkunft für uns zu
finden. In der Karte war etwas
außerhalb von Steierdorf ein Touristenkomplex eingezeichnet. Als wir über ein
paar Feldwege dahin geschuckelt waren, machte das Anwesen zwar einen
gigantischen aber doch äußerst verlassenen Eindruck. Wir kehrten also um und
fuhren von Steierdorf nach Anina und von Anina nach Steierdorf und fanden und
fanden kein Hotel. Nachdem wir einige Male
Leute gefragt und Kopfschütteln geerntet hatten,
fanden wir doch jemanden der uns zur Pension Costi schickte. Diese lag
direkt an der Straße in Steierdorf, aber das Hinweisschild war so dezent, dass
wir es übersehen hatten. Das Restaurant war wie eine riesige Scheune in die
viele Tische und Bänke gestellt wurden. Das hätten wir hinter der Fassade
niemals vermutet. Wir fragten uns zu der Chefin durch, die wie die zahlreichen
anderen Kellnerinnen und Küchenkräfte ziemlich im Stress war, denn es wurde
anlässlich des Steierdorfer
Blasmusikfestival ein riesiger Ansturm Österreicher Blasmusiker erwartet.
Die Chefin wollte uns zunächst abweisen, aber dann besann sie sich und bot uns an in einer sehr einfachen Unterkunft zu übernachten, die eigentlich für Bauarbeiter gedacht wäre. Zu meinem Erstaunen stimmte mein Mann zu, sich die potentielle Schlafstelle zu beschauen. Wir mussten eine Treppe hinunter steigen und kamen so in einen Kellerraum mit 4 Betten, die alle unterschiedliche Modelle waren. Es gab auch einen kleinen Duschraum mit Toilette, aus der jedes Mal beim Spülen aus dem Fuß Wasser kam. Es roch aber nicht fäkal.
Ich staunte nun gar nicht mehr, als Thomas zustimmte in dieser ganz doll einfachen Unterkunft zu nächtigen. Der Preis betrug mit Frühstück 5 Lei.
Bis zum Abend hatten wir noch ein bisschen Zeit, schauten uns
Steierdorf und Anina an und machten es
uns dann auf einer hügeligen Wiese gemütlich. Als die Sonne hinter dem Wald
verschwand, wurde es kalt und uns blieb nichts anderes übrig, als zurück in die Pension zu gehen.
Dort war nun so richtig Hektik und Chaos ausgebrochen und so weit das Auge
reichte waren Tische mit Geschirr und Besteck eingedeckt. Wir
fanden in der riesigen Halle keinen Platz, der nicht vorbereitet war und quetschten uns dann schließlich in eine
Ecke, wo wir uns die Zeit mit Name-Stadt - Land - Spielen vertrieben. Als wir
kurz in unsere Unterkunft gegangen waren, sind die Gäste eingetroffen und die
ganze Scheune war überfüllt mit lustigen Blasmusikanten, die alle sofort ein
Bier oder irgendetwas anderes wollten. Es ging zu wie in einer
Massentierhaltung für Hühner und unsere Plätze waren weg, belegt, unsere Sachen
beiseite geschoben! Nun standen wir da, heimatlos und im Weg. Die Chefin nahm uns mit durch die dampfende
Küche und setzte uns in den Aufenthaltsraum für das Personal, wo sich bald die
Liebhaber der Bedienungsmädels hinzu gesellten und nach getaner Arbeit auch
die Köchinnen, die Kellnerinnen und sogar die Chefs. Wir erlebten einen langen
und freundlichen Abend mit Wein und Bier.
Sonntag, 08.10.2006
So lange ich nach Rumänien
fahre, so lange wird mir schon von der märchenhaften Märchenbahn erzählt, die
durch malerische Berglandschaft durch das Aninagebirge fährt. Auf der Seite http://www.banater-aktualitaet.de/heim21.htm
habe ich gelesen, dass im Banat nicht nur die erste elektrische
Stadtbeleuchtung (in Timisoara) von ganz Europa in Betrieb genommen wurde und
die ersten Telefon- und Telegrafenverbindungen von ganz Rumänien, sondern auch
dass die Strecke der Aninabahn, die zweite im ganzen ungarischen Reich in
Betrieb genommene war.
In Rumänien ist es immer sehr wichtig irgendwo der erste, der beste oder der
Größte gewesen zu sein- auch das macht den besonderen Charme des Landes aus.
Die Strecke der Aninabahn führt vom Städtchen
Anina nach Oravita. Die Orte
liegen Luftlinie 20 km auseinander. Die Route der Aninabahn ist 33,8 km lang.
Und hier noch ein Auszug aus obiger Seite:
Das Bauwerk besteht aus 134 Kurven, 10 Viadukten mit einer Gesamtlänge von
843 m, 14 Tunnels, die aneinander gereiht 2.084 m messen, 2.117 m der Strecke
bestehen aus in Felsen gegrabenen Engpässen, und die Gesamtlänge der Mauerwälle
beträgt 9.946 m. Der längste Viadukt dieser Strecke ist der über den Bach Jitin
und hat eine Länge von 131 m. Er wird von sechs Steinbögen gestützt, die
mittleren sind in einer Höhe von 37 m durch eine Eisenbrücke verbunden. Auf dem
Viadukt fährt der Zug unmittelbar aus einem Tunnel kommend ein und
verlässt ihn mit der Einfahrt in einen anderen. An beiden Enden des Viadukts
gibt es zugleich je eine Kurve mit dem kleinst möglichen Radius: 114 m. Diese
erlauben nicht den Verkehr von normalen Lokomotiven. Der Ingenieur Pius Fink
hatte deswegen in der Wiener Lokomotivfabrik der "Österreichischen k. k.
privilegierten Staatseisenbahngesellschaft" (allgemein als StEG bekannt) vier
Maschinen von besonderer Bauart entworfen, die auch bei der Weltausstellung von
London (1862) und Paris (1870) ohne viel Erfolg ausgestellt waren. Sie trugen
den Namen "Steyerdorf". Auch die Waggons sind speziell für diese Strecke
angefertigt worden. Der 660 m lange Tunnel bei Gârliste ist der längste dieser
Strecke und zugleich der engste im heutigen Rumänien. Die größte Böschung
(Steigung) beträgt 20 Grad auf einer Länge von 5.188 m.
Immer wieder ist bestätigt worden, was die "Temesvarer Zeitung" vom 15.
September 1874 schrieb: "Die Gegend ist überraschend schön, bald steile,
senkrechte Felswände, bald hohe Bergrücken dicht mit Eichen- und Buchenwäldern
bewachsen, bald liebliche Täler, bald Schluchten mit herabstürzendem Wildbach,
in welchem die Forellen lustig und emsig dahinschwimmen. ( ... ) Nach Lissowa
(Lisava - Anmerk. d. Verf.) wird das Interesse der Fahrt durch Tunnels und
Viadukte bedeutend erhöht".
Natürlich wollte ich diese Reise auch einmal erleben, aber immer
wieder kam irgend etwas dazwischen. In den letzten Jahren mehrten sich die
Gerüchte, dass die Bahn unwirtschaftlich ist und vielleicht stillgelegt oder
privatisiert werden soll. Es wurde also höchste Eisenbahn, diese Fahrt mit der
Eisenbahn zu machen.
Nachdem wir ein kräftiges Frühstück zu uns genommen und unseren Obolus
für die Übernachtung entrichtet haben, fuhren wir zum Bahnhof von Anina , den
wir uns schon am Vorabend angeschaut hatten. Bei einem oberwichtigen
Schnauzbärtigen Schaffner der keinesfalls fotografiert werden wollte, kaufte
Thomas 2 Fahrkarten für die Strecke Anina- Oravita. Natürlich wollten wir auch
gleich die Rückfahrkarten kaufen, aber das ist nicht üblich und nicht
möglich. Wir stiegen kurz vor 10 Uhr in die Bahn und auf die Minute pünktlich
um 10 Uhr zuckelte das Bähnle los.
Gleich hinter der Stadt ging es in den Wald, vorbei an einem verfallenen
Bergwerk und durch viele Tunnel. Ich saß links und sah die meiste Zeit schroffe
Berghänge und Felsen an meinem Fenster vorbei ziehen. Auf der rechten Seite
konnte man in sanfte Täler blicken und schon weit voraus die Bahnstrecke sehen
die mittig die Berghänge durchschnitt. Auch hier gab es fast keine
Herbstlaubfärbung, sondern ein sattes Grün dominierte die Farbe der
Wälder.
Neben mir saßen 2 ältere Frauen, die sicherlich schon oft die Strecke
gefahren sind, denn sie schenkten der herrlichen Landschaft überhaupt keine
Beachtung. Die beiden tratschten mit Feuereifer und so weit ich es mitbekommen
habe, ist eine gewisse Anna dabei überhaupt gar nicht gut weggekommen. Aller
10 min holte die eine Frau 2 Bonbon aus der Tasche, die die beiden
weihevoll und stumm auswickelten und sich bedächtig in den Mund steckten. Es
war wie wenn man Geld in einen Automaten steckt. Die Bonbons lieferten neue
Energie für neue Wortschwälle . Das Bonbonpapier wurde übrigens zu kleinen
ordentlichen Kügelchen zusammengerollt und in die Rahmen der Zugfenster
gedrückt. Als wir losgefahren sind sah der Rahmen ganz normal aus und am Ende
der Fahrt hatte er - mit einigem Abstand gesehen- bunte Knospen. Und zu meiner
Entschuldigung muss ich sagen, ich hätte ja sehr gern an den Damen vorbei
in die Landschaft geschaut, aber wenn sie etwas ganz empörendes über Anna zu
berichten hatten, steckten sie die Köpfe zusammen, so dass ich einfach nicht an
ihnen vorbei schauen konnte. Ich kam nicht dran vorbei!
Nach ein paar Kilometern kam der Schaffner ins Abteil zur Fahrkartenkontrolle.
Von den 8 Mitreisenden in unserem Abteil waren wir die einzigen die sich
Fahrkarten gekauft hatten. Die anderen steckten dem Schaffner einfach etwas
Geld zu. So kamen sie wahrscheinlich billiger und der Schaffner konnte sein
Gehalt aufbessern. Mittelfristig gesehen ist diese Verfahrensweise aber ...sagen
wir mal ...dumm, denn wenn die Bahngesellschaft kein Geld durch
Fahrkartenverkäufe einnimmt, wird das Bewirtschaften der Strecke unwirtschaftlich
und vielleicht einmal stillgelegt. Dann verliert der Schaffner seinen Job und
die Reisenden müssen mit dem Auto oder Fuhrwerk die klapprigen Wege durch
das Gebirge tuckern.
Nach 2 Stunden fuhren wir förmlich durch den Wald heraus und für ein paar
Kilometer durch Wiesenland und verwilderte Obstgärten. Sicherlich ging es
hier einmal sehr lebhaft zu als die Bauern ihre Felder und Gärten noch
bewirtschaftet haben. Nun ist alles verlassenes Ödland.
Der Bahnhof von Oravita ist ganz typisch für die kleinen Bahnhöfe in Rumänien.
Die Bahnsteigkanten sind mit Persilweiß nachgezogen und alles was man
anstreichen kann, wurde in den Nationalfarben blau, gelb, rot angepinselt.
Wir hatten nun 2 Stunden Aufenthalt in Oravita die wir nutzten uns die Umgebung
anzuschauen. Viel war an diesem Tag nicht los. Auf dem Bahnhofvorplatz
tummelten sich ein paar Zigeunerfamilien und die kleinen dunklen Kneipen waren
von düsteren Gestalten die aus schmierigen Gefäßen ihren Ţuică (Schnaps)
tranken belegt. Zum Gemüsemarkt geht es ein paar Stufen hinauf und
obwohl Sonntag war und auch schon fast Mittag, trafen wir ein paar
ältere Leute an, die noch auf ein Geschäft hofften. Sie verkauften unter
anderen herrlichen Speck, für den wir uns sehr interessierten. Deshalb durften
wir auch kosten und im Überschwang der Gefühle kauften wir die großen dicken
Stücken auf (ungefähr 4 kg) Der Speck aus Oravita ist so gut, dass ein Teil
davon noch heute in meinem Kühlschrank lagert und kein bisschen ranzig
ist. Außerdem gab es noch den bunten kleinen scharfen Paprika, der in Essig in
Plastikflaschen eingelegt wird. Auch da legten wir uns einen Vorrat
an. Danach gönnten wir uns eine leckeren Tschorba de Vacă (Rindfleischsuppe) in einem
kleinen Restaurant das sich genau an der Treppe zum Eingang des Marktes
befindet. Diese kostete mit mehreren Kaffee insgesamt 15 Lei (1:3,5) In dem
kleinen Raum saßen zusammengedrängt Kartenspieler die mit sehr großem Ernst
Karten spielten. Auf den Tischen standen Stapel von Geldstücken und das
Ganze hatte die Atmosphäre eines Mix aus Werkskantine und Spielkasino.
Überhaupt waren viele Bettelkinder und Zigeuner mit scharfen Blick auf alles
was eventuell abfallen könnte unterwegs.
Die Zeit war zu knapp größere Erkundungen in Orsova zu absolvieren und wir
bummelten gemächlich zum Bahnhof zurück nicht ohne vorher noch einige
Interessante Typen zu fotografieren.
Als wir uns die Fahrkarte kaufen wollten, geschah eine lustige Episode, die wir
im Rumänienadventskalender 2006
verewigt als Bildgeschichte verewigt haben. Wir wurden nämlich Zeuge wie der
Fahrplanwechsel in echter rumänischer Handarbeit vollzogen wurde.
Die Rückfahrt nach Anina war genau so schön wie die Hinfahrt. Unser Abteil war
wieder sehr gut gefüllt und der Schaffner kassierte dieses Mal ganz offen
(bei der Hinfahrt kam es uns vor als wollte er etwas diskret sein
wegen der ausländischen Mitreisenden)
In einen der Fahrgäste habe ich mich unsterblich verliebt, es war dieser Opa!
Wieder fuhren wir durch Schluchten und an steilen Felswänden entlang und an
vielen verfallenen Werken wie Kiesgruben und Betrieben vorbei , deren einstige
Bestimmung nicht mehr zu ahnen waren.
Lustig fand ich die sehr imposanten
Bahnschranken, die auch am kleinsten Feldweg mit lautem Jaulen die
eventuell mal vorbei kommenden Pferdefuhrwerke für den 10 Mal am Tag
vorbeisausenden Bummelzug warnten.
Am Bahnhof Anina stiegen wir ins Auto und fuhren auf einer neuen Teerstraße in
Richtung Reschitza. Unterwegs haben wir noch den Straßenarbeiter Bogdan von
unserer kleinen Küchenfete in der Vornacht getroffen der stolz auf einer
riesigen Planierraupe saß und uns majestätisch zuwinkte. In Reschitza suchten
wir eine Pension, die uns von einer Bekannten empfohlen wurde. Ich hatte eine
Beschreibung aber irgendwie kamen wir nicht klar und fuhren viel zu weit bis
zum Lacul Secu. Nach einigen Befragungen der einheimischen Bevölkerung und
Anrufen bei Herrn Feith, dem Vermieter, fanden wir doch die Pension, die
wie schon die von vergangener Nacht unscheinbar am Wegesrand lag und an der wir
immer missgestimmter einige Male vorbeigerauscht waren.
Die Pension war nicht sensationell und erheblich teuerer als unsere Unterkunft
in der vorhergehenden Nacht (900.000 alte Lei = 90 neue Lei bzw. 30 Euro
ohne Frühstück) Wir buchten für 2 Nächte.
Und nun noch ein kleines Kapitel "Rumänien richtig reisen"
Wir wollten uns den Reisestaub abduschen und Thomas machte den Anfang. Nach ca.
6 Minuten hörte ich ihn erst schimpfen und dann sehr seltsame Geräusche von
sich geben. Huchhh, Uiiiii, Hachhhhh! Als ich der Sache näher auf die Spur
ging, stellte sich heraus, dass er nur kaltes Wasser zum Duschen und Haare
waschen hatte. Ich war aber auch schmutzig und wollte unbedingt auch sauber
werden und beschloss in den sauren Apfel zu beißen und die Körperreinigung auch
mit kalten Wasser zu vollziehen. Todesmutig stieg ich in die Duschkabine.
Da ja sowieso nur kaltes Wasser da war, drehte ich den Kaltwasserhahn
auf und...natürlich kam schönes angenehm warmes Wasser...nichts geht über
eine angenehme Dusche nach Tagen ...
Nachdem wir nun sauber waren fuhren wir in die Stadt und landeten in einem
ziemlich feinen Restaurant. Das Personal ignorierte uns erst mal und Thomas
noch geladen von der Eiskalten dusche, blubberte den Kellner voll.
Wir bekamen die Speisekarte und ich war sehr begeistert. Außer einer
meiner Lieblingsspeisen gebackenes Hirn gab es auch noch gekochte Schafshoden.
Das wollte ich unbedingt
probieren. Allerdings genierte ich mich diese delikate Speise zu bestellen.
Obwohl Thomas SOWAS nie essen würde, bestellte er das Essen für mich, aber
leider gab es nur das Hirn, die Hoden waren alle! Aus dieser Konstellation kann
man ja nun verschiedene Schlüsse ziehen.
Für uns gab es nun 1 große Grillplatte, Suppen, eingelegten Paprika, 1x
Eierkuchen, 3 Fanta und ein Bier und das für 50 Lei!
Montag, 09.10.2006
Wir haben recht gut beim Feith geschlafen. Während des Frühstücks unterhielten wir uns mit ihm. Er ist ein Banater Schwabe der nach seiner Auswanderung aus Rumänien nach Deutschland zurück nach Rumänien gekehrt ist, um in Reschitza die Pension zu betreiben. Er erzählte uns, dass er ganz große Probleme habe zuverlässige und ehrliche Leute zu bekommen die sein Haus führen, wenn er sich in Deutschland aufhält.
Um
ca. 10 Uhr fuhren wir wieder in die Stadt um Horst Neff, einen ganz lieben
Freund, den bisher nur ich kannte, zu besuchen. Als ich ihn das erste
Mal mit einem anderen Rumänienbekannten
besuchte, stand für mich fest, Horst ist genau der Mensch, von dem ich mich
gern retten lassen würde, wenn ich in Not wäre. Einige Jahre später war
ich noch einmal bei Horst zu Gast. Mit Karpatenwilli verbrachte ich einige Tage
in Wolfsberg im Semenicgebirge und wir wollten gemeinsam die bekannte
Comanic-Höhle besuchen. Horst hat von Freunden aus Deutschland immer wieder
Ausrüstungsgegenstände für Wanderungen und Camping geschenkt bekommen. Horst
findet aber, dass die guten Sachen aus dem Westen geschont werden müssen
und die alten Dinge schon auch noch gut sind, besonders wenn man sie
repariert. Und Horst repariert und tüftelt wahnsinnig gern. Am meisten
beeindruckt mich seine Konstruktion im Bad in seinem Haus in Reschitza.
Da spielt Angeldraht eine Rolle und es läuft aus einem Schlauch heißes
Wasser in die Badewanne wenn der Badeofen geheizt ist. Den tieferen Sinn
dieser "Anlage" habe ich bei aller Faszination bis heute nicht verstanden.
Karpatenwilli, Horst und ich wollten also 2005 die Comanic-Höhle begehen.
Natürlich hat Horst auch jede Menge Taschenlampen in allen Größen und Formen
vorrätig, aber selbstverständlich sollten auch die geschont werden. Horst
bastelte deshalb mit seinem Höhlenforscherkollegen stundenlang an einer alten
Carbidlampe herum, die er mit in die Höhle nehmen wollte. Schließlich war er
der Meinung, dass die Lampe ausreichend funktioniert und wir starteten unsere
Exkursion. Karpatenwilli, ganz im Dienst wie immer wenn er in Romania unterwegs
ist, hatte eine gute Taschenlampe und Fotoausrüstung dabei, denn er wollte
Fotos von der Höhle für seine Homepage schießen. Ich war zum ersten Mal in
einer so ziemlich unzivilisierten Höhle unterwegs. Damit ich die Hände zum
abstützen, tasten und umherkriechen frei habe, hatte ich auf Willis anraten nur
meine kleine Kopflampe mitgenommen.
Ich, bisher nur in den zivilisierten Höhlen wie der Rübelandhöhle und
Feengrotte etc. unterwegs, hätte nie gedacht, dass das Dunkel in einer Höhle so
dunkel sein kann. Willi schwebte als ob er alles sieht leichtfüßig über die
Steine und das Geröll welches auf dem Weg lag. Für mich war das schwieriger.
Ich war unsicher und stieß überall an, fiel hin und war nach 100 m Höhle
schon von oben bis unten schlammig. Horst blieb in meiner Nähe, aber seine
Carbidlampe ging aller paar Meter aus und musste wieder in Gang gebracht
werden. Wir kamen nur sehr stockend voran. Nach dem Felsen mit dem
Muschelabdruck ging es einen kleinen Felsabhang hinunter, den man eigentlich
kletternd bewältigen kann. Ich war aber den glatten matschigen Felsen eh ich
mich versehen konnte hinunter gerutscht. Willi, schon lange vor mir auf
elegante Art unten angekommen, sah mich auf sich zurutschen und konnte sich vor
Lachen kaum auf den Beinen halten. Ich sah aus wie eine Schlammkugel.
Unterdessen war Horsts Lampe wieder ausgegangen und konnte auch nicht mehr in
Gang gesetzt werden. Horst und ich beschlossen Willi mit Fotoausrüstung ziehen
zu lassen und zurück zu gehen, einzig
und allein im Lichte meiner winzig kleinen Kopfleuchte. Horst lotste mich durch
den unebenen Tunnel und ich lieferte das notwendige Licht. So kam es , dass
mein Traum, mich einmal von Horst retten zu lassen in Erfüllung ging und ich
ihn gleichzeitig gewissermaßen auch rettete.
Ja, dass ist die Geschichte von Horst, den der Rumänienreisende immer erkennen wird, wenn er im Banater Bergland unterwegs ist. Horst ist der große kräftige ältere Mann, mit der Figur eines Reckens und der Axt über der Schulter, denn ein Horst verlässt nie ohne Axt das Haus.
Nun waren Thomas und ich aber in der Stadt und trafen Horst in seinem mitten im Zentrum gelegenen Haus.
Er kam uns schon entgegen gelaufen, als wir in die Straße eingebogen waren. Es war eine sehr schöne und herzliche Begrüßung. Bald fragte uns Horst aber, wo wir die vorhergehende Nacht verbracht hatten und ich sagte ihm, dass wir in einer Pension waren, war Horst richtig richtig sauer. Ich hatte zu tun ihn zu beruhigen und Horst bestand darauf, dass wir unser Gepäck bei Feith abholen und mit ihm nach Wolfsberg fahren um dort zu übernachten. Wir waren unsicher, aber Horst meinte, er kommt mit und klärt das. Keine Wiederrede.
Horst kannte Feith und ehe wir uns versahen übernahm er das Kommando. Er packte
unseren Vermieter am Genick und meine schmunzelnd "Sei nicht bös, ich nehm
Dir Deine Gäste" und Feith blieb gar nichts anderes übrig als Einverstanden
zu sein. Thomas bezahlte und nun machten wir uns zu dritt auf dem Weg nach Wolfsberg, einen Ort der
ursprünglich von Banater Schwaben besiedelt war. Heute ist dieser schmucke
Gebirgsort fast eine Ferienanlage, in der nur noch eine handvoll Menschen leben.
Die meisten Häuser sind Wochenendhäuser oder Ferienhäuser für Banater Schwaben
und auch Böhmer die nach Deutschland ausgesiedelt sind und sich im Urlaub in
die alte Heimat zurück ziehen. In manchen Häusern haben sich auch Rumänen aus
Timisoara oder Reschitza ihre Feriendomizile eingerichtet. Auch im
Nachbardorf Weidenthal (Brebu Nou)
leben fast keine Bauern mehr. Unser Bekannten Gerd und Rodica Ballas aus der
Nähe von Frankfurt haben sich da ein Häuschen zugelegt und werden nun ihre Zeit
des Vorruhestandes da genießen. Bevor
wir nach Wolfsberg fuhren ging es also zu Familie Ballas. Rodica bot uns einen
Holunderschnaps an und Gerd zeigte uns stolz seine neuen Besitztümer ganz in
der Nähe eines Naherholungsgebietes. Gerd ist richtig in das Dorfleben integriert
und ganz selbstbewusst pfeift er mit seinem Quad durch das Dorf, hier ein
Schwätzchen mit dem neuen Polizisten, da ein paar Bemerkungen zu den Arbeitern
die das neue Telefonkabel verlegen und sein Dorn im Auge ist das Müllproblem.
Nachdem er erfolgreich die
Müllhaufen am Badeteich bekämpft hat, gab es nun schon wieder ein neues
Problem. Hirten (?) hatten über Nacht in den
am See befindlichen
Müllcontainern gewühlt, wahrscheinlich auf der Suche nach verwertbarem,
und den Inhalt weit über die Wiese verstreut. Da konnte man den sonst so
gutmütigen Gerd mal so richtig wütend erleben.
Nachdem wir Gerd und sein Dorf ausführlich besichtigt und gebührend bewundert hatten, fuhren wir ein Stück zurück nach Wolfsberg. Dort hat Horst sich in das Nebengebäude eines der Bauernhäuser eingemietet. Der Hausbesitzer kommt nur selten und ist froh, wenn Horst nach dem rechten sieht, das Grundstück pflegt und ihm alles vorbereitet, wenn er mal zu Besuch kommt.
Das ganze Grundstück ist sehr HORSTIG, denn wie schon erwähnt, Horst bastelt gern und macht aus allem etwas, wie z.B. auf dem obigen Bild aus der Dusche.
Es ist einfach schön mit Horst zusammen zu sein. Mit seinem "alten" Deutsch im Banater Dialekt und seine durch sein Leben in Rumänien gefärbten Ansichten sind seine Erzählungen für mich etwas sehr bewahrenswertes, gerade auch weil er nichts im Bösen erzählt sondern allem etwas freundliches entgegenbringt. Er erzählte uns von Autounfällen in der Reibung (Reibung = Kurve) , seinen vielen Wanderungen mit denen er schon ganz früh in seinem Leben begonnen hat (ohne Zelt nur im Schlafsack im Fagaraschgebirge - dass die Zehen dabei erfroren ist nicht so richtig schlimm) , seiner Leidenschaft für Höhlen und auch vom Besuch meiner Schwester und ihren Kindern Richard und Johanna und Christian im letzten Sommer.
Nebenbei läuft auch bei Horst die Schnapsbrennerei. Lustig ist, dass er keinen Tropfen davon trinkt, weil sein Großvater, den er sehr gern gehabt hat, in der Hinsicht ein schlechtes Vorbild für ihn war. So muss nun die liebe Edith immer seinen Schnaps kosten. Dass das sehr gut funktioniert merkt man daran, dass der Schnaps, den Horst von den Birnen vorm Haus herstellt für mich der allerbeste selbstgebrannte in ganz Rumänien ist.
Nachdem wir das Häuschen
bezogen hatten, machten wir uns auf dem Weg zum Kreuzberg, den Hausberg von
Wolfsberg. Es hieß, wir machen einen Spaziergang und so hatte ich nur Sandalen
an. Das war nicht besonders klug, denn die
kleine Wanderung führte durch Wiesen mit Anstieg und es war ziemlich wackelig.
Die Männer schritten vorneweg und ich spazierte hinterher. Es gab aber auch
viel zu entdecken. Überall gab es Pilze
und Blumen und im sicheren Abstand verfolgte uns ein schöner großer Hund. Auf
dem Kreuzberg am Kreuz gibt es eine Sitzgelegenheit und von da aus hat man den
Eindruck die gaaaaanze Welt zu sehen. Wir ließen uns nieder und genossen den
Ausblick .
Auf dem Rückweg- Horst hatte meine ungeschickte Schuhwahl bemerkt und wählte einen BEQUEMEREN Weg- fanden wir Unmengen von Braunkappen und Birkenpilzen. Ich machte mich sofort ans sammeln, aber Horst meinte, dass man diese Pilze nicht essen könnte. Er mag nämlich nur "Buchenschwammeln" ist da sehr eigen. Ich konnte nicht verstehen, wie man die leckeren Pilze am Wegesrand stehen lassen kann und sammelte mit Thomas schnell eine übergroße Mahlzeit zusammen.
Zurück am Haus machten wir uns über die Zubereitung her, schön mit Zwiebeln und Speck, eine riesengroße Pfanne. Die Katzen, die eigentlich nicht gefüttert werden (außer mal mit einem Stück Brot mit dem die bereits ausgekratzte Pfanne ausgewischt wurde) waren ganz närrisch und umkreisten unseren Pilzputz- und Speckschneidetisch. Wir hatten zu tun, dass es nicht Pilze mit Katzenbraten gab.
Während wir putzen und bruzelten kramte Horst auf dem Grundstück herum. Bei ihm hat alle seine eigene Ordnung und er stellte uns seine kleinen Konstruktionen und Erfindungen vor. Schön ist, dass er dabei über sich selber schmunzelt. Sein größter Traum wäre, so erzählte er uns, einen Skilift zu haben. Der zum Haus gehörende Garten ist nämlich im Winter eine ideale Skipiste, ganz steil mit schönem Auslauf. Aber jedes Mal mit den Ski wieder hinauf zu kraxeln ist sehr anstrengend. Thomas registrierte Horsts Traum und schickte ihm später über Gerd Ballas ein ordentliches Drahtseil mit diversen Zubehör. Nun hoffen wir nur, dass Horst das Seil auch für den Skilift nutzt und nicht, wie es seine Art ist, es viiiiel zu schade findet und aufhebt bis....ja bis...oder für... den Sankt Nimmerleinstag.
Zu meiner Verwunderung aß dann Horst dann tatsächlich auch von unseren Pilzen und lobte die Zubereitung. Er hätte nun auch keine Angst mehr , dass er davon vergiftet werden würde, meinte er.
Am Abend schaute dann Gerd Ballas noch mit gut gekühlten Bier vorbei und wir hielten ein kleines Schwätzchen.
Auf einem riesengroßen zusammengestoppelten Bett auf dem schon so viele gute Rumänienfreunde von mir geschlafen haben, schliefen Thomas und ich richtig gut und tief.
Dienstag, 10.10.2006
Ein Einkaufstag in Reschitza
An diesem Tag habe ich kein Tagebuch geführt und kann deshalb auch nur lückenhaft und aus der Erinnerung berichten.
Zunächst einmal hatten wir sehr gut in Wolfsberg geschlafen. Horst wollte mit uns eine Wanderung machen und Thomas freute sich schon sehr darauf,. Nur ich hatte ein Problem. Mein Knöchel war über Nacht geschwollen, wahrscheinlich lag das daran, dass ich unseren kurzen Spaziergang am Vorabend in Sandalen absolviert habe. Ich sagte also dass ich nicht mitgehen werde. Die Männer waren nicht böse, denn nun konnten sie eine richtige Männertour machen. Horst musterte Thomas und sagte entschlossen, "der verträgt was". Ich wurde also in Reschitza abgesetzt und die Männer packten sich Proviant ein und zogen von dannen.
Ich war nun frei und hatte den ganzen Tag für mich. Ich besuchte den Markt um Gemüse und Käse zu kaufen und schlenderte durch ein großes Kaufhaus. Schließlich traf ich mich noch mit Yvonne, einer Bekannten aus der Internetrumänienszene, die in Reschitza geboren ist und nun in Deutschland lebt. Gemeinsam mit ihrem Mann war sie gerade dabei die Wohnung in Reschitza zu renovieren und wir besuchten beide noch mal den Markt und kauften gemeinsam Fliesen ein.
Irgendwann kam dann Edith von der Arbeit zurück und noch etwas später Thomas und Horst. Die beiden waren richtige Helden und strahlten vor Stolz auf ihre Wanderung. Ich bin mir sicher, dass dieser Tag mit Horst für Thomas der schönste der ganzen Rumänienreise war. Er berichtet noch heute sehr gern von dieser Wanderung durch eine Schlucht und den Aufstieg durch fast senkrechte Felswände, wo es kaum Stellen gab mal einen Fuß gerade zu stellen.
Den Abend verbrachten wir gemütlich mit Horst und Edith, 2 wirklich lieben Freunden, die fürsorgliche Gastgeber sind und mit denen wir uns gut und lieb unterhalten können.
Mittwoch, 11.10.2006
Tja, nun war unser Urlaub zu Ende. Ganz zeitig stiegen wir ins Auto und fuhren geradewegs mit einer Mittags- und ein paar Pinkelpausen nach Hause!
Gudrun Pauksch
Juli 2007