Wie ich mit meinem Mann nach Rumänien fuhr!

Von Gudrum Pauksch ©

Schon seit 10 Jahren reise ich nach Rumänien. Diese Reisen sind für mich immer wieder eine Insel im Alltag und jedes Jahr freue ich mich schon Monate vorher auf die Tour.
Oft liege ich schon Wochen vor der Reise den ganzen Abend auf dem Teppich unseres Wohnzimmers vor der Rumänienkarte und plane die Route, rechne Kilometer aus und überlege wie viel Zeit ich für was benötige und schreibe alles säuberlich auf Zettel und Listen und ärgere mich, dass die mir zur Verfügung stehende Zeit viel zu kurz ist. In Rumänien gibt es so viel zu sehen und zu erleben!

Nach ein paar Tagen telefoniere ich mit meinen Freunden aus der Rumänienszene, die mir ganz tolle Reisetipps geben und mir versichern, dass ich, wenn ich schon mal da bin auch noch unbedingt die Orte XY und erst recht Z ansehen müsste. Dazu werden mir dann per Mail Fotos geschickt und Reiseberichte empfohlen und ich wankelmütiges Weib komme so richtig ins Wanken und ändere meine Reisepläne und dann die Änderungen und auch noch einmal die Änderungen der Änderungen und am Ende fahre ich dann fast ohne Plan, aber mit vielen Ideen los.

Anders in diesem Jahr!
In diesem Jahr war meine Reise nach Rumänien etwas besonderes, denn irgendwann im Januar teilte mir mein Mann Thomas mit, dass er nun auch mal  mit nach Rumänien fahren möchte. Ab dem Augenblick dieser Offenbarung lastete auf mir eine Riesenverantwortung, denn 1992 war unsere Familie schon einmal nach Rumänien gereist und diese Reise endete mit einer 14 Jahre währenden Rumänienallergie bei meinem Mann.
Tja, so ist das mit Rumänien. Die einen werden süchtig (ICH)und die anderen allergisch (ER).
Ich schrieb mir also auf die Fahnen meinem Thomas in unserem 3-wöchigen Urlaub nur das schönste und beste Rumäniens zu zeigen, ihn mit zu meinen liebsten Bekannten zu nehmen und dafür zu sorgen, dass er eine richtig schöne Zeit in meinem Lieblingsland hat. Also beriet ich mich besonders ausführlich mit meinen Freunden und arbeitete einen schönen Plan aus. Urlaubsreif und aufgeregt fieberte ich dem 22.09.2006 - unserem Abreisetag - entgegen, so wie ein verdurstender Wüstendurchquerer sich nach einer Oase sehnt!

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Freitag, den 22.09.2006

Von Beilrode nach Budapest - Fahren Fahren Fahren!

Endlich war es soweit. Zuerst ging es noch am Vormittag zur Arbeit ins Amt, denn  Rumäniensüchtige haben IMMER zu wenige Urlaubstage.

Mein Mann bepackte unterdessen das Auto mit all den Kisten und Sachen die ich als Geschenke für Freunde und zufällig Bekannte und die Kinder der Stiftung, die wir seit einem Jahr unterstützen, gesammelt habe. Natürlich ist jeder Quadratzentimeter freier Platz in einem Auto das nach Rumänien fährt verschwendeter Raum. Auch wenn es unterdessen vor Ort alles zu kaufen gibt in Städten mit großen Einkaufszentren und Ladenketten die man hier in Deutschland auch findet. Selbst das Futter von MC Donalds breitet sich in Rumänien aus wie der süße Brei im Märchen. Trotzdem finde ich es schön Überraschungen und kleine Geschenke dabei zu haben und diese zu verteilen.

Punkt 15 Uhr verabschiedeten wir uns von unserem Sohn Wilhelm, dessen Kumpel etwas zu zeitig an unserer Haustür aufgetaucht war und mit dem schon Pläne für die Nutzung der sturmfreien Bude geschmiedet wurden.
Bis zur Grenze nach Zinnwald waren es genau 172 km. Über Prag, Brno und Bratislava ging es bis zum Hotel "M1 83" vor Budapest. Besonders der Verkehr in Tschechien war zäh und zermürbend und wir verkürzten uns die Zeit mit dem Analysieren der seltsamen Fahrweise der Tschechen, die prinzipiell nur links fahren und völlig unerklärlich auf offener freier Straße immer wieder bremsen.

Thomas hielt tapfer hinter dem Lenkrad durch und ca. 0.30 Uhr nahmen wir uns ein einfaches Zimmer direkt an der Autobahn für 35 Euro/ Nacht. Nach einem Bier bzw. Wein schliefen wir begleitet von den Geräuschen die so ein verkehrsgünstig gelegenes Autobahnhotel mit sich bringt doch irgendwann ein.

Zu erwähnen ist noch, dass wir folgende Vignetten kaufen und unsere Vorderscheibe damit bekleben durften

CZ 12 Euro (1 Monat gültig)
SK 11 Euro (1 Monat gültig)
H 21 Euro (1 Monat gültig)

Zweiter Tag

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Samstag, 23.09.2006

Endlich im gelobten Land - von Budapest in die rumänische Wirklichkeit

Die Nacht war laut und unruhig, weil unser Zimmerfenster direkt zur Autobahn lag. Ich zählte die vorbeifahrenden LKWs wie sonst Schäfchen oder Pusteblumen auf einer Frühlingswiese und muss wohl tatsächlich irgendwann eingeschlafen sein, denn am Morgen wachte ich schließlich auch auf.
7.45 Uhr gab es Frühstück und unproblematisch und irgendwie immer geradeaus ging es durch Ungarn bis nach Cernad, wo wir um 12 Uhr Mitteleuropäische Zeit die Grenze nach Rumänien passierten.

Was die anderen Länder können, können die Rumänen schon lange und so gibt es seit 2 oder 3 Jahren auch in Rumänien eine Vignettenpflicht. Und weil die Rumänen, wie ein Freund sehr treffend und drastisch auszudrücken pflegt immer gleich 2 Paar Eier haben, gilt diese Vignettenpflicht nicht nur für die Autobahnen, sondern für ALLE Straßen im Land. Diese Tatsache ist ja schon süß, aber noch süßer finde ich, dass man diese Vignetten gar nicht so einfach zu kaufen bekommt. Da Thomas und ich doch sehr DEUTSCH sind und wir das Vignettenkaufen seit dem Vorabend sozusagen im Blut hatten, stürzten wir sofort in die erste Tankstelle auf rumänischen Boden und bekamen dort zu hören, dass keine Vignetten vorrätig sind. Die Hersteller hätten Probleme mit dem Papier! (Ob das der Wahrheit entspricht ist zu bezweifeln, wahrscheinlich sollte es eine Art Notlüge sein). Auch in der nächsten und übernächsten Tanke gab es die bunten Aufkleber nicht. Für uns - nun schon seit mehr als 17 Jahren WESSIs - ein seltsames Gefühl, etwas was man UNBEDINGT braucht einfach nicht zu bekommen. So hatten wir lange Zeit während unserer Urlaubsreise Reise dieses kribblige Gefühl etwas Unrechtes zu tun bzw. etwas Rechtes nicht getan zu haben. Irgendwann erklärte uns schließlich jemand, dass es nur darauf ankommt bei der Ausreise eine Vignette vorzeigen zu können und ab da nahmen wir die "Sache" gelassener.

In Cernad, praktisch dem ersten rumänischen Ort tauschten wir in einer auf einem Hinterhof befindlichen (offiziellen) Wechselstube Euro in Lei (1:35.000).
Seit ca. einem Jahr ist auch das mit dem Geld in Rumänien gar nicht mehr so einfach. Es gibt zur Zeit neue rumänische Lei und alte rumänische Lei. Bei den neuen wurden einfach 4 Stellen der alten Lei weggestrichen. Das finde ich Klasse, denn die Umrechnerei wird so viel einfacher. Die Rumänen hängen aber an ihren Nullen und so werden sämtliche Geldgeschäfte für einen nicht so an viele Nullen gewöhnten Ausländer doch recht unübersichtlich.

Unser Plan war heute bis nach Vladimirescu (bei Arad) zu fahren, wo uns unsere Freunde Aurelia und Bernhard erwarteten. Über Sannicolaumare und Lovrin fuhren wir nach Periam. Bernhard hatte mir den Tipp gegeben, dass es da eine alte Hutfabrik gibt, die man wohl auch besichtigen könne. Ich liebe Hüte und auch Hutmacher. Leider sind Hüte  selbst in Rumänien ein bisschen aus der Mode gekommen, denn die Fabrik war wegen schlechter Auftragslage geschlossen. Als wir auf dem Werksgelände stöberten und dabei einige Türen öffneten, rief uns eine nette dralle Frau im großgeblümten luftigen  Perlonkleidchen zu sich. Sie erzählte, dass das Werk seit 1.8.2006 geschlossen wäre und zunächst die Hüte auf Lager verkauft werden. Wenn sich die schwierige Lage auf dem Hutmarkt wieder bessert, soll die Produktion weiter gehen. Leider hatte auch das zum Werk gehörige Hutgeschäft geschlossen. Es war ja auch Sonntag.

Reisebericht Rumänien 2006 von ©Gudrun Pauksch Etwas enttäuscht fuhren wir weiter und ich hatte Gelegenheit Thomas erste Kommentare über das was so an unserer Autoscheibe vorbei zog zu hören.
In den vergangen Jahren war ich mit einigen Rumänienfreunden unterwegs, mit Haiko Kühne, Michael Horn und Ronny Müller und auch mit Karpatenwilli. Manche meiner Reisebegleiter arbeiteten regelrecht während des Urlaubs und recherchierten, erkundeten, saugten Informationen auf und andere passten sich dem Schritt und Tritt und dem Rhythmus des Landes an und ließen sich treiben. Jedem fallen andere Dinge ins Auge und jeder hat einen anderen Blickwinkel. Der eine sucht die besonderen Gesichter für Fotos oder skurrile Gegenstände, der andere schaut in die Natur und der nächste auf die Kultur. Mein Mann ist ein richtiger Techniker und so war er während der Reise von Anfang an über die diversen technischen (Not)lösungen der Rumänen bei der Bewältigung der Knappheit (oder des Schwunds) von sämtlichen technischen Teilen und Baumaterialen entsetzt oder auch entzückt.
Auf der Karte sah ich, dass es in Perivam auch einen Port, sprich Hafen, gibt und lotse Thomas an das Ufer des Mureş, wo tatsächlich ein kleiner Hafen mit einer skurrilen Fähre zu finden war. In einer gemütlichen Freilandkneipe tranken wir unter einem Weindach (mit prächtigen blauen Trauben) unseren ersten rumänischen Kaffee und begaben uns dann weiter nach Calugareni zum Kloster Bodro.

Reisebericht Rumänien 2006 von ©Gudrun Pauksch Ich mag rumänische Klöster und schon dieses - das Erste unserer Reise -verzauberte mich. Die Gegend, die wir bisher am heutigen Tag durchfahren waren, ist trocken und flach. Doch das Kloster Bodro war umgeben von einer wunderschönen saftigen Blumenpracht, mit von Weindächern beschatteten Innerhöfen in denen kleine Engelskulpturen auf Rosenbeeten wirkungsvoll platziert waren. Mitten auf einem der schattigen Innenhöfe stand ein riesiger Ginkobaum von dem ich mir sehr gern ein Blatt als Andenken mitgenommen hätte. Leider lag nicht ein einziges Blatt auf dem Boden.

Im Kloster Bodro gibt es zwei und natürlich auch ausreichend Geschichten. Ein alter kleiner lustiger Mönch war mir sofort ins Auge gefallen und ich näherte mich ihm unauffällig, umkreiste ihn scheinbar völlig desinteressiert bis ich ihn schließlich lächelnd ins Gespräch ziehen konnte. Er hatte wirklich Schmäh und erzählte uns mit einer meisterlichen Pantomime eine der Geschichten des Klosters, bei der eine Kuh eine wichtige Rolle spielt.

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Und die ging so: Ein junger Hirte war mit seinen Kühen auf der Weide, als eines der Tiere begann mit seinen Hörnern (die sind in der tiefer gelegten Kirche über der Tür zu sehen) den Boden umzugraben. Der Junge hörte ein seltsames Geräusch und sah etwas in der Sonne blinken. Es waren natürlich Goldstücke, ein richtiger Schatz kam zum Vorschein. Aufgeregt lief der Junge zu seiner Mutter und fragte sie, was er mit dem Schatz machen solle. Die Mutter sagte, der Junge soll den Fund im Kloster abgeben und zwar komplett. Sollte er etwas abzweigen wird er augenblicklich zu Stein. Natürlich gab der Junge nicht alles ab und natürlich wurde er zu Stein und dieser Stein ist im Kloster zu bewundern. Diese Geschichte spielte mir der kleine alte Mönch mit großer Hingabe und schauspielerischem Talent vor und ich hatte viel Mühe den nötigen Ernst zu bewahren. Anschließend ließ er sich noch vor einem Stein in Herzform fotografieren, über dessen Geschichte ich zu gern auch noch etwas erfahren hätte, aber es war schon spät und Aurelia und Bernhardt warteten auf uns.

Nach einem kurzen Besuch in der Klostersommerküche wo in großen Töpfen Hühner und Kraut zubereitet wurden begaben wir uns auf die Piste und fuhren weiter Richtung Arad.

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Zu Arad habe ich ein gespaltenes Verhältnis (das ist eine ganz andere Geschichte) und deshalb suchte ich im Atlas einen Weg diese Stadt zu umfahren. In meiner Karte war bei Fântânele eine kleine Brücke über den Mureş eingezeichnet. Diese Brücke gibt es aber leider nicht mehr und so mussten wir doch durch das wilde Arad. Thomas entpuppte sich als ziemlich selbstbewusster und rasanter Rumänienstadtdurchfahrer und so kamen wir zwar zu spät aber doch mit schönen ersten Rumänienerlebnissen in Vladimirescu, einem Vorort Arad an.

Bernhard und Aurelia empfingen uns herzlich und auch ich freute mich die beiden wieder zu sehen. Ich kenne Bernhard und Aurelia schon seit einigen Jahren über ein Internetforum welches sich mit Rumänien beschäftigt. Wir haben uns einige Male hin und her besucht und hatten jedes Mal Spaß und interessanten Gedankenaustausch, wie das so ist wenn zwei Welten aufeinander prallen...nämlich einmal die durchschnittlich deutsche und die nicht durchschnittliche rumänische.
Aurelia ist eine Rumänin mit einer ganz lieben und besonderen Ausstrahlung, die mich mit ihrer Art die Welt zu sehen immer wieder verblüfft. Bernhard ist ein ausgestiegener Österreicher, der sich in Vladimirescu, einem hässlichen Vorort von Arad niedergelassen hat und dessen Leben nun unter dem Motto "Hilfe für Menschen ohne Hilfe" steht. Und diese Devise hält er mit erstaunlicher Geduld gerade denen gegenüber - denen er hilft - durch. Seine Hauptunterstützung gilt einigen Zigeunerfamilien in Fiscut und der Produktion von Sonnenheilmitteln, die (wenn man daran glaubt) wahrscheinlich für und gegen alles gut sind. Ich empfehle diese Mittel immer gern weiter, besonders das sonnenlichtangereicherte Mohnblumenblütenblätteröl, an dessen fehlerfreien Aussprache ich einige Wochen geübt habe. ER hat wohl schon manche Heilung geschafft. Mir persönlich fehlt leider der Glaube an die Mittelchen, aber ich freue mich immer wieder über die Wunder die mit den oder - meinetwegen- auch durch die- Substanzen geschehen. Auch das Heilen durch Handauflegen ist eine von Bernhards Berufungen und es gibt tatsächlich immer wieder Leute denen er damit hilft. All diese "Leistungen" sind übrigens kostenlos! Das heißt, Bernhard nimmt prinzipiell keinerlei Vergütung für seine Wunder (außer die Nachbarin hat vielleicht gerade einen Kuchen gebacken und bringt ihm ein Stück rüber). Seit einiger Zeit ist Bernhard auch sehr begeisterter Öl-statt- Diesel - Fahrer und experimentiert mit selbstgepresstem Öl und seinem VW - Bus um mit möglichst wenig Unterstützung der großen internationalen Ölkonzerne Auto fahren zu können.
Sein Haus in Vladimirescu ist ein "offenes Haus" und so schwirren auf seinem Hof immer zahlreiche Nachbarinnen und Nachbarn und Kinder herum. Besonders ans Herz gewachsen sind mir die kleine Paula und die etwas größere Dalina, die immer bei mir war und meine Hand ergriff und sich an mich rankuschelte. Beide sind zuckersüße Mädels, denen wohl aber der häufige Besuch aus dem Westen, den Bernhard und Aurelia haben, nicht gut bekommt. Sie haben ganz schlimm schlechte Zähne, die wohl auf die vielen Süßigkeiten die die Besucher verschenken (ich auch) zurückzuführen sind.

Bei Aurelia und Bernhard zu sein ist schön. Aurelia ist eine ganz liebe und fürsorgliche Gastgeberin und hatte ein leckeres Essen für uns gekocht. Leider hatten Thomas und ich nicht so eine ganz genaue Ankunftszeit gesagt, so dass alle noch um 4 auf das Mittagessen warteten. Wir hörten die Bäuche richtig knurren.
Trotzdem ergab es sich, dass wir zunächst Dalinas Oma besuchten, die die Nachbarin von Bernhard ist und gerade die große Pflaumenernte zu Schnaps verarbeitete. Der ganze Garten war mit Kessel und Behältnissen aller Art vollgestellt und Bernhard, stolzer Besitzer eines Gerätes zum Messen des Alkoholgehaltes des Schnapses (Ţuică - sprich Zuika) stellte fest, das der Alkoholgehalt des in den einzelnen Behältnisse befindlichen Ţuicăs zwischen 35 und 63 % lag.

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Reisebericht Rumänien 2006 von ©Gudrun Pauksch Insgesamt hat Elinitza ca. 50 Liter Schnaps hergestellt, der eine Art Währung in Rumänien ist und zur Bezahlung von Handwerkern aber auch als Mitbringsel bei Taufe, Hochzeit, Beerdingung und zu sonstigen Anlässen dient. Ich weiß gar nicht wie dass nun zu EU - Zeiten werden soll, wo doch das Schnapsbrennen scharfen gesetzlichen Bestimmungen unterliegt!

Wir ließen uns den Ablauf der Brennerei ganz genau erklären und bekamen auch eine Kostprobe geschenkt. Nachdem wir die große Sau mit den kleinen süßen Ferkeln  im Stall bewundert hatten, gab es bei Aurelia Essen, nämlich eine herrliche Bohnensuppe aus grünen Bohnen und dazu Kalbsschnitzel.
Natürlich hatten wir uns viel zu erzählen und besonders Thomas hatte 1000 Fragen an Bernhard. Ich wunderte mich über die seltsamen Servietten die es bei Aurelia gab und Thomas fand den Türschließer der Küchentür cool. Die Erklärung für die Anwesenheit der außergewöhnlichen Gegenstände klang in unseren Ohren seltsam. Bernhard antwortete nämlich lapidar:

Der Schwager einer Nachbarin arbeitet bei der rumänischen Bahn.

Als "Radklopfer"
Ich wunderte mich...

Hääääää?
Bernhard stellte die Gegenfrage, ob mir als Rumänienzugreisende noch nie aufgefallen wäre, dass es ab der rumänischen Grenze keine Papierhandtücher und kein Toilettenpapier in den Zügen gäbe. Stimmt, wenn er es so sagt! Er hat recht! Bernhard erklärte, es wäre halt üblich, dass die Angestellten das Zeugs mit nach Hause nehmen. Und der Türschließer wäre auch vom Schwager der Nachbarin von einer Zugtür abmontiert. Das wäre halt so.

Nach dem Essen fuhren wir Edith und Günther Willner besuchen, die sich in Santana, einem anderen Vorort von Arad niedergelassen haben und die ich ebenfalls aus dem Rumänienforum kenne. Günther Willner ist in das rumänische Abfallgeschäft eingestiegen und gerade dabei sein Haus mit Garten zu renovieren und her zu richten.
Günther kredenzte uns einen leckeren und sehr hochprozentigen Ţuică, von dem auch Bernhard - unser Fahrer - einen ganz ganz und wirklich nur ganz ganz winzigen Schluck kostete. Nachdem wir  uns von Günther verabschiedeten und gerieten 3 Straßenecken weiter in eine Polizeikontrolle. In Rumänien ist absolutes Alkoholverbot (0,00) für Kraftfahrer und so stockte uns der Atem. Zuerst musste der Fahrer des Wagens vor uns pusten und tatsächlich zeigte das Blasegerät einen Alkoholpegel an. Er hatte also getrunken. Die Polizisten wiegten verzweifelt mit dem Kopf, der Kraftfahrer gestikulierte und redete aufgeregt und auch wir waren ziemlich nervös. Der Polizist kam mit dem Alkoholmessgerät zu Bernhard und eigentlich waren wir sicher, dass Bernhard nun auch pusten muss und bestimmt 0,01pro Mille angezeigt werden. Der Polizist reichte Bernhard das Gerät durch das Fenster, aber nur damit er sehen kann , wie viel Promille sein Vorpuster hat. Er sollte also NUR Zeuge sein. Im Auto machte es 4 x blubb - das waren die Steine die uns vom Herzen fielen... blubb... - als wir "unbehelligt" weiter fahren konnten durch die sternenklare rumänische Nacht.

Im Auto überlegte ich, dass heute ja erst mal der erste Tag in Rumänien ist und ich schon vollgestopft mit Eindrücken bin. Das noch mehr auf mich zukommt an diesem Abend wusste ich, denn wir wollten noch Martin besuchen.

Reisebericht Rumänien 2006 von ©Gudrun Pauksch Martin ist ein Freund von Bernhard. Leider hat Martin vor einigen Jahren auf Grund von Durchblutungsstörrungen beide Beine verloren.
Nun ist er auf einen Rollstuhl angewiesen und mit Hilfe von Freunden ist es uns gelungen, ihm einen besonderen Handhebelrollstuhl zukommen zu lassen. Ich war natürlich gespannt Martin persönlich kennen zu lernen, denn Bernhard hatte mir schon einiges von ihm erzählt. Unser Besuch war angemeldet und wir wurden freundlich in die Wohnung gebeten. Zuerst mussten wir uns durch einen dunklen Eingang und einen nicht minder dunklen Hof tasten um in die Kellerwohnung zu gelangen, in der Martin und seine Frau seit einigen Monaten leben. Vorher hat Martin in einer Garage gewohnt und nun hat er ein Kellerloch ohne Strom und Wasserversorgung zugewiesen bekommen. Wir nahmen in einem der beiden Räume der Wohnung Platz. Damit wir uns sehen können, wurde eine Öllampe angezündet. Es war wie im Mittelalter und das in einer europäischen Großstadt. Zuerst bedankte sich Martin noch einmal für den Rollstuhl und dann erzählte er uns seine Lebensgeschichte auf Deutsch. Martin wurde nämlich 1943 in Berlin, wo die Familie in den Kriegswirren hingeraten war, als Sohn eines Banater Schwaben und einer Siebenbürger Sächsin geboren. Nach dem Krieg siedelte man die Mutter mit dem kleinen Martin wieder nach Rumänien aus. Den Vater verlor die Familie im Krieg. Zurück in Rumänien hatten Martins Mutter große Not sich, Martin und den Bruder Adelbert über die Runden zu bringen. So erzählte uns Martin von einem Weihnachtsfest, an dem die Not so groß war, dass die Mutter den Kindern gar nichts schenken konnte. Auf der Straße fand sie einige wenige Tannenäste, die sie mit Zwirn an kahle Zweige band. Dieser Nottannenbaum wurde mit in buntes Papier gewickelte Brotstücken geschmückt.
Nach einer guten Zeit mit guter Arbeit und Familie verlor Martin seine Beine und bringt sich und seine Frau seit dem mit Handaufhalten durch. Schlimmer noch als die Armut ist aber für Martin der schlimme Zustand seiner Identität. Er ist Angehöriger der deutschen Minderheit in Rumänien, kann das aber, da ihm seine Papiere - als er ein paar Monate auf der Straße leben musste verloren gegangen sind - nicht belegen. So erhält er keinerlei Unterstützung aus dem großen Topf z.B. des Deutschen Forums, einer von Deutschland finanzierten Organisation für in Rumänien lebende Deutsche. Ich weiß dass so sehr viel Geld aus Deutschland zur Unterstützung der deutschen Minderheiten in Rumänien fließt und es macht mich wütend und traurig, dass gerade Martin bei dem es um ein würdevolles Leben geht, nicht geholfen wird. Er wird mit seinen Problemen allein gelassen. Ich habe Martin versprochen zu versuchen seinen Taufschein in Berlin ausfindig zumachen. Das würde beweisen, dass er ein Deutscher ist und ihn berechtigen Unterstützung zu bekommen.  Allerdings habe ich noch nicht die richtige Anlaufstelle für die Recherchen gefunden.

Voller Emotionen und Eindrücken fuhren wir zurück nach Vladimirescu und gingen auch bald ins Bett.

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Sonntag, 24.09.2006

Wie lustig ist das Zigeunerleben?

Es gibt verschiedene Möglichkeiten am Morgen geweckt zu werden. Unangenehme (kalter Waschlappen, brenzliger Geruch, Schnarchen) oder auch sehr angenehme, wie z.B. das läuten der Kuhglocken in einem rumänischen Dorf, kitzelnde Sonnenstrahlen oder das Klappern von Geschirr gepaart mit Kaffeeduft, welches mit der Gewissheit dass man sich an einen gedeckten Frühstückstisch setzen kann verbunden ist. Letzteres war der Fall an diesem Morgen und so saßen Thomas und ich gegen 8 Uhr in gemütlicher Runde mit Bernhard und Aurelia, der kleinen Paula und ihrer Mama beim Frühstück und machten einen Plan.

Zuerst wollten wir die Zigeuner in Fiskut, dann Bernhards Ölpresse und später einen großen Markt in Arad besuchen und gegen Mittag unsere Reise Richtung Ariestal fortsetzen.
Große Pläne für einen kurzen Sonntag und deshalb "Tschakka" los ging es.
Wir stiegen in Bernhards VW Bus, der - da er vorwiegend mit Öl betankt wird- hinten raus sehr lecker nach einer Frittenbude duftet und fuhren in das südlich von Arad gelegene Dorf Fiscut. Thomas saß bei Bernhard vorn und ich spitze meine Ohren um die beiden Jungs zu belauschen. Die meiste Zeit unterhielten sie sich über Männersachen wie z.B. dem Öl-statt- Diesel- Betankungsproblem, dem ich nicht soooo viel interessantes abgewinnen konnte.
Auf dem Weg durch Arad fiel Thomas auf, dass die Moped - und Motorradfahrer mit doch recht seltsamen Helmen auf ihren Gefährten sitzen. Manche haben normale Helme, andere Bauhelme, Fahrradhelme und sogar einen alten Stahlhelm haben wir gesehen. Bernhard klärte uns über die Helmpflicht in Rumänien auf. Der Gesetzgeber hat wohl vergessen zu definieren welche Art Helm der Helm zum Schutz der rumänischen Rüben sein muss!

Der Weg nach Fiskut führte uns durch kahle Landschaften. Kein Baum oder Busch, brache Steppenlandschaft und ab und zu ein paar Maisfelder. Auf dieser durch die langweilige schier endlose Einöde führende Straße kamen uns zwei junge Zigeuner entgegen und hielten uns an. Obwohl wir in der entgegengesetzten Richtung unterwegs waren, stoppten sie uns, stiegen ein und fuhren mit uns mit. Bernhard meinte nur, wir sollen uns nicht wundern und so skurril wäre nun mal manches bei den Zigeunern für unsere Augen. Aber wenn sie mal rückwärts fahren kommen sie am Ende vielleicht doch ans Ziel und so war es auch. Es stellte sich heraus, dass ich einen der beiden jungen Männer kannte. Es war Christi, der mal bei Bernhard in der Mohnblumenblüttenblätterölproduktion gearbeitete und der einen sehr hohen Wiedererkennungswert hat, denn seine Augen haben ein besonders Eigenleben. Guckt das eine gerade aus, schielt das andere verwegen um die Ecke. Bernhard hatte Christi einige Male angeboten, wenn er zur Schule geht und lesen und schreiben lernt seine Augenoperation zu bezahlen, aber so wichtig war dem Burschen die Sache dann doch nicht - weder die mit der Schule noch die mit den Augen!

Reisebericht Rumänien 2006 von ©Gudrun Pauksch Über Feldwege ging es nun nach Fiscut und mein Mann wurde so richtig in die eiskalte Zigeunerrealität geschmissen. Am Ende des Dorfes lebten mehrere Zigeunerfamilien in ihren kleinen Lehmhäuschen. Zahllose  nackigbeinige Zigeunerkinder in verschiedenen Größen  kamen uns neugierig entgegen und auch die Frauen begrüßten uns freundlich. Christis Mutter konnte sich sogar noch an mich erinnern und bat uns in ihr Haus. Eine winzige Hütte, bestehend aus 2 oder 3 Zimmern in dem 4 Betten stehen muss für 14 Personen reichen. Die älteste Tochter der Familie hat schon wieder selber 6 Kinder. Richtig arbeiten geht in dieser Familie keiner, sie leben von ganz wenig staatlicher Unterstützung und ein paar kleinen Geschäften.

Noch ärger geht es der Nachbarfamilie. Denen ist das Haus aus Lehmziegeln über den Kopf zusammengestürzt oder vielleicht auch zusammengeweicht. Bernhard hat ein paar Leute in Deutschland gefunden, die etwas Geld zum Kauf der Baumaterialien für ein 4 x 4 m (können auch 4x 5 m gewesen sein) großes Haus gespendet haben. Die Zigeunerfamilie entschied sich aber die Maße vielleicht nicht ganz so genau zu nehmen und baute ein paar Meter länger und ein paar Meter breiter. Natürlich reichten die Steine nun nicht für oben und so kam es zum Baustopp mangels Ziegel. Die Familie campiert nun samt Kindern (darunter auch ein Baby) auf 2 Sofas die im Freien stehen und schon gehörig gebraucht und durchgeweicht sind.
Mein Mann überstand diese Einblicke in das gar nicht so romantische Zigeunerleben mit einer überraschend äußerlichen Gelassenheit, aber dass ihm das Gesehene doch sehr beschäftigt zeigte sich in den nächsten Tagen und Wochen, als er immer wieder darüber sinnierte, wie es wohl den Kindern auf ihrem alten Sofa unterm Sternenhimmel gehen wird. Zum Abschluss durften wir noch ein Foto von der ganzen Zigeunerfamilie machen und stiegen mitsamt Christi und seinem Freund wieder in den Pommesbus. Nun zeigte uns Bernhard seinen derzeitigen Lieblingsaufenthaltsort, nämlich seine Ölpresse, die sich auf einer Bauernwirtschaft befindet.

Reisebericht Rumänien 2006 von ©Gudrun Pauksch Reisebericht Rumänien 2006 von ©Gudrun Pauksch

Wir mussten auf ein von einem hohen Zaun umgebenen Grundstück fahren, wobei uns Bernhard ausdrücklich mitteilte, dass wir unbedingt so lange wie möglich im Bus sitzen bleiben sollen, weil die beiden Wachhunde sehr sehr gefährlich wären und schon manchen Menschen zerrissen und zerkaut hätten. Auf Deutsch sagte er uns aber, dass die Hunde die liebsten und nettesten Hunde auf der Welt wären, aber es unbedingt notwenig wäre, dass Christi und sein Kumpel höchsten Respekt vor den Tieren haben, damit sie nicht in Versuchung kommen, dem Grundstück ungebetene Besuche abzustatten. So werden also aus lieben Hunden böse Hunde gemacht!

Bernhards Ölmühle ist eine richtige Oase nach so viel rumänischer rauher Wirklichkeit.
Er verarbeitet hier z.B. Sonnenblumenkerne zu Öl und experimentiert mit Reinheitsgraden, Ergiebigkeit und Konsistenz. Thomas ließ sich alles ganz genau erklären, und fand es gut. Aber er wird wohl trotzdem kein Öl in seinen Dieselopel kippen, zumal das Öl bei uns in Deutschland nur wenig billiger ist als Diesel an der Tankstelle.
Aber es ist natürlich auch gut zu wissen was man machen könnte, wenn die großen internationalen Ölkonzerne oder die Ölscheiche eines Tages die DURCHDREHE kriegen.
Auf dem Weg zurück nach Arad versuchte ich heraus zu finden, welchen Anlass Christi und sein Freund wohl haben nach Arad zu fahren. Aha, Geschäfte waren der Reiseanlass. Bernhard erklärte sich bereit, die Jungs dahin zu fahren, wo sie hinwollten. Wir besuchten ein anderes Zigeunerdorf in dem Christi hinter einem Zaun verschwand. Nach ein paar Minuten kam er aus dem Grundstück gestützt und man merkte ihm an der Mimik seinen Kummer und seine Wut an. Ich fragte ihn was denn los sei und es stellte sich heraus, dass er sich bei einem Geldverleiher Geld geborgt hatte um Melonen zu kaufen und diese dann mit Gewinn zu verkaufen. Der heutige Tag war der Tag der Rückzahlung, doch der Verleiher hatte den Jungs das Geld vor die Füße geschmissen und einen höheren Betrag gefordert. Ich fragte scheinheilig, warum sie den Vertrag denn nicht schriftlich gemacht hätten und Christi antwortete, dass der Verleiher sehr angesehen ist und sie ihm vertraut haben.

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Es entspann sich folgender skurriler aber völlig ERNST gemeinter Dialog (Übersetzer Bernhard)

Gudrun zu Christi: Um wie viel Geld ging es denn?
Christi zu seinem Kumpel: Um wie viel Geld ging es denn?
Kumpel zu Christi: 1, 5 Millionen
Christi zu Gudrun: 1,3 Millionen (kein Tippfehler)
Wir kicherten darüber aber Bernhard versicherte uns, dass solche skurrilen
Gespräche bei den Zigeunern durchaus üblich wären.

Der nächste Punkt auf unserem Tagesplan war der Besuch eines riesengroßen Freiluftmarktes in Arad.
Auf einer schier unendlichen Fläche werden Sachen und nochmals Sachen verkauft.
Auf Plastesäcken gibt es soweit das Auge reicht gebrauchte Kleidung auf Haufen.
Davor sitzen Zigeunerinnen, die diese Lumpen zum Stückpreis oder nach Kilo verkaufen. So gibt es richtige Jackenberge und Schuhstraßen, aber auch ein paar Ecken in denen Fahrräder oder Spielsachen verkauft werden. Ich bekomme auf solchen Märkten einfach nur Zustände....

Reisebericht Rumänien 2006 von ©Gudrun Pauksch Mit Bernhard und Thomas lief ich also über den Markt. Der wilde Eingangsbereich entsprach noch am ehesten meinem Geschmack, denn da boten ältere Leute auf Plastikplanen Dinge an von denen ich mir nicht vorstellen kann, dass sich in 100 Jahren ein Käufer dafür findet.
So richtig schön skurril!
Etwas abseits aber gleichzeitig auch erhöht thronte ein alter Mann auf einem umgekehrten Plastikeimer. Auf dem Schoß und vor sich hatte er seltsame Geräte.
Beim näheren hinschauen stellte sich heraus, dass es sich bei den Gebilden um Fleischwölfe handelt die aus Regenrohren gefertigt wurden. Der Herr auf seinem Eimer strahlte unendlich viel Würde und stolz auf sein Produkt aus, so dass es uns förmlich zu ihm zog. Gut ist es in solchen Situationen einen Bernhardt dabei zu haben, der die Mächtigkeit über die rumänische Sprache hat und uns übersetzen konnte, was der Herr über seine Fleischwölfe erzählte.

Die Geschichte ging so:

Eigentlich waren die Fleischwölfe für einen Geschäftsmann aus der Schweiz hergestellt wurden und zwar in ziemlich hoher Stückzahl (20 Stk). Der Schweizer war nämlich so begeistert von der tollen Funktionsfähigkeit der Apparate, dass er den Wunderfleischwolf sofort in den großen und teuersten Läden der Eidgenossen feil bieten wollte. Wie es aber nun mal im Leben so ist, verunfallte der ausländische Geschäftsmann just als er die Teile abholen wollte und der Erfinder des Superfleischwolfs blieb auf seinen Wundersupergigantmaschinchen sitzen. Mit funkelnden Augen und erhobenen Zeigefinger beschwor uns der Herr immer wieder, dass es in ganz Rumänien, ja ganz Europa keinen vergleichbaren Fleischwolf gibt.
Das glaube ich übrigens auch, denn wer kommt schon auf die Idee so was aus Regenleitungen zu bauen? Als der Verkäufer dann mal Luft holte und wir die Frage nach dem Preis einwerfen konnten, staunten wir bei der Antwort noch viel mehr über das Selbstbewusstsein des Verkäufers.

Reisebericht Rumänien 2006 von ©Gudrun Pauksch Unser Weg setzte sich schließlich- nach dem wir eine Markteintrittskarte erworben hatten- durch die Lumpenstraßen des Marktes fort. Irgendwann trafen wir Aurica, Flori und Edith, die sich zum Einkaufsbummel verabredet hatten. Es sollte ein mehrstündiges Flanieren über den Markt folgen und dabei hatte ich jetzt schon den Kanal gestrichen voll von all den Lumpen die auf dem Boden herumlagen. Bernhard, wohl selber kein Marktgänger, verstand meine verzweifelten Blicke und während die anderen auf die Jagd nach Schnäppchen und Raritäten gingen, schlenderten wir gemütlich, frei und ignorant an der Spielzeugecke, der Gürtelmeile und auch der Plastelatschenstraße vorbei.
Bernhardt holte das Auto und fuhr mit mir und der kleinen 4 jährigen Paula in ein Naherholungsgebiet der Nähe der Stadt. Meine Erleichterung über die Entführung vom Markt kannte kaum Grenzen.
Reisebericht Rumänien 2006 von ©Gudrun Pauksch Irgendwann während wir gemütlich beim Kaffee saßen und über die wichtigen Dinge der Welt philosophierten klingelte Bernhards Telefon und Aurelia rief uns zum Mittagessen. Elinitza hatte extra für uns ganz leckere hauchdünne und mit Marmelade gefüllte Eierkuchen gebacken, die wir in fröhlicher Runde verzehrten.
Danach war die Stunde des Abschieds gekommen, denn Thomas und ich wollten noch weiter ins Ariestal fahren. Bevor es aber losging, wurden uns noch diverse Dinge eingepackt, z.B. eine kleine Reiseapotheke die das Allheilmittel sonnenlichtangereichertes Mohnblumenblätteröl (für alles, gegen alles) und Arnikatinktur (für alles, gegen alles) und etwas ebenfalls vom Sonnenlicht beschienenen Laktosepulver (gegen Magenbeschwerden) beinhaltete.
Nach herzlichen Umarmungen und dem Empfang zahlreicher guter Wünsche für die weitere Reise fuhren wir über Ineu, Varfurile und Campeni ins Ariestal. Die karge Landschaft wurde mit jedem Kilometer gehaltvoller und grüner und bergiger. Wir hielten einige Male an um schöne Aussichten zu genießen oder am Straßenrand nach fressbaren schnüffelnde Schweinefamilien zu bewundern oder auch an einem der zahlreichen am Wegesrand gelegenen Bars einen Kaffee zu trinken.

Reisebericht Rumänien 2006 von ©Gudrun Pauksch Schließlich gelangten über den Vartoppass nach Arieseni. Von dort aus sollte eine Seitenstraße in das Bergdorf Patrahajtesti abzweigen, welches das heutige Tagesziel war. Von unserem Freund Wilhelm Scherz (besser bekannt unter Karpatenwilli), der im Internet eine ganz ausführliche und informative Internetseite zum Thema Rumänien hat (www.karpatenwilli.com) und ein richtig guter Rumänienkenner ist, hatte ich den Tipp bekommen mit Thomas diesen Ort auf zu suchen. Die Besonderheit der ca. 1150m hoch gelegenen Streusiedlung ist, dass da die letzen Tulnicbauer der Region leben. Tulnics sind einfache Holzblasinstrumente, die im Original bis zu 3 m lang sind, an die Alphörner erinnern und vorwiegend von Frauen gespielt werden. Sie dienten in den weit auseinander gezogenen Siedlungen dazu sich zu verständigen oder den Mann abends von der Feldarbeit an den Abendbrotstisch zu rufen.

Auf meiner Landkarte war ein dünner grauer Weg nach PATRAHAITESTI eingezeichnet und schien alles schön unproblematisch, außer dass der Weg vielleicht nicht ganz so gut sein würde. Thomas und ich waren noch ganz glücklich von unserer schönen Fahrt durch das Tal mit dem vielen Grün, den Dörfern, den Tieren und den Leitplanken, die statt wie vorgesehen mit 5 Schrauben jeweils nur mit einer Schraube befestigt waren. Keine Ahnung wo die anderen Schrauben geblieben sind, aber mit einer Schraube hielt es ja auch. Beschwingt machten wir uns auf die Suche nach dem Weg in das Bergdorf. Leider fanden wir ihn nicht und fragten fröhlich einen Polizisten nach dem Weg. Der schickte uns eine Seitenstraße am Reisebericht Rumänien 2006 von ©Gudrun Pauksch Anfang des Dorfes hinein. Der Weg war schlecht, wurde schlechter und nach ca. 2 km war er nicht nur am schlechtesten, sondern endete auch an einem Sägewerk. Unsere Laune war immer noch gut, denn wir waren in mitten der Berge, die Häuschen lagen idyllisch auf Wiesen verstreut und nach einigem Suchen fanden wir an einem Häuschen ein paar junge Leute. Diese waren übrigens gerade am grillen und hatten riesige Steaks auf dem Feuer, so riesig wie ich noch nie Steaks gesehen hatte. Und ich habe schon viele gesehen! Die beiden jungen Männer waren Urlauber aus Bukarest und schauten sich unsere Karte gaaaanz lange an. Sie drehten sie einige Male und berieten sich und während sich der Tag dem Ende neigte meinten sie, wir sollen ins Zentrum fahren und dort die erste Gelegenheit rechts abbiegen. Mit Steakduft in der Nase und normaler Laune eierten wir den Weg wieder zur Hauptstraße zurück und fuhren einige Male die Straße von Ortseingang Ariesseni hinauf und bis nach Garda de Sus wieder hinab und probierten dabei jede Möglichkeit abzubiegen aus. Was sich in dieser Zeit mit unserer Laune geschah, wissen all die, die schon mal in ähnlicher Situation waren.

Im Zentrum hielten wir an einem kleinen Laden und fragten die Verkäuferin nach dem Weg. Sie rief einen Mann herbei der einen Mann herbei rief der sich wiederum mit einem anderen Mann beriet. 3 Personen dieser Runde wussten wo der Weg war, wobei das verschiedene Wege waren. 2 Personen meinten, dass wir die Strecke mit dem Opel Omega nicht fahren können und zwei Leute waren der festen Überzeugung dass so ein schönes Westauto den Weg schafft. Die Beratung zog sich hin, die Dunkelheit brach über uns hinein und wir nickten zu allem und waren froh als wir wieder im Auto waren. Ich schlug Thomas vor einfach irgendwo anders zu übernachten, aber wir waren ja von Aurelia telefonisch angemeldet wurden und so wollte Thomas auch hinfahren. Schließlich landeten wir wieder an der Kreuzung, an der wir gut gelaunt vor 2 oder 3 Stunden zum ersten Mal eingebogen waren. Die Kreuzung war noch da, die gute Laune war weg. Kein Weg, kein Steg, kein Mensch, kein Licht, die Gudrun fand PATRAHAITESTI nicht. Eisiges Schweigen an Bord. Und da passierte was in Rumänien in solchen Situationen der höchsten Verzweiflung immer passiert. Nämlich ein Wunder!!!! Vor uns stand plötzlich ein Haus vor dem ein Quadt parkte. Der Quadtbesitzer kam gerade aus der Haustür, ich stürzte auf ihn zu und sprudelte meinen ganzen Wegeskummer raus. Er hat mich verstanden und ein gutes Herz, setzte sich auf sein Fahrzeug und meinte wir sollen ihm folgen.
Thomas schwieg nun nicht mehr, sondern brachte sehr direkt seine Meinung zum Weg zum Ausdruck, denn gut war der nicht! Willi sagte später - waaaas, diesen Weg seid Ihr mit dem Auto gefahren? - Natürlich hab ich Thomas nicht erzählt, dass Willi mit seinem Freund die Strecke - immer berghoch - kilometerlang - gewandert ist...Fest steht, wir hätten den Weg ohne den Quadtfahrer, der nach seiner Rettungsaktion wortlos verschwand, niemals gefunden.
Doch dann war alles gut und wir standen vor der Tür der Familie Mocan. Die Mocans waren gerade noch ein bisschen im Stress, denn sie hatten für ihren Neffen eine Hochzeit ausgerichtet und die sich über 7 Tage hingezogen hatte. Trotzdem erhielten wir ein schönes Zimmer und wurden reichlich bewirtet. Zuerst gab es eine leckere Nudelsuppe, später gebratene Wurst und Kartoffelbrei und selbst eingelegte Gurken. Den Schluss bildeten diverse kunterbunte Kuchenstückchen, die wohl von der Hochzeit übrig geblieben waren.

Bei dem guten Essen besserte sich auch die Stimmung und schließlich gingen wir gespannt auf den neuen Tag ins Bett!

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Montag, 25.09.2006

Wie wir den falschen Berg fast bezwungen haben und Thomas sich in Weidezäune verliebte

Reisebericht Rumänien 2006 von ©Gudrun Pauksch Als ich am Morgen erwachte und die Sonne durch das Fenster schien, war auch der letzte Rest vom "Kein - Weg - kein - Steg - Gefühl" verschwunden und auf den Weg zur Toilette musste ich erst mal nach draußen abbiegen und schauen, wo wir in der dunklen Nacht gelandet waren. Auf jeden Fall unter blitzeblauem Himmel mit Sonne! Umgeben von frühlingshaftem Grün! Und das Ende September! Ohhh wie schön! Am Wohnhaus der Familie Mocan und am Stall der mit Zwiebelzöpfen behangen war (nicht aus Dekorations- sondern aus praktischen Gründen, aber doch sehr dekorativ) vorbei, gelangte ich in den Obstgarten. Von da aus konnte man die Berge des Bihorgebirges sehen und es war als ob sie ganz ganz laut riefen, "komm Gudrun, komm Gudrun- besteig uns! Trau dich!" Während ich mich langsam um die eigene Achse drehte um das Ausmaß der Schönheit der Aussicht in allen Richtungen und das für Ende Oktober sehr saftige Grün zu bewundern, gesellte sich Opa Mocan zu mir und wir kamen ins Gespräch. Er freute sich über meine Begeisterung für die Landschaft und die schöne klare Luft und wir rätselten gemeinsam, wie lange ich wohl brauchen würde um auf den Berg Bihor (Curcubata - 1848 m) zu gelangen. Eigentlich sah der Berg ziemlich nah aus und ich konnte fast nicht verstehen, dass er meinte, er würde wohl 2 Stunden bis hinauf brauchen und ich 4. Na ja, das wollte ich nun schon mal ausprobieren und lief zurück in unser Zimmer wo mein Mann gerade am Aufstehen war. Thomas freute sich über meinen Vorschlag wandern zu gehen und nach einem kräftigen Frühstück zogen wir die Wanderschuhe an, packten etwas Proviant ein und marschierten gegen 10.00 Uhr los. Über die Wiesen des Nachbarn gelangten wir auf einen Weg, der so schmal war, dass zwei dicke Kühe da nicht aneinander vorbei hätten laufen können und rechts und links begrenzte jeweils ein Weidezaun den Pfad. Als Thomas den ersten rumänischen Weidezaun sah, war es um ihn geschehen und es entspann sich eine große bewundernde Liebe. Thomas konnte fortan an  keinen Zaum mehr vorbei gehen, ohne daran zu rütteln, zu ziehen und sich zu wundern, wie mit so wenig Nägeln eine solche Stabilität erreicht werden kann. Angetan war Thomas auch von der Vielfalt der eingesetzten Baummaterialien. Es gab Lattenzäune und Drahtzäune, es gab Astzäune und Zäune, die aus den aufgedrehten Drähten einer Stahltrosse gefertigt waren.

Reisebericht Rumänien 2006 von ©Gudrun Pauksch Der Weg führte uns über Weiden, vorbei an wilder Minze und wildem Thymian, an Silberdisteln und all dem ganzen Grünzeug, welches man sieht, wenn man nicht nur hinauf, sondern auch mal rechts und links des Weges schaut.

Nach ungefähr 2 km galt es eine Entscheidung zu treffen. Laufen wir den bequemen Wanderweg weiter oder klettern wir den ausgetrampelten Waldpfad hinauf. Wir entschieden uns für den unbequemen Weg und begannen durch das Gestrüpp "sus sus sus la munte sus" zu steigen. Ach war das schön, Urwald, jede Menge Vogelbeerbäume, Farne. Moose und hoch hoch hoch... keuch ...und weiter hoch...schnief... und hoch... boah ist das steil...wieso wird das immer steiler? ...müsste nicht bald mal ein Weg kommen? ...Halt! Stopp! PAUSE!

Reisebericht Rumänien 2006 von ©Gudrun Pauksch Keuchend ließ ich mich auf einen Baumstumpf plumpsen und hörte meinen recht ungesund klingenden rasselnden Atemgeräuschen zu. Mein Mann sehr viel durchtrainierter wie ich, war mir immer eine reichliche Anzahl von Schritten voraus, behielt mich aber während er nach  einem einigermaßen guten Weg suchte im Blick, damit ich nicht verloren gehe. Als sich mein Rasselatem in einen Keuschatem umgewandelt hatte, ging es weiter. Nicht mehr so euphorisch und für meine Verhältnisse flott, sondern schön langsam Schritt für Schritt mit vielen kleinen Pausen. Immer wieder schaute ich, ob der Himmel irgendwo vor uns zu sehen war, aber alle Baumwipfel hatten vor sich noch viele weitere Baumgipfel die höher waren und auch wieder Wipfel vor sich hatten. Schließlich gelangten wir auf eine Freifläche, von wo wir einen schönen Blick hinunter ins Tal hatten. Thomas war stark im Zweifel, ob wir überhaupt auf dem richtigen Berg waren, aber das war mir unterdessen egal. Ich saß zufrieden zwischen dem Heidelbeerkraut und sammelte alle im Sitzen erreichbaren Beeren zusammen. Über uns blauer Himmel und Sonne, Verpflegung vom feinsten und um mich herum Natur... was wollte man mehr... ? Na gut, wenn nun natürlich irgendwo noch ein schöner breiter Weg zum Vorschein käme, der uns im Spaziergangschritt zum Gipfel schlendern ließe, wäre das sooo schlecht nicht! Aber man kann nicht alles haben und so kämpften wir uns weiter geradewegs den Berg hinauf, bis wir tatsächlich auf einen Pfad stießen. Vergnügt  marschierten wir nun auf dem ausgetretenen Weg, doch so wie er aus dem nichts entsprungen war, so verschwand er auch wieder ohne jegliche Vorwarnung im Matsch. In Rumänien ist eben alles ganz ganz anders und auch die Einsteinige Realitätstheorie scheint nicht in jedem Fall in den Karpaten zu gelten.

Reisebericht Rumänien 2006 von ©Gudrun Pauksch Also hieß es wieder klettern. Der Wald war hier nicht mehr so dicht und es war zu merken, dass hier erst vor einiger Zeit Bäume gefällt wurden. Die Stümpfe standen umher wie Sessel und für jemand untrainierten wie mich stellten sie eine große Versuchung dar. Doch ich wollte die Rücksicht und die Geduld meines Mannes nicht unnötig strapazieren und krabbelte zum Teil mit Händen und Füßen weiter hinauf. Wieder gelangten wir an einen Weg, der sehr breit und von Pferdefuhrwerken stark zerklüftet war. Frohen Mutes, dass wir nun bestimmt bald ganz oben sind, wanderten wir weiter. An den Kurven der Serpentinen hatten wir herrliche Ausblicke und rechts und links des Weges wuchsen Brombeeren, Fliegenpilze, Maronen usw.
Plötzlich endete auch dieser Weg im Matsch.

Reisebericht Rumänien 2006 von ©Gudrun Pauksch Ein paar 100 m balancierten wir noch weiter, doch dann kamen wir an einer Quelle an und es ging rechts nicht weiter, gerade aus nicht weiter und links ging es wieder runter. Unterdessen war es 15.30 Uhr geworden. Schweren Herzens (Thomas war bedeutend schwerer als meins) beschlossen wir den Rückweg anzutreten.

Nach einem kleinen Marsch durch den Wald - begleitet vom Bimmeln der Glocken der Kühe die hier im Wald weideten- fanden wir einen recht bequemen Weg der ziemlich steil ins Tal führte. Später stellte sich heraus dass es sich um ein Flussbett handelte, welches während der Schneeschmelze und starker Regengüsse einen reißenden Bach beherbergte, aber in den trockenen Zeiten für den Transport der gefällten Stämme genutzt wird. Nun war noch einmal Kletterei angesagt, allerdings nach unten. Es hat richtig Spaß gemacht zwischen den großen Steinen die irgendwann ja mal Felsen oder gar ein Teil des Berges gewesen sind herum zu krabbeln. Nach und nach wurde die Angelegenheit nasser und feuchter und schlussendlich wurde der  Bachlauf doch wieder zum Bach. Zuerst war ich immer noch darauf bedacht meine Füße trocken zu halten, aber nach dem ich einige Male versuchte von Stein zu Stein zu balancieren, und trotzdem abrutschte, war es mir auch egal.

Reisebericht Rumänien 2006 von ©Gudrun Pauksch Ob die Füße nun ein bisschen nass oder ganz nass sind machte keinen Unterschied mehr.....ich wählte die unkomplizierte Strecke durch den circa knöcheltiefen Bach und fand dem Wasser im Schuh sogar noch eine gute Seite ab. Die Blasen die ich mir an den Seiten der großen Zehen geholt hatte, wurden durch die Feuchtigkeit schön aufgeweicht und taten gar nicht mehr weh. Um ein paar neue Schuhe muss ich mich trotzdem kümmern. Meine Wanderschuhe waren zwar teuer und sorgfältig ausgesucht, aber trotzdem passen meine Füße irgendwie nicht zu ihnen und es wird beim Wandern nicht immer ein blasenaufweichender Bach in der Nähe sein.

Der Abstieg ging viel schneller als erwartet und weil es um uns herum einfach nur schön war, richtig schön, schmissen wir uns auf die Wiese und genossen die Wolken die über uns waren, den Anblick der Berge in der Ferne und der in der Nähe, das für September immer noch verdammt grüne Gras, die kleinen Gänseblümchen und die Silberdisteln...... Reisebericht Rumänien 2006 von ©Gudrun Pauksch

Irgendwann war die Sonne so tief, dass es kühl wurde und unsere ganze Wiese voller Schatten war, so dass wir den Heimweg zu Mocans antraten. Dieses Mal war ich aber schneller als Thomas, denn dieser ging leidenschaftlich seinem neuen Hobby - dem Weidenzaunbewundern- und rütteln - nach. Bei der Kuh Steluza machten wir noch einen kleinen Zwischenstopp. Thomas war so begeistert von dem Tier, dass er ihm noch eine Rückenmassage verpasste. Das hat  Steluza so gut gefallen, dass  sie sogar zu schnurren begann! Habt ihr schon mal eine schnurrende Kuh gehört! ? Klingt echt sehr exotisch und gibt es garantiert nur im Apusenigebirge!

Reisebericht Rumänien 2006 von ©Gudrun Pauksch Schließlich trafen wir wieder bei den Mocans ein. Bald saßen wir in gemütlicher Runde mit den Mocans und einigen Nachbarn und probierten diversen Ţuică aus, wobei unserer aus Arad von Elinitza nicht so gute Noten bekam.

Auf einmal trafen 3 gediegen gekleidete sehr vornehme und undezent parfümierte Damen ein, die sich als Besuch aus Frankreich entpuppten. Sie müssen irgendeine wichtige Rolle gespielt haben, denn die Frauen der Mocanfamilie flitzten auf einmal wie die Rehe über den Hof und kredenzten Kaffee und Kuchen und waren noch ein bisschen freundlicher als freundlich. Ich habe bis heute keine Ahnung wer die Damen sind, aber vermutlich gehören sie irgend einer Hilfsorganisation an.

Als die Französinnen dann die Tulnic-Werkstatt besichtigen wollten, gesellte ich mich zu ihnen.

Ratila Mocanu, die Museumsdirektorin, hatte ich schon mit ihrem Sohn am Abend vorher kennen gelernt als wir im Finsteren vor dem Abendbrot vom Licht in der kleinen Werkstatt angelockt wurden. Der Sohn stellte in der Werkstatt gerade Holzkrüge her und Ratila wuselte durch die Räume. Natürlich nahm sie auch gern ein Tulnic in die Hand und blies uns ein paar schöne Melodien.

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Unser Freund Karpatenwilli war ja schon im Winter in Pathaitesti zu Gast gewesen und hatte die Tulnic-Künstlerin kennen gelernt. Damit ich mich gut auf die Reise vorbereiten konnte, hat er mir ein ca. 1 m langes Tulnic zu meinem Geburtstag im Juli geschenkt. Ich hatte mir fest vorgenommen ein paar Melodien auf dem Gerät zu erlernen, zumal meine übernächste Nachbarin eine sehr versierte Jagdhornbläserin ist und mir zu meinem Geburtstag ein paar recht schöne Liedchen (z.B. Sau tot) auf dem Tulnic vorspielte und mir anbot, mir das auch beizubringen. Allerdings habe ich es nur einmal geschafft ihren Unterricht in Anspruch zu nehmen. Dann demoralisierte mich nicht nur der ausbleibende Erfolg, sondern auch die verzweifelten Rufe der unbeteiligten Nachbarn, die um RUHE baten.

Nun ist der Tulnic vom Karpatenwilli ein dekorativer Gegenstand in meinem kleinen Rumänienzimmer im Keller unseres Hauses und wie schon öfter in meinem Leben gebe ich mich mit der Erkenntnis zufrieden: MAN MUSS NICHT ALLES KÖNNEN! Um so mehr bin ich natürlich in der Lage eine kleine 79 jährige Oma mit einem Gesamtkörpergewicht von höchsten 45 kg ausführlich zu bewundern, die einen 3 m langes Tulnic bläst und dabei den Zuhörer bezaubern kann.

Reisebericht Rumänien 2006 von ©Gudrun Pauksch Neben den Melodien auf den traditionellen Instrumenten ist natürlich auch die Werkstatt mit all den speziellen für den Tulnicbau bestimmten Instrumenten interessant und die kleine Verkaufsausstellung, in der man nicht nur Tulnics sonder auch Gefäße aller Art, selbstgewebte Geschirrtücher und Teppiche käuflich erwerben kann. Während sich die Französinnen mit allerlei Souvenirs eindeckten hatte ich Gelegenheit die Werkstatt zu fotografieren.

Nach unserer Rückkehr in die Unterkunft erwartete ich eigentlich dass die Mocans uns das bereits angekündigte Abendessen servierten. Oh nein, statt dessen wurden die Französinnen ins Haus gebeten und man hörte bis auf die Gartenbank hinaus heftiges Besteckklappern. Ich ahnte es! Die Französinnen bekamen unser Abendessen und uns wurden Stunden später Nudeln mit Käse serviert, die so gar nicht Thomas Geschmack waren.

Reisebericht Rumänien 2006 von ©Gudrun Pauksch Reisebericht Rumänien 2006 von ©Gudrun Pauksch

Auf der Bank vor Mocans Haus mit all den Nachbarn konnten wir dieses kleine Ärgernis allerdings schnell vergessen. Die Stimmung war unterdessen aller bestens. Bis es richtig kalt wurden philosophierten wir über Tulnics, Ţuică und das Leben, aber nicht über wichtige Französinnen!

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Dienstag, 26.09.2006

Wie Zechpreller ein Goldbergwerk besuchten

Heute Morgen wusste ich ja was mich erwartet, wenn ich die Unterkunft verlasse und trotzdem ging mein erster Gang wieder an die Frische Luft. Ich wollte nachschauen, ob der unbezwungene Berg vielleicht ein bisschen schadenfroh grinst, ob der Himmel noch so blau und schäfchenwolkenbewölkt ist und ob die Luft noch genau so frisch und klar ist wie am Vortrag. Der erste Blick zeigte - es ist alles in Ordnung. Der Berg lag gelassen in der Ferne und kümmerte sich nicht um mich, das Wetter war klar und schön und die Luft rein und fein.

Das gute Frühstück entschädigte uns für das von den Französinnen weggefutterte Abendessen (da fällt mir ein in unserer Familie haben wir eh ein angespanntes Verhältnis zu den Franzosen- welches sich nun fortsetzt- aber das ist eine gaaaanz andere Geschichte!!!) und nachdem wir unsere Sachen gepackt hatten, machten wir uns auf den Weg, die Wasserfälle von PATRAHAITESTI zu besuchen. Der älteste Herr Mocan hatte uns den Tipp gegeben. Gleich hinter dem Haus  ging ein schmaler durch Weidezäune begrenzter Weg entlang. (Ich erspare dem Leser an dieser Stelle weitere Ausführungen hinsichtlich Thomas Hobby, dem Weidenzaunrütteln) und führte dann steil ins Tal zu dem Fluss  durch dessen Flussbett wir am Tag zuvor gewandert waren. Die alten Mocans waren gerade bei der Heuernte und winkten uns zu. Wir winkten freundlich zurück- aber es stellte sich heraus, dass wir nicht freundlich gegrüßt, sondern informiert werden sollten. Da wir nicht gleich begriffen, kam die kleine Oma Sorina Mocan über die Wiese geflitzt und redete auf uns ein. Weil wir immer noch nicht verstanden was los war, deutete sie uns, dass wir ihr folgen sollen. Aha, sie wollte uns eine Abkürzung zum Wasserfall zeigen. Wie ein Wiesel lief die alte Frau mit ihrem krummen Rücken und den gebogenen Beinen vor uns her, balancierte wie eine Elfe über Bretter die über morastische Stellen der Wiese gelegt waren und brachte uns zu einem Weidezaun, den wir überklettern sollten. Kaum hatte sie  das erledigt, war sie schon unterwegs um ein Pferd welches auf einer  Wiese etwas unterhalb graste " umzusetzen" und hatte plötzlich ein mächtiges Beil in der Hand um den Pflock in den Boden einschlagen zu können.

Reisebericht Rumänien 2006 von ©Gudrun Pauksch Wir aber hatten  Urlaub und schritten gemächlich zum Wasserfall. Am Flussufer wuchsen jede Menge verschiedene Blumen und Pilze und das Grün war hier noch unherbstlicher grün. Saftig grün. Der Besuch des Wasserfalls lohnt sich auf jeden Fall.

Auf dem Rückweg nahmen wir eine kleine Abkürzung der Abkürzung und gelangten zu einem Feld, auf dem emsiges Gewusel herrschte. Es war nämlich Kartoffelernte und ca. 15 Leute standen in Reih und Glied und buddelten Kartoffeln aus. Wenn die Kartoffeln auf einer Zeile aufgesammelt waren, holte einer der Bauern das auf der Wiese grasendes Pferd, spann den Pflug an und grub die nächsten Kartoffeln aus. Zwischen den Leuten flitze natürlich auch wieder die 71 jährige Sorina Mocan herum, die wie ich beobachtete nicht nur die älteste, sondern auch die schnellste Kartoffelaufleserin war.

Reisebericht Rumänien 2006 von ©Gudrun Pauksch Irgendwie war es uns dann doch peinlich als ausländische Urlauber den Leuten bei der Arbeit zu zuschauen und wir liefen zurück zur Unterkunft. Im Hause Mocan angekommen erwartete uns Ioan mit einigen Abschiedsgeschenken. Ich bekam einen handgefertigten Spazierstock und Thomas einen kleinen Tulnic.

Der Weg vom Dorf Patrahaitesti hinunter nach Arieseni war im hellen genau so schlecht wie im dunkeln, nur dass man bei Licht betrachtet die Unebenheiten und Steine viel deutlicher sehen konnte und damit die Gefahr für den Unterboden des Autos viel besser vor Augen geführt bekommt. Thomas hatte die ganze Zeit das Gefühl, dass wir uns verfahren hätten, aber einmal im Leben hatte ich doch die richtige Richtung im Gespür und wir kamen ohne Schäden in der Stadt an.

Reisebericht Rumänien 2006 von ©Gudrun Pauksch Gemütlich und  immer schön nach rechts und links blickend fuhren wir durch das Ariestal bis nach Albac, wo uns ein kleines hübsches Kloster anlockte. Wie in allen Klöstern die wir in Rumänien besucht haben, gab es eine ganz besondere liebevoll gepflegte Pracht aus Astern, Zinnien, Studentenblumen usw. zu bewundern. Überall gab es Blumenrabatten und  Gefäße mit dekorativ hergerichteten Pflanzen. Das ganze Kloster wirkte gepflegt bis ins Detail und mit Liebe behandelt. Die Nonnen des Klosters waren auch gerade emsig bei der Arbeit, denn sie sortierten Holzabfälle, die sie wahrscheinlich als Brennholz benutzten. Zwei Arbeiter in riesigen Gummistiefeln, mit Pudelmütze und Wollpullovern in grellen Farben karrten das Holz in einen Schuppen und bildeten einen krassen Gegensatz zu den schwarzgekleideten geradezu filigran wirkenden Nonnen, die eher schwebten als liefen.

Reisebericht Rumänien 2006 von ©Gudrun Pauksch Wie fast überall gab es auch hier eine junge Nonne, die der deutschen Sprache mächtig war und uns zunächst erklärte, dass sie Deutsch in Regensburg gelernt hätte und schon viel von der Sprache vergessen hatte. Sie redete mit uns in einem sehr sanften Ton wirkte genau so wie man es sich von einer Nonne vorstellt. Fast im Flüsterton   berichtete sie uns, dass in diesem Kloster, welches 14 Jahre alt ist 7 Nonnen leben. Ihren Lebensunterhalt verdienen sie mit dem Malen von Ikonen und mit ein wenig Landwirtschaft.

Weiter fuhren wir nach Campeni, wo wir zum Mittag eine Suppe essen wollten. Zuerst gab es aber ein Parkplatzproblem, denn es war gerade Markttag. Als Thomas sich gerade mühevoll auf einen Platz geruckelt hatte und wir ausstiegen, kam ein Mann zu uns und erklärte, dass wir ganz ungünstig stehen und wir minütlich mit dem Eintreffen der Polizei und einen Strafzettel zu rechnen hätten. Also machte sich Thomas auf eine Runde zu drehen. Schließlich fanden wir einen Platz genau vor dem Markt. Nun war die erste Gelegenheit für mich eine Tschorba de Vacă zu essen. Vacă heißt soviel wie Kuh und ich LIEBE diese Suppe in Rumänien. Natürlich macht sie jede Küche anders, aber  Rindfleischsuppe egal ob mit Nudeln oder Reis, mit viel oder wenig Gemüse, mit etwas Tomate oder ganz klar...diese Suppe schmeckt einfach immer, weil sie gut gewürzt und schön kräftig ist. Die eigentlich traditionellste Suppe in Rumänien ist übrigens die Tschorba de burtă, die aus Kutteln hergestellt wird die in einer weißen Brühe schwimmen und säuerlich abgeschmeckt ist. Diese Suppe ist auch sehr lecker. Hier mal das Rezept

(Quelle: http://www.ursulet.de/rezepte/cburta.htm)

500 gr. Kutteln (ungekocht)
Zwiebel (groß)
1 Zitrone
1 dl Rahm
Maggikraut
Blätter vom Stangensellerie
500 gr. Suppengemüse
Knoblauch (6-8 Zehen)
1-2 Eigelb
300gr. Kalbsknochen
Petersilie

Kutteln mit den Knochen in 3l Wasser mit 1TL Salz ca. zwei Stunden kochen. Suppengemüse (Sellerie, Gelberüben und Petersilienwurzel) und Zwiebel ungeschnitten zugeben und mitkochen. Wenn Kutteln gar sind Gemüse und Knochen herausnehmen. Suppe vom Feuer nehmen und salzen, mit Zitronensaft (oder Essig) säuern. Geschlagenes Eigelb und Rahm darunter mischen. Ca. 2EL Öl und den gepressten Knoblauch zugeben. Am Schluss frische Kräuter (vor allem Maggikraut)  gehackt zugeben.

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Uns stand aber der Sinn nach einer Kuhsuppe, die wir in einem der üblichen kleinen Restaurants bekamen. Das Restaurant war so "rumänienüblich", üblicher geht es kaum...es gab die üblichen Stühle und die üblichen Tischdecken mit den üblichen Brandlöchern die üblicherweise Zigaretten entstanden waren. Es waren natürlich auch die üblichen Gäste da - nämlich Geschäftsmänner die bei Kaffee heftig diskutierten und Jugendliche die vor ihrem Bier saßen und ihren Gedanken nachhingen. Auch der Getränkekühlschrank von Coca - Cola war üblich und die Kellnerinnen erst recht. Stark geschminkt in sehr seltsamen Uniformen aus synthetischen Stoffen mit geringem Baumwollanteil und hochgesteckten Haaren. Die Suppe schmeckte wie üblich richtig gut und ich war so richtig schön zufrieden. Wie üblich wenn ich in Rumänien bin. Mit der leckeren Suppe im Bauch schlenderten wir über den Markt in Campeni. Bauernmärkte in Rumänien sind immer schön, aber ich denke Ende September ist die beste Zeit für einen Marktbesuch. Es gibt Gurken und Bohnen, Weintrauben und Auberginen und natürlich Paprika. Leuchtend rot und meist kugelrund, so dass Thomas, der Ungläubige, jedes Mal zweifelte, dass es sich um Paprika und nicht um Tomaten handelte. Hinter Campeni verließen wir vorerst das Ariestal um entlang des Flusses Abrud ein paar Kilometer nach Süden fuhren um nach Rosia Montana zu gelangen, wobei noch einige Male Pausen an besonders sehenswerten Brücken eingelegt werden mussten. Thomas wunderte sich immer wieder über den rumänischen Einfallsreichtum beim Brückenbau. Zwei Holzstämme ohne Geländer, oder ein nicht mehr genutzter Telegrafenmast mit - wie luxuriös - Bohlen belegt und ein angepfiffenes  Geländer (aber ohne all das geht es auch) gehen in Rumänien als Brücken durch. Kein Bauamt, kein Tüv der meckert, misst und kontrolliert. Es hält schon. Thomas - Stahlbauingenieur der sich den ganzen Tag mit Statik und perfekten Bauwerken beschäftigt schwankte immer wieder zwischen Spott - Wundern und Bewundern!

Reisebericht Rumänien 2006 von ©Gudrun Pauksch Reisebericht Rumänien 2006 von ©Gudrun Pauksch

Rosia Montana ist ein besonderer Ort über den unter meinen Rumänienfreunden viel diskutiert wird. In den Bergen rings um den Ort gibt es Goldvorkommen, die zu den größten Europas zählen. Der Goldabbau in diesem Gebiet hat eine sehr lange Tradition, zuerst gruben die Daker das Gold aus und ab dem 1. Jahrhundert unserer Zeit die Römer.  Noch heute sind angeblich ca. 145 km  Stollen aus dieser Zeit vorhanden. Seit der "Wende" gibt es immer wieder Aufregung, denn wo Gold ist gibt es auch Interessenten. Hier spielt der rumänische Staat und eine kanadische Firma eine Rolle und natürlich Umweltorganisationen, die das Gebiet in dem seit so vielen Jahren gegraben und mit Chemikalien (Zyanid) hantiert wird zum ökologisch wertvollen Gebiet erklärt haben. Ich halte das allerdings für ein wenig übertrieben, denn aus einem Schweizer Käse kann man keine Schwarzwälder Kirschtorte machen, auch wenn man schöne grüne Protestplakate aufhängt. Nun hat eine kanadische Firma die "Schürfrechte" und die Bergarbeiter erst mal in die Arbeitslosigkeit geschickt. Da wir nun einmal in der Nähe waren, wollte ich Rosia Montana, den Zankapfel über den es sooo viele Meinungen gibt auch mal sehen. Wir fuhren in den Ort, der eigentlich entlang einer Straße liegt und in dem es immer  bergauf geht. Je weiter wir hinein kamen, um so maroder wurden die Gebäude. Gleich neben der Kirche gibt es ein paar Wohnblöcke aus deren Fenstern in den unteren Etagen die Leute herausschauten oder Wäsche aufhängen und aus dessen oberen Etage kleine Birken heraus wuchsen. Im Ort war eine ganz seltsame Stimmung. Die vielen verlassenen Häuser, zerfallen und marode und die Menschen in den grünen T-Shirts mit dem Wappen einer Umweltorganisation. Ich dachte an das kleine sorbische Dorf Horno ganz im Osten Deutschlands, welches der Braunkohle weichen musste. Horno in der Lausitz (Ostsachsen) gibt es praktisch nicht mehr. Ein paar widerstandsfähige Bewohner leben in ihrem Dorf förmlich umbaggert wie in einem Käse mit überdimensionalen Löchern. Ob es in Rosia Montana auch bald so sein wird? Irgendwie hatte ich das Gefühl den Leuten lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende zu wünschen. Die Straße ins Dorf hinein endet auf einem Platz, der wohl früher mal ein richtig schöner Flecken gewesen ist, denn eine reichlich verzierte Hausfassade zeugt von einem gewissen verflossenen Wohlstand. Ich denke jeder der nach Rosia Montana kommt fotografiert diese Ruine, auch der Karpatenwilli, bei dem man auch nähere Informationen zu dem Ort, seiner Geschichte und den Sehenswürdigkeiten in der Umgebung bekommt. http://www.karpatenwilli.com/apuseni/romont.htm

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Wir kamen uns ein bisschen vor wie auf der Vorbereitungsfeier zu einem Begräbnis. Am Hauptplatz befindet sich auch ein Büro der Umweltorganisation, die die hübschen grünen T-Shirts mit dem orangen Emblem an die Bevölkerung des Ortes verteilt hat. Ich klopfte zaghaft an die Bürotür und wurde so richtig enttäuscht. Statt ein emsiges Treiben mit Stapelweisen Protestplakaten und Transparenten saß ein ganz braves junges Mädchen mit schwarzer Lockenfrisur hinter einem leeren Schreibtisch und tippste auf ihrem Computer herum. Ich stellte keine Fragen, außer die wo denn das Museum von Rosia Montana ist und schüchtern wurde uns erklärt, dass wir die Dorfstraße wieder hinunter müssten. So sanft wie nur möglich schloss ich hinter mir die Tür um die Kleine nicht unnötig zu erschrecken und erblickte dabei einen Magazin Mixt mit einer Bar. Ein Blick zu Thomas, ein kurzes Nicken von ihm und schon saßen wir wieder mal in so einem so schön einfachen und urgemütlichen Etablissement mit mehreren finsteren Gestalten und ließen uns einen dieser kleinen überstarken Kaffees machen zu denen Thomas immer Milch braucht was auch hier zu einer hübschen Hilflosigkeit der Bardame führte. Hinter der Bar versteckte sich noch ein herrlicher Laden, der es mit jedem deutschen Tante Emmaladen der 50iger Jahre auf nehmen konnte. Wir kauften da einige Flaschen Wein und dachten, dass wir auch den Kaffee mitbezahlt hatten. Wie mir später beim Durchlesen des Kassenbons auffiel, haben wir den Kaffee doch nicht bezahlt. Deshalb eine Bitte an alle, die in Rosia Montana die Eckkneipe am Hauptplatz aufsuchen. Bitte bezahlt unseren Kaffee und stellt es uns dann in Rechnung! Vielen Dank!

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Wir begaben uns nun auf die Suche nach dem Museum und fanden es auch nach mehrmaligem Fragen in der Nähe der Kirche. Es gibt kein Hinweisschild und der Eingang ist eigentlich ein Grundstückseingang etwas abseits von der Straße. Doch dann standen wir auf dem Gelände welches ich von vielen Fotos kenne und auf dem alte große Maschinen ausgestellt sind, die für das Fördern des Goldes benötigt werden. Natürlich wollten wir nun auch unter Tage, fanden auch den Eingang zum Museumsstollen, aber die Tür war verschlossen. Die Reisegruppe Pauksch trennte sich nun und Thomas suchte rechts und ich links nach einem Ansprechpartner. Ich hatte mehr Glück denn ich spürte einen Herren in seinem Büro auf, der mind. Direktor war und sich auf englisch mit mir unterhalten wollte. Oh goood, my English is soooo bad. I'm so sorry! Ich will INS Museum! Na ja, er verstand mich auch so und rief jemanden an der jemanden anrief der uns dann jemanden schickte. Wir warteten ein paar Minuten in der Sonne und schließlich kam ein älterer Herr mit einer Lampe angeschlendert. Leider sprach Carol nur wenig Deutsch und entschuldigte dafür. Ich fand ja, dass wir uns genau so entschuldigten müssen, dass wir kein rumänisch können. Also entschuldigten wir uns ein paar Mal hin und her, bezahlten nebenbei unsere 15 neuen Lei pro Nase für den Eintritt und erfuhren zudem noch, dass Carols ungarische Name da her rührt dass seine Mutter Ungarin war. Die Urgroßmutter väterlicherseits war allerdings deutsche. Nachdem das alles geklärt war ging es hinab in die Tiefe. 150 Stufen tipp tipp tipp. Es war als ob es in die Hölle ginge, kalt und feucht, wo wir uns doch gerade noch auf einer Bank gesonnt hatten.

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Carol erklärte uns in welcher Art Gänge wir uns gerade befinden. In den römischen fast 2000 Jahre alten Stollen bekam man schon ein ehrfürchtiges Gefühl. Thomas bewunderte natürlich wieder die Technik, allerdings nicht die römische sondern die gegenwärtige und auch den Mut und die Risikobereitschaft der rumänischen Bevölkerung. Die Lampen zum Ausleuchten der Gänge würden jeden deutschen Sicherheitsbeauftragten zum Nervenzusammenbruch treiben. Die Kabel die zu den Lampen führen, haben teilweise keine Isolierung mehr und der Lampenschirm, der die Fassung vor der Feuchtigkeit schützen soll, war einfach oben auf die Lampe gesetzt, weil er immer voll Wasser läuft, wie uns Carol ganz selbstbewusst erklärte.

Nach der Besichtigung schnieften wir die 150 Stufen wieder hinauf und freuten uns wieder auf der Erde zu sein.

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Ein Stück wollten wir noch weiter fahren und deshalb verabschiedeten wir uns von Rosia Montana (alles Gute!!!! - was immer auch das Gute für diese Stadt ist) und fuhren die Straße 74 A zurück  nach Campeni und von da an weiter im Ariestal über nach Baia de Aries. Dieser Ort ist auch eine Bergarbeiterstadt. Die Mine befindet sich mitten im Zentrum ist auch seit ein paar Monaten geschlossen. Viele Leute sind arbeitslos geworden und selbst an so einem schönen sonnigen Herbstabend sah die Stadt so trostlos aus, dass wir statt einen Stadtrundgang nur eine kleine Stadtrundfahrt machten. Nach 5 km am Ende des Dorfes Brazesti fanden wir eine  Pension mit sehr schönen und sauberen Zimmern und einer guten Küche. Auf der Terrasse gönnten wir uns ein Bier und genossen den Ausblick auf die umliegenden Berge (Turburelul 1304 m) und schönen Weidenflächen mit Weidenzäunen! Das besondere Spezial in diesem Hotel war für mich übrigens das kleine Fenster in der Duschkabine das während des Duschens einen wunderschönen Ausblick auf die schönen Berge gewährt. Nach einem  schönen Abendbrot mit Tschorba und Wein war der Tag zu Ende.

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Mittwoch, 27.09.2006

Hochzeitstag in Klöstern, Kirchen und im Rattenloch

Der 27.September  ist jedes Jahr für unsere Familie ein ganz besonderes Datum, auch wenn wir so manches Jahr gar nicht daran gedacht haben. Aber vielleicht ist es auch ein gutes Zeichen, wenn der Hochzeitstag  nicht sooo wichtig ist und man ihn immer mal vergisst. In diesem Jahr haben wir ihn aber nicht vergessen, denn nun sind Thomas und ich 20 Jahre miteinander verheiratet. 20 Jahre...so eine lange Zeit und so viel ist passiert.

Gegen 9 Uhr waren wir nach einen prächtigen Frühstück wieder auf der Straße, immer noch entlang des Ariestals fuhren wir durch kleine Dörfer und Straßen die von sanften Gebirgszügen gesäumt waren. Überall war viel los. Kartoffelernte und Menschen die Dinge hin und her transportierten. Mir fiel auf, wochentags niemand unterwegs war ohne eine oder öfter mehrere Taschen, Beutel, Säcke mit sich herum zu schleppen und etwas von A nach B zu tragen. Aber an den Sonntagen, da hatte niemand etwas in der Hand.

Reisebericht Rumänien 2006 von ©Gudrun Pauksch Ganz besonders in Herz geschlossen hatte ich die schönen Fuhrwerke vor denen mächtige Ochsen gespannt waren. Meistens strahlte der Begleiter des Gefährts genau so eine Ruhe aus wie die schönen Tiere. Ganz gemächlich zogen die mächtigen Ochsen ihre Last durch die Straßen. Oft waren die Wagen so hoch und breit beladen, dass sie die ganze Straßenbreite einnahmen und die Räder nicht mehr zu sehen waren. Ein witziger Anblick, wenn man auf einmal einen riesigen sich im Zeitlupentempo bewegenden 4 m hohen Heuhaufen vor sich hat. Thomas hatte natürlich wieder die Gelegenheit sich zahlreiche Brücken, Zäune aller Art und Leitplanken an zu schauen. Es gibt wirklich nur sehr sehr wenig Leitplanken, in denen die vorgesehenen 5 Schrauben noch vorhanden waren. Meist hielt eine einzige Schraube die Planke fest. Ob sie aber auch ein Auto vor dem Absturz in die Tiefe - was ja der eigentliche Sinn einer Planke ist- abhalten würde, wage ich stark zu bezweifeln.

Reisebericht Rumänien 2006 von ©Gudrun Pauksch Aber nicht nur das Gebirge, die Menschen und die Leitplanken waren interessant, sondern auch der Fluss Aries, unser Begleiter seit einigen Tagen. Über mehrere Kilometer war sein Wasser  z.B. zweifarbig. Auf der einen Seite floss grünes Wasser und auf der anderen graues. Nichts vermischte sich über Kilometer, als würde jemand mit sicherer Hand und viel Ausdauer einen Strich entlang des Flusslaufes gezogen zu haben, denn die Naturgesetze der Osmose und Diffusion waren für eine wirklich lange Strecke außer Kraft gesetzt.

Auf Anraten der Schwiegertochter des Tulnicbauers bogen wir in dem Ort Buru nach Iarba ab. Dort soll es besonders schön sein. Leider hatten wir nicht so genau verstanden, um welche Art Schönheit es sich in dem Ort handelt, aber weil auf meiner Landkarte eine unitarische Kirche eingezeichnet war und ich mir darunter gar nichts vorstellen konnte, bat ich Thomas diesen kleinen Abstecher zumachen. Die Straße führte uns zunächst durch ein schönes Tal immer entlang der Iara. Im Städtchen parkten wir im Zentrum direkt vor der Kirche, die leider abgeschlossen war. Vor der Kirche mühte sich eine Gruppe von Männern damit ab einen Gabelstapler zu reparieren, aus dem überall schwarze Flüssigkeit (Öl ?) in kleinen Bächen heraus rann.

Wir fragten nach dem Schlüssel für die Kirche und wurden ein bisschen ignoriert. Ich hatte schon Verständnis dafür, dass ein defekter Gabelstapler wichtiger ist als zwei deutsche Touristen die in eine Kirche wollen. Doch wo wir nun schon einmal da waren klapperten wir sämtliche Läden der Dorfstraße ab. So ein rumänischer Gemischtwarenladen hat schon was und erinnert mich an "Das Haus der 1000 Dinge" in meinem Heimatort. All die nützlichen Dinge von Klopapier über Gardinen bis zu Plastikschalen und besonders formschöne ausgeblichene Plastikbrotkörbchen. Aber in den rumänischen Läden dieser Art gibt es auch noch Hufnägel und charmante Totenkränze mit grellbunten Kunstblumen und vieles ist ein wenig verstaubt und ausgeblichen.

Reisebericht Rumänien 2006 von ©Gudrun Pauksch Nach der anstrengenden Bummelei durch die Einkaufsmagistrate der Stadt mit den 2 Läden, der verschlossen Kirche, 2 Denkmälern und einem defekten ITALIENISCHEN Gabelstapler bedurften wir einer Pause und zogen uns in das Kaffee auf einen Kaffee zurück. Das besondere an dieser Einrichtung war, dass sich ein sehr großes Fenster neben der Tür befand. Es erinnerte mich an gewisse Etablissements die es entlang der Straßen der deutsch - tschechischen Grenze gibt. Nur saßen hier nicht leicht (oder gar nicht) bekleidete Mädchen hinter der Scheibe, sondern 4 Polizisten, die in gemütlicher Runde einen Kaffee nach dem anderen tranken und dabei durch die Scheibe ihrer Überwachungsfunktion nachkamen. Ansonsten war es eines der Restaurants die einfach nur kalt und verräuchert sind. Wir bekamen zum Kaffee schmutzige Löffel serviert und eigentlich macht mir so was nicht viel aus. Der Löffel wird gründlich mit irgendwas abgewischt und fertig. Aber hier war mir die Geschichte doch reichlich unangenehm, wahrscheinlich Ansteckung von meinem Mann, der bei SOWAS überaus empfindlich ist. Der Kaffee war schnell getrunken und als wir zurück zum Auto schlenderten, stand in der Gabelstaplergruppe ein Mann der wie ein richtig echter Ungar aussah und einen großen Schlüssel in der Hand hielt. Ach, dass ist es was ich an Rumänien mag, irgendwie kommt man doch ans Ziel und das war ja in diesem Fall die unitarische Kirche. Ich gebe zu, ich wusste nicht was eine unitarische Kirche ist. Der rote Kreis der in meinem Atlas aber um das Kirchensymbol war, zeigte, dass es etwas ganz besonderes ist. Dir Kirche verblüffte mich doch. Sie war innen total in blau - weiß gehalten und der "Altar" (es war kein richtiger Altar, eher ein Tisch) der Gemeinde den Pfarrer immer von hinten sieht. Leider konnten wir uns mit unserem Führer nicht verständigen, weil er nur rumänisch und ungarisch sprach und insgesamt ein wenig schüchtern wirkte. Zu Hause habe ich dann über den Unitatrismus nachgelesen und bei Wikipedia unter anderem folgendes gefunden...

Reisebericht Rumänien 2006 von ©Gudrun Pauksch Unter "Unitas" verstehen Unitarier die Einheit von Gott, Natur und Mensch. Zentrale Grundsätze sind der Glaube an die Einheit allen Seins, welches vom Wesen des Göttlichen durchdrungen ist, und der Glaube an die menschliche Vernunft. Die Unitarier leiten sich in der Lehre von den Antitrinitariern der Aufklärung und den Sozinianern ab und halten teilweise an ihren christlichen Wurzeln fest, auch wenn sich die meisten der Unitarier von den christlichen Wurzeln gelöst haben. Unitarische Glaubensgemeinschaften finden sich heute vor allem in Ungarn, Rumänien (Siebenbürgen), Großbritannien, Deutschland und Nordamerika, wo viele Unitarier eine konfliktfreie Verwirklichung ihres Glaubenslebens suchten. Obwohl unitarische Vorstellungen in der Geschichte verschiedener Religionen und religiösen Traditionen aufgetreten sind, spricht man von Unitariern erst, seitdem sich Menschen dieses Glaubens zu Gemeinden organisierten. Dies geschah im Wesentlichen nach der Reformation und im Zeichen der Aufklärung, als es in Europa möglich wurde, das Dogma der Dreieinigkeit in Frage zu stellen. Von den großen Kirchen als Ketzer angesehen, wurden die Antitrinitarier oft verfolgt (siehe z.B. Michael Servetus)

Wir gaben dem schüchternen unitarischen Ungarn ein bisschen Trinkgeld und verabschiedeten uns von Iarba um weiter Richtung Turda zu reisen. Nach einer Pinkelpause passierte ein großes Unglück. Als ich mich voller Schwung und Elan zurück ins Auto plumpsen lies, platze meine heißgeliebte älteste Jeans auf. Ich habe sie würdevoll hinter einem Busch beerdigt, vielleicht wird ein umherziehender Hirte sie finden bevor sie verwittert ist und sich daraus Putzlappen basteln!

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Über Turda und eine Umfahrung von Târgu Mureş ging es weiter nach Balauseri, wo wir für einen Bekannten eines Bekannten ein kleines Päckchen für eine Familie abgeben sollten. Leider waren die Leute nicht zu Hause und wir übergaben das Paket einer ganz alten Nachbarin, die nach unserem minutenlangen Rufen tief gebeugt die Tür öffnete.

Auf der Strecke von Balauseri nach Sovate erstreckte sich ein Dorf nach dem anderen. Wir fuhren noch immer durch die Gebiete der ungarischen Minderheit und bewunderten die besonders schönen Dörfer mit den reichen Schnitzereien, besonders an den Toren. Vor Gehorghie durchfuhren das Gebirge Gurghiului. Am Pasul Pangarati (1256m) legten wir eine Pause ein. Wir standen in einer Nadelkurve und vor uns erstreckten sich wunderschöne Täler und Berge. Doch Thomas  schaute auch den Berg hinunter und da lagen ungefähr 5 Milliarden Plastikflaschen. Ob die wohl jemals aufgelesen werden? Und was fühlt ein Rumäne (?) dabei seinen Krims Krams einfach  einen Abhang hinunter zu werfen? Ich weiß jetzt jedenfalls ganz genau wie sich ein deutscher Tourist dabei fühlt das zu sehen und welche Gedanken er sich dazu macht. Bis zum Lacul Rosu war das nämlich das Thema in unserem Auto.

Reisebericht Rumänien 2006 von ©Gudrun Pauksch Um es mal mit den Worten meines geliebten Reiseführers von 1972 zu sagen, der Lacul Rosu eingebettet in einem Tal des Munţii Hasmas und zwischen den Bergen Suhardul Mare (1507 m) und Ghilcus (1376 m) gelegen, gehört zu den bedeutenden Sehenswürdigkeiten Rumäniens. Er entstand als 1837 (alter Reiseführer) oder 1838 (neuer Reiseführer) durch einen Erdrutsch. Dabei ist der Wald buchstäblich ins Wasser gerutscht und noch heute sieht man die Baumstümpfe, die unterdessen versteinert sein sollen, gespenstig aus dem Wasser ragen. Es ist in meinen Augen überhaupt nicht so, dass es sich hierbei um eine wahnsinnig tolle Sensation handelt Aber der See ist eben ein Ziel in einem Naherholungsgebiet und sein Name bedeutet ROTER See oder auch Mördersee. So was zieht natürlich immer. Wir drehten eine kleine runde und aßen ein Baumkringel, für den es wohl keinen rumänischen sondern nur einen ungarischen Namen gibt und als auf dem Parkplatz zurück waren und in unseren Opel steigen wollten, fiel uns ein anderes Auto auf, bei welchem die ersten Buchstaben des Nummerschildes MAI waren. Das fanden wir ungewöhnlich und während ich um das Auto herum schnüffelte um irgendwelche Indizien zu finden, die das unbekannte Zeichen erklären, kamen 3 mächtig wichtig aussehende und 1 normalaussehender Herr  Baumkringel essend auf uns zugeschlendert. Mein loses Mundwerk schnatterte natürlich gleich darauf und in meinem dilettantischen rumänisch versuchte ich die Wichtigkeit des Autos und der Herren zu ergründen. Doch nur der Fahrer  kommunizierte mit mir, während die anderen 3 futternd in den Wagen, einen Skoda Oktavia, einstiegen. Wenn ich es richtig verstanden habe hatte ich es mit Funktionären einer Sonderpolizei oder der Feuerwehr zu tun. Aber mal ehrlich so oberwichtig können die ja nun weiß Gott nicht gewesen sein, sonst hätten sie nicht zu dritt in einem Autositzen müssen.

Reisebericht Rumänien 2006 von ©Gudrun Pauksch Die Straße führte uns nun durch den Bicaz Klamm. Das Flüsschen Bicaz hat sich tief tief in die Felsen eingeschliffen und die Landschaft bietet dem Reisenden ein beeindruckendes Bild. Fast hat man den Eindruck, dass man, wenn man sich mitten auf die Straße stellt und die Arme ausbreitet rechts und links an den Felsen anstößt. Das ist aber eine Frage des Blickwinkels, denn in Wirklichkeit führt eine ganz normale Straße durch die Schlucht und dazu verläuft auch noch der Fluss. Ich war schon auf meiner ersten Rumänienreise 1996 hier und damals schon genau so beeindruckt.

Nun hatte ich Thomas auch diese besondere Sehenswürdigkeit meines Lieblingsurlaubslandes gezeigt und da sich der Tag dem Ende neigte wurde es Zeit eine Unterkunft zu suchen.

In der Dämmerung fuhren wir in das Örtchen Bicaz (10000 Einwohner) ein, welches am Fuße des berühmten Bicazstausee liegt. An einer T-Kreuzung entschieden wir uns Richtung Norden zu fahren und nach einer Kirche mit einem Terrassenförmig angelegten Friedhof erblickten wir ein riesengroßes Motel. Ich weiß auch nicht was mich geritten hat, aber ich schlug Thomas vor da zu nächtigen. Mein Mann ist ein vorsichtiger Mensch und meinte, ich soll mir doch mal die Zimmer ansehen. Ich marschierte die riesige und defekte Treppe zum Eingang hinauf, klinkte an einigen Türen die ich für selbigen hielt und wanderte weiter an verspiegelten Fensterfassaden. Irgendwo ging es dann doch rein und ich landete in einer riesigen Halle die als Bar genutzt wird. Alles war überdimensional und vor der Bar die gleichzeitig die Rezeption war kam ich - obwohl ich 172 cm groß bin- wie ein Zwerg vor.

Ich ließ mir von einer spindeldürren angemalten und geschmückten Bardame ein Zimmer zeigen. Dabei marschierten wir durch eine weiter mit Stühlen und Tischen ausgestatteten Halle an deren Ende ein Fernseher vor sich hindröhnte. Durch ein kleines Labyrinth ging es in die Motelzimmer. Ich warf einen kurzen Blick in das angebotene Zimmer und auch in das Bad, fand es ok und den Preis (50 Lei) auch und war zufrieden.

Reisebericht Rumänien 2006 von ©Gudrun Pauksch Als ich meinen Mann mit in das Zimmer nahm, merkte ich schon auf dem Weg dahin, dass ich nicht so ganz die richtige Entscheidung getroffen hatte. Was ich als skurriles Motel empfand war für ihn Horror. Das Zimmer fand er scheußlich und verwohnt und schließlich fragte er mich vorwurfsvoll, wo denn das Fenster wäre. Natürlich hatte das Zimmer ein Fenster, aber bei der Erstbegehung hatte ich entgegen meiner sonstigen Gewohnheit nicht zuerst hinaus geschaut und so konnte ich nicht bemerken, dass das Fenster nicht in irgend eine Landschaft zeigte, sondern in das Nachbarhotelzimmer. Es beschäftigt mich noch heute, was sich wohl ein Architekt dabei denkt Zimmer mit solchen Grundrissen und Anordnungen zu entwerfen und was Bauherren dazu bewegt, nach solchen Entwürfen zu bauen.

Leider hatte ich auch nicht die Rattenlöcher mit dem davor ausgebreiteten Rattenfutter gesehen. Ich habe halt ein Dienstauge und ein Rumänienurlaubsauge welches nicht so sehr auf solche Details achtet.

Reisebericht Rumänien 2006 von ©Gudrun Pauksch Meinen Vorschlag noch ein anderes Hotel zu suchen lehnte Thomas auch ab, meinte aber, er will auf gar keinen Fall eine Minute länger als unbedingt nötig in dem Raum bleiben. Also begaben wir uns in die Stadt. Unterdessen war es dunkel geworden und nieselte etwas. Das trug dazu bei, dass Thomas seinen ersten Rumänienkoller so richtig "genießen" konnte. Schließlich fanden wir ein recht annehmbares Lokal mit Biergarten, der zur Straße zeigte. Eine Suppe und eine Flasche Wein ließ die Stimmung wieder etwas besser werden. Nach der zweiten Flasche sah die Welt noch ein bisschen anders aus und nachdem wir auch noch eine dritte Flasche (Sec Murfatlar) und unzählige Male auf unseren 20. Hochzeitstag getrunken und alle Buchstaben des Alphabets beim Name -Stadt - Land Spiel verwendet hatten, war die Welt wieder in Ordnung. Schließlich waren wir die letzten Gäste im Restaurant trudelten wieder zurück in das schrecklich (Thomas) - schön skurrile (Gudrun) - Motel. Thomas verkroch sich aus hygienischen Gründen in seinen Bundeswehrschlafsack mit Ärmeln und Kapuze und auch ich schlief weinselig in dem faktisch fensterlosen Raum gut und fest ein

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Mittwoch, 28.09.2006

Klöster, Klöster, Klöster - ich liebe Klöster!

Wir waren erstaunlicherweise in der Nacht weder von Ratten oder Vampiren noch von Mäusen und Flugsauriern angegriffen wurden und standen am Morgen fast ohne Kater sehr zeitig auf und vollführten einen Blitzstart. Die große Halle  mit der Rezeption strahlte noch dieselbe verruchte Stimmung aus wie am Abend zuvor. Da es kein Tageslicht gab, schien die Zeit seit dem Vorabend stehen geblieben zu sein. Es war früh am Morgen, hätte aber auch mittags oder abends sein können. Die Bar war jedenfalls auch jetzt besucht, aber ich habe keine Ahnung, ob es dieselben oder nur ähnliche aussehende junge Männer waren wie die am Abend zuvor. Wer trotz unserer grusligen Eindrücke Lust hat in das Motel einzukehren, hier ist die Adresse: Complex turistic, Ceahlău-Bicaz; Tel: 0040233234767. Wir machten dass wir davon kamen und fuhren ca. 3 km durch die nieselige verschlafene Stadt zum Fuß der Stauseemauer.

Im Internet habe ich unter diesem Link folgendes über den Bicazstausee gefunden: http://www.myholiday.ro

Reisebericht Rumänien 2006 von ©Gudrun Pauksch Es ist der größte Stausee auf Binnengewässer und wurde 1960 im Tal der Bistriţa (Bistritz), in den Ostkarpaten, am Fuße der Gebirge Ceahlău und Stanişoara zwecks Energieversorgung und Tourismus gebaut. Durch einen 5 km langen Tunnel, der unter dem Botoşanu - Gebirge läuft, wird aus diesem See die Wasserversorgung das Wasserkraftwerk Stejaru zugesichert. Der See hat eine Länge von 34 km, seine Breite ist unterschiedlich, beginnend mit 200 m bis zu 2000 m, während die größte Tiefe, 90 m vor dem Damm gemessen werden kann. Der Staudamm ist mehr denn 120 m hoch und 435 m lang. Die Fauna des Sees besteht aus Plötzen, Döbel, Gründlingen, Brachsen, Näslinge, einheimische Forellen, Regenbogenforellen; übrigens gibt es auch eine Forellenzucht bei Potoci. In der Nähe des Staudammes wurde ein kleiner Hafen errichtet, von wo aus man mit dem Schiff eine Rundfahrt über den See oder mit gemieteten Booten oder Paddelbooten eine Wasserfahrt unternehmen kann. Es gibt ebenfalls Unterkunftsmöglichkeiten, entweder im Hotel oder in Hütten.

Reisebericht Rumänien 2006 von ©Gudrun Pauksch Dort fanden wir ein nettes Restaurant wo wir ein zünftiges Frühstück zu uns nahmen. Natürlich war ich ein wenig aufgeregt, wegen der Vorstellung dass hinter der Staumauer so viel Wasser ist. Es braucht ja nur ein kleiner Stein aus der Mauer zu fallen und schon  sickert das Wasser erst ein bisschen durch und dann immer mehr und dann so dolle, dass alles was im Flussbett liegt weggeschwemmt wird, nicht nur unser Auto und der blau-gelb- rot angemalte Kinderspielplatz , sondern auch das Restaurant mitsamt unserem Frühstück und uns... Puhhh! Wer die Gefahr liebt und ruhig an so einer gefährlichen Staumauer schlafen kann, möchte ich das Motel unbedingt empfehlen, denn es machte einen sehr guten Eindruck. Bicaz-Neamţ; str. Barajului Nr. 39; Tel.: 0233254555

Natürlich besichtigten wir den Staudamm nicht nur vor unten, sondern fuhren auch auf die Staumauer. Normalerweise muss sich von da ein sehr schöner Ausblick auf den Stausee bieten, aber heute war es sehr trüb, so dass wir außer Beton und ziemlich wild, zerzaust und krank aussehenden Hunden nicht viel zu Gesicht bekamen. Auch einige Wächter zeigten sich, zogen sich aber bald wieder desinteressiert in ihre kleine Höhle zurück, die am linken des Staudammes für sie als Pausenraum in den Fels geschlagen war.

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Unser Plan war nun, den 38 km langen Bicazstausee "linksrum" zu umfahren. Diese Strecke führt durch das Munţii Ceahlău durch einen Nationalpark. Zunächst fuhren wir endlos durch das Dorf Izvoru Muntelu welches mir  sehr gefiel, weil man darin viele fantasievolle Ferienhäuser (z.B. ein runder Hausturm der von oben bis unten mit Holzschuppen bedeckt war) sehen konnte. Auch viele einfache Häuschen, die ich immer wieder faszinierend finde, säumten den Weg. Hinter dem Dorf war eine Schranke und eine Art Mautstation. Wahrscheinlich ist in der Reisesaison die Straße nur gegen Maut benutzbar. Nun war aber alles offen und wir schlängelten uns durch den Wald. Es gab außer Wald nicht viel zu sehen. Der Stausee war einige km entfernt und Berge gab es auch nicht. Kurz hinter dem Schitul (Schitul ist der Ableger von einem Kloster) Durău war unsere Fahrt jedoch zu Ende. Es hatte einen Bergrutsch gegeben und die Straße war für ca. 20 m mit ganz viel Schlamm zugeschüttet. Thomas prüfte mittels Stock wie tief der Schlamm war. Aber der Stock rutschte so tief in den Morast, dass wir keine Chance hatten. Also kehrten wir um. Auf der Hinfahrt war uns kein Mensch und kein Tier begegnet.

Reisebericht Rumänien 2006 von ©Gudrun Pauksch Auf der Rückfahrt standen auf einmal mehrere wunderschöne Pferde auf der Straße die wir mit Äpfeln aus dem Auto heraus fütterten. Auch zwei Pilzsucher liefen die Straße entlang. Nun mussten wir also die Straße rechts herum um den Bicazstausee nehmen und wer einmal die Wahl hat, dem würde ich immer diese Straße empfehlen, denn von hieraus bieten sich immer wieder wunderschöne Ausblicke auf das Ceahlăugebirge, die wir auch immer wieder genießen konnten, da sich der Nebel langsam verzog. Irgendwo in einem der vielen netten Restaurants mit Pension tranken wir Kaffee, aßen eine Kuhsuppe und ein paar von diesen leckeren Eierkuchen, die in Rumänien Palatschinken genannt werden. Die Straße Nummer 15 b führte uns nach Leghin, wo wir  zur Besichtigung zweier Klöster die  zu den Moldauischen Stiftungen gehören abbogen. In einer Broschüre von Mihai Ion Pascu ( 2002) fand ich folgende Informationen in charmantem Deutsch über das Gebiet um Piatra Neamţ in dem wir uns nun befanden:

Reisebericht Rumänien 2006 von ©Gudrun Pauksch Neamţ ist der Name von menschlichen Niederlassungen, von Gewässern sowie der eines rumänischen Gebietes. Eines der zutiefst Moldauischen Gegenden mit tiefreichenden und wertvollen Wurzeln der Geschichte.

In den Dokumenten der Zeit haben die "nemţi" (die Deutschen, rum neamţ, pl. nemţi = Deutscher, Deutsche) mit der Region  Neamţ erst um 1674 etwas zu tun, als "...die Deutschen halten sich immer länger in den Städten auf, in Neamţu und Suceava und plündern was sie können in der Umgebung, wegen Nahrung" - vermerkte der Chronist Ion Necule, wobei der sich auf Söldnereinheiten bezog, die im Dienst der polnischen Nachbarn standen. Wir können auch die alte Gewohnheit der Rumänen in Betracht ziehen, die Bekleidung die keine Volkstracht war als "haine nemesti" (Städtische Kleidung) zu bezeichnen; und schließlich kann es der Widerhall auf die Anwesenheit fremder Handwerksmeister sein die herbeigebracht wurden um zur Errichtung der herrschaftlichen Gebäude beizutragen.

Sicher ist, dass der Ausdruck erst spät auftaucht, die Stadt Piatra Neamţ -heute Vorort (wahrscheinlich ist Hauptstadt gemeint!!!!) des Kreises Neamţ - war vormals als Cetatea de Piatra (steinerne Burg), Piatra lui Crăciun (Stein des Crăciun) oder einfach Piatra (der Stein) bekannt., neamţ wurde hinzugefügt, als sie ihre administrative Funktion erhielt.

Reisebericht Rumänien 2006 von ©Gudrun Pauksch Das Gebiet ist in Rumänien einzigartig, das wird durch ein paar relevante Merkmale begründet: ereignisreiche Vergangenheit von stark personalisierten menschlichen Ansiedlungen, die Gruppierung in einem relativ kleinen Territorium einer großen Anzahl von wertvollen Denkmälern, die weithin bekannten Kreationen der rumänischen Volkskunst, die außergewöhnlich reizende Landschaft - Wiege des rumänischen Lebensweges -, jetzt ein nationales Patrimonium von Bezugswert. In richtiger Einschätzung der strategischen Vorzüge der Zone ließen mehrere Herrscher hier Befestigungen errichten, die ihre Vorteilhaftigkeit vollauf bestätigen; aber zusammen mit den Bojaren stifteten fromme Laien auch hochherzige Gebetsstätten - "klösterliches Vaterland" formulierte ein Abt - sie waren reich ausgestattet, wurden im Laufe der Zeit zu bedeutenden Kulturzentren, gehrt von Persönlichkeiten der rumänischen Geisteswelt. "Die Wissenschaft ist das, was wir wissen, und die Philosophie das, was wir nicht wissen", erachtest Bertrand Russell, doch das Gebiet Neamţ wird das sein, was wir empfinden.

Das erste Kloster dieser Stiftungen, die wir nun besichtigen wollten war das Kloster Sihastria, zu welchem der obige Verfasser schreibt:

Talaufwärts von Secu gelegen, erhielt das Kloster, eine Mönchssiedlung aus der Zeit um das Jahr 1650, vom Bischof Ghedeon von Roman 1743 eine neue Kirche; nach den hetärisch-türkischen Kämpfen (1825) wieder aufgebaut, erhält es 1946 auch eine Kapelle. Besondere Aufmerksamkeit verdient die Malerei des Ikonenmalers Irineu Protcencu, eines bemerkenswerten Portätisten.

Reisebericht Rumänien 2006 von ©Gudrun Pauksch Soweit die trockene Theorie. Die Wirklichkeit ist viel frischer und saftiger. Und hier im wahrsten Sinne des Wortes. Vor dem Eingang zum Innenhof des Klosters begrüßte uns nämlich neben einem schönen geschnitzten Tor ein großer schwer beladener LKW von dessen  Ladefläche es nicht nur tropfte sondern rann. Beim Näherkommen stellte sich auch der Grund für diese kleinen Bäche heraus. Das waren Massen von Weintrauben, die er geladen hatte. Viele Mönche und Helfer waren dabei den Wein in Körben und Kübeln in ein in Stein gehauenes Kellergewölbe zu tragen und auch aus den Tragegefäßen rann der Traubensaft. Natürlich latschten Thomas und ich hinterher und bekamen so die uralte Weinpresse der Mönche zu Gesicht.

Allerdings standen wir auch im Weg herum und deshalb widmeten wir uns der Besichtigung des Klosters, welches im besten Renovierungszustand war und mit den vielen kleinen Kapellen und Blumenrabatten ein schöner Ort auf Gottes Erden ist. Lustig fand ich, dass sich das Kloster sogar einen Ordnungsmönch leisten kann. Ich wunderte mich sehr, als ich einen bärtigen Mönch mit Armbinde, 2 Bierflaschen im Arm den Blick auf die Blumenrabatte gerichtet den Eingang zum Kloster entlang bummeln sah. Ich schlenderte zu ihm  hin, umschlenderte ihn ein bisschen und bei passender Gelegenheit, zack- sprach ich ihn an. Er erklärte mir, dass er für Ordnung zuständig sei und zeigte dabei stolz seine Armbinde.

Als nächstes schauten wir uns das Kloster Secu an, zu dem in der oben erwähnten Broschüre folgendes steht:

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Im Tal des Flusses gleichen Namens wurde das Kloster als Nachfolger der Einsiedelei des Zosim um 1560 vom Statthalter Nestor Ureche, dem Vater des Chronisten, 1602 erbaut. Die Kirche überrascht durch ihre Ähnlichkeit mit der Architektur muntenischer Klöster-Fassaden in zwei Registern, Vorhalle auf Säulen; zwischen 1812 - 1818 wird sie vergrößert: über die alte Vorhalle erhebt sich ein Turm, und an der Westseite wird eine neue Vorhalle hinzugefügt. 1821 wurde sie zu einer Bastion der Hetäristen, 1850 wird die Malerei wieder hergestellt. Der befestigte Innenhof umfasst zwei Kapellen und Türme; am südöstlichen befindet sich die Stiftungsinschrift der Kapelle aus der Zeit von Vasile Lupu von der Burg Neamţ. Das Museum für alte Kunst stellt Kultusgegenstände, Handschriften, Druckwerke aus.

Dieses Kloster hat mir auch sehr gut gefallen. Die Leute denen wir da begegneten hatten alle etwas zeitentrücktes an. So fielen mir zwei ältere Nonnen auf, die wir schon vorher auf dem Weg getroffen hatten. Ganz in Schwarz gekleidet waren sie und sahen wie alle Nonnen ein ganz klein wenig wie Pinguine aus. Natürlich gab es aber auch Farbtupfer und das waren 4 riesengroße lila Einkaufsbeutel aus Plastik die die beiden mit sich herum schleppten.

Über den Hof stiefelten Arbeiter in Gummistiefeln und oberschenkellangen Mänteln, um die in der Hüfte noch ein Gürtel geschnürt war. Ein Mönch diskutierte lauthals mit einem älteren Mann, den er scheinbar von etwas zu überzeugen versuchte und auch sonst liefen durch das Gelände interessant aussehende Menschen, besonders Männer in Anzügen und Hüten, die auf mich fast ein bisschen jüdisch wirkten.

Reisebericht Rumänien 2006 von ©Gudrun Pauksch Reisebericht Rumänien 2006 von ©Gudrun Pauksch Reisebericht Rumänien 2006 von ©Gudrun Pauksch

Die Krönung war für mich aber ein großer imposanter älterer Mönch mit langem Bart der auf einer Bank saß und intensiv mit seinem Handy telefonierte. Im gebührenden Abstand warteten einige Leute auf das Ende des Telefonats, aber er ließ sich überhaupt nicht stören. Wie gern hätte ich ein paar Stunden auf dem Klosterhof zwecks Leutebeobachtung zugebracht. Aber wir wollten noch weiter und bestiegen bald unser Auto. Auf den Weg zurück zur 15 b kamen wir noch an einer Wundermaschine vorbei. Ich dachte dass es eine Steinezerkleinerungsmaschine sei, aber Thomas erklärte mir, dass Erdreich aus einem Flussbett herausgebaggert wird und dann nach Körnungsgröße "sortiert" wird.   In Deutschland würde man bei solchen Maschinen vielleicht von einem Kieswerk sprechen, aber in diesem Fall war diese Bezeichnung gar nicht angebracht. Es war einfach eine Kiessortiermaschine mit vielen Rädern und Riemen und der sortierte Kies rann den Abhang hinunter. Die Arbeiter wunderten sich über unser Interesse und winkten von ihrem Hügel hinunter während wir sie fotografierten.

Reisebericht Rumänien 2006 von ©Gudrun Pauksch Eigentlich gibt es in der Umgebung von Neamţ ganz viele Klöster, da ich aber meinen Mann- einem Rumänienneuling- zur Seite hatte, konnte ich nicht ganz so wie ich wollte und musste die Klosterbesuche gut dosieren. Eins nahmen wir uns noch vor, nämlich das Kloster Neamţ. Dieses Kloster besteht aus einer riesigen Anlage. An der hölzernen Eingangstür mussten wir erst mal 5 Lei Eintritt berappen. Ehrfürchtig wie in jedem Kloster durchschritten wir das Eingangsportal als uns der Pförtnermönch hinterher gelaufen kam. Er schob uns ohne Widerrede in den kleinen Souvenirladen gleich links am Eingang und stellte uns dem Verkäufer vor. Dieser sprach uns im akzentfreien Deutsch an. Antonius, so hieß der Mönch hatte eine ganz tolle lächelnde Ausstrahlung und wir waren beide sehr in seinen Bann gezogen. Es entspann sich ein ausgiebiges und interessantes Gespräch. Er fragte wo wir her wäre und interessierte sich seltsamerweise für Luther, Wittenberg und ganz besonders für Luthers Frau, Katharina von Bora. Während sich die meisten Nonnen oder auch Mönche bei den Gesprächen immer sehr scheu und zurückhaltend gaben, strahlte Antonius eine Mischung aus Bildung, Männlichkeit, Weltoffenheit und tiefen Glauben aus. Er erzählte uns, dass er nach der Schule und dem Gymnasium eine Lehre als Schlosser absolviert hätte  und im Alter von 22 Jahren ins Kloster gegangen wäre. Er wäre mit seinem Leben sehr zufrieden und wir fragten ihn ein bisschen über seine Lebensgewohnheiten im Kloster aus. Er erzählte uns, dass die Mönche heutzutage nicht nur Handys, sondern auch Radios und sogar Fernseher in ihren Zellen haben. Einen Fernseher hätte er nicht, aber ein kleines Radio. Dafür müsse er eigentlich zur Beichte gehen.

Wir erfuhren von ihm auch, dass in den 50iger Jahren Ceauşescu alle Mönche die jünger wie 60 Jahre waren aus den Klöstern entfernen ließ. Wer sich weigerte das Kloster zu verlassen, kam mind. für 15 Jahre ins Gefängnis. Nach fast 20 Jahren wurde diese  Maßnahme aber etwas enthärtet und bald entwickelte sich wieder ein normales Klosterleben.

Schließlich fragte uns Antonius ob wir in die Kirche gehen und welcher Konfession wir angehören. Als wir wahrheitsgemäß antworteten dass wir "Heiden" sind, bedauerte er das sehr für uns und wir diskutierten eine Weile, was uns der Glaube gibt - aber auch was er uns nimmt. Gott - so sagte Antonius, hätte für das Leben des Menschen mehr vorgesehen als geboren zu werden, zu wachsen, heiraten, Kinder zu zeugen und aufzuziehen und schließlich zu sterben. Das Leben wäre viel reicher!

Reisebericht Rumänien 2006 von ©Gudrun Pauksch Ich finde mein Leben auch so ganz reich.

Leider wurde dann unser Gespräch unterbrochen und wir schauten uns das Kloster an. Mit einem Stundenbrett rief ein Mönch zur Sluşbă (Messe) und während der sakralen Gesänge hatte ich Zeit und Muse mir vor Augen zu führen, auf welchem monumentalen Gelände ich mich auch in diesem Kloster befinde. In der bereits mehrfach erwähnten Broschüre kann man über das Kloster Neamţ folgendes lesen:

Im Tal des Flusses Nemţişor in den moldauischen Vorkarpaten, einer Zone von Obstgärten und Wäldern, überragt vom Gipfel Pleşu (915 m) und dem Berg Debreanu (883 m) richtete etwa im 13. Jahrhundert ein Mönch, Nicodim, eine Einsiedelei ein - so die Überlieferung. Sicher ist, dass das Kloster die Bemühungen nachfolgender Stifter vereint, nämlich der Fürsten Petru I. Musat, Alexander des Guten und Stefan des Großen ( 14. - 15. Jahrhundert), von denen wir  das "bedeutendste Kloster der Moldau" (Val. Puscariu) zum Erbteil erhielten. Die große Kirche 1497 "...viel beeindruckender als alle die Stefan bis dahin erbauen ließ, sowohl durch die Ausmaße ihres Grundriss als auch durch ihre Höhe" (N. Iorga) bedeutete den Höhepunkts des Stils, der sich in der Architektur jener Zeit eingebürgert hatte und vielen Kirchen in der Moldau als Vorbild diente.

Reisebericht Rumänien 2006 von ©Gudrun Pauksch Nach der Besichtigung des Klosters konnten wir es uns nicht verkneifen auch noch den großen runden Buchladen vor den Toren der Klosteranlage zu besichtigen, in dem es nicht nur Bücher, sondern kirchliche Gegenstände jeglicher Art zu erwerben gibt. Ein Mönch sitzt mummelig entgegengesetzt der Tür und demonstriert lange Weile und Desinteresse. Thomas und ich machten unsere Runde (in einem runden Buchladen macht man wirklich und selbstverständlich eine RICHTIGE Runde) und als wir den Laden ohne etwas zu kaufen verließen, schmetterte ich schon im Türrahmen stehend ein fröhliches "La revedere", was soviel wie "auf Wiedersehen" heißt, in den Saal. Die Antwort - auch la revedere - kam, als wäre der Absender genau hinter meiner rechten Schulter. Ungläubig schaute ich mich um und versuchte es mit einem deutschen "auf Wiedersehen" Die Antwort kam direkt aus der Richtung meines linken Ohres. "Auf Wiedersehen!". Thomas und ich mussten schmunzeln. Dieser Riesensuperrundbuchladen hatte eine lustige Akustik und unser Mummelmönch hatte mit den "Touris" viel Spaß, denn nun saß er schmunzelnd in seinem Buchverkäufersessel.

Nun wurde es aber Zeit endlich unser heutiges Reiseziel in Angriff zu nehmen. Und wenn es noch so lockt, heute keine Kirchen, keine Märkte und auch keinen Kaffee mehr, sondern fahren, fahren und fahren. Über Târgu Neamţ fuhren wir Richtung Norden und sahen, dass sich der Charakter der Dörfer verändert. Viele Dächer waren nun mit Blech gedeckt, überall gab es Schnörkel und Verzierungen und Blumen wuchsen üppig in den Gärten. Und ganz oft mussten wir Pferdefuhrwerke überholen, mit deren Hilfe die Bauern ihre Ernte nach Hause brachten.

Reisebericht Rumänien 2006 von ©Gudrun Pauksch Gegen 18 Uhr erreichten wir Gura Humorului und wenig später den Ortsteil Manastirea Humorului, wo meine Freundin Elena zu Hause ist. Elena kenne ich nun seit genau 10 Jahren. Während  meiner ersten Rumänienreise mit Haiko Kühne die wir in einem Lada absolvierten der gleichzeitig auch als Wohnwagen diente, waren wir zufällig nach Humorului gekommen. Es war Sonntag und viele Leute liefen zur Kirche. Auf der Dorfstraße rannte eine Frau in Nationaltracht im Dauerlauf in Richtung Kirche und Haiko sagte zu ihr "Tu eşti frumoasă, Doamnă" was soviel heißt wie, Du bist eine schöne Frau. Elena freute sich über das Kompliment und später trafen wir sie in der großen Dorfkirche wieder. Sie sang im Chor und deutete uns wir sollen am Gottesdienst mit teilnehmen und dann auf sie warten. Das war doch was und so stellten wir uns brav in die Kirche. Haiko auf die Männerseite und ich auf die Frauenseite. Ein orthodoxer Gottesdienst ist lang. Sehr lang. Man steht die ganze Zeit und ab und zu ist man aufgefordert sich hin zu knien und wieder auf zu stehen und gleich wieder hin zu knien. Ich war völlig fasziniert und lies mich richtig in das sakrale Reich entführen. Der Preot war ein stämmiger sehr bedeutend aussehender bärtiger Mann mit einer wunderschönen tiefen Stimme. Nach dem 3-stündigen Gottesdienst passte uns Elena vor der Kirche ab und nahm uns mit nach Hause. Ich war sofort verliebt in das Anwesen mit der Wohnküche in der ein großer brauner Ofen stand und das efeuberankte Zimmer, dass sie uns als Gästezimmer anbot.

Reisebericht Rumänien 2006 von ©Gudrun Pauksch Unterdessen habe ich einiges vom Leben der Familie mitbekommen. Elenas Töchter Valerica und Stelluza heirateten und bekamen jeweils 2 Kinder und die jüngste Tochter Viorica wurde von einem kleinen zickigen Mädchen zu einem richtigen Star der rumänischen Volksmusik und arbeitet heute im Fernsehen u.a. als Moderatorin diverser Sendungen im Volkskunstkanal. Und auch sonst hat sich viel geändert. Beim ersten Besuch gab es auf dem Anwesen gar keine Toilette. Verschämt wurde uns empfohlen diverse Geschäfte im Pferdestall zu erledigen. Beim zweiten Besuch gab es im Sägewerk einen Verschlag mit einem hübschen Plumpsklo drin, durch dessen Bretterwände der Wind pfiff und das mit diversen Ausschnitten aus Illustrierten geschmückt war. Ich habe es geliebt dieses Klo aufzusuchen, weil man sich da jedes Mal durch Berge von Sägespänen kämpfen musste nach denen es mehr roch als nach Plumpsklo. Vor 3 Jahren war von all dem nix mehr übrig. Die Familie ist durch viel viel Mühe und harte Arbeit zu Wohlstand gekommen und das kleine hübsche Haus ist in ein repräsentatives Gebäude mit Hotel umgebaut wurden. Es gibt Zentralheizung und ein ordentliches Klo, modern eingerichtete Gästezimmer. Das Essen wird in einem Speiseraum mit Schrankwand und geschnitzten Stühlen serviert und als Gast hat man Zutrittsverbot in die Küche, in der nun nur noch Dumitru, der Hausherr schläft, der sich mit der Modernisierung seines zu Hauses durch die Frauen seiner Familie immer noch nicht so richtig anfreunden kann und jeden Abend geduldig, wenn er aus seinem kleinen Sägewerk kommt Triaden darüber ergehen lässt, dass er sich gefälligst sofort wenn er von Arbeit kommt umzuziehen und zu waschen hat.

Nun waren wir also an Elenas Haus angekommen. Thomas war noch nicht hier gewesen und ich wollte ihm nicht nur Elenas Familie vorstellen, sondern auch die schöne Bukowina mit den Klöstern und den hübschen Dörfern zeigen.

Zunächst war er aber sehr beeindruckt von dem grünen Neubau der nun Elenas zu Hause war. Da Elena gerade nicht da war, fuhren wir den Berg hinauf zum Kloster, wo Elena mit ein paar anderen Frauen Decken, Teppiche und diverse Souvenirs an Touristen verkauft. Es war schön als ich Elena erblickte und wir uns umarmten.

Reisebericht Rumänien 2006 von ©Gudrun Pauksch Elena unterbrach ihre Verkaufstätigkeit, denn es war eh schon spät geworden und es würden nicht mehr so viele Touristen in Kauflaune kommen und wir  fuhren zurück ins Haus. Zuerst machen wir einen Rundgang und bewunderten alles was innerhalb der letzten 1,5 Jahre neu entstanden ist. Elena kann wirklich sehr stolz sein auf das was sie mit ihrer Familie geschaffen hat, aber ich vermisse das einfache und natürlich was das Heim früher mal ausgestrahlt hat. Allerdings bin ich da auch sehr im Zwiespalt und finde, dass ich nicht das Recht habe mir zu wünschen dass bei Elena alles so bleibt wie vor 10 Jahren, nur weil ich es  schöner finde.

Nach dem Rundgang bekamen wir ein schönes Zimmer zugewiesen und während wir ein bisschen in unseren Sachen kramten und sortierten, eilte Elena um uns das Essen zu zubereiten. Das Essen bei Elena ist immer außergewöhnlich gut und außergewöhnlich  abwechslungsreich und einfach unglaublich. Zum Abendessen gab es Suppe mit Huhn, gebratenes Fleisch, Käse, Maisbrei, Heidelbeerschnaps und eine Art Quarkkeulchen mit Heidelbeeren und Sahne. Alles einfach nur SUPER lecker und im Gegensatz zudem modernen Haus ganz einfach aus frischen Zutaten und traditionell hergestellt. Am Abend setzen sich dann Elena und Dumitru zu uns und mit Händen und Füßen erzählten wir wie es uns geht und was wir erlebt haben.

Ein ereignisreicher Tag ging zu Ende. Ich bin froh dass ich Reisetagebuch führe, sonst würde ich bestimmt viel vergessen davon.

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Sonntag, 29.09.2006

Mit Dumitru unterwegs und - frag nie einen Einheimischen nach dem Weg

Wie immer habe ich bei Elena gut geschlafen und dann auch gleich die Vorzüge des modernen Hauses  genutzt und geduscht. Direkt ein bisschen froh war ich, dass die Dusche etwas kompliziert zu bedienen war und ich mich nicht ganz so wie in einem deutschen Mittelklassehotel sondern doch wie in Rumänien fühlen konnte.

Das Frühstück das uns gereicht wurde war überreichlich mit selbstgemachter Paprikapaste, gebratenen Würsten und Ei, Marmeladen selbstgemacht natürlich und Honig.

Wir hatten heute vor uns das Weingut Cotnari und einige Klöster auf dem Weg dahin an zuschauen. Beim Frühstück eröffnete uns Dumitru, dass er sich das erste Mal nach 10 Jahren einen freien Tag gönnen würde und mit uns reisen möchte. Das war eine große Ehre für uns und ich freute mich auf einen schönen Tag.

Zuerst schauten wir uns gemeinsam das Kloster Humor (erbaut 1530) an, welches in dem UNESCO Katalog "Große Denkmäler der Welt" verzeichnet ist. In dem Heftchen "Rumänien - Bucovina - ein Klosterarchipel" ISBN 973-97620-3-4 ist über das Kloster Humor folgendes zu lesen:

In den unendlichen Wäldern am Fuße des Höhenzuges Obcina Mare gründete der Stadthalter Oanâ nach 1400, zur Zeit der Herrschaft von Alexander dem Guten, eine Gebetsstätte im Tal des Flusses Humor. Noch zu sehen sind die Ruinen der Mauern in unmittelbarer Nachbarschaft der jetzigen Kirche des Klosters Humor, die 1530 "durch Kosten und Mühe" des Kanzlers Teodor Bubuiog auf Anregung des Fürsten Petru Rares erbaut wurde.

Das Klösterliche Leben wurde 1785 bei der Annexion der Bukowina durch das Habsburgerreich unterbrochen: bloß die Kirche nahm ihre pfarramtlichen Aufgaben bis zum 1. August 1991 wahr, als der Status eines Klosters wieder hergestellt wurde, dem aber jetzt Nonnen dienen.

Die Architektur

Ein Gebäude in Kleeblattform ohne Turm über dem Schiff, wie auch im Falle anderer Bojarenstiftungen. Das besondere Element ist die offene Vorhalle mit Arkaden, eine Neuerung der Zeit, die sowohl von der lokalen Bautradition als auch von außen kommenden Einflüssen der Renaissance bestimmt war. Eine Neuheit ist auch die Grabkammer über dem Grabgewölbe: vor allem in den unzähligen Tagen der Not wurden hier Wertgegenstände aufbewahrt. Die Fassaden zeigen das bekannte Spiel von Bogen und Nischen, die steinernen Einfassungen an den gotischen, zweiteiligen Fenstern sind rechteckig. Der Wehrturm wurde von Vasile Lupu 1641 errichtet. Restaurationsarbeiten sind im Gange. Die Innenausmalung die mindestens zum Teil von "Toma, Maler aus Suceava" 1535 ausgeführt wurde, bewahrt das ikonographische Schema, betont aber Bewegung und Menschlichkeit des Ausdrucks. (Das heilige Abendmahl, Apsis des Altars, das Gastmahl Abrahams in der südlichen Halbkuppel, Votivbild der Mutter Gottes in der Kuppel des Vorschiffs) Beachtlich sind die Ikonen byzantinischer Art (16. Jahrhundert) , die Porträts der Stifter in den Grabnischen und die Grabsteine.

Die Außenmalerei zeigen voll auf die Kunst des Meisters Toma - die ältesten Freilichtfresken in der Bukowina, wo, wie Kritiker Vasile Drâguţ sagte: "...eine festliche Orchestration von warmen Farben zur Sprache kommt, aus der das Rot glanzvoll hervor tritt". Einzigartig in seinem Wert ist in unserer alten Malerei das Bild der Mutter Gottes mit dem Kindlein im Giebelfeld des Portals; ebenfalls in der Vorhalle lässt sich das Jüngste Gericht von außen sehen, es erhält durch die Arkaden Licht. Während die Nordwand von der Witterung zum größten Teil verwischt wurde, bildet die Südwand einen wahren Kunstschatz. Die Akathhistos-Hymne bedeckt den Großteil der Oberfläche, es treten besonders die Verklärung Marias und die Monumentalkomposition "Die Belagerung Konstantinopels" hervor, ein gewollter historischer Irrtum, Träger der für jene Zeit spezifischen antiosmanischen Botschaft: dazu kommen brennende Scheiterhaufen, der Akathistos des Heiligen Nikolaus und die Legende vom verlorenen Sohn. Die Apsiden der Kirche zeigen die Schar der Heiligen, die nur in der Außenwandmalerei in der Bukowina vorkommt, ein umfassendes Fresko, das ebenfalls als Aufruhr zur Verteidigung der Moldau gegen die Bedrohung des Halbmondes betrachtet wird. Das Evangeliarum von Humor (1473) mit der berühmten Miniatur des Fürsten Stefan des Großen (jetzt im Museum des Kloster Putnas befindlich) und der geschnitzte Thron mit den Auerochsenköpfen bestätigen unter anderem den Wert, der dem Kloster schon seit Anbeginn als Kulturzentrum zukam.

Puhhh, eine Riesenabhandlung, aber die Fresken des Klosters sind immer wieder spannend und interessant und ich stehe jedes Jahr  vor den Wänden wie ein Kind vor einem Bilderbuch und entdecke immer wieder neue und schöne Bilder. Natürlich  lockt mich auch der Grusel, denn besonders im Inneren der Kirche (teilweise gerade auf Grund von Renovierungsarbeiten verdeckt) werden den Sündern die unheimlichsten Dinge angetan, die da reichen von Kopfabschlagen über irgendwelche Körperteile abhacken bis hin zum Kochen in einem großen Kessel. Die Opfer haben allerdings bei diesen Prozeduren keinen so richtig unglücklichen Gesichtsausdruck, also kann das alles soooo schlimm gar nicht sein.

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Im Kloster Humor gibt es noch viel mehr zu bewundern, z.B. die herrlichen Rosen auf den Rabatten, die in allen Farben leuchten und teilweise richtig intensiv duften. Eine andere Sensation ist der Wehrturm, der fast ein bisschen verschämt wie ein Mann neben dem mädchenhaft wirkenden Kloster steht. Diesen Turm zu besteigen ist gar nicht so einfach. Nach oben hin wird der Treppenaufgang sehr eng und die Stufen so hoch, dass ich schon einige Male befürchtete da stecken zu bleiben und nun das Besteigen meinem Mann und Dumitru überlassen habe. Dabei habe ich vor ein paar Jahren mal fast einen ganzen Tag auf dem Turm verbracht. In einer Nachtfahrt von Timisoara nach Humor lernte ich einen Jungen kennen, der Mathematikstudent war. Irgendwie hatten wir einen Draht zueinander und kletterten nach der Zugfahrt gemeinsam auf dem Turm um den ganzen Tag von da oben die Welt zu sehen und auf englisch (was wir beide nicht konnten) und rumänisch (was ich nicht konnte und kann) über die Welt zu philosophisieren. Unterdessen lebt Alex schon seit einigen Jahren in London und wir haben uns  einige Male hin und her besucht.

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Nun wurde es aber Zeit Humor zu verlassen und wir fuhren südöstlich in Richtung Cotnari.. Die Gegend war ziemlich flach und trocken und trostlos und genau so war es um die Dörfer bestellt. Das Kloster Probata, welches auf unserem Weg lag und unbedingt auch besichtigt werden musste, war eine richtige Oase. Die hier lebenden Nonnen hatten auch im ganzen Gelände Blumenrabatten angelegt. Eine kleine Nonne mit dem wohltönenden Namen Finopelia führte uns durch die Anlage. Das Kloster ist ziemlich wuchtig umgeben ist es von 6 m hohen Wehrmauern, mit viereckigen Türmen und den Überresten eines Fürstenwohnhauses. Die Außenbemalung ist mit der Zeit sehr schadhaft geworden, jedoch - so las ich in einem Reiseführer- wäre sie von einer gewissen Eleganz und Durchsichtigkeit der Farben gekennzeichnet. Ich fand das Kloster sehr zart in den dicken Mauern liegend, aber dass kann auch an der kleinen sanftmütigen Finopelia gelegen haben. Über eine unendliche Holperstraße fanden wir nach Harlau. Natürlich mussten wir einige Male nach dem Weg fragen und selbstverständlich kam es dabei zu gewissen Wirrnissen. Nicht umsonst heißt ja eine alte Pfadfinderregel " Frage nie einen Einheimischen nach dem Weg!" Auch auf den abgelegensten Straßen kamen uns Kinder mit Schultaschen entgegen, an die wir aus unseren 2 Riesensäcken Kuscheltiere verteilten. Manche Kinder waren ganz verdattert als wir die Teddys und Tiger und Hunde und Enten und Affen in Ihre Händchen drückten und ich dachte, was wohl passieren würde, wenn in Deutschland ein Auto mit ein paar Verrückten anhält und Kindern Kuscheltiere in die Hand drückt. Bestimmt wäre das schon ein Grund die Polizei zu rufen.

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In Harlau machten wir Station. Ich werde die Stadt als sehr ländlich in Erinnerung behalten und immer diesen Park mit den typisch rumänischen buntbemalten "Umzäunungen" aus Rohr in Erinnerung behalten. Wir parkten das Auto in der Geschäftsstraße und machten uns auf die Suche nach einem Restaurant. Dumitru wirkte irgendwie so unsicher und deshalb übernahm ich die Führung und die beiden Männer liefe hinter mir her. Auf der Straße gab es zwei Etablissement die allerdings keine Speisen feilboten, sondern eher so ganz richtige einfache Bierstuben waren, wie ich gerne besuche, für die sich Dumitru aber zu Tode schämte und ganz leise und niedergeschlagen entschuldigte. Sollte es in Harlau wirklich keine Speisegaststätte geben? Wie gerufen schlenderten zwei attraktive stolze Polizeibeamte an mir vorbei und zu Dumitrus völligem Entsetzen sprach ich die beiden an und fragte nach einem Restaurant. Die Männer konnten englisch und führten uns nach kurzem Überlegen durch die Hinterhöfe eines Neubaugebietes in eine Gaststätte die von Außen recht heruntergekommen aussah und von innen aber nicht nur sehr gutes Essen, sondern auch eine schöne Atmosphäre bot. Es gab Tschorba de burtă und gebratene Leber mit Kartoffeln, was sehr lecker schmeckte. Beim Bezahlen hätte die Kellnerin Thomas fast das Zehnfache des eigentlichen Rechnungsbetrages abgeknöpft - mit diesen Nullen oder doch nicht Nullen - kann man schon mal durcheinander kommen - auch als Einheimische, aber Thomas hat es doch gemerkt.

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Ich hatte mich ja auf dem Hinweg mehr auf die Polizisten als auf den Weg konzentriert und so war ich froh dass Dumitru und Thomas den Rückweg wussten. Nun marschierten die beiden Jungs durch das Neubaugebiet voran und ich stolperte hinterher.

Aus vielen der Neubaufenster schauten Ofenrohre heraus und in einer Erdgeschosswohnung war ein junger Mann gerade dabei ein solches Rohr zu installieren. In allen rumänischen Neubaugebieten sieht man so was und mir wurde erklärt, dass das mit dem gestiegenen Öl - und Gaspreisen zu tun hat, die viele rumänische Familien nicht mehr bezahlen können. Damit sie im Winter nicht frieren müssen, installieren sie Öfen, die mit Holz oder was auch immer beheizt werden können. Allerdings kommt es dadurch auch sehr oft zu Wohnungsbränden.

Wir fanden unser Auto wieder und erreichten nach 10 km die auch in Deutschland berühmte Weinstadt Cotnari. In der Vierteljahresschrift "Ferien in Rumänien", die von der nationalen Tourismusbehörde verlegt wird, kann man über das Weinbaugebiet Cotnari folgendes lesen:

Dieses Weinbaugebiet existiert seit mehr als 7 Jahrhunderten und hatte seinen Höhepunkt zur Zeit Stefan des Großen / 1457 - 1504) erreicht. Dem bekannten Herrscher lagen diese Weinberge ganz besonders am Herzen. Zu Beginn des18. Jahrhunderts war es Dimitrie Cantemir, der in seinem Descriptio Moldavie schrieb: "Der beste Wein wird in Cotnari gekeltert, einem Marktflecken in der Nähe von Harlau...ich wage zu behaupten, er sei erlesener und besser als andere europäische Weine, ja, sogar als der Tokayer..."
Um 1886 schrieb der bekannte deutsche Önologe W. Hamm in einer in Leipzig veröffentlichten Arbeit nachdem er die Sorte "Fleur de Cotnari" aus dem Jahr 1845 gekostet hatte: "Im Jahr 1886 ist dieser Wein noch vollkommen gesund, sehr feurig, stark und aromatisch, ähnlich den spanischen herben Weinen, wie z.B. den Magala-Wein"
Wen wundert es da noch, dass anlässlich der Pariser Weltausstellung 1889 der Cotnariwein den großen Preis errang?
Heute werden in Cotnari Weine erzeugt, die ausschließlich aus autochthonen Sorten stammen, ein seltener Fall in den rumänischen Weinbaugebieten.
Grasă de Cotnari - der König der rumänischen Weine- schimmert wie Altgold und sein Geschmack erinnert an Honigwaben und Bittermandeln. Der Trank soll den Nachtisch begleiten und schmeckt delikat zu Mehlspeisen, Kuchen und Torten.
Die Tamaioasa romaneasca ist auch eine süße Sorte, voller Aromen und passt zu intimeren Gesprächen nach einem guten Essen. Doch vor diesen beiden Sorten sind die Feteasca Alba und die Francusa-Weißweine, die den Geschmack und die Frische der Weintraube bewahrt haben - gute Begleiter der verschiedenen Speisen, wie z.B. ein saftiger Braten, Fisch oder Kohlrouladen.

Die Erfahrung zeigt, dass die aufgeführten Weinsorten es leider nicht in die Supermärkte Deutschlands schaffen. Statt dessen gibt es in den ganz unteren Regalen der Supermärkte ein paar rumänische sehr sehr preiswerte supersüße Weine, die so gar nicht meinen Geschmack treffen.

Ich war schon im Jahr2004 in Cotnari und hatte mit einem Bekannten das Weingut besucht. Ich war damals sehr angetan von der Protzigkeit gepaart mit rumänischer Schludrigkeit und konnte auch an einer kleinen Weinverkostung teilnehmen. Damals standen unsere Sterne gut, den wir wurden sehr ehrenvoll behandelt und durften in einem sehr prunkvollen Saal Platz nehmen. Die großen schweren Stühle hatten aber bestimmt schon einige heftige Erlebnisse gehabt, denn mein Begleiter - auch nicht so ganz federleich- brach fast mit dem ihm zugewiesenen Stuhl zusammen. Ein englischsprechender Verkaufsdirektor führte uns ein paar Weine vor und zeigte uns dann Teile der Produktion. Für ganz wenig Geld konnten wir einige Flaschen des guten Weines erstehen.

Reisebericht Rumänien 2006 von ©Gudrun Pauksch Dieses Mal war es aber anders. Thomas, Dumitru und ich warteten lange in der kitschigen Marmorhalle und als Thomas anfing die Nerven zu verlieren, kam schließlich der Herr von vor 2 Jahren. Um die Haare herum war er ganz zerzaust und er machte einen grauen lustlosen und vor allem verschlafenen Eindruck. Er hatte so gar keine Lust auf uns. Nein, also eine Weinprobe ist nicht möglich, aber er schickt uns jemand der uns Wein verkauft. Ich ließ mich wieder auf diese riesigen Sessel plumpsen. Thomas und Dumitru schritten die riesige Marmorhalle auf und ab. Thomas hatte unterdessen seine Beschäftigung gefunden, in dem er die riesigen Fensterscheiben, die Verkleidungen und auch das Mobiliar einer gründlichen Qualitätskontrolle unterzog und dabei sehr lustige Entdeckungen machten, wie ich an den Lauten die er von sich gab erkennen konnte. Schließlich kam tatsächlich eine Dame, die sah nicht verschlafen, sondern eher nach Migräne aus. Sie führte uns in einen Verkaufsraum der wie ein Museum hergerichtet und wirklich sehr fein war. Wir sollten uns den Wein aussuchen den wir kaufen wollten. Na ja, wenn wir schon mal da sind. Wir wählten ein paar Flaschen auf Gut Glück und diese wurden in Kartons und Beutel verpackt. Aber nur zum Kaufen waren wir natürlich nicht gekommen. Der Wein, den es in Cotnari zu kaufen gibt, ist zwar viel viel besser als der billige Fusel der unter den Namen Cotnari in den Supermärkten hergestellt wird, aber mich und auch Thomas interessieren nicht nur die Endprodukte sondern auch wie was gemacht wird.

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Ich versuchte der Frau zu erklären, dass ich nun noch gern hinter die Kulissen schauen würde. Ich gebe zu, ich tat das vielleicht etwas zu ungeduldig und zu fordernd, jedenfalls verstand die Frau mich nicht und das brachte mich nach der Warterei so richtig auf die Palme. Als wir am Auto waren, war ich - um es gelinde auszudrücken - mit der Gesamtsituation unzufrieden. Mir war zu warm (es war fast Oktober und um die 30 Grad heiß) und wir hatten zwar Wein, aber nix gesehen. Da entdeckte ich einen Weg durch das Gebüsch und war gespannt wo der mich hinführen würde. So gelangten wir genau da hin wo wir hin wollten nämlich in den hinteren Teil der Winzerei. Massenhaft riesige Fässer verbunden mit Rohren und Röhren die mit Rädern versehen  waren und deren poliertes Metall in der Sonne glänzte standen in der Reihe und zeigten uns den Weg zur Weinannahme. In den Boden eingelassen befand sich eine riesige vierteilige Matschmaschine und unaufhörlich brachten Traktoren und - was ich besonders schön fand - Pferdefuhrwerke Trauben, die in die Maschine geworfen und dort zerquetscht wurden. Durch unterirdische blanke Edelstahlrohre verschwand der so gewonnene Saft und die ausgepressten Weintrauben wurden mittels Förderband auf ein Pferdefuhrwerk befördert und wegtransportiert. Es war ein interessantes und emsiges Treiben, ständig kam jemand und brachte Trauben oder schaute oder wollte Geschäfte machen. Dumitru hatte bald Gesprächspartner gefunden und ich verstand mit einem halben Ohr dass es um verschiedene Rebsorten und Hektoliter und "bani" (also Geld) geht.

Reisebericht Rumänien 2006 von ©Gudrun Pauksch Irgendwann erschien die migränebehaftete Weinverkäuferin. Sie wirkte  in der Herbstsonne zwar immer noch zerzaust, war aber viel zugänglicher und netter. Sie bot uns an noch weitere Abläufe zu besichtigten und dieses Angebot nahmen wir sehr gern an. Die Weinanlieferung fand außerhalb der " Weinfabrik" statt und wir mussten direkt auf das Werksgelände, vorbei an einem Pförtner. Jeder weiß, dass Pförtner so ziemlich die wichtigsten Leute in einem Betrieb sind, an dem es erst mal vorbei zu kommen gilt. Der Pförtner der Weinfabrik Cotnari war aber ein ganz unscheinbarer Mensch der uns mit einem Lächeln durch das Tor winkte. Wir befanden uns nun in einer Art Gasse, die rechts durch blitzende Weinsilos (Hunderte) gesäumt war und links von der Herstellungsstrecke bzw. Abfüllstraße die in einem langen Haus untergebracht ist begrenzt wurde.

Wir sahen uns alles ganz in Ruhe an und die Frauen ("Fetice") freuten sich sogar, dass wir Ausländer so neugierig waren und kicherten und wir hörten sie spekulieren aus welchem Land wir wohl kommen. Franca? Germania?

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Ganz hinten war der Anfang der Abfüllstraße. Dort wurden die Flaschen aus Rollcontainern auf ein Laufband gestellt - mit schönem Geschepper - und verschwanden hinter einer Wand. Im nächsten Raum wurden die Flaschen gewaschen und wackelten auf ihrem Laufband laut klirrend durch ein kleines Fenster und kamen in eine vollautomatische und vollständig verglaste Abfüllstrecke. Die nächste Station war die Etikettierung, die im krassen Gegensatz zu der modernen Abfüllerei von ein paar Frauen mit Hand erledigt wurde. Die Flaschen kamen wieder in Rollcontainer und wurden für den Versand fertig gemacht. Damit war die "Weinabfüllung" erledigt, doch es gab noch eine Tür. Auf wackligen provisorischen Treppenstufen stolperte man in eine Art Keller, wo sich neben vielen Kisten mit gefüllten Weinflaschen ein Wasserhahn befand, der aber kein Wasserhahn war, sondern ein Weinhahn. 2 sehr ansehnliche stramme riesengroße Männer waren mit dem Befüllen von Kanistern beschäftig und die Weinverkäuferin überwachte das ganze. 80 Liter brauchten die Männer die extra aus Iaşi angereist waren für eine Taufe. Wir liefen zurück zum Auto und sammelten alle leeren Behältnisse, die wir hatten zusammen und leerten noch eine halbgefüllte Wasserflasche um uns auch einen Vorrat von diesem leckeren Wein anzulegen.

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Über Târgu Frumos fuhren wir nun weiter nach Râsca.
Auch in diesem Kloster, welches sich im Tal des Râsca - Flusses befindet und welches 1542 erbaut wurde stachen die wunderbaren Blumenrabatten ins Auge. Als wir das Kloster betraten, hörten wir ein klägliches Miauen. Wir schauten uns einige Male um und sahen die zum Miauen gehörende Katze nicht. Schließlich entdeckte Thomas das kleine Tierchen auf einem Baum. Es war hinauf geklettert und traute sich nun nicht mehr hinunter. Thomas half ihm und in seiner Angst, zerkratzte der Stubentiger meinem Mann die Unterarme, die dann ein wenig wie Hakfleisch aus sahen Ich bin mir sicher, dass Ende September die allerschönste Reisezeit für Rumänien ist, denn so prächtige Asternbüsche und Studentenblumenmeere bekommt man sicher sonst zu keiner anderen Zeit zu Gesicht.

Aufgefallen ist mir in diesem Kloster auch so richtig bewusst, dass die Nonnen auch Urlaubsreisen in andere Klöster machen. Mit uns war eine Nonnenreisegruppe im Kloster und die jungen Mädchen schritten würdevoll durch die blühende Anlage um dabei auf Schritt und tritt mit ihren Fotohandys Bilder zu machen.

Schließlich wurde es Zeit sich auf den Heimweg zu machen. Dumitru drängelte ganz dezent, denn er musste sich ja noch um die Tiere zu Hause kümmern.

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Samstag, 30.09.2006

Wie die Farbei auf die Eier kommt - zu Besuch bei der Künstlerin Glikeria in Moldoviţa

Um 8.00 Uhr gab es Frühstück und wie nicht anders zu erwarten bog sich der Tisch in Elenas Speiseraum wieder einmal unter den garantiert selbstgemachten und total naturell zubereiteten Lebensmitteln. Mein Mann und ich saßen eine Weile beim Frühstück und wetteiferten anschließend um die witzigsten Texte auf den Postkarten an Verwandte und Freunde und schrieben Tagebuch. Gegen 10 Uhr brachen wir schließlich nach Moldoviţa auf, wo ich Thomas ein weiteres Kloster zeigen und mit ihm die Künstlerin besuchen wollte, die die wunderschönen Ostereier verziert.

Beide Stationen des Tages waren mir bekannt, denn ich war schon einige Male im Kloster Moldoviţa und die Eierkünstlerin hatte ich im April 2005 mit Karpatenwilli besucht.

Von Gura Humorului nach Moldoviţa sind es 40 km, ich hatte die Strecke ein wenig kürzer in Erinnerung. Nachdem wir einen Fluss überquert hatten, verließen wir die Hauptstraße um nach Moldoviţa abzubiegen zu welchem wir auf  einer Nebenstraße gelangten. Damit Thomas ein bisschen mehr Kontakt zu einheimischen Bevölkerung bekommt und natürlich auch um etwas Gutes zu tun, schlug ich Thomas vor den sympathischen Herrn der uns vom Wegesrand winkte mit zu nehmen. Es war ein richtig schöner typischer rumänischer Tramper mit Gummistiefeln und Axt auf der Schulter und einem Hütchen auf dem Kopf. Natürlich riss er sofort die linke Fahrertür auf, doch leider hatten wir uns noch nicht daran gewöhnt, dass wir ab und zu mal jemanden mitnehmen wollten und hatten Taschen und anderen Krempel auf der Rückbank verstreut. Der Herr versuchte sich auf den belegten Platz zu drängeln und fing dabei lauthals an zu reden. Ich sprang schnell aus dem Auto und dirigierte ihn auf den Platz hinter Thomas, der etwas leerer war. Die Autotür fiel zu, ich stieg ein und ab ging die Fuhre. Unser einheimischer Mitfahrer gab sich sehr große Mühe mit uns zu kommunizieren und je mehr er begriff, dass wir ihn nicht verstanden, um so lauter redete er.... er brüllte förmlich!!!! Ich weiß überhaupt nicht was er uns erzählte. Ich versuchte ihn ein bisschen in sein Gespräch zu ziehen und nach seiner Familie oder zumindest dem Ziel seiner Reise zu fragen, aber ich verstand kein Wort von dem was er mir ins Ohr brüllte. Schließlich wollte er einen Stift und Papier und schrieb uns seine Adresse auf. Wir sollten ihn besuchen kommen und könnten auch mehrere Wochen oder Monate bei ihm wohnen. Ein nettes Angebot. Ich versuchte in seinen Luftholpausen immer noch heraus zu bekommen wohin er denn will, aber er deutete, wir sollen ruhig fahren. Er kommt mit wohin wir fahren. Na gut !

Unser erstes Ziel am heutigen Tag war Glikeria, die Künstlerin, die die Ostereier so schön verziert. Ich war ganz stolz dass ich aus dem Gedächtnis heraus den Weg zu ihr fand, obwohl mein letzter und einziger Besuch  ja schon 1,5 Jahre her war.

Wir stiegen aus dem Auto und baten unseren Mitreisenden das auch zu tun. Er merkte dass wir jemanden besuchen wollten und deutete uns, dass er am Auto auf uns warten wird.

Glikeria erkannte mich nicht gleich, aber als ich das Wort Karpatenwilli in den Raum warf, leuchteten ihre Augen ganz groß. Ich holte noch einen Stapel Fotos aus meiner Tasche die wir von ihr im letzten Jahr bei der Arbeit und von den von ihr gemachten Ostereiern geknipst hatten und schon wurden wir begrüßt wie Freunde.

Bald saßen wir in der Küche. Sie hatte noch anderen Besuch, eine Familie aus Hasselfelde die Puppenspieler sind und so ziemlich zum ersten Mal durch Rumänien reisten. Es gab Kaffee mit Honig, den ich allerdings trotz Glikeria Zureden mit großer Vorsicht genoss. Im Vorjahr hatte ich einen schlimmen Husten und Glikeria gab mir einen Löffel Pollen zu essen, was ein ausgezeichnetes Medikament bei Erkältungen sein soll. Doch leider bekam ich von dem Pollen eine ganz schlimme allergische Reaktion, bei der ich das Gefühl hatte auf das doppelte anzuschwellen und vielleicht ein Krankenhaus aufsuchen zu müssen.

Nachdem Kaffee zeigte uns Glikeria ihre kleine Künstlerwerkstatt. Alles war noch wie im Vorjahr, nur dass die bemalten Eier ausgetauscht waren. Ich war nun im großen Vorteil, denn ich kannte die einzelnen Arbeitsschritte. Geduldig zeigte die Künstlerin alles und erklärte Schritt für Schritt und beantwortete  unsere 1000 Fragen mit einem Lächeln, obwohl sie diese ja bestimmt schon alle sehr oft gehört hat.

Es gibt 2 Methoden die Eier zu gestalten. Die erste Methode ist die Eier mit buntem Wachs zu verzieren. Dabei wird der Wachs in verschiedenen Farben in feinen Mustern auf das Ei gebracht, so dass ein buntes Relief entsteht.

Reisebericht Rumänien 2006 von ©Gudrun Pauksch Reisebericht Rumänien 2006 von ©Gudrun Pauksch Reisebericht Rumänien 2006 von ©Gudrun Pauksch

Die traditionelle Methode ist die, wie sie auch die Sorben , die in Sachsen lebende slawische Minderheit anwendet. Es ist eine Heidenarbeit und funktioniert ungefähr so: Auf ein weißes Ei werden alle Stellen mittels eines selbst gebastelten Instruments (bestehend aus Halter und einem ganz feinen Metallröhrchen) mit dunklem Wachs bedeckt, die weiß bleiben sollen. Dann wird das gesamte Ei gelb gefärbt. Nun wird wieder ein filigranes Muster mit Wachs auf dabei gebracht , dass alle Flächen abdeckt die am Endei gelb bleiben sollen. Dann wird das Ei rot gefärbt und akkurat und mit flinken Strich werden zum Schluss alle Stellen abgedeckt die rot bleiben sollen. Zum Schluss kommt das ganze Ei in schwarze Farbe und sieht nun aus wie ein Stück Kohle. Als ich das zum ersten Mal sah war ich sehr erschrocken, denn ich wusste ja, was unter der Schwärze für eine Arbeit steckt. Glikeria sah mein verschrecktes enttäuschtes Gesicht und lächelte mich ermutigend an. Dann zog sie unter ihrem Tisch einen Propangaskocher hervor und hielt das schwarze  Ei über die Flammen. Die Stellen, die sie erwärmt hatte, wischte sie lächelnd mit einem Zellstofftaschentuch ab und es kam ein in weiß, gelb, rot und schwarz leuchtendes wunderschönes Ei zum Vorschein. Im Anschluss werden die Ostereier noch poliert und bekommen eine hübsche Schleife. Natürlich kaufen wir  5 dieser wunderbar filigran gestalteten Eier, obwohl es sehr schwer fällt sich zu entscheiden. Jedes Ei ist anders und alle sind ganz besonders schön. Zum Abschied schenkte und Glikeria noch ein Ei und einen Holzteller, damit wir etwas haben, worauf wir die Eier präsentieren können.

Reisebericht Rumänien 2006 von ©Gudrun Pauksch Der Besuch bei Glikeria dauerte fast 2 Stunden und als wir zum Auto kamen, fiel uns unser Mitfahrer wieder ein. Ihm war es wohl zu langweilig geworden und er war verschwunden. Auch auf dem Weg zum Kloster Moldoviţa sahen wir ihn nirgends laufen. Vielleicht war er erst mal in einem der zahlreichen Magazin Mixt untergekommen.

Obwohl wir auf dieser Reise schon ganz schön viele Klöster angeschaut hatten, wollte ich Thomas nun noch das Kloster Moldoviţa zeigen. Es gehört auch zu den bemalten Klöstern was in den Status  des Weltkulturerbes aufgenommen wurde. Ich war nun schon zum vierten Male hier und trotzdem zog mich auch das Kloster mit der wunderschönen bunten Kirche und den liebevoll gepflegten Blumenbeeten in seinen Bann. Schon das Eingangstor war eine Augenweite, denn des war mit wildem Wein behangen, welcher ein wenig störrisch durch das Tor lugte und durch die Sonnenstrahlen eine ganz besonders schöne kräftige Farbe hatte.

Reisebericht Rumänien 2006 von ©Gudrun Pauksch Wir hätten fast großes Glück gehabt, denn eine Gruppe Schweizer Touristen im eleganten Zwirn wurde von der resoluten stockschwingenden Schwester Tamara (sie spricht deutsch und erklärt auch den Weg zur Eierfrau Glikeria) durch das Kloster geführt. Allerdings kamen wir etwas zu spät und konnten nur wenigen Ausführungen lauschen. Ein Gespräch mit den Schweizern ergab sich dann in der Wartegemeinschaft an der Klostertoilette wo wir uns gegenseitig nach dem woher und dem warum ausfragten und ich- ehrlich gesagt- ganz bescheiden ein bisschen damit glänzen konnte, dass ich schon fast überall da war wo die Gruppe mit ihrem Touribus hingekarrt wurde und noch vieeeel mehhhhrrrrrr.....gesehen habe.

Danach fuhren Thomas und ich gemütlich zurück nach Gura Humorului zum Kloster, wo Elena und Aurica sich Mühe gaben Tischdecken und Teile von Trachten an Touristen zu verkaufen. Allerdings meinten sie mit entsprechender Trauermiene, dass sie am heutigen Tag noch kein einziges Stück verkauft hätten. Naja, so ganz richtig kann man den beiden das nicht glauben, gerade wegen der theatralischen Gesichter!

Reisebericht Rumänien 2006 von ©Gudrun Pauksch >Wir ließen die beiden cleveren Geschäftsfrauen allein um den schönen Friedhof von Manastirea Humor zu besuchen. Immer wenn ich im Dorf bin zieht es mich dahin, auch wenn es vielleicht keine uralten historisch bedeutenden Grabstätten gibt, so strahlt für mich dieses Stückchen Erde doch immer eine wilde Ruhe aus. Wenn man den Friedhof betritt sind alle Grabsteine abgewandt. Man läuft zunächst einen Hügel hinab und sieht nur Grabsteinrückwände. Wenn man sich dann umdreht kann man von unten nach oben die Inschriften lesen und die vielen Blumen sehen. Es gibt ein paar Apfel- und Pflaumenbäume mit besonders großen Früchten wie ich jedes Mal wenn ich im Herbst da bin feststellen kann. An dem Tag unseres Besuches schien die Sonne und auf fast allen Gräbern strahlten die Winterastern üppig in verschiedenen Blau - und Lilatönen.

Doch nicht allein die Atmosphäre zieht mich immer wieder auf den Gottesacker sondern auch ein ganz bestimmtes Grab, welches ich jedes mal lange suchen muss, denn es ist immer sehr verwildert und zugewachsen, obwohl der Tod der jungen Frau gerade mal 7 Jahre her ist.

Reisebericht Rumänien 2006 von ©Gudrun Pauksch Auch dieses Mal machte ich mich (mit Unterstützung von Thomas) auf die Suche nach Nellis Grab. Nelli war die Freundin von Valerica, Elenas mittlerer Tochter. Als ich sie bei meinem ersten Besuch kennen lernte, fand ich diese stark aufgeputzte überlaute schrille Person ziemlich unerträglich. Beim Besuch im nächsten Jahr saß Nelli in der damals noch sehr urigen und einfachen Wohnküche von Elena und war schon bedeutend leiser. Während unserer Unterhaltung zog sie sich auf einmal die Perücke vom Kopf und eine Glatze, an der sie sich kratze, kam zum Vorschein. Es war erschreckend für mich und ich traute mich zunächst gar nichts dazu zu sagen. Schließlich erzählte Nelli, dass sie Krebs habe. Sie war damals schon sehr krank, dass merkte ich, als sie mich in die Stadt begleitete. Sie war noch so jung und so viel ruhiger, sie hatte Schwierigkeiten lange zu stehen und weit zu laufen.

Als ich wiederum ein Jahr später bei Elena zu Besuch war, war Nelli nicht zu Hause sondern wohnte bei Ihrer Tante in Iaşi. Ich fuhr mit dem Zug dahin um Nelli zu sehen und platzte da in eine ganz traurige Stimmung. Nelli hatte furchtbare Schmerzen und lag weinend auf dem Sofa. Die Tante, selber Krankenschwester war machtlos und wusste nicht mehr weiter. Nelli stammt aus einer sehr einfachen Familie ohne finanzielle Mittel und auch die Tante hatte ihr ganzes Geld aufgebraucht. Die beiden erzählten von schlimmen Zuständen im Krankenhaus, davon dass das Essen ganz furchtbar ist und man nicht nur die Ärzte sondern auch die Anästhesisten und Krankenschwestern bestechen muss. Nelli konnte das nicht mehr und so lag sie nach einer schweren OP an ihrem im Nacken befindlichen Knochenkrebs mit einer völlig fremden alten Frau zusammen im Bett.

Ich saß da und war völlig hilflos. Ich konnte dezent etwas Geld da lassen, aber es war alles nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Das war im September und wenige Wochen später ist Nelli gestorben.

Im nächsten Jahr besuchte ich Nellis Mutter die vor Trauer wahnsinnig geworden war. Der Vater ist ein starker Alkoholiker und der Bruder geistig behindert und auch ein Säufer.

2 Stunden saß ich in der kleinen unaufgeräumten und nicht geheizten Kammer und hörte Nellis Mama beim Klagen, schreien und verzweifelten Weinen zu. Unterdessen hat sie sich wohl etwas gefangen und ist nach Italien als Fremdarbeiterin gegangen. Damit finanziert sie die Trunksucht ihres Sohnes und ihres Mannes in Rumänien.

Nun besuche ich jedes Jahr Nellis Grab. Es ist immer mit Unkraut überwuchert und völlig zugewachsen. Ein kleiner blauer Eimer ohne Boden steht neben dem Kreuz, wahrscheinlich schon seit dem es das Grab gibt. Er ist neben dem  einfachen Holzkreuz wie ein Denkmal für etwas Kaputtes.

Mit Thomas befreite ich das Grab von Unkraut und wir vergruben ein paar Tulpenzwiebeln . Bestimmt haben sie in diesem Frühlinge geblüht......

Reisebericht Rumänien 2006 von ©Gudrun Pauksch Reisebericht Rumänien 2006 von ©Gudrun Pauksch

In trauriger Stimmung verließen wir den Friedhof, die warme Sonne, die bunten Blumen machten mich nicht fröhlich sondern unterstrichen meine melancholische Stimmung bis wir den Hügel hinauf gelaufen waren. Doch dann stießen wir das Friedhofstor auf und waren wieder im richtigen Leben, mitten auf der Dorfstraße mit dem bunten Treiben der Fahrzeuge und Pferdefuhrwerke, den alten Leute auf der Bank und weiter hinten den beiden Kirchen und davor Elena und Aurica, die wohl immer noch kein gutes Geschäft gemacht hatten.

Nun  hatten noch einen Besuch bei der Familie der älteren Tochter Elenas vor. Diese Familie lebt ganz nah am Kloster und betreibt eine Pension und macht internationale Geschäfte mit Holz. Die Entwicklung dieser geschäftstüchtigen Leute verfolge ich nun schon seit11 Jahren. Bei meinem ersten Besuch war der älteste Sohn Alexander gerade geboren und die Familie lebte in einem Zimmer einer alten Bauernkate. Von Jahr zu Jahr wuchs der Wohlstand der Familie, erst betrieb man eine kleine Bar, dann wurde ein großes Haus mit Pension gebaut und ein richtiges Sägewerk entstand. Jetzt baut die Familie eine Luxuspension, die 300000 Euro kosten soll und mit 100000 Euro von der EU gefördert werden sollen. Auf der Verbindungsstraße zwischen der Stadt und dem Ortsteil Kloster Humorului hat der Bau schon begonnen. Ich finde es etwas befremdlich dass Fördergelder der Eu für einen derartigen Prunkbau mit Fitnesscenter und Sauna zur Verfügung gestellt wird, zumal da " nur" 5 Arbeitsplätze für einen Zeitraum von 2 Jahren geschaffen werden müssen. Wir hatten also vor diese Familie zu besuchen. Mein erster Gang ist immer zur Großmutter, die in einem kleinen traditionellen Häuschen auf dem Grundstück wohnt. Sie wird im Februar 2007 100 Jahre alt und jedes mal wenn ich Elena besuche ist eine meiner ersten vorsichtigen Fragen, wie es denn der Großmutter geht. Und ich freue mich immer, wenn ich zur Antwort bekomme, dass es ihr gut geht.

Die Großmutter saß vor ihrem alten traditionellen Haus und lies sich von der Sonne bescheinen. Ich begrüßte sie und fühlte mich sehr geschmeichelt, dass sie mich auch dieses Mal wieder erkannte. Es gehe ihr sehr gut erzählte sie mir, nur die Augen hätten etwas nachgelassen. Multe Sanatate, liebe Großmutter wünsche ich von ganzen Herzen.

Reisebericht Rumänien 2006 von ©Gudrun Pauksch Nach dem unherzlichsten Kaffeetrinken zu dem ich in Rumänien jemals eingeladen wurde und das im Haus Stelluza stattfand, besuchten wir noch Elenas mittlere Tochter Valerica die in der Stadt Humorului wohnt und auch dort eine Pension betreibt. Diese jungen Leute, bei den wen ich auch Trauzeuge bin, sind sehr lieb und herzlich und zeigten uns voller stolz ihre liebevoll und geschmackvoll eingerichtete Pension.

Ganz süß sind die beiden Jungs Stefan und Mihai

Den Abend verbrachten wir wieder gemeinsam mit Dumitru und Elena, die uns ein liebevolles Abendbrot gerichtet hatte.

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Sonntag, 01.10.2006

Von der Bukowina ans Donaudelta und ein eingeübter Empfang

Heute hieß es Abschied nehmen von Elena und Dumitru, von Viorica und  allen anderen. Elena fuhr noch einmal ein riesiges Frühstück mit gebratenen Würsten im Eierkuchenteig und gebratenen Pilzen, mit Kalbfleisch und Gurken usw. auf....

Schon von Anschauen war man satt.

Nach dem Frühstück packten wir unsere Sachen und ich machte mich zu Fuß auf dem Weg zur Kirche, den ich bei meinen früheren Besuchen oft gegangen bin um Elena an ihrem Verkaufsstand zu besuchen oder zum Kloster oder zum Gottesdienst zu gehen. Dieses Mal war ich ja mit Thomas und dem Auto unterwegs und so ergab sich die Gelegenheit bisher noch nicht. Um so mehr genoss ich nun den kleinen Spaziergang. Aha, hinter diesem Zaun wohnte ein neuer Hund, der alte war so klein und giftig und jedes Mal wenn ich früher an dem Hof vorbei gegangen war, habe ich überlegt ob ich verpflichtet wäre bei dem kleinen Giftköder Mund - zu -Mund Beatmung und Herz-Druck -Massage zu machen, wenn er vor Aufregung über mich einen Herzanfall bekommt. Beim nächsten Grundstück erinnerte ich mich, dass ich da eines Morgens einen riesigen abgebrühten Schweinekopf (mit Augen und lächelnden Schweinemund) auf einem Hackklotz im Vorgarten gefunden hatte. Um das Haus herum war es still, nur der tote Kopf blinzelte milde lächelnd in die Morgensonne und gleich ein Stück weiter graste die Kuh, um, die ich mir immer ein bisschen Sorgen machte, denn auf ihrer Wiese standen im Herbst die leuchtend lila Herbstzeitlosen in hoher Zahl, von denen ich gehört habe, dass die Zwiebeln sehr giftig sein sollen.

Reisebericht Rumänien 2006 von ©Gudrun Pauksch Der Gottesdienst in der Kirche außerhalb des Klosters ist für mich immer ganz besonders feierlich und weihevoll. Die Leute ziehen zum Gottesdienst ihre besten Sachen an und kommen  feierlich die Dorfstraße entlang geschritten und den von Lebensbäumen eingefassten Weg zur Kirche hinauf, gerade wenn für sie die richtige Zeit zum Gottesdienstbesuch ist. Es ist nicht wie bei uns, dass es einen festgesetzten Beginn gibt, sondern jeder kommt, wann er halt so fertig ist mit den kleinen und großen Verrichtungen eines Sonntagmorgens.

Als ich ankam war die Kirche schon kräftig gefüllt, links hatten die Frauen und Mädchen Aufstellung genommen und der Kirchenchor sang schon in den höchsten aber auch allerschönsten Tönen.

Ich genoss ein paar Minuten die schöne Atmosphäre und ging dann nach draußen, setze mich zu ein paar alten Frauen auf die Bank und hielt nach meinem Gatten Ausschau, der mit Elena und dem vollbepackten Auto zur Kirche kommen wollte. Nach einigen Minuten kamen die beiden auch. Thomas angezogen wie ein Mitteleuropäer und Elena hatte die Tracht an, mit der ich und mein Reisegefährte Haiko Kühne sie damals das erste Mal auf der Straße gesehen und angesprochen hatten.

Wir verabschiedeten uns herzlich und machen uns nun auf den Weg nach Isaccea, wo wir schon erwartet wurden.

Reisebericht Rumänien 2006 von ©Gudrun Pauksch Über Falticeni, Adjud und Tecuci fuhren wir mit einer kleinen Pause bis Galati. Die Landschaft war sehr karg und die meisten der Straßendörfer zogen sich endlos dahin. Unterwegs sahen wir viele Ausflügler, die sich an den seltsamsten Rastplätzen zum Picknick niedergelassen haben. Es entzieht sich völlig meiner Kenntnis und meinem Verständnis, nach welchen Gesichtspunkten rumänische Familieväter die Rastplätze für Ihre Familien aussuchen. Entweder verfahren sie nach dem Prinzip "Sehen und gesehen werden!" Oder sie bevorzugen verkehrsgünstige Lagen wo sich möglichst viele Augen nach Ihrem Abzug über die hinterlassenen Müllberge "erfreuen" können.

In Galati fanden wir ohne viel Mühe die Fähre, die uns über die Donau bringen sollte. In unmittelbarer Nachbarschaft zur Fähre befindet sich ein Touristenkomplex in dessen kleinen Ferienhäuschen ich schon 2 mal übernachtet habe. Doch die waren dieses Mal nicht gefragt, denn in Isaccea wartete ja Costel und Vasile auf uns. Niemals wenn ich an der Fähre von Galati bin, werde ich darauf verzichten, in das zu Reisebericht Rumänien 2006 von ©Gudrun Pauksch dem Touristenkomplex gehörende Restaurant einzukehren und eine Rindfleischsuppe zu essen, denn für mich- ein absoluter Rindfleischsuppenfan- sind diese Suppen dort die Krönung. Leckere kräftige Brühe mit Suppengrün und ordentlich Fleischstücken...dazu ein paar Nudeln... einfach und köstlich.

Da schönes Wetter war, konnten wir unsere Suppen auf der Terrasse löffeln, die Kellnerin behandelte uns mit der bei den rumänischen Kellnern (ja, gut- ES GIBT AUSNAHMEN) Arroganz und während wir auf die Suppe warteten, konnten wir dem bunten Treiben auf und um die Fähre zuschauen.

Nach der Überfahrt waren es noch ca. 50 km zu fahren. Es wurde langsam dunkel und ich war froh, als wir nach einer kleinen Ehrenrunde, doch die Kirche des heiligen Martini fand.

Ich stieg aus dem Auto und musste einige Male um das Haus herum gehen und klopfen und schließlich kam ein ziemlich förmlicher Costel aus dem Eingang heraus.

Costel ist der Pfarrer der orthodoxen Kirsche. Als ich 2005 mit Karpatenwilli durch Rumänien fuhr, war eines unserer Ziele Isaccea, wo wer schon vor einiger Zeit mit einer anderen Freundin den Pfarrer Costel und seine junge energische Frau Carmen kennen gelernt hat. Es war einer dieser typischen Bekanntschaften, die einem in Rumänien so passieren, nämlich zufällig und spontan. Willi traf Costel auf der Straße und zeigte ihm nicht nur die schöne Kirche sondern auch das Projekt, dass er und seine Frau für die hilfsbedürftigen Kinder der Kirchengemeinde unterhalten. Willi war von den netten jungen Leuten angetan und wollte mir das Projekt und natürlich auch Costel und Carmen vorstellen.

Als ich wieder zu Hause war, schrieb ich Willi diesen Brief über unsere Tage in Isaccea.

Lieber Willi, als ich heute die Bilder von unserem gemeinsamen Urlaub im April 2005 durchsah, fand ich ein Bild von Carmen und Costel. Ich musste sehr lachen, weil mich die beiden vom Foto her anschmunzelten und bekam so ein warmes schönes Gefühl im Bauch. Es war sehr nett bei den Beiden und ich habe die fröhliche Gastfreundschaft der jungen Pfarrersleute überaus genossen! Die muntere resolute und kluge Carmen, die schnatternd die Fäden der Gemeinde zusammenhält, und der ruhige würdevolle Preot Costel mit den sanften Augen waren für mich ganz markante Begegnungen auf unserer Reise.

Erinnerst Du Dich an den guten Wein aus Costels Garten und an unsere Diskussion am Küchentisch, die wir mit Händen und Füßen führten über Orthodoxie, den lieben Gott im Allgemeinen und die Biochemie? Erinnerst Du Dich, wie Du dem armen Costel die riesige Salami unter die Nase gehalten hast, die wir für die Kinder mitgebracht hatten und das, obwohl der arme Kerl seit Wochen fastete und deshalb kein Fleisch essen durfte? Ich fand das SEHR gemein von Dir und Costel ist für mich seither ein Held, weil er sich zurück halten konnte und Dich nicht SOFORT erschlagen hat, mit der Salami!

Erinnerst Du Dich auch noch an die vielen Blumen im Wald über dem Kloster Cocos und das saftige Grün des Bärlauch, der wuchs soweit das Auge reicht? Und erinnerst Du Dich daran, wie wir den Bärlauch für das Abendbrot pflückten und Costel in seinem Talar würdevoll immer wieder über das fußlange Kleidungsstück durch den Wald stolperte? Ich weiß nicht warum, aber Talare flößen mir Ehrfurcht ein, so wie anderen Menschen Arztkittel oder das Wort Gesundheitsamt. Ich muss heute noch lachen, wenn ich daran denke, wie Costel Dich um den Autoschlüssel bat, weil er sich umziehen wollte. Ups, kaum hatte er den Talar abgelegt, wurde aus dem würdevollen Hirten ein ganz normaler Mensch in Jogginghose, T-Shirt und Gummisandalen. Ich gebe zu, ich war ein bisschen enttäuscht, und ich überlege noch heute, was ich eigentlich unter dem Talar erwartet habe!

Oder erinnerst Du Dich, als wir den Ausflug zu der römischen Ruinenburganlage Noviodunum machten und Costel die Eidechse fing? Oder wie ich an der Donau verhaftet wurde, und Du das auch noch lustig fandest? Es war schon sehr lustig und interessant in Isaccea!

Zu Carmen und Costel habe ich heute noch engen Mailkontakt, da die Beiden ja das Kinderprojekt betreuen. Dieses Projekt gefällt mir sehr gut, und ich halte es für überaus SINNVOLL, es nach meinen besten Kräften zu unterstützen. Am besten gefällt mir, dass es ein Projekt ist, das von Rumänen, also von Carmen und Costel, ins Leben gerufen und aufgebaut wurde, ohne jeglichen Einfluss oder Mitwirken von ausländischen Initiatoren. Im Moment werden 22 Kinder aus sozial schwachen Familien betreut, das heißt, die Familien sind Sozialhilfeempfänger! Die Kinder gehen nach der Schule in das Kinderhaus und bekommen eine warme Mahlzeit. Dann werden gemeinsam die Hausaufgaben gemacht, und anschließend wird gebastelt oder gespielt. Bevor die Kinder wieder nach Hause gehen, bekommen sie noch mal etwas zum Essen. Carmen erzählte mir, dass für einige Kinder das Essen in der Einrichtung die einzigen Mahlzeiten am Tag sind. Bis zum Juni wurde das Projekt gefördert. Für jedes Kind bekam Carmen pro Tag 2 Euro, und für dieses Geld wurde das Essen, das Personal und die Nebenkosten bezahlt. Es ist schon ein Wunder, wie Carmen das hinbekommen hat, aber schließlich ist sie ja auch studierte Ökonomin. Seit Juli sieht es aber nun ganz schlecht aus mit dem Projekt, denn es gibt keine Unterstützung mehr, da die Förderung ausgelaufen ist. Eigentlich sollte die Gemeinde das Projekt nun unterstützen, aber auch diese Kassen sind leer. Die Lehrer bringen nun für die Kinder Lebensmittel von zu Hause mit, Dinge, die im Garten wachsen, wie sich Carmen ausdrückte! Aber ich frage mich, was das jetzt im November wohl sein wird. In meinem Garten wächst nix mehr! ...

Auf Deiner Internetseite, die Du über einen früheren Besuch in Isaccea gemacht hast, steht, dass für die Kinder Computer angeschafft werden sollten, und geplant war, die Einrichtung baulich zu verändern. Diese Vorhaben sind nun realisiert. Und ausgerechnet jetzt, nach dem Wegfall der finanziellen Förderung, steht alles in Frage und es geht nun um das tägliche Brot - und das buchstäblich!

Auf jeden Fall ist das Projekt etwas, für das sich aus meiner Sicht JEDE Unterstützung lohnt. Meine Kollegen und ich machen in diesem Jahr eine Weihnachtspaket-Aktion für die Kinder und schicken ihnen persönliche Geschenke. Carmen erzählte uns, dass manche der 7 bis 15-Jährigen noch nie von ihren Eltern ein Weihnachtsgeschenk bekommen hätten. Auch die alten Leute im Dorf sollen bedacht werden, und so werden ca. 70 Pakete im Dezember auf die weite Reise in den Osten Rumäniens gehen, alle individuell und mit viel Liebe gepackt. Was aber noch viel wichtiger wäre als unsere Pakete, wäre, wenn wir Carmen auch finanziell unterstützen könnten. Jede Geldspende, und sei sie noch so klein, würde helfen das Projekt am Leben zu halten und Hilfe zur Selbsthilfe geben.

Eine gute und sinnvolle Betreuung und Beschäftigung für die Kinder zu ermöglichen, damit sie einen guten Start in das bestimmt sowieso schon zu schwere Leben haben halte ich für eine sehr effektive Arbeit. Deshalb lieber Willi, bitte ich Dich, Augen und Ohren offen zu halten und vielen Leuten von Isaccea und Carmen, Costel und den Kindern zu erzählen. Und sollten sich Menschen finden, die das Kinderprojekt finanziell unterstützen wollen, dann leite diese bitte an mich weiter. Das Spenden von gebrauchter Kleidung oder Spielsachen halte ich übrigens gerade hier aber auch überhaupt für wenig sinnvoll!

Mit lieben Grüßen, Gudrun
.

Seit dieser Zeit unterstütze ich das Projekt in "loser" Form und wollte nun natürlich auch Thomas zeigen, wo so manche von ihm und mir und von vielen anderen lieben Menschen gespendeten Euros "hingehen"!

Reisebericht Rumänien 2006 von ©Gudrun Pauksch Nun waren wir da und wie schon geschrieben machte uns Costel die Tür auf und begrüßte uns etwas steif. Wir wurden höflich in die Wohnstube gebeten und neben Costel tauchte ein weiterer, etwas älterer Herr auf. Dieser war Vasile, Costels Schwiegervater. Carmen, die Hausherrin bekamen wir nämlich leider während unseres ganzen Aufenthaltes nicht zu Gesicht, da sie in Bukarest weilte um dort in einem Krankenhaus ihr erstes Kind zur Welt zu bringen. Aber die resolute Carmen dirigierte, wie wir mitbekamen ihre beiden Männer gezielt und wirkungsvoll auch aus dem Entbindungszimmer. Der förmliche Costel und sein Herr Schwiegervater dirigierten uns also in das Wohnzimmer und baten uns Platz zu nehmen. Höflich stellten sie sich vor uns hin und Costel zog einen Zettel und versuchte eine - wie ich später mitbekam nach dem Hören aufgeschriebene offizielle Begrüßungsrede zu halten. Er hatte sicher sehr geübt. Er war sehr ernst. Der Schwiegervater hatte auch einen sehr offiziellen Blick. Costel mühte sich sehr. Ich hatte zunehmend Mühe ernst zu bleiben und auch sehr große Mühe etwas zu verstehen. Costel stammelte weiter und ich verstand kein Wort. Dann geschah es. Ich konnte nix dafür. Es platze förmlich aus mir heraus. Ich musste so lachen. Lachend stand ich auf und umarmte Costel und Vasile und von den beiden fiel eine tonnenschwere Last. Sie wurden mit einem Schlag irgendwie richtig SONNIG und baten uns in die gemütliche Küche mit dem Tisch in der Mitte und den urigen Holzhockern, wo wir uns niederließen und bei Vasilis gutem Essen, Ţuică und Wein, doch noch so richtig gut ins Gespräch kamen, auch wenn Costel und Vasile kein Wort deutsch oder englisch und Thomas fast kein Wort rumänisch verstand. Irgendwie ging es und wir hatten einen schönen und lustigen Abend. Vasile umsorgte uns wie es keine deutsche und rumänische Hausfrau es besser gekonnt hätte und irgendwann fielen wir müde und zufrieden ins Bett.

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Montag, 02.10.2006

Wie mein Mann einen Frosch geangelt hat

Um 8 Uhr standen wir auf und Vasile war schon dabei für uns ein leckeres Frühstück zu zubereiten. Zunächst kamen wir dazu unser vollgestopftes Auto zu entleeren, denn bisher war es ja bis unter das Dach mit Geschenken für die Kinder des Projekts vollgestopft. Wir hatten säckeweise Plüschtiere, Kartons mit neuer Kleidung, Bastelmaterial und sogar ein Puppenhaus und ein Puppentheater mit. Ganz zu schweigen von einem riesigen Barbiewohnmobil mit dem Thomas und ich schon heimlich in unserem Wohnzimmer ein bisschen gespielt hatten und über das wir sehr Reisebericht Rumänien 2006 von ©Gudrun Pauksch gestaunt haben, weil es mit seinen kleinen Einrichtungsgegenständen sehr sehr kitschig ist. Das alles packten wir nun erst mal in das Büro der Stiftung um es später den Kindern, wenn sie nach der Schule ins Projekt kommen zu überreichen. Thomas hatte für jedes Kind einen Rucksack mit Trinkflasche ( gesponsert vom Wasserwerk Leipzig) vorbereitet und auch diese sollten die Kinder später erhalten. Da der Unterricht in Rumänien oft in 2 Schichten abgehalten wird, z.B. die größeren Kinder erhalten vormittags Unterricht und die kleineren am Nachmittag, trafen wir tatsächlich 3 Kinder im Aufenthaltsraum der Stiftung an. Ich konnte mich nicht  beherrschen und stellte das rosafarbene Barbywohnmobil auf den Tisch. Für die Kinder war das ein richtiges Wunder. Sie bekamen riesige Augen und trauten sich zunächst gar nicht richtig etwas anzufassen. Das kleine Mädchen war richtig verzaubert und Thomas erklärte den beiden ca. 8 jährigen Jungs die technischen Details und die Bedienung. z.B. konnte man an dem Fahrzeug eine vorbeiziehende Landschaft "einschalten" was für mich die Krönung des Kitsches war. Ich fand die Freude der Kinder sehr beeindruckend aber auch, dass sich alle verstanden und miteinander  kommunizieren können, ohne die Sprache des anderen zu beherrschen.

Costel - nun im Talar (ICH WEISS JA NUN DASS PREOTEN "DRUNTER" haben und dass sie auch nur Menschen sind), zeigte uns seine Kirche, die vor 6 Jahren renoviert wurde und neue Wandmalereien erhielt. Thomas durfte sogar mit "hinter" den Altar, ein Privileg, welches nur Männer haben. Frauen würden diesen heiligen Raum entweihen! Tja!

Reisebericht Rumänien 2006 von ©Gudrun Pauksch Reisebericht Rumänien 2006 von ©Gudrun Pauksch

Reisebericht Rumänien 2006 von ©Gudrun Pauksch Costel ist ein leidenschaftlicher Angler und oft ist es ja so, dass man denkt, das was einem selber Spaß macht, muss auch den anderen gefallen und so hatte sich Costel als besonderen Höhepunkt des Tages ausgedacht mit uns Angeln zu gehen. Er suchte seine Bambusangeln zusammen, die so lang waren, dass sie nicht in den Dacia passten und ließ Vasile und Thomas in sein Auto steigen. Dann befestigte er mit einem Strick die Angeln seitlich an der Außenseite der Türen, so dass die Fischereiwerkzeuge nun vorn und hinten über das hinaus ragten. Nun konnten auch ich und Costel ins Auto steigen und wir fuhren circa 10 min ein paar aufgeweichte Feldwege entlang, die sich parallel zur Donau befanden. Ich war ja gespannt was für ein lauschiges Plätzchen uns Costel raussucht...aber es war dann einfach nur eine Art Tümpel, wo wir ausstiegen, die Angeln von den Türen banden und an 5 Ruten Regenwürmer badeten. Thomas- ganz Städter - hatte so gar keine Erfahrung und auch gar keine richtige Lust zum Angeln und ich als Fischertochter aufgewachsen sehe im Angeln eigentlich auch nicht ganz den Sinn, da man doch Fische viel schneller mit einem ordentlichen Netzzug haben kann. Ich bekam keine Angel zugeteilt, sondern war nur dazu da die Männer für ihre gefangenen Fische zu bewundern. Ich beobachtete Wasserschlangen und Frösche, und auch ein paar Eidechsen, die wie kleine Saurier aussehen und sich sogar fangen ließen. Ab und zu kam auf dem Feldweg ein Traktor oder Pferdefuhrwerk entlang gescheppert dessen Fahrer und Insassen verwundert den Kopf verdrehten, um zu sehen mit wem denn der Herr Pfarrer heute auf Angeltour ist. Am besten haben mir aber die beiden Kühe gefallen, die am anderen Ufer ganz ruhig und gemütlich grasten. Die Sonne beschien sie so, dass sie schwarz und zusammen mit den am Ufer wachsenden Pflanzen fast wie filigrane Scherenschnitte aussahen, die immer mal einen riesigen Kuhfladen fallen ließen. Und ich hatte Zeit und musse und mich z.B. darüber zu amüsieren, wie Vasile- sowieso sehr zappelig und sehr ungeduldig veranlagt - um den ganzen Teich wanderte um den besten Platz zum Angeln zu finden. Aber er hielt es nicht länger wie 5 min an einer Stelle aus. Thomas blieb an Ort und Stelle und badete geduldig seine Würmer. Neben 2 großen Ästen hatte er auch einen riesigen, WIRKLICH riesigen Frosch - und einen mittelgroßen Fisch an der Angel. Nach 5 Stunden. Es war heiß, Thomas bekam einen Sonnenbrand und eigentlich wäre es nicht schlimm gewesen, wenn wir nach 2 Stunden wieder nach Hause gefahren wären. Aber Costel war ganz vom Jagdfieber ergriffen. In bester Laune zog er ca. 20 Fische aus dem Teich und seine Schadenfreude über die Erfolglosigkeitseiner Mitjäger war nicht ganz zu übersehen. Mein Mann war nun unterdessen schon so rot wie eine Tomate und " unterirdisch" auch leicht frustriert, über seine magere Beute. Meine aufmunternden, tröstenden und witzigen Kommentare und Aufheiterungsversuche verzischten wirkungslos. Alle atmeten auf, als die Angeln eingepackt wurden und wir zurück ins Pfarrhaus fuhren.

Reisebericht Rumänien 2006 von ©Gudrun Pauksch Dort bereitete uns Vasile schnell ein Mittagessen, das wir dann gemütlich unter dem vor dem Haus befindlichen Dach aus Weinblättern einnahmen. Anschließend machten sich Vasile und die Haushaltshilfe über die (bis auf einen) von Costel gefangenen Fische her. Ich kenne es ja so, dass die Fische erst getötet und dann geschuppt und aufgeschnitten werden. Zu meinem Entsetzen war hier die Reihenfolge ganz anders. Die Fische wurden bei lebendigen Leibe geschuppt und dann aufgeschnitten. Ich versuchte Vasile mein Entsetzen zu erklären, aber obwohl wir uns immer verstanden, verstand er mich hier nicht. Die armen armen Fische!

Reisebericht Rumänien 2006 von ©Gudrun Pauksch Nach dem Mittagessen sind wir zu den Kindern vom Projekt gegangen. Nun waren ca. 15 Kinder und auch ein schmucker Koch und eine sehr resolute und förmliche Lehrerin da. Natürlich wusste sie das wir kommen, aber ich glaube die arme hatte sich etwas anderes, so in etwa etwas wie eine Delegation unter unserem Besuch vorgestellt. Es lag eine gewisse Steife in der Luft, die aber bald verflog, als wir den Kindern das Puppenhaus überreichten und es aufbauen ließen. Alle waren begeistert und sogar Costel erschien- pathetisch im Talar gekleidet - und stand entzückt vor dem Puppenhaus und richtete verschämt ein paar Schlafzimmermöbel gerade aus. Auch das Puppentheater war ein Gaudi. Wir bastelten aus Holzkochlöffel und einem winzigen Teil unserer vielen mitgebrachten Bastelsachen Figuren für Schneewittchen und die 7 Zwerge. Mit den Figuren wollten nun auf einmal alle anwesenden Kinder in das aufgebaute Zeltpuppentheater. Das war ein richtig schönes Gedrängel.

Ein weiterer Höhepunkt war unsere Heißklebepistole. Thomas wies einen älteren Jungen als Heißklebepistolenverantwortlicher ein und dieser übte seinen Job sehr ernsthaft und gewissenhaft und auch unfallfrei aus. Ungefähr 2 Stunden blieben wir bei den Kindern, dann hatte der schmucke Koch eine riesige Ladung Eierkuchen fertig und Costel holte uns ab, damit wir noch einen Ausflug in das nahe gelegene Kloster Cocos machen konnten. Wenn wir mit Costel allein waren, war der immer so ein richtiger Lausejunge und es war für mich faszinierend wie Thomas und er sich ohne Kenntnisse der Sprache des anderen verständigten. Waren wir aber in der Öffentlichkeit, lief Costel anders, sprach anders und strahlte eine große Würde aus. Auf unserem Weg zum und auch im Kloster mussten wir immer wieder anhalten, weil alte oder auch junge Menschen sich von Costel segnen und ihm die Hand küssen wollten. In diesen Momenten war mir Religion völlig fremd. Costel ist ein Mensch aus Fleisch und Blut, er ist, trinkt lacht und geht auf Toilette wie jeder anderer...

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Das Kloster Cocos ist schön. Ich hatte es schon im Jahr zuvor mit Karpatenwilli, Costel und Carmen besucht.

Reisebericht Rumänien 2006 von ©Gudrun Pauksch Heute aber richteten wir unser Hauptinteresse auf die kleine Farm, die zum Kloster gehört und bewunderten die Truthähne (ich führte Willis Trick mit der Zwiesprache mit den Putern vor und Thomas war beeindruckt), die Schweine und die putzig dreinschauenden Strauße. Auch ein hübscher Esel war der, der unter einem Baum Pause machte.

Den Abend verbrachten wir wieder in Costels Küche. Vasile hatte die Fische(die armen) zubereitet, in dem er sie gesalzen und in Maismehl gewendet und anschließend in der Pfanne schön knusprig gebraten hat. Danach wurden sie in kräftiges Salzwasser eingelegt und kalt gegessen. Sie waren, wenn man mal davon absieht wie sie zu Tode gekommen sind, unheimlich lecker. Es gab Wein und Ţuică und bis spät hatten wir Spaß und lachten.

Wir wollten auch etwas zur gemütlichen Runde beitragen und holten eine Flasche unserer Spezialabfüllung von Cotnari. Costel trank höflich einen Schluck und teilte uns dann mit, dass ihm Wein aus Cotnari prinzipiell nicht schmeckt. Er würde nur Wein aus Murfatlar trinken.

Vasile lief die ganze Zeit wie ein aufgescheuchtes Huhn um uns herum und fragte aller 5 min ob wir etwas davon oder davon oder vielleicht hiervon wollten. Schließlich gelang es mir ihn nach seinem Beruf zu fragen. Es stellte sich heraus dass er Pensionär ist und früher mal Inspektor für ...? ? irgend etwas ganz wichtiges war.

Neben Schnaps (mehrere verschiedene Sorten) stand auch Wein (mehrere verschiedene Sorten), Bier (eine Sorte), Mineralwasser und Milch in diversen Flaschen und Gläsern auf dem Tisch und wir sprachen diesem und jenem Getränk auch sorglos zu (es gibt ja an so einem Abend unendlich viele Gründe auf irgend etwas anzustoßen.

Irgendwann holte ich die CD mit der Musik von Viorica und Costel und Vasile waren sehr begeistert von den tiefen warmen Gesängen und schließlich tanzten sie in der kleinen Küche um den Tisch... das alles war schon sehr sehr gemütlich, aber weil wir am nächsten Tag etwas besonderes vorhatten, war es wohl doch besser zu Mitternacht ins Bettchen zu verschwinden.

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Dienstag, 03.10.2006

Auf Angeltour im Donaudelta

Um 6.30 Uhr weckte uns Vasile. Der Frühstückstisch war gedeckt und nach dem munteren Abend war der Morgen ziemlich still um den Tisch. Um 7 Uhr stiegen wir ins Auto und fuhren in das ca. 36km entfernte Tulcea, welches das Tor zum Donaudelta ist. Tulcea  hat ca. 90 000 Einwohner und wurde ca. im 8. Jahrhundert vor Christus gegründet. Die Römer benutzten die Stadt als Hafen für ihre Kriegs- und Handelsflotte. Wie viele Gebiete in Rumänien wechselten die Herrscher, mal waren es die Byzantiner mal die Walachen. Ca 1416 wurde die Stadt von den Osmanen unterworfen. Die Eroberungen gingen "Hin und Her", aber unter dem Strich ist Tulcea immer eine wichtige Hafenstadt gewesen und heute ein- oder auch DER Ausgangspunkt für Touren ins Donaudelta.

Costel hatte einen Bekannten namens Ion, der Bootstouren anbietet. Mit dem waren wir am Hafen von Tulcea um 8 Uhr verabredet. Wir waren ein bisschen überpünktlich und standen nun am Anfang der Uferpromenade im Trüben und es war kalt und unfreundlich. Um uns herum tollten Straßenhunde in mehreren Rudeln, die sich gegenseitig Abfälle abjagten und miteinander spielten oder kämpften. Vor ein paar Jahren war ich auch schon einmal hier und habe mir die Zeit an der Uferpromenade vertrieben. Mit einem Raketenschnellboot bin ich damals nach Sulina gefahren und um mir die Zeit zu verkürzen, war ich die Uferpromenade auf und ab spaziert und habe mir die großen und kleinen Schiffe und Boote angeschaut. Irgendwann wird die Promenade bestimmt auch mal ganz toll und es werden schicke Restaurants und Geschäfte entstehen. Bis jetzt hat die holprige Promenade aber diesen maroden Charme, wie vor ein paar Jahren ein Rumänienkenner seinen Gesamteindruck von Rumänien umschrieb und damit in der Rumänienkennerszene Empörung hervor rief. Auch heute gibt es schon einige Restaurants und in einem dieser kaufte ich mir vor 6 Jahren eine Portion Mici. Mici sind längliche Klopse die mit Natron angereichert werden und dadurch diesen besonderen Geschmack erhalten und von denen man noch Wochen später aufstoßen muss. Ich mag diese Dinger nicht, nie und nirgends und halte es auch für SEHR gefährlich Mici von Straßenbratereien zu kaufen, aus hygienischen Gründen. Trotzdem gerate ich immer wieder in Situationen wo ich es TROTZDEM tue. Das endet meistens so, dass ich in ein "so ein Ding" reinbeiße, das unnatürlich rosa (blutig) schimmernde Fleisch im Inneren  sehe und mich geschwind nach einer Möglichkeit umschaue den fauligen Geschmack wegzuspülen (viiiieeeel Bier oder viel Ţuică zur Desinfektion) und mich der restlichen 3-10 Mici unauffällig zu entledigen. In Tulcea ist das kein Problem. Man braucht nur etwas essbares in der Hand zu halten und schon wird man von zehn bis 21 STÜCK Hundeaugen angehimmelt.

Als Dank für die Fütterung hat man für den restlichen Spaziergang eine schwanzwedelnde Hundefangemeinde, die geschlossen auf Tritt und Schritt folgt und vor der man nicht fliehen kann. So muss es Tokiohotel und Robby Williams gehen.

Reisebericht Rumänien 2006 von ©Gudrun Pauksch Aber nun zurück zum Geschehen am 03.10.2006. Wir warteten also auf Ion, sahen den Hunden zu und froren ein bisschen. Die Zeit schritt voran und nach einer gerade noch erträglichen Wartezeit erschien ein dünner älterer (?) Mann. Ich hatte mir die Boote ja schon ein wenig angeschaut und als Ion auf das- sein- Boot zuging, war ich der Meinung, dass wir nicht das schlechteste erwischt hätten. Es war ein kleiner lustiger Kutter, dessen Namen ich leider vergessen habe. Es ging die steile Uferbefestigung hinunter und über ein mir sehr wacklig und kippelig erscheinenden Steg (natürlich quietschte ich ein wenig- aber Thomas kann mit solchen Situationen umgehen und gab mir seinen starken Arm zum Halt) gelangten wir auf das Boot, welches über eine richtige Kajüte mit 8 Betten, ein Klo (ich ging da lieber nicht rein, weil ich Angst hatte dort stecken zu bleiben) , ein Sonnendeck und eine kleine Kabine für den Kapitän Ion hatte, wo das Steuerrad und diverse andere nautische Geräte untergebracht waren.

Zuerst fuhren wir den Hauptarm der Donau entlang. Ich bin diese Strecke schon 3 oder4 mal mit dem Schiff und einmal 2005 mit dem Auto mit Karpatenwilli gefahren. Vom Wasser aus ist die Strecke ziemlich unspektakulär. Es gibt rechts und links Wälder, immer mal ein paar Häuser und ein paar Angler, die am Ufer ihre Zelte aufgeschlagen haben. Am interessantesten waren noch die Schiffe die uns begegneten und von wirklich riesigen Containerfrachtern bis hin zu Ruderbooten reichten.

Als ich mit Willi versucht habe weit möglichst mit dem Auto ins Delta vorzudringen, sind wir gerade mal bis Gorgova gelangt. Im Frühjahr 2005 herrschte Hochwasser und die holprige Straße war hinter dem Ort überschwemmt und alle Orte nur noch per Schiff zu erreichen. Trotzdem war es sehr interessant durch die Orte zu fahren, die von Ukrainern und Lipovener besiedelt sind. Die Häuser hatten für mich einen eindeutig russischen Märchenerzählerinneneinschlag mit ihren grünen und blauen Anstrichen und den Verzierten Giebeln. Auf den Wegen suhlten sich Schweine und vom Weg aus sah man viele alte Bäume die ihr Leben lang nasse Füße haben. Der Hauptarm der Donau ist natürlich ganz anders, denn er ist der wichtigste Weg im Delta und muss deshalb ordentlich befestigt und die Fahrrinne ausgebaggert sein, damit auch die ganz großen Schiffe die Wasserstraße befahren können.

Vor Baba Rada bogen wir nach Mila 23 ab, was soviel wie 23.Meile bedeutet. Uns war übrigens ziemlich kalt auf dem Boot und Ion schleppte uns eine Decke nach der anderen heran und wir versuchten uns mit Ţuică ein bisschen aufzuwärmen. In Mila 23 war unser Rastplatz. Ich hatte von dem Ort schon viel gehört und stellte mir so eine Art Touristenzentrum vor. Aber so war es nicht, sondern es war ein wirklich armes Dorf.

In einem Reisebericht im Internet fand ich unter diesem Link http://www.geogr.uni-goettingen.de/hg/Karpaten/Route/Protokol/prot2403.htm diese Erläuterungen

Mila 23

Es ist ein typisches Fischerdorf an einem alten Donauarm des Sulina Stroms, das seinen Namen nach der 23. Flussmeile erhielt. Guter Ausgangspunkt für Ausflüge in den Deltadschungel. In der Nähe befinden sich schwimmende Schilfsinseln und ein Pelikanreservat.
(Quelle: Marco Polo, 2001)

Bevor ein künstlicher Kanal gebaut wurde, war die Entfernung von Mila bis zum Schwarzen Meer 23 türkische Seemeilen. 1 türkische Seemeile beträgt ca. 1,6 km. Die künstliche Inselplattform war nur mit dem Boot erreichbar. 90 % aller Fischarten im Donaudelta kommen auch dort vor. Aufgrund des vorkommenden Lehmbodens ist keine Landwirtschaft möglich. Das Dorf ist 150 Jahre alt. Es leben hier 300 Einwohner, größtenteils Russen und Lipovener. Die Einwohner sind sehr religiös. Des weiteren ist eine Schule (1. bis 8. Klasse) vorhanden. Der Lebensstandart ist allgemein sehr niedrig, da neben schlechten Verkehrswegen auch keine Wasserleitungen vorhanden sind.
Das Dorf ist bis zum Kanalbau mit dem Deich, alle ein bis zwei Jahre überschwemmt worden. Die 100 Jahre alte Kirche stand dadurch ständig unter Wasser. Die Einwohner bauten 1985 eine Plattform in die Kirche, um auch bei Hochwasser zur Kirche gehen zu können.
Die Kirche und Plattform hielten nicht lange dem Wasser stand -> Einsturz der Kirche. Während des Kommunismus war es verboten, eine neue Kirche zu bauen.

Reisebericht Rumänien 2006 von ©Gudrun Pauksch Reisebericht Rumänien 2006 von ©Gudrun Pauksch

Genau so sahen wir Mila 23. An der Schiffsanlegestelle eine kleine Bar mit Kaffee und einer Art Lagos sowie natürlich Schnaps und Bier im Angebot und ein kleiner Laden, der so das übliche Sortiment anbot. Wir machten einen Spaziergang und kamen an der Schule, auf dessen Schulhof die Kinder in Uniform ihre Pause vertobten und am Dorfplatz der unter Wasser stand vorbei. Die Wege waren matschig und die Häuser ohne Ausnahme klein und verwohnt. Überall schnatterten Enten und Gänse und hier hatte ich ganz besonders den Eindruck, dass die Zeit stehen geblieben ist. Wir machten uns nach dem wir einen Kaffee getrunken hatten und davon und auch von unserem Spaziergang erwärmt waren mit unserem Boot weiter auf den Weg durch das Delta. Jetzt wurde es richtig schön. Ion bog auf kleine Nebenarme ein und wir sahen nun viele schön alte Bäume, Wasserpflanzen, viele Vögel ( trotz unserem laut knatternden Motor). Es ist unvorstellbar wie filigran die Arme und Ärmchen und Ärmelchen des Deltas sich verzweigen und auch beeindruckend, dass sich die Bootsführer da durchfinden.

Reisebericht Rumänien 2006 von ©Gudrun Pauksch An den Ufern trafen wir auch hier immer wieder Angler, die es sich in Zelten und Schilfhütten mit ganzen Sippen gemütlich gemacht hatten. Manche waren so stolz auf ihren Fang, dass sie ihn mit geschwollener Brust hochhoben und ihn uns präsentierten als wir vorbeigeknattert kamen. Costel saß die ganze Zeit eigentlich ziemlich phlegmatisch da. Er war müde und fror und legte sich ab und zu mal runter in die Kajüte um eine Runde zu schnarchen. Als er aber die Fische sah wurde er richtig lebendig und wackelte unruhig hin und her. Mein Mann konnte der Angelei nicht so richtig etwas abgewinnen und auch durch seinen Misserfolg am Vortag war er kein Angelfreund geworden.

Schließlich warf Ion an einer Art Flusskreuzung das Boot an. Es war nicht so, dass wir im Gegensatz unserer kilometerlangen Fahrt durch das Delta allein waren, sondern es musste sich wohl um einen sehr berühmten und beliebten Angelplatz, ja fast ein Angelzentrum handeln. Mehrere Schiffe und Boote hatten da festgemacht und viele Männer hielten ihre langen und kurzen Ruten ins Wasser.

Reisebericht Rumänien 2006 von ©Gudrun Pauksch Eventuelle Fänge wurden lautstark gefeiert, besonders wenn es sich um Prachtexemplare handelt. Nun war auch die Zeit für Costel gekommen. Ion packte eine Ladung winzige Fische auf den Tisch und Costel nahm sich eine der bereitgelegten Angeln und bohrte einem der Tiere ganz unchristlich den Haken durch Auge um ihn dann ins Wasser zu lassen. Thomas zögerte noch, aber als nach einigen Minuten der erste Fisch an Costels Angel zappelte erwachte auch in ihm das Jagdfieber. Was nun folgte war sehr spannend. In dem Moment wo Thomas seine Angel ins Wasser hielt hatte er auch schon den ersten Fisch dran. Ion oder ich - abwechselnd - bastelten ein neues Fischlein an die Angel und kaum war dieses im Wasser, hatte schon wieder ein größerer Fisch danach geschnappt. Die kleinen Köderfische konnten es gar nicht genießen wieder in ihrem ursprünglichen Element zu sein. Das ging im Minutentakt. Ich weiß allerdings nicht welche SORTE Fisch das war. Meiner Meinung nach handelte es sich um eine Karpfenart, vielleicht Barsche, und die Fische hatten eine Größe von 15 - 25 cm. Seit dem Thomas so viele Fische fing, war es bei Costel sehr ruhig an der Angel. Eine Weile war das auch ok, doch dann schlug Costel vor, den Platz auf dem Kutter zu tauschen. Aber auch auf Costels ursprünglichen Platz fing Thomas mind. 75 % mehr. Nun hatte mein Mann auch richtigen Spaß am Angeln und bald waren die kleinen Köderfische alle.

Reisebericht Rumänien 2006 von ©Gudrun Pauksch Ion hatte eine Notreserve Regenwürmer mit (Rühme) die an Thomas Angel auch reißenden Absatz fanden und nicht mal in Ruhe ertrinken konnten ehe sie gefressen wurden. Während der ganzen Zeiten brausten immer wieder Motorboote über die starkbefahrene Urwaldflusskreuzung und mit Ruderbooten wurde gemächlich über die Sehnen der ausgeworfenen Angeln gerudert. Keiner regte sich darüber auf. Die Sonne schien, die Vögel zwitscherten und es war ein schöner Nachmittag. Nach 2, 5 Stunden und mit einer großen Schüssel kleinerer und mittlerer Fische - aber ohne den ganz großen repräsentativen Fang- mahnte Ion zum Aufbruch, da es nun schon bald dunkel werden würde. Also war mein Job als Fischauge - und Regenwurmdurchstecherin zu Ende und wir kuschelten uns auf dem Deck der kleinen Schaluppe in Decken gehüllt zusammen, denn nun wo wir wieder still saßen kroch die Kälte wieder in uns hoch.

Die Landschaft wurde immer schöner, je kleinere Wasserstraßen Ion benutzte. Wir fuhren kreuz und quer durch das Delta und Thomas war bald überzeugt, dass wir uns verfahren hatten. Schnell ging die Sonne in einem wunderbaren Farbspektakel unter. Es war sehr romantisch die alten Bäume, das Wasser auf dem sich die Sonne in allen Farben spiegelte und die ab und zu dekorativ daran vorbeifliegende Vogelschwärme zu sehen. Störend war nur das laute Tuckern unseres Bootes. Irgendwann möchte ich mal eine Fahrt durch das Delta machen mit einem Boot ohne Motorantrieb. Nach Möglichkeit möchte ich aber auch nicht selber rudern, denn ich muss ja die Hand für das Fernglas freihaben.

Reisebericht Rumänien 2006 von ©Gudrun Pauksch Thomas hatte immer mehr den Eindruck dass wir im Zickzack durch das Delta fahren, zumal Ion auch einige Male Angler nach dem Weg fragte. Einmal wurden WIR von einem prächtigen Schiff (Boot- Jacht) angehalten und nach dem Weg gefragt. Bei dieser Gelegenheit präsentierte die gesamte Belegschaft ihren Fang. Riesige Hechte wurden stolz hochgehalten. Thomas und Costel hielten sich vornehm zurück. Sie hätten sehr viele aber nicht so riesige Fische zeigen können. Costel meinte um 21 Uhr wären wir im Hafen von Tulcea. Als es richtig dunkel war, zündete Ion eine Bordlampe an. Nun sahen wir gar nichts mehr und weil es immer kälter wurde, verzogen wir uns in die Kajüte und schliefen. Als ich erwachte waren wir schon an der Anlegestelle. Schade, ich hätte gern die Einfahrt nach Tulcea erlebt, denn diverse Lampen gab es an in der Skyline der Bezirkshauptstadt schon zu bewundern.

Reisebericht Rumänien 2006 von ©Gudrun Pauksch Es war nun tatsächlich 21 Uhr, wir bezahlten Ion und bedankten uns hin und her, stiegen ins Auto und tuckelten langsam zurück nach Isaccea. Ich war müde, bemerkte aber, dass Thomas so gar nicht gesprächig war. Bei Vasile angekommen zeigten wir stolz unseren Fang, worauf sich Vasile sofort an das zubereiten der Beute (eines kleinen Teil davon) machte, denn es war ja sooooo viel.

Thomas wollte von mir eine Taschenlampe und verschwand zum Auto. Mein warum und weshalb beantwortete er mir mürrisch, bisher endlich erzählte, dass etwas mit dem Auto nicht stimmt, weil während der Fahrt die Öldrucklampe und die Motorkontrolllampe aufleuchteten und das gar kein gutes Zeichen wäre. Costel und Vasile versuchten uns zu beruhigen. Das wäre sicher kein ernstes Problem sondern auf die vielen Kurven die wir in Rumänien gefahren wären, zurück zu führen. Costel würde bei seinem Chef, dem lieben Gott ein gutes Wort für uns einlegen und das Auto segnen und so wäre schon alles gut.

Schließlich wurde es doch wieder ein schöner Abend. Vasile tänzelte immer um den Tisch und erzählte laut und schnell und fast ununterbrochen. Als er dann den Schnaps in die Biergläser goss, wurde er ruhiger und Costel und Thomas unterhielten sich (ohne gemeinsame Sprache)über Autos, Hitler, Zigeuner und Rumänien im Allgemeinen und im besonderen. Ich war so müde, dass ich dann ins Bett ging und die Jungs allein ihrem Philosophieren und Vasiles Obhut überließ.

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Mittwoch, 04.10.2006

Am 13. Urlaubstag macht der Opel schlapp

Heute wollten wir weiter fahren, auch weil Vasile und Costel nach Bukarest reisen wollten um nach Carmen zu sehen, die ja am nächsten Tag das Kind zur Welt bringen sollte

Thomas hatte kaum die Augen auf und schon beschäftigte ihn das Auto und seinen Glauben an Costels gute Beziehungen nach oben, den er gestern zweckdienlich noch erblühen ließ, hatte merklich abgenommen. Die bösen Lichter brannten noch beim Starten des Wagens, aber wenn Thomas das Gas und die Kupplung trat erloschen die Lichter. Thomas las im Servicebuch nach und entnahm daraus, dass es sich THEORETISCH bei dieser Konstellation nicht um ein Problem handelt. Damit Thomas sich noch ein bisschen besser beruhigte, riefen wir in unserer Autowerkstatt in Deutschland an. Auch die sahen es so, dass es wahrscheinlich nicht schlimm ist und erkundigten sich nach dem seltsamen Hindergrundgeräusch. Thomas saß während des Telefonats untern Weindach in Costels Garten und neben ihm saß ein freches Huhn, dass - soweit bei Hühnern möglich- mit einer gewissen Bauernschläue auf dem Tisch nach den  Krümeln des Frühstücks schaute und gackerte. Der Werkstattmensch in Deutschland war ganz neidisch auf das schöne Wetter was wir hatten und erzählten uns von Dauerregen und Kälte in Deutschland...Deutschland? Häää Deutschland...was war das gleich? Wir waren in einer gaaanz anderen Welt!

Costel hat so richtig schön die Ruhe weg. Er hatte einen riesigen und wunderschönen Blumenstrauß den ihn die Frauen - genau so wie Kekse und Kuchen - in die Kirche gebracht hatten auf den Tisch gestellt. Costel ist für mich so wie so der Schöngeist und Genießer schlechthin. Ganz in Ruhe und voller Genuss tut er alles was er tut. Er freut sich an Tieren, Pflanzen, Menschen und dem Wetter. Er genießt seinen Job mit all den Vorteilen und man spürt wie zufrieden er mit seinem Leben ist.

Reisebericht Rumänien 2006 von ©Gudrun Pauksch Vasile war für das Packen für die Reise nach Bukarest verantwortlich. Wir sahen ihm beim Hühnerfangen und Hühnerschlachten zu. Kaltblütig enthauptete er die Viecher mit dem Messer und lies sie kopflos über den Hof flattern. Zum Glück hatte sich mein braunes bauernschlaues Lieblingshuhn aus der Affäre gezogen. Thomas, der das Gemetzel mit ansehen musste, verlor übrigens die Schachpartie zu der Costel ihn- fern jedes Reisestresses während sein Schwiegervater auch für ihn packte-  aufgefordert hatte.

Allmählich und nach 2 gewonnenen Schachspielen wurde auch Costel aktiv. Er brachte 2 5 Liter Gläser Honig, Blumen - und Bohnensamen, 4 Liter Wein und eine große Flasche Ţuică. All das sollten wir mit nach Deutschland nehmen und uns an die Tage bei ihm erinnern. Wir schauten noch mal im Haus des Kinderprojektes vorbei, wo der Koch gerade mit der Zubereitung einer Hühnersuppe beschäftigt war.

Die kleineren Kinder bereiteten sich  auf den Unterricht am Nachmittag vor und die zahlreichen Geschenkkartons die wir in das Büro gestapelt hatten waren leergeräumt und die Dinge sortiert.

Reisebericht Rumänien 2006 von ©Gudrun Pauksch Reisebericht Rumänien 2006 von ©Gudrun Pauksch

Wir verabschiedeten uns ausführlich, machten noch diverse Fotos und fuhren mit guten Wünschen und Winken 3 Ecken um das Carre. Vor dem Neubaublock hielten wir an, da wir noch der alten Tati Gherginia einen Besuch abstatten wollten. Die alte Frau leitet an einer Durchblutungsstörung in folge dessen ihre die Füße regelrecht abgefault sind. Bernhard, meinen Freund aus Arad, der Wunderheiler, hatte Gherginia schon einmal besucht und nicht nur sie, sondern das ganze Städtchen Isaccea mit seinen Heilmitteln kostenlos behandelt. Dabei muss er einen großen Eindruck hinterlassen haben, denn Carmen hatte ja auch viel von den Mittelchen angefordert, die wir dann für sie mitgenommen haben. Bevor wir das Haus betraten warnte Costel Thomas in dem er sagte, dass Tati Gherginia keinen schönen Anblick bietet. Thomas betrat tapfer mit uns den Wohnblock. Wie überall in Rumänien sind die Treppenhäuser der Blocks  in Rumänien sehr herunter gekommen. Meistens sind dafür aber die Wohnungen sehr gepflegt und liebevoll eingerichtet.

Tati Gherginia lebt mit ihrer Tochter in einer Einraumwohnung, die sehr voll mit diversen Habseligkeiten ist. Die kleine alte Frau thront auf ihrem Bett und der Rollstuhl, den wir ihr vor einem Jahr geschickt haben, steht unbenutzt auf dem winzigen Balkon und schaut sich allein die Landschaft an. Gherginia ist bestimmt seit Monaten nicht aus dem Zimmer gekommen, einfach weil sich niemand findet, der sie aus dem 2. Stock hinunter ins Freie trägt und in den Rollstuhl setzt. Sie freute sich sehr über unseren Besuch und verwechselte Thomas gleich erst mal mit Bernhard. Als Costel sie aufklärte, sagte sie, dass sie die beiden nur verwechselt hätte, weil sie den gleichen Körperbau hätten, was sehr schmeichelhaft für Thomas ist. Sie wickelte dann seelenruhig ihre kranken Füße aus um sie uns zu zeigen, was dazu führte, dass die beiden Männer ganz blass wurden und wir uns schnell verabschiedeten.

Vor dem Haus umarmten wir Costel und wünschten ihm und Vasile und natürlich besonders Carmen und dem Baby alles Gute. Wir würden uns sehr freuen, wenn Costel und Carmen uns in Deutschland bald einmal besuchen würden.

Nun fuhren wir in Richtung Westen, das erste Mal seit unserem Start und man könnte auch sagen, wir waren auf dem Heimweg. Es ging wieder durch die karge Landschaft der Dobrudscha.

Wir statteten einem kleinen Kloster ein Kurzbesuch ab um ein paar Fotos zu hinterlassen, die ich auf meiner Reise 2005 von den Mönchen die wie echte Weihnachtsmänner aussehen, geschossen hatte.

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Leider war von den fotografierten Mönchen keiner "zu Hause" aber zwei andere Mönche nahmen die Fotos zufrieden entgegen, obwohl sie sie schon auf Karpatenwillis Seiten bewundert hatten. Nach dem wir noch eine Familie in Greci besucht, Kaffee getrunken und Weintrauben gegessen hatten, begaben wir uns in Richtung Braila, wo es nach Galati die zweite Fähre für Autos  über den Hauptarm der Donau gibt.

Ich war dort 1997 schon einmal mit Haiko Kühne und einem als Wohnmobil umgebauten Lada-Kombi. Als wir aber an der Fähre anstanden und sahen, dass die Fahrzeuge beim verlassen der Fähre mind. einen halben Meter ins Wasser tauchten, nahmen wir von der Überquerung Abstand und reisten nach Galati weiter, wo wir kein Aquarium aus dem Lada machten.

Reisebericht Rumänien 2006 von ©Gudrun Pauksch So richtig viel hatte sich nicht verändert. Im Vergleich wirkten die Gegebenheiten in Galati sehr großstädtisch und hier waren wir in der tiefsten Provinz. Als wir unser Auto auf die Fähre gefahren hatten, wurden wir fast erschlagen von der drückenden Hitze. Wir hatten Lust auf ein kaltes Getränk, deshalb fragte ich den Fährmann- oder zumind. den der wie ein Chef aussah-, ob wir denn noch Zeit hätten etwas trinken zu gehen. Der Seemann nickte und sagte, dass es frühestens in einer halben Stunde weiter geht. Also liefen Thomas und ich ein Stückchen bis zur Hafenkneipe und gönnten uns eine Fanta. Plötzlich kamen zwei große LKWs die auf die Fähre fuhren und damit war das Wasserfahrzeug ausgelastet. Die Fährmatrosen kappten die Taue und Thomas und ich hatten Mühe und Not gerade noch auf die schon abgelegte Fähre zu springen. Na, wo gibt es denn so was. Erst halbe Stunde versprechen und dann nach 15 min  schon losfahren. Thomas war empört, denn mit deutscher Zucht und Ordnung hatten diese Gepflogenheiten nichts zu tun. Überhaupt war die Stimmung in unserem Auto an diesem Tag nicht besonders gut. Es lag etwas in der Luft als ahnten wir was kommt. Und für diese Ahnung hatten wir in Form der immer mal aufflackernden Lampen  am Armaturenbrett auch einigen Grund. Wir schlängelten uns durch Braila, ich konnte nichts besonderes an der Stadt finden. Irgendwo erspähten wir einen Geldautomaten und ich hüpfte raus, um unsere Reisekasse aufzufüllen. Solche Automaten sind übrigens gar kein Problem, sie arbeiten zuverlässig und sind in jeder Stadt und jedem größeren Dorf zu finden. Schließlich geriet ich mit Thomas noch in einen Streit, weil wir uns über den unkompliziertesten Weg in Richtung Westen nicht einigen konnten. Eigentlich ist Thomas ja viel fitter im Weg finden wie ich, aber trotzdem kann ich mir meistens nicht verkneifen meine Meinung im bezug auf Fahrtrouten kund zu tun....und manchmal kommt das eben nicht so gut an. Wir waren schon fast raus aus der Stadt als 2 propere Damen mit Perlonkleid, Kaltwellenlöckchen und großen Plasteohrklips am Wegesrand standen und den Finger hoch hielten. Ich schlug Thomas vor, diese beiden zu fragen, ob wir richtig auf dem Weg nach Buzau sind. Thomas hielt an und noch ehe ich mich aus dem Auto geschält hatte, hatten sie schon die Tür zum Rücksitz aufgemacht und versuchten ihre Hintern auf unsere vollbepackte Rückbank zu quetschen. Thomas ist ja höflich und so räumte er so gut es ging die Plätze frei, während ich die Damen nach der Strecke befragte. Ja ja, wir sind richtig und sie wollen auch in Richtung Westen.

Nun hatten wir wieder Tramper mit und ich hörte die Damen hinter mir von dem Auto schwärmen. Ist ja klar, sie standen bestimmt schon eine Weile in der prallen Sonne bei 30 Grad und wir hatten unsere Klimaanlage an. Richtig stolz waren die Mädels und fragten uns, ob wir aus Frankreich kommen. Wir mussten sie leider enttäuschen, denn wir sind ja nur deutsche, aber das war ihnen auch recht und das schöne Auto....

Wir fuhren mit den Damen genau 16 km und dann rummste es in den Innereien des Autos und die Öllampe und die Motorlampe brannten wieder. Thomas verkündete "Der Motor zieht nicht mehr!"

Tja!

Nun war es da, das Problem! Costels Beziehungen zum lieben Gott scheinen nicht so ganz weitreichend zu sein und die Diagnose unserer Werkstattleute zu Hause war auch nicht richtig. Nun mussten wir sehen wie wir alleine, am Arsch der Welt im hintersten Rumänien bei 32,4 °C Außentemperatur zurecht kommen. Zuerst setzen wir die beiden Damen an die frische Luft, die nun auf einer endlosen Allee zwischen den Nussbäumen mitten in der Wendei standen, die Armen. Dann wendete Thomas und wir zuckelten mit 20 km/h die 16 km zurück nach Braila. Ich wusste dass es da eine Opelwerkstatt gibt, denn ich hatte Reklame an einigen Laternenmasten gesehen. Diese Information hob die Stimmung meines Mannes um 0,0001 Prozent Punkte auf der nach unten offenen Richterskala. Die Schilder an den Laternen mit Pfeilen und Angaben wie viel Meter es bis dahin sind waren allerdings irreführend und mit einem kaputten Motor eine Schnitzeljagd durch Braila zu machen war auch nicht so ganz das was unsere Nerven heute brauchten. Allerdings waren die Schilder mit einer Telefonnummer versehen und vielleicht  konnten wir uns verständigen. Zuerst wollte ich aber Passanten nach dem Weg  fragen. Ich stelle mich unter eine beschilderte Laterne und wartete auf einen passenden Passanten. Zuerst kam ein mittelalter Herr. Ich fragte "Wo ist?" und zeigte nach oben. Ich weiß nicht was er dachte, aber erschaute mich ganz komisch an. Der nächste Herr den ich ansprach war etwas jünger und wieder schaute ich ihm tief in die Augen und dann nach oben. Es funktionierte nicht. Alle guten Dinge sind 3 und nun kam eine Frau mit 2 Einkaufstüten in einem Blumenkleid des Weges. Ich fragte sie, sie sagte höflich dass sie es nicht weiß und ging weiter.

Also überquerte ich die Straße und kaufte mir in einem Magazin Mixt (Laden für alles) eine Telefonkarte für mein Handy. Um das Guthaben einzulösen muss man eine Nummer anrufen und die freundliche Computerstimme leitet dann durch die Guthabenaufstockungsprozedur. Leider reicht mein rumänisch und mein Englisch nicht dafür aus, so dass ich mir immer jemand suchen muss, der das für mich übernimmt.

Reisebericht Rumänien 2006 von ©Gudrun Pauksch Die älteren Damen im Geschäft konnten es auch nicht, schickten mich aber zu ihren Nachbarn. 2 junge Männer saßen da in einem Geschäft in dem ein einzelner Renault stand. Es war eine Art Autohaus. Der Besitzer verstand etwas englisch und ich  bat ihm mein Telefon aufzuladen und erzählte ihm von unserem Pech. Gar kein Problem meinte er, er hätte einen Freund der in einer Autowerkstatt arbeitet. Eh ich mich versah, saß der nette junge Mann in unserem Opel und Thomas zuckelte gemäß seiner Anweisungen um ein paar Ecken und bald standen wir vor einer sehr mitteleuropäischen Werkstatt. Wir hatten ja auf unserer Reise schon viele Reparaturbuden (Werkstatt ist in vielen Fällen da einfach das falsche Wort) gesehen, die meisten waren sehr primitiv. Das Öl tropfte aus den Autos auf den blanken Fußboden und es wurde eher mit Hammer und Säge gearbeitet, als mit irgendwelchen Feinmechanikerwerkzeug. Aber hier war es anders. Wir standen vor einer nagelneuen bestens ausgestatteten Werkstatt von mobil1. Einer der Monteure nahm sich unser an und weil er etwas deutsch sprach, sprudelten wir gleich unsere ganze Geschichte heraus. Filip, so hieß der für uns verantwortliche Mechaniker konnte uns nicht so richtig folgen und schob uns schließlich in einen Warteraum. Dort sollten wir uns Hinsetzen bis er sich wieder meldet! Mal ehrlich!!! Puh! Keine Minute hielt es Thomas da aus und auch ich konnte keine 1,5 Minuten warten, ehe ich zu den Männern in die Werkstatt lief und in einen gebührenden Abstand (0,75 m) zu der eifrig diskutierenden Männeranhäufelung. Auf jeden Fall hatten wir ein gutes Gefühl in dieser Werkstatt. Das Auto wurde auf die Bühne gehoben und ca. 10  Mechaniker gesellten sich um die Hebevorrichtungen. Es wurde diskutiert. Lange! Dann wurde geschraubt. Ich stand im Weg und ein Lehrling musste mir einen Stuhl (gelber Plastikstuhl!) holen, mit dem ich dann vor die Tür gesetzt wurde. Ich fühlte mich abgeschoben und hatte Angst, dass unser Auto ganz schlimm kaputt ist und wir nicht mehr weiter kommen. Und dann sitzt man wie eine Alterspräsidentin auf dem perfekt betonierten Hof einer rumänischen Autowerkstatt!

Das Resultat der langen Suche war, dass es sich um einen größeren Motorschaden handelt. Filip erschien um uns das mitzuteilen und diverse Lösungsvorschläge zu unterbreiten. Es würden einige Ersatzteile für die Reparatur nötig sein, die aber erst bestellt werden müssen. Lieferdauer 6 Werktage. Die zweite Möglichkeit wäre der Versuch einer Notreparatur.

Wie ich es verstanden habe ist folgendes passiert. Der Kettenspanner der Antriebskette zur Kurbelwelle hat sich in seine Einzelteile zerlegt. Das Teil ist etwas ganz spezielles aus Kunststoff und ist dazu da Veränderungen in der Kettenlänge auszugleichen.

Wir entschieden uns für die Notreparatur, denn wer will schon 6 Tage in Braila bleiben.

Erst jetzt fingen wir an zu überlegen, wie und wo und ob wir überhaupt versichert sind. Mit meiner neuen Telefonkarte riefen wir unsere Werkstatt zu Hause an, die unsere Versicherungsvertreterin gut kennen. Diese waren so nett sich nach unserer Versicherung zu erkundigen und erleichtert stellten wir fest, dass uns in jedem Fall geholfen wird. Das war schon erst mal gut. Unterdessen saß nun  Thomas neben mir und wir berieten, was wir machen wenn das Auto ganz kaputt oder halb kaputt ist. Irgendwann erlöste uns Filip in dem er uns mitteilte, dass nun Feierabend sei und das Auto morgen repariert wird. Er könne uns anbieten ein Taxi zu rufen. Der Taxifahrer wäre ein Freund und würde sich um uns kümmern und in ein Hotel bringen. Wir vertrauten der Werkstatt und wir vertrauten Filip. Wir nahmen nur kleines Gepäck aus dem Auto (Zahnbürste und Wechselschlüpfer in Handtasche verstaut) und überließen unser gesamtes Gepäck samt Auto Filip und seinen Leuten.

Filips Taxifahrerfreund war auch eine Wucht! Wir saßen kaum im Auto schon fühlten wir uns wieder aufgehoben und gut betreut. Ich weiß den Namen nicht mehr, aber wer in Braila einem jungen einbeinigen Taxifahrer begegnet, der weiß, dass es unserer war und dass er sich ihm anvertrauen kann. Leider konnte er uns auch keine Empfehlungen zur Abendgestaltung geben, er meinte wir sollen im Hotel essen und sonst wäre nichts los. Wir fuhren gar nicht lange und schon landeten wir vor einem Hotel. Der Taxifahrer brachte uns zur Rezeption und managte, dass wir ein Zimmer bekamen. Das Hotel war sehr in Ordnung, wir bezahlten 32 Euro mit Frühstück und konnten trotz der Aufregung, Hitze und der Ungewissheit gut schlafen.

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Donnerstag, 05.10.2006

Es gibt immer eine Lösung - Auf nach Westen!

Um 10 Uhr holte uns der Taxifahrer ab. Es ist ungewöhnlich für uns Frühaufsteher soviel Zeit am Morgen zu haben und so hatten wir uns sehr lange beim Frühstück aufgehalten und jede Menge Kaffee getrunken. Nun waren wir gespannt, wie es um unseren Opel stand.

Als wir in die Werkstatt kamen machte Filip ein besorgtes Gesicht. Es wäre noch ein Problem dazu gekommen. Etwas von den defekten Teilen des Kettenspanners hätte sich in den Ölfilter gesetzt und so hat der Motor zu wenig Öl bekommen und ist heiß gelaufen. Dadurch sind einige Hydrostößel kaputt gegangen. Ich fand das doch sehr interessant was so ein Auto alles hat. Hydrostößel. Noch nie hatte ich davon etwas gehört. Wir sollten uns wieder auf die gelben Stühle setzen und ich schrieb einem Freund in Deutschland per SMS von den Hydrostößeln. Da Stefan sich mit Motoren auskennt, glaubte ich ihm, dass wir auch mit defekten Hydrostößel noch weiter fahren können.

Zuerst aber saßen wir auf dem Hof und beobachteten das Kommen und gehen. Es wurden ständig neue Autos gebracht und fertig bearbeitete abgeholt. Die Besitzer verzogen sich- oft Kettenrauchend- in den Warteraum oder traten nervös von einem Bein auf das andere. Ständig brachten die Mechaniker irgendwelche Teile, die sie lärmend in einen Abfallcontainer warfen.

Um 13.30 Uhr konnten wir nun weiter fahren. Thomas bezahlte die Rechnung von 140 Euro. Wenn man bedenkt wie lange Filip und seine Kollegen an unserem Auto gearbeitet hatten ist das wirklich nicht viel. Erstaunlicherweise weigerten sich sowohl Filip als auch die Leute im Büro Trinkgeld von uns anzunehmen.

Zum Abschied lümmelte sich Filip noch mal an mein offenes Fenster und wünschte uns gute Reise. Wir würden schon gut heim kommen. Später habe ich noch mal Kontakt zu Filip aufgenommen und ihm gesagt, dass wir gut zu Hause angekommen sind. Er meinte, dass er darüber sehr erleichtert wäre, denn so ganz geheuer war ihm die Sache auch nicht.

Nun waren wir aber wieder auf der Straße. Mit gemütlichem Gezuckel ging es über Buzau in Richtung Târgovişte. Kurz vor der einzigen richtigen Autobahn Rumäniens fanden nahe der Stadt Dragodano wir einen Touristenkomplex, der uns sehr stark an ein modernes Wirtshaus im Spessart erinnerte. Eigentlich lag das Hotel an einer Hauptstraße und doch wirkte es abgelegen. Es war ein Stückchen eingerückt und  seitlich hatte sich noch ein großes flaches Restaurant angeklebt. Das Restaurant wirkte mit den vielen 100 leeren Stühlen offen und doch verlassen. Das Hotel war plüschig, abgewohnt und die Damen von der Rezeption standen schon mind. 200 Jahre da und waren genau so staubig und abgenutzt wie die gesamte Einrichtung. Ich wunderte mich echt, dass Thomas hier schlafen wollte. Das Zimmer war klein, schlecht gelüftet und irgendwie war alles staubig, wollig .. ... ! Wir bezogen also unser Zimmer und gingen in das Restaurant. Im großen Saal hätten wir uns verlaufen also setzten wir uns auf die Terrasse, auf der sich schon ein paar Anzugmänner niedergelassen hatten, die das Essen teilnahmslos in sich hinein schaufelten und dabei ihr Handy oder ihren Laptop bedienten. Ein paar Tische weiter saß ein Pulk Zigeuner, so richtig dunkle Typen mit Seitenscheitelfrisur und dicken Schnauzbärten gekleidet in auberginenfarbenen Anzügen, die schon ein paar Jahre auf dem Buckel haben. Sie waren eifrig beim Diskutieren und gestikulierten dabei. Mir ist schon öfter aufgefallen, dass sich Rumänen beim Kommunizieren berühren und bei den Zigeunern ist das richtig ausgeprägt und jedes Wort wird von einer flotten Handbewegung begleitet. So saßen wir an diesem Tag auf der Terrasse, besahen uns die Leute und die vorbei rauschenden Autos und jeder hing so seinen Gedanken nach.

In dem plüschigen Bett mit den durchgelegenen Laken konnte ich schlecht schlafen.

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Donnerstag, 06.10.2006

Ein regnerischer Klostertag

Geweckt von Hundegebell und Zigeunerdiskussionen vor der Zimmertür fuhren wir weiter nach Westen. In Gaesti suchten wir ein Restaurant für ein Frühstück aber irgendwie hatte das Örtchen mit den engen Straßen noch nicht ausgeschlafen. Nachdem wir ein paar malkreuz und quer gefahren waren entdeckten wir tatsächlich eine Art Cafe. Die Bedienung war ein bisschen stolz als wir ausländischen Gäste uns bei ihr nieder ließen und bediente uns sehr freundlich und hatte auch gar nichts dagegen als wir unsere Konservenbüchsen auspackten. Nach einem fröhlichen Frühstück ging es weiter über die Straße Nummer 7 nach Pitesti. Von dieser Strecke gibt es keinerlei Besonderheiten zu berichten, außer dass der Himmel grau war und es zum ersten mal während unseres Urlaubs so richtig regnete. Lebendiger und schöner wird dann die Strecke nach Râmnicu Vâlcea. Dann ging es weiter Richtung Horezu.

Reisebericht Rumänien 2006 von ©Gudrun Pauksch Nach einigen Kilometern lächelte - JA WIRKLICH- lächelte uns ein kleines schönes Kloster mit silbernen Dächern von einem Hügel an und selbst Thomas konnte nicht widerstehen. Da mussten wir einfach hin. Es war das Kloster Govora und es war für mich LIEBE auf den ersten Blick. Wir ließen das Auto am Fuße des Hügels stehen und liefen einen mit Pflastersteinen ausgelegten Weg hinauf. Auf der rechten Seite befand sich der Garten der Nonnen und links eine Weide mit ganz hübschen Schafen.

Diese hatten richtig viel Wolle, aber nicht soviel dass sie wie ein Fass auf Beinen aussehen (wie Stefan Tumbrocks Schaf Gudi), sondern sie wirkten richtig schön kuschelig. Natürlich nahmen wir sofort Kontakt auf und blökten die Schafe an, wo rauf sie zurück blökten. Wir machten einen ganz schönen Lärm und so hörten wir leider erst zu spät, dass ein Traktor den Weg hinauf tuckerte. Es war ein grüner Traktor und die Traktoristin war eine richtig schöne dralle Nonne mit Kopftuch und roten Wangen und einem freundlichen Lächeln. Ein zu schönes Bild. Thomas schlich sich auf den Hänger des Traktors und ließ sich nach oben fahren. Ich lief die paar Meter und war bald im Inneren des Klosters, dass wie eine Burg angelegt war. Während aber heut zu Tage Burgen ja meistens Museum oder "Eventstätte" sind, war diese "Burg" bewohnt und lebendig. Die kleine Kakteensammlung auf dem Sims hatten die Nonnen nicht für zahlungskräftige Touristen, sondern für sich selber hingestellt.

Reisebericht Rumänien 2006 von ©Gudrun Pauksch Reisebericht Rumänien 2006 von ©Gudrun Pauksch

Ganz besonders in diesem Kloster empfing mich eine ruhige weihevolle Stimmung. Hier war es nicht die übergroße Würde und das Imposante, sondern hier waren es die Einfachheit und die Ursprünglichkeit, die mich in Bann zogen. Thomas und ich schlenderten durch die Anlage und weil es regnete waren wir auch die einzigen Touristen. Unter einem Dach saß eine ältere kränkliche Nonne, die Bohnen schälte. Wir lächelten uns zu und es war kein Lächeln nach dem Motto, gibst Du mir was geb ich Dir was, sondern es war einfach ein fröhliches Lächeln zwischen zwei sich völlig fremden Menschen an einem verregneten Tag. Auch in diesem Kloster bewunderte ich die die liebevoll angelegten Blumenbeete, die blauen Herbstastern, die übergroßen Studentenblumen im kräftigen orange und die duftenden  roten Rosen. Der Regen störte uns nicht, wir nahmen uns Zeit auch noch hinter die Mauer zu schauen und dort gab es 3 wunderbare Dinge!

Reisebericht Rumänien 2006 von ©Gudrun Pauksch Erstens einen herrlichen kleinen und über und über mit Rosen zugewachsenen Friedhof für die Nonnen. Auf den  Grabkreuzen standen die Namen der Nonnen und ihre Sterbedaten. Die Nonnen heißen natürlich nicht Maria Teodorescu sondern Telephinia und ähnlich. Noch ein bisschen markanter als die bunten Blumen war das UFO. Na ja, es war kein richtiges UFO auch wenn es ganz genau so aussah und sich erst bei näherer Betrachtung als einmalig schöner Wasserbehälter entpuppte. Dieses Ufo im Garten der Nonnen war wieder eine der skurrilen Entdeckungen bei der ich mir überlege, ob ich nur weil ich gerade Urlaub habe ein besonderes Auge dafür habe, oder ob es halt wirklich und tatsächlich ein rumänisches Phänomen ist. Die 3. Besonderheit war der Hund, der im Garten einen Käfig bewohnte, der mich sehr an die Käfige von Gutamano erinnerte. Nur dass es für einen Hund eine Luxusvilla ist, während es für einen Menschen eine sehr schlimme Unterbringungsart ist. Thomas und ich hatten Spaß das Grundstück zu besichtigen und schließlich begann der Regen wieder stärker zu werden und deshalb verzogen wir uns in die Vorhalle der Kirche.

Reisebericht Rumänien 2006 von ©Gudrun Pauksch Thomas wollte ein paar Ansichtskarten als Erinnerung kaufen und als die diensthabende Nonne bemerkte dass wir Ausländer sind und auch noch Deutsche gab es kein halten mehr. Mit wehender Tracht stürmte sie durch den Regen und kam nach einigen Minuten mit einer anderen Schwester wieder. Diese entschuldigte sich zunächst im perfekten Deutsch dafür dass sie so schlecht deutsch spricht und dann zeigte sie uns ganz stolz und ausführlich ihre Kirche. Die Führung begann mit dem Bild über der Eingangstür. Sie versicherte uns, dass die Darstellung Marias mit den Flügeln und dem Mantel einmalig auf der Welt sei. Nach der Besichtigung befragten wir die Nonne, deren Namen ich leider vergessen habe nach dem Leben im Kloster aus. In Kloster Gorovan leben 15 Nonnen, von denen aber nur 7 arbeiten können. Die anderen sind zu alt oder krank.

Der Tagesablauf in diesem Kloster sieht so aus:

7 Uhr Aufstehen

7-8 Uhr Messe

8-9 Uhr Frühstück

9-12 Uhr Arbeit

12-13 Uhr Mittagessen mit Ruhe

13-18 Uhr Arbeit

18-21 Uhr Messe

und danach geht es ins Bett. Eigentlich ist das ein ziemlich gemütlicher Tagesablauf. Ich  war schon in Klöstern wo die letzte Messe bis abends um 22 Uhr ging und am Morgen um 2 Uhr werden schon wieder die nächsten Gottesdienste abgehalten wurde. Die Nonnen finanzieren ihren Lebensunterhalt vorwiegend durch die Spenden, die die Besucher geben, aber sie betreiben auch Landwirtschaft und im Winter sind sie künstlerisch tätig in dem sie Ikonen in Hinterglastechnik malen. Natürlich wollten wir uns das anschauen, aber uns wurde versichert, dass wir das nur im Winter könnten, denn jetzt wären alle einsatzfähigen Nonnen mit der Ernte beschäftigt. Aber sie würde uns gern einige der Ikonen zeigen.

Reisebericht Rumänien 2006 von ©Gudrun Pauksch Nun wurden wir in das Haupthaus geführt, in die gute Stube. In dem großen Raum standen 2 große Tische in T - Form um die Wände gab es zusammengewürfelte aber doch schöne Alte Schränke, Kommoden und Vitrinen mit Büchern und diversen sakralem Kitsch. Am meisten stach mir eine riesige Vase ins Auge, die auch ins Museum der Meißner Porzellanmanufaktur passen könnte. So ein richtiges Prunkstück und völlig unwirklich in diesem Kloster.

Die nette Nonne zeigte uns verschiedene Ikonen, die in der Technik der Hinterglasmalerei gefertigt waren. Sie hatten alle kräftigleuchtende fröhliche Farben. Thomas und ich beschlossen eins der Bilder zu kaufen. Die Nonne kramte sofort aus allen Schränken und Ecken Ikonen heraus und breitete sie auf dem Tisch aus. Wir beschlossen den Heiligen Michael zu erwerben, der ganz mit viel Gold verziert war und nun über dem heimatlichen Sofa hängt und uns bewacht und behütet und an das Kloster mit den netten Nonnen erinnert.

Reisebericht Rumänien 2006 von ©Gudrun Pauksch Die Freude über den Verkauf und die unverhoffte Einnahme von 100 Euro war sehr groß bei den Nonnen und wir wurden zum Mittagessen eingeladen. Leider - so entschuldigte sich unsere Nonne- wäre heute vegetarischer Tag, doch das Essen würde uns sicherlich trotzdem schmecken. Flugs erschienen mehrere Nonnen und wie beim "Tischlein deck dich" wurde der ganze Tisch mit leckeren Speisen belegt, mit Brot und sauren Gurken, mit Flaschen für Wasser und Schnaps. Zuerst wurde uns eine Gemüsesuppe serviert und dann gab es eine Art Bohnenbrei aus weißen Bohnen, sehr gut gewürzt mit viiiel Knoblauch dazu und Maisbrei. Es war ein ganz einfaches Essen, aber sehr lecker. Zum Schluss türmten 2 Nonnen noch einen riesigen Berg Weintrauben vor uns auf. Eine Nonne mit überdimensionaler Brille auf der Nase nötigte uns immer wieder kräftig zu zulangen, was wir auch mit Freude taten.

Als wir satt waren, huschte eine junge Nonne ins Zimmer und signierte - wie wir es uns gewünscht hatten - unsere neuerwobene Ikone. Nun war es Zeit die Nonnen zu verlassen. Die Ikone wurde sorgfältig in zig Hüllen Packpapier verpackt und wir stiegen ins Auto und zuckelten im Regenwetter weiter  in Richtung Westen. Thomas hielt sich genau an die von Filip vorgegebene Reisegeschwindigkeit von 80 -100 km/h. Das Auto war zwar etwas lauter als vorher, aber sonst funktionierte alles hervorragend.

Die Häuser in dieser Gegend sahen hatten wieder einen ganz anderen Stil als die vom Vortag. Sie waren etwas höher gebaut und hatten einen überdachten Umbau mit Säulen. Es waren fast kleine Burgen, die die Straßen säumten.

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Das nächste Tagesziel war das Kloster Bistriţa, welches auch ein sehr bekanntes Kloster ist. Mir war es einfach zu groß und zu mächtig und vielleicht lag es auch an dem Gegensatz zu dem kleinen gemütlichen Kloster Gorovan mit den netten Nonnen. Thomas hatte unterdessen die Nase von Klöstern voll und nun konnte ich ihn nicht mehr überreden die Klöster Horezu und Arnota zu fahren, obwohl man diese Klöster laut meiner Freunde auch gesehen haben sollte. Auf dem Weg nach Târgu Jui kamen wir durch viele Orte wo das für die Gegend typische Schwarze Keramikzeugs an den Straßenrändern verkauft wurde. Aber unser Ziel war heute nicht die Kunst des Volkes, sondern höhere Kunst.

Reisebericht Rumänien 2006 von ©Gudrun Pauksch Wie alle Nationen der Welt hat  auch Rumänien einige besondere herausragende Erfinder oder Künstler hervorgebracht. Eine der bekanntestes ist wahrscheinlich der Bildhauer Brancusi, der in dem kleinen Dorf Horbita bei Târgu Jui 1876 geboren wurde.1904 siedelte er nach Paris und wurde dort ein berühmter Künstler. Ich hatte schon lange Zeit von ihm gehört und beim Besuch der Moma im Jahr ... das erste mal seine Werke (Vogel) gesehen. Nun freute ich mich einige seiner bekannten Werke im Original in Rumänien zu sehen. Das berühmteste ist natürlich die unendliche Säule, die wir durch Zufall auch fast sofort fanden. Sie steht wie ein Telegrafenmast mitten in einem gepflegten aber baumlosen Park, der von Wächterinnen in blauen Uniformen bewacht wird. Die Säule hat bestimmt schon jeder einmal gesehen und ist eigentlich nichts spektakuläres, außer man zieht in Betracht, dass es für einen rumänischen Dorfjungen zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts schon ziemlich modern war, SOLCHE Kunst zu machen. Thomas freundete sich gleich miteiner der Wachdamen an und ließ sich erklären, wo die anderen Kunstwerke zu besichtigen seien. Wir fanden, den Zentralpark aber mehr als die Kunst lockte uns erst mal der herbstbunte Gemüsemarkt. Wir liefen die Paprikastraße und den grüne Gurkenweg und kamen schließlich in eine blitzsaubere Fleischhalle, die ihren Charme durch das für unsere Augen skurrile Angebot und dem deutlichen chlorhaltigem Desinfektionsmittelduft behalten hat. Im Gebrauchsgegenständeviertel erwarben wir 20 kleinere handgeschnitzte Holzlöffel a 20 Lei , die ich immer gern als Geschenk für Freunde und Bekannte zu Hause bereit halte.

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Schließlich kamen wir doch zur Kunst zurück und liefen auf den schattigen Wegen des Parks kreuz und quer, bis wir zu einer öffentlichen Toilette kamen, vor sich zahlreiche Schach- und Kartenspieler ihre Klapptische und Klappstühle aufgebaut hatten, um mit großem Ernst und Feuereifer ein paar Spielchen zu machen. IRGENDWANN- ich schwöre- IRGENDWANN, werde ich mal einen ganzen Tag, einen ganzen Abend und vielleicht auch die ganze Nacht genau an so einem Ort verbringen und Schach spielen. Wahrscheinlich werde ich alle Spiele verlieren, aber ich werde richtig großen riesigen Spaß haben und den alten Männern in die Augen schauen. Heute waren wir aber in Sachen Kunst unterwegs. Ich fragte einen der Herren, der sein Spiel gerade  beendet hatte, nach dem Weg zu der Kunst von Brancusi und er, lustig, charmant und nett mit Hütchen und Aktentasche brachte uns prompt zum Tor des Kusses. Von da aus war der Tisch des Schweigens nicht weit.

Reisebericht Rumänien 2006 von ©Gudrun Pauksch Bei Wikipedia fand ich unter dem Stichwort Târgu Jiu folgendes dazu:

Eine herausragende Sehenswürdigkeit ist die Skulpturenensemble von Constantin Brâncuşi mit dem Tisch des Schweigens , dem Tor des Kusses und der Unendlichen Säule . Das Ensemble wurde in den Jahren 1937/38 als Auftragswerk der Frauenliga von Gorj errichtet und soll an die gefallenen Soldaten des Ersten Weltkrieges erinnern. In den 1950er Jahren versuchte der damalige Bürgermeister das Kunstwerk niederzureißen, was aber aufgrund eines zu schwachen Motors des Bulldozers nicht gelang. 1996 nahm der internationale World Monuments Fund (WMF) das Ensemble von Târgu Jiu in die Liste der weltweit hundert gefährdetsten Monumente auf. Daraufhin gab die Weltbank Rumänien einen Kredit in Höhe von 2,6 Millionen US-Dollar zwecks Restaurierung.

Thomas und ich schlenderten durch die historischen, bedrohten und nun mit viel Geld instand gesetzten Kunststücke und versuchten uns in die Stimmung hinein zu versetzen, die der Künstler ausdrücken wollte. Um den Tisch des Schweigens standen schöne große Weiden, deren Zweige sich im Wind sanft hin und her schwenkten. Das fand ich sehr romantisch.

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Nun wollten wir auch noch das Geburtshaus des Künstlers in Horbita besuchen und fuhren ca. 20 km weiter westlich auf der Strasse 67 d durch endlose aber schöne Bauerndörfer mit vielen Häusern in ungewöhnlicher Architektur. Ganz am Ende von Horbita fanden wir das alte Holzhaus mit dem schönen Tor und den vielen Blumen. Leider hatte das Museum schon kurz vor 17.00 Uhr geschlossen und so konnten wir uns nur rings herum umsehen und raten, welchen Zweck die außen ausgestellten Geräte haben.

Nun fuhren wir zur Hauptstraße zurück um nach Tismana zu fahren. Auch Tismana ist ein sehr berühmtes Kloster.

Bei Wikipedia im Internet fand ich unter Tismana folgenden Eintrag

Tismana ist ein Ort in der rumänischen Walachei im Bezirk Gorj mit etwa 8.500 Einwohnern.

Besonders bekannt ist der in den Transsilvanischen Alpen gelegene Ort durch das rumänisch-orthodoxe Kloster Tismana. Tismana ist das älteste noch vorhandene Kloster in der Walachei. Der Ort entstand im 15. /16. Jahrhundert um das Kloster herum und ist heute ein wichtiges rumänisches Zentrum der Holzindustrie. International bekannt ist der Ort neben dem Kloster auch durch die Handwerkergenossenschaft "Arta casnică", deren Kunsthandwerk international vertrieben wird.

Ein erstes Kloster am Ort errichtete Fürst Radu II. (1377 bis 1383). Es sollte dazu dienen, dem sich im nahe gelegenen Ungarn ausbreitenden Katholizismus an der Grenze ein geistiges Bollwerk entgegen zu setzen.

Dank reichhaltiger Schenkungen besaß das Kloster bereits kurz darauf zehn Dörfer im näheren Umfeld, weitere zehn Dörfer in Serbien, zehn Zigeunersiedlungen, die Zollämter bei Calafat, Balta Bistretului und Vâlcan, den Zehnt der Kupfererzgruben von Bratilovo, sowie umfangreiche Agrarflächen.

Nachdem das Kloster in den folgenden Jahrhunderten wieder verfiel, ließ Fürst Radu cel Mare (Radu der Große, 1495-1508) ein neues Kloster am Ort errichten.

Reisebericht Rumänien 2006 von ©Gudrun Pauksch Das Kloster liegt in einem Tal, um es zu besuchen kann man (muss aber nicht) dass Auto auf einen Parkplatz abstellen und dann eine steile Straße zum Kloster hinauf laufen. Gemeinsam mit einer anderen Familie die zum Gottesdienst unterwegs war taten wir das. Ich war stolz, nicht ganz so laut zu schnaufen wie der Familienvater als wir bergauf gingen. Das Kloster ist sehr groß mit mehreren Höfen und großer Blumenpracht. Wie alle Klöster, die wir besucht haben, war es in einem sehr guten Zustand. Wir schauten uns alles in Ruhe an, auch den Friedhof für die Mönche und waren dann auf dem Weg in die Kirche. In der Vorhalle trafen wir auf einen alten und sehr ehrwürdigen Mönch hinter dem ca. 20 Leute her liefen. Auf einmal schwenkte der ganze Tross vom direkten Wege in die Kirche ab und kam auf mich zu. Völlig unvorbereitet hielt mir der würdige Würdenträger mit einer blitzschnellen Bewegung ein Eisenkreuz unter die Nase und ich wusste gar nicht was ich tun sollte. Ich zögerte, denn ich war total perplex. Dieser Mann und dieses Kreuz und der Überraschungsmoment. Schließlich küsste ich das Kreuz, der Mönch fand mein zögern aber wohl irgendwie amüsant. Vielleicht erriet meine Gedankengänge...wie viele Menschen werden wohl hier schon draufgeküsst haben?

Mit Donnerstimme fragte er mich - "evangelisch? katholisch?" 44 Augenpaare schauten mich an. Ich konnte die Wahrheit nicht sagen. Ich flüsterte ein verschämtes und gepresstes evangelisch.....ich habe gelogen. Der Pope mit seinem Schwarm schaute mich nüchtern an und zog in die Kirche.Reisebericht Rumänien 2006 von ©Gudrun Pauksch Als wir uns alles genau angeschaut hatten, die Architektur, die schönen Ikonen und die Blumen und das Kloster verließen, trafen wir den Popen wieder. Dieses mal war er damit beschäftigt 2 Autos zu segnen, die wahrscheinlich ihre Besitzer gewechselt hatten. Die neuen Besitzer wollten ganz sicher sein und damit sie von Unfällen und Pannen verschont bleiben, dachten sie, dass das benetzen mit in Weihwasser getauchten Ysopsträußchen sicher ein großer Garant dafür ist.

Der Pope lächelte uns schelmisch zu, so nach dem Motto, na ihr glaubt doch eh nicht an das was ich tue und als ich an ihm vorbei lief, oder auch weil ich nur evangelisch bin, zack zack, spritze das Weihwasser und ich wurde auch auf die Schnelle gesegnet. Ob es daran lag, dass wir auch weiterhin gut mit unserem von Filip reparierten Auto fahren konnten?

Und noch etwas lernte ich vor diesem Kloster. Eine Familie kam mit einem schönen großen Hund an uns vorbei. Der Hund wollte meine Bekanntschaft schließen und schnupperte an mir herum. Ich habe Angst vor Hunden, seit ich vor ein paar Jahren in der Maramureş mal von einem Hirtenhund gebissen wurde. Wie ich es gelernt habe redete ich freundlich und mit honigsüßer Stimme auf die überdimensionale Bestie ein, die mich schwanzwedelnd beschnupperte. Muşcă, tu eşti bine. Muşcă, ce mai faci. Das sollte heißen, Hund, du bist gut. Hund wie geht es dir? Die Rumänen lachten sich halb tot, denn ich sagte "Beißen, du bist gut. Beißen wie geht es dir?" Ich dachte bisher nämlich immer dass Muşcă Hund heißt, dabei heißt es BEISSEN und Cîine heißt Hund! Gott sei Dank verstehen auch rumänische Hunde kein rumänisch!

Reisebericht Rumänien 2006 von ©Gudrun Pauksch Das war wieder ein ereignisreicher Tag und es wurde Zeit sich ein Nachtlager zu suchen. Wir fuhren das Tal, in dem sich das Kloster befindet noch ein Stückchen "nach hinten" und fanden dort den Touristkomplex Tismana. Ein verwohntes Hotel in dem gerade eine Betriebsfeier für eine Waldarbeiterbrigade stattfand hatte noch ein Zimmer für uns frei. Es war wieder mal eines der Zimmer bei dem man sich denkt, was denken die sich dabei? Die Möbel unlogisch, kreuz und quer durch das Zimmer waren die Kabel für die elektrischen Geräte gespannt und der textile Fußbodenbelag hatte richtigen Monsterwellen. Am meisten beeindruckte mich die Duschmatte in dem kleinen Bad. Sie war aus den Verschlüssen von Plastikflaschen gebastelt und im kräftigen Rot-Weiß-Blau. Mit weißen Verschlüssen war das Wort Ursu (Bär) zusammengesteckt. Ich fand das schon sehr makaber. Ich wunderte mich über meinen Mann. Klaglos zog er in dieses Zimmer ein. Zu Beginn unserer Reise wäre das unmöglich gewesen.

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Samstag, 07.10.2006

Herkulesbad - Wie meine groooße Überraschung misslang

Reisebericht Rumänien 2006 von ©Gudrun Pauksch Um 8 Uhr fuhren wir in Tismana los. In Baia de Arama suchten wir uns ein Restaurant zum Frühstücken. Die Wirtin machte uns eine ordentliche Portion Ei mit Würstchen und legte extra für uns ein paar Papiertaschentücher auf die Toilette, damit wir es schön weich haben, falls wir mal müssen. Das fand ich sehr nett.                                     Unser nächstes Ziel war Baile Herkulane oder Herkulesbad, das berühmte Heilbad. Ich war die Strecke auf der 67d schon im Vorjahr mit Karpatenwilli gefahren und freute mich schon im Voraus auf die schönen Landschaften, die sich uns bieten werden. Vor uns lagen Schluchten,  umgeben von steilen Felswänden, teils sehr schroff und teils ein bisschen sanfter doch immer wunderschön. Manchmal waren wir absolut im Schatten und manchmal lugte die Sonne hinter den Felsen hervor und beschien die Gegenseite der Schlucht, so dass man meinen konnte in einem Gebirge aus echtem Silber unterwegs zu sein.

Hinter dem Ort Godenau war die Welt zu Ende und 44 km lang ging es nur durch wunderschöne Landschaft. Irgendwo mitten im Gebirge stand ein Mann und winkte uns. Er tat uns leid und wir hielten an um ihn mit zu nehmen. Er hatte Plastikschuhe an und sah ein bisschen wüst aus. Sein Strickpullover war voller Heu. Wahrscheinlich hatte er irgendwo in einem Stall oder auf dem Feld übernachtet. Als wir hielten, hatte ich den Eindruck dass er es gar nicht fassen konnte. Es war für ihn sicherlich ein großer Glücksfall dass er mitgenommen wurde. Kaum war er im Auto packte er Brot und Käse aus und schmatze drauf los. Natürlich bot er uns auch etwas an. Nach 5 Minuten hörten wir ein zufriedenes Schnarchen. Unser Mitfahrer war eingepennt.

Reisebericht Rumänien 2006 von ©Gudrun Pauksch Ungefähr 10 km vor Baile Herkulane gab es einen kleinen Stau, denn da wurde die Straße gebaut. Mit riesigen Geräten und überdimensionalen Rohren machte sich ein Trupp Bauarbeiter daran Durchflüsse für das aus den steilen Felsenwänden heraus sickernde Wasser zu bauen. Thomas stellte sich sehr fachmännisch zu den Bauarbeitern und kam mit den Leuten ins Gespräch. Sie wunderten sich dass Deutsche einfach so Urlaub in Rumänien machen, wo sie doch auch nach Spanien, Griechenland oder in die USA reisen könnten. Ganz genau wurden wir befragt was wir uns schon alles angesehen hatten und die Bauarbeiter waren mit unserem Programm zufrieden. Ich erzählte ihnen, dass ich auf  einer früheren Reise Wassermühlen besichtigt hätte und sie rieten uns, nach Putna zwischen Baile Herkulane und Anina zu fahren, denn dort gäbe es auch Mühlen.

Nach weiterer Fahrt durch die herrlich schroffe Landschaft immer am wilden Fluss Cerna entlang  gelangten wir in die ersten Vororte von Baile Herkulane, die aber nur aus einzelnen Touristkomplexen bestanden, denn es war nicht mehr Platz in den engen Schluchten. Ca 5 km vor Herkulesbad befindet sich die erste halbwegs gerade Fläche nach 40 km. Dort ist ein Zeltplatz zu finden. Im Vorjahr hatten Karpatenwilli und ich unsere Zelte da aufgebaut und natürlich fand sich auch wieder ein Hund, der uns bewachte gegen ein kleines Entgeld, dass im Auslecken einer bereits durch uns fast so gut wie ausgeleckten Konservendose (Bierwurst) bestand. Ich zeigte Thomas den Platz und damit nicht genug...mein Mann sollte noch ein ganz besonderes Highlight sehen.

Reisebericht Rumänien 2006 von ©Gudrun Pauksch Zuerst sahen wir aber, dass die Cerna, so heißt der Fluss der sich durch das Tal schlängelt, sehr wenig Wasser hat und das hat zur Folge, dass auch die  tausendewirklich tausende Plasteflaschen die die Rumänen mit großer Vorliebe und ohne jeglichen erkennbaren Grund in den Fluss geworfen haben besonders gut zu sehen waren. Als ich diese Müllkippe sah, war mir schon klar, dass mit meiner besonderes Besondersüberraschung bei meinem ordnungsliebenden Mann kein Blumentopf zu gewinnen war. Ich bat den Hirten, der es sich auf unserer Rückbank so richtig gemütlich gemacht hatte auszusteigen, da wir baden wollten. Er setzte sich auf die steinerne Brüstung um auf unsere Rückkehr zu warten. Ich packte unsere Badesachen ein und marschierte mit Thomas eine kleine Treppe die an der Straße hinunter zum Fluss führte entlang. Es war klitschig und überall lag Müll herum. Um uns die Flaschen und ich hörte meinen Mann hinter mir schimpfen, was denn das für eine Sauerei hier wäre. Nach etwa 200 m kamen wir bei meiner Überraschung an. In einem Loch, dass sich unter der Straße befindet und dass nicht größer als 3x 2 Meter war, saßen ca. 10 Rumänen in dem berühmten Heilwasser von Herkulesbad, dass wohl für alles und gegen alles hilft. Mein Mann fragte mich, ob das mein Ernst sei und ich erwarte, dass er "da rein steigt" und auf den Müll guckt. Eigentlich war es ja mein Ernst und als ich mit Karpatenwilli da war gab es  viel weniger von allem, nämlich viel weniger Leute und viel weniger Müll und dafür mehr Wasser.

Reisebericht Rumänien 2006 von ©Gudrun Pauksch Meine extrasupertolle Überraschung, die ich tagelang angekündigt hatte, hat also nicht geklappt. Die Frau von Welt kann aber auch mit solchen Pleiten leben und irgendwann hat sich Thomas auch wieder beruhigt.

Unser Hirte wartete brav auf der Brüstung. Lange Zeit war ja nicht vergangen und ganz selbstverständlich  stieg er wieder ins Auto. Nun war es nicht mehr weit bis in das berühmte Heilbad, dass diesem schon bereits erwähnten maroden Charme 100 % gerecht wird.

Wir komplimentierten unseren Mitfahrer aus dem Auto, obwohl der hatte gar nicht so richtig Lust hatte uns zu verlassen. Er sagte uns dass er zum Bahnhof müsse. Hätten wir gewusst wie weit er bis dahin laufen musste, hätten wir ihn sicher dahin gebracht. Aber dass es mind. 5 km zu laufen waren, erkannten wir erst als wir die Stadt verließen. Thomas kramte aus dem Auto seine alte Lederjacke hervor und wir schmissen sie dem Mann über. Der wusste gar nicht was ihm passierte und schaute uns ungläubig an. Ich suchte ein paar Konservendosen und was wir sonst noch so an Vorräten hatten zusammen und stopfe sie dem jungen Mann in Taschen und in seinen Stoffbeutel. Dann verabschiedeten wir uns. Der Hirte blieb einen Moment stehen und dann mit einer halben Kehrtwende drehte er sich rum und rannte- ja er rannte- wie ein Blitz davon. Ich hatte unterdessen eine Toilette entdeckt, die auf dem Mittelstreifen der Kurpromenade zwischen den Blumenbeeten unterirdisch versteckt war. Thomas schlenderte schon ein bisschen los. Als ich aus der Toilettenanlage heraus trat, stand der Hirte wieder vor mir. Zitternd!!! Er kramte aus der Lederjackentasche eine winzige Schachtel Streichhölzer hervor, so wie man sie zu Werbezwecken geschenkt bekommt. Er hielt sie mir unter die Nase. Thomas hatte sie wohl in der Jacke gelassen und der Hirte, dachte dass das versehentlich passiert sei. Er wollte wahrscheinlich nicht in Verruf geraten, diese Streichholzschachtel geklaut zu haben. Ich winkte ab und meinte, "Cadou cadou", was soviel wie Geschenk heiß. Der Mann begann zu strahlen und packte mich und umarmte mich so fest, wie ich in meinem ganzen Leben noch nicht umarmt worden bin. Die Umarmung roch ein bisschen nach lange nicht gewaschen und Heuschober, aber sie war so impulsiv und erleichtert, wie eine Naturgewalt. Ich muss ganz oft an diese Begebenheit denken und sie ist etwas ganz ganz besonderes für mich.

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Das Heilwasser von Baile Herkulane, dass in letzter Zeit (vielleicht liegt es am Verbrauch der großen und zahlreichen Hotels?) immer knapper wird, soll bei zahlreichen Erkrankungen, angefangen von Rheuma bis hin zu neurologischen Erkrankungen helfen. Viele alte Badehäuser und Hotels, die teilweise renoviert und teilweise fast verfallen sind zeugen von einer prunkvollen Vergangenheit. Es war ein ruhiger sonniger Tag und wir spazierten die Promenade entlang und konnten uns lebhaft vorstellen, wie vor ein paar Jahrzehnten Damen mit Hütchen und Herren im Anzug im Cafe saßen und sich nach dem anstrengenden Badetag dieses und jenes Stückchen leckeren Kuchen gönnen und  Kaffee trinken. Hoffen wir, dass wir diesen "es ist hier was zu Ende gegangen" Eindruck nur hatten, weil wir zur falschen Zeit da waren. Und wenn wir uns nicht getäuscht haben, ist unser Wunsch, dass das Heilbad bald wieder aufersteht und ein richtig schönes snobistisches Kurstädtchen wird. Zum Baden gehen in einem der Kurhäuser konnte ich Thomas leider auch nicht überreden und so ging es weiter Richtung Anina. Die Straße  E 70 war so kurvig, dass es Thomas beim Fahren richtig schlecht wurde.

In Prigor bogen wir von der Hauptstraße ab und schlängelten uns durch eine saftig grüne Hügellandschaft - auf Anraten der Straßenbauarbeiter aus dem Cernatal - nach Putna. Gleich am Ortseingang stand schon die erste Mühle. Wenn ich hier von Mühlen schreibe sind nicht große stolze Windmühlen sondern Getreidemühlen gemeint, die an kleinen Bächen stehen und in denen kleinere Nachbarschaften ihren Mais zu Mehl verarbeiten. Außerdem gab es ganz in der Nähe noch eine Art " Kraftwerk" mit dem aus der Kraft des Bächleins wohl Energie erzeugt werden sollte.

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Reisebericht Rumänien 2006 von ©Gudrun Pauksch Wir fuhren ein Stück weiter ins Dorf und fanden noch einige Mühlen. Das Dorf Putna machte einen zerfallenen und wirklich elendigen Eindruck. Es spielten ein paar Kinder auf der Straße und eine Oma saß vor ihrem Haus und puhlte Bohnen ab. Thomas reichte es bald. Während ich gern noch ein bisschen weiter gegangen wäre, hatte er die Nase voll von dem Elend und dem Verfall und wollte zurück. In der Nähe des Platzes wo wir das Auto geparkt hatten, stand das am besten erhaltene Gebäude des Dorfes. Es war ein Kloster. Ein ganz großer dicker Mönch lebte dort. Wir spazierten durch die Anlage und sahen uns auch die neuerrichtete Kirche an, aber uns wurde nicht warm ums Herz. Als wir durch die schöne Landschaft durch 10000 Kurven zurück fuhren und dabei überall Leute bei der Kartoffelernte sahen hatten wir Glück, denn an der ersten Mühle am Ortseingang machte sich nun eine ältere Frau zu schaffen. Sie wollte ihre Maiskörner mahlen und so hatten wir Gelegenheit die Mühle auch in Aktion zu sehen. Tränenüberströmt erzählte die Frau uns ihre schlimme Geschichte vom tödlich verunglückten Sohn und vom Mann der sie immer schlägt. Wir räumten unsere Geschenkkiste leer und gaben der Frau alles was wir noch hatten. Sie strahlte schließlich unter Tränen und stand vollgepackt verloren und verlassen auf der Straße als wir davon fuhren...

Nun fuhren wir weiter durch wunderschöne Landschaft und  herrliche Schluchten durch die sich kleine Bächlein schlängelten. Die Herbstlaubfärbung auf die ich mich so gefreut hatte war noch nicht so richtig in Schwung gekommen aber auch das für den Herbst untypische Frühlingsgrün hatte etwas besonderes. Thomas war leider nicht gut drauf. Ihm war nach wie vor schlecht und er dachte über mögliche Ursachen nach. Vielleicht eine Lebensmittelvergiftung? Oder doch die unendlich vielen Kurven? Ich denke er hat einfach zu lange nichts gegessen.

Die Dörfer die wir jetzt durchfuhren hatten nun wieder einen ganz ganz anderen Charakter wie die die wir am Vortag gesehen haben. Hier standen die Häuser dicht gedrängt beieinander und sahen aus wie große Mauern mit Fenstern und Türen die die Straße bewachten. Viele Häuser standen leer und waren dem Verfall preisgegeben.

Nachdem wir die beeindruckende Schlucht Minisuli in deren Mitte sich das Dorf Valea Minisuli gequetscht hatte, passiert haben, waren wir auch schon in Steierdorf, einem berühmten Städtchen das bis vor ein paar Jahren vorwiegend von Banater Schwaben bewohnt wurde.

Hier etwas zu der Geschichte des Dorfes, gefunden bei home.arcor.de/flataretu/steierdorf/Hist/monograph/st2.htm

Herkunft und Ansiedlung

Die offizielle Geburtsstunde von Steierdorf war am 24 Juni 1773
Um den wachsenden Bedarf an Holzkohle zu befriedigen, wurden Holzschläger und Köhler in den Orawitzer Forst, damals wohl ein Urwald, angesiedelt.
An jenem Tag erreichten sie das Tal der heutigen Schulgasse ('Schusstagassl'), fällten nahe der Quelle eine Eiche und stellten ein Kreuz auf den Baumstamm.
Wer genau diese Leute waren und woher sie kamen, ist im Detail dem Familienbuch zu entnehmen. Hauptsächlich war es der österreichische Raum: Ischlergegend, Grundlsee, also das Salzkammergut und die Steiermark - daher der Name des Ortes.
Im laufe der Zeit sind noch weitere Siedler zugewandert. Einige davon sind weitergezogen, die meisten aber sind geblieben und haben sich eine Existenz aufgebaut.
1775 kamen 6 Köhler und 6 Holzarbeiter, die aus Deutschland stammten und sich in Tschanad, Csatad , Pantschova, Triebswetter, und Groß-Jetscha vorher als Bauern niedergelassen hatten, nach Steierdorf.
Der Hüttenmeister Brunner hatte 1794 15 Familien aus verschiedenen kameralen Teilen des Banats zur Ansiedlung in Steierdorf geworben. Bis auf 4 Familien kehrten sie aber alle in ihre Ansiedlungsortschaften zurück. [Stanglica]
Als Folge der Verkürzung der Fruchtration auf einen 1/2 Metzen folgten weitere Auswanderungen: 1801 nach Bukowatz, 1804 nach Karansebesch, 1819 nach Königsgnad und 1826 nach Ruskberg.
Später erfolgte eine neue Ansiedlungsphase in der sich zahlreiche Familien, vor allem aus der Slowakei und Böhmen, in Steierdorf niederließen.
In der Folgezeit gab es viele Zuzüge die in Chroniken ganz genau aufgezeichnet sind z.B.:
1856 Aus Schmölnitz kommen weitere Zipser: 49 Männer mit 20 Frauen und 36 Kindern. Sie wurden im Freudental oder der heutigen Sommerfrische zu angesiedelt, wo sie auf den erhaltenen Parzellen ihre Wohnhäuser in den Jahren 1868-70 erbauten. Da in dieser Zeit das regnerische Wetter vorherrschend war, wurden die von ihnen geschlagenen Lehmziegel des öfteren verweicht, was zu vielen Klagen Anlass gab. Dies war der Grund, dass diese Kolonie Jahrzehnte hindurch den Namen Jammertal führte. Erst nach der Gründung der Sommerfrische-Aktiengesellschaft im Jahre 1893, als sich durch den Fremdenverkehr die Lage dieser Siedler erfreulich besserte, wurde diese Kolonie auf den Namen Freudental umbenannt. (Slovig)
1872 Hundert Jahre nach der Gründung zählt Steierdorf ca. 10.000 Einwohner.
1891 Laut statistischer Daten vom Jahre 1891 hatte Steierdorf-Anina eine Bevölkerungszahl von 12.144 Seelen, die sich nach ihrer Muttersprache wie folgt verteilte: 7553 Deutsche, 1553 Slowaken und Böhmen, 425 Rumänen, 329 Ungarn und 2234 andere. Die Zahl der Häuser war in jenem Jahre 1497.
Die Arbeiterschaft der Steg. verteilte sich wie folgt: Bergleute 2200, Eisenwerk 1100 Forstbetriebe 500, Beamte und Angestellte 190. Zusammen 3990 Mann.
Man erzeugte damals 180.140 Tonnen Steinkohle, 1921 Tonnen Eisenstein und 8289 Tonnen Roheisen. (Slovig)
1903-04 Auswanderung nach Deutschland und Ozd, Oberungarn nach Unruhen, Streiks und Entlassungen.
1906 Beginn der Auswanderung nach Amerika.
Im Zusammenhang mit den 2. Weltkrieg ist es zu der sogenannten 'Flucht' gekommen: Mit dem Rückzug der Wehrmacht wurde auch ein Teil der deutschen Bevölkerung mit Güterzügen in Sicherheit gebracht.
Sie wurden als Flüchtlinge verteilt: im Sudentenland, Franken, Ostbayern.
Einige sind nach dem Krieg auch dort geblieben. Die anderen sind freiwillig zurückgekehrt oder (so die in Sudetenland) mussten der entsprechenden Aufforderung folgen.
Die in Steierdorf-Anina verbliebenen hatten zum Teil ein weitaus schlimmeres Los. Einige wurden nach Russland verschleppt - d.h. sie wurden in einer Nacht- und Nebelaktion in die damalige Sowjetunion gebracht und hauptsächlich im Bergbau eingesetzt. Viele sind nicht mehr zurückgekehrt.
Die Dramatik beider Vorgänge ist durch Zeitzeugen in der Banater Berglanddeutsche Zeitung belegt.
Schließlich hat in den 70ziger Jahren die - wohl unumkehrbare - Auswanderung in die Bundesrepublik begonnen.
Bei der Volkszählung vom 7. Januar 1992 bekannten sich noch immer 1.432 Personen zum Deutschtum (579 in Anina und 853 in Steierdorf).

Leider dürften diese Zahlen unterdessen auch sehr stark zurück gegangen sein, aber insgesamt machte das Dorf schon bei unserer Einfahrt einen ziemlich munteren Eindruck.

Wir hatten also nun unser Tagesziel erreicht und ich dachte, dass es ganz einfach sein wird eine schöne Unterkunft für uns zu finden. In der Karte war etwas außerhalb von Steierdorf ein Touristenkomplex eingezeichnet. Als wir über ein paar Feldwege dahin geschuckelt waren, machte das Anwesen zwar einen gigantischen aber doch äußerst verlassenen Eindruck. Wir kehrten also um und fuhren von Steierdorf nach Anina und von Anina nach Steierdorf und fanden und fanden kein Hotel. Nachdem wir einige Male  Leute gefragt und Kopfschütteln geerntet hatten, Reisebericht Rumänien 2006 von ©Gudrun Pauksch fanden wir doch jemanden der uns zur Pension Costi schickte. Diese lag direkt an der Straße in Steierdorf, aber das Hinweisschild war so dezent, dass wir es übersehen hatten. Das Restaurant war wie eine riesige Scheune in die viele Tische und Bänke gestellt wurden. Das hätten wir hinter der Fassade niemals vermutet. Wir fragten uns zu der Chefin durch, die wie die zahlreichen anderen Kellnerinnen und Küchenkräfte ziemlich im Stress war, denn es wurde anlässlich des Steierdorfer Blasmusikfestival ein riesiger Ansturm Österreicher Blasmusiker erwartet.

Die Chefin wollte uns zunächst abweisen, aber dann besann sie sich und bot uns an in einer sehr einfachen Unterkunft zu übernachten, die eigentlich für Bauarbeiter gedacht wäre. Zu meinem Erstaunen stimmte mein Mann zu, sich die potentielle Schlafstelle zu beschauen. Wir mussten eine Treppe hinunter steigen und kamen so in einen Kellerraum mit 4 Betten, die alle unterschiedliche Modelle waren. Es gab auch einen kleinen Duschraum mit Toilette, aus der jedes Mal beim Spülen aus dem Fuß Wasser kam. Es roch aber nicht fäkal.

Ich staunte nun gar nicht mehr, als Thomas zustimmte in dieser  ganz doll einfachen Unterkunft zu nächtigen. Der Preis betrug mit Frühstück 5 Lei.

Reisebericht Rumänien 2006 von ©Gudrun Pauksch Bis zum Abend hatten wir noch ein bisschen Zeit, schauten uns Steierdorf und Anina an und machten es uns dann auf einer hügeligen Wiese gemütlich. Als die Sonne hinter dem Wald verschwand, wurde es kalt und uns blieb nichts anderes übrig, als zurück in die Pension zu gehen. Dort war nun so richtig Hektik und Chaos ausgebrochen und so weit das Auge reichte waren Tische mit Geschirr und Besteck eingedeckt. Wir fanden in der riesigen Halle keinen Platz, der nicht vorbereitet war und quetschten uns dann schließlich in eine Ecke, wo wir uns die Zeit mit Name-Stadt - Land - Spielen vertrieben. Als wir kurz in unsere Unterkunft gegangen waren, sind die Gäste eingetroffen und die ganze Scheune war überfüllt mit lustigen Blasmusikanten, die alle sofort ein Bier oder irgendetwas anderes wollten. Es ging zu wie in einer Massentierhaltung für Hühner und unsere Plätze waren weg, belegt, unsere Sachen beiseite geschoben! Nun standen wir da, heimatlos und im Weg. Die Chefin nahm uns mit durch die dampfende Küche und setzte uns in den Aufenthaltsraum für das Personal, wo sich bald die Liebhaber der Bedienungsmädels hinzu gesellten und nach getaner Arbeit auch die Köchinnen, die Kellnerinnen und sogar die Chefs. Wir erlebten einen langen und freundlichen Abend mit Wein und Bier.

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Sonntag, 08.10.2006

Fahrt mit der Märchenbahn

So lange ich nach Rumänien fahre, so lange wird mir schon von der märchenhaften Märchenbahn erzählt, die durch malerische Berglandschaft durch das Aninagebirge fährt. Auf der Seite http://www.banater-aktualitaet.de/heim21.htm habe ich gelesen, dass im Banat nicht nur die erste elektrische Stadtbeleuchtung (in Timisoara) von ganz Europa in Betrieb genommen wurde und die ersten Telefon- und Telegrafenverbindungen von ganz Rumänien, sondern auch dass die Strecke der Aninabahn, die zweite im ganzen ungarischen Reich in Betrieb genommene war.
In Rumänien ist es immer sehr wichtig irgendwo der erste, der beste oder der Größte gewesen zu sein- auch das macht den besonderen Charme des Landes aus.
Die Strecke der Aninabahn führt vom Städtchen  Anina nach Oravita. Die Orte liegen Luftlinie 20 km auseinander. Die Route der Aninabahn ist 33,8 km lang.

Reisebericht Rumänien 2006 von ©Gudrun Pauksch Reisebericht Rumänien 2006 von ©Gudrun Pauksch

Und hier noch ein Auszug aus obiger Seite:
Das Bauwerk besteht aus 134 Kurven, 10 Viadukten mit einer Gesamtlänge von 843 m, 14 Tunnels, die aneinander gereiht 2.084 m messen, 2.117 m der Strecke bestehen aus in Felsen gegrabenen Engpässen, und die Gesamtlänge der Mauerwälle beträgt 9.946 m. Der längste Viadukt dieser Strecke ist der über den Bach Jitin und hat eine Länge von 131 m. Er wird von sechs Steinbögen gestützt, die mittleren sind in einer Höhe von 37 m durch eine Eisenbrücke verbunden. Auf dem Viadukt fährt der Zug unmittelbar aus einem Tunnel kommend ein und verlässt ihn mit der Einfahrt in einen anderen. An beiden Enden des Viadukts gibt es zugleich je eine Kurve mit dem kleinst möglichen Radius: 114 m. Diese erlauben nicht den Verkehr von normalen Lokomotiven. Der Ingenieur Pius Fink hatte deswegen in der Wiener Lokomotivfabrik der "Österreichischen k. k. privilegierten Staatseisenbahngesellschaft" (allgemein als StEG bekannt) vier Maschinen von besonderer Bauart entworfen, die auch bei der Weltausstellung von London (1862) und Paris (1870) ohne viel Erfolg ausgestellt waren. Sie trugen den Namen "Steyerdorf". Auch die Waggons sind speziell für diese Strecke angefertigt worden. Der 660 m lange Tunnel bei Gârliste ist der längste dieser Strecke und zugleich der engste im heutigen Rumänien. Die größte Böschung (Steigung) beträgt 20 Grad auf einer Länge von 5.188 m.
Immer wieder ist bestätigt worden, was die "Temesvarer Zeitung" vom 15. September 1874 schrieb: "Die Gegend ist überraschend schön, bald steile, senkrechte Felswände, bald hohe Bergrücken dicht mit Eichen- und Buchenwäldern bewachsen, bald liebliche Täler, bald Schluchten mit herabstürzendem Wildbach, in welchem die Forellen lustig und emsig dahinschwimmen. ( ... ) Nach Lissowa (Lisava - Anmerk. d. Verf.) wird das Interesse der Fahrt durch Tunnels und Viadukte bedeutend erhöht".

Natürlich wollte ich diese Reise auch einmal erleben, aber immer wieder kam irgend etwas dazwischen. In den letzten Jahren mehrten sich die Gerüchte, dass die Bahn unwirtschaftlich ist und vielleicht stillgelegt oder privatisiert werden soll. Es wurde also höchste Eisenbahn, diese Fahrt mit der Eisenbahn zu machen.
Nachdem wir ein kräftiges Frühstück zu uns genommen und unseren Obolus für die Übernachtung entrichtet haben, fuhren wir zum Bahnhof von Anina , den wir uns schon am Vorabend angeschaut hatten. Bei einem oberwichtigen Schnauzbärtigen Schaffner der keinesfalls fotografiert werden wollte, kaufte Thomas 2 Fahrkarten für die Strecke Anina- Oravita. Natürlich wollten wir auch gleich die Rückfahrkarten kaufen, aber das ist nicht üblich und nicht möglich. Wir stiegen kurz vor 10 Uhr in die Bahn und auf die Minute pünktlich um 10 Uhr zuckelte das Bähnle los.
Gleich hinter der Stadt ging es in den Wald, vorbei an einem verfallenen Bergwerk und durch viele Tunnel. Ich saß links und sah die meiste Zeit schroffe Berghänge und Felsen an meinem Fenster vorbei ziehen. Auf der rechten Seite konnte man in sanfte Täler blicken und schon weit voraus die Bahnstrecke sehen die mittig die Berghänge durchschnitt. Auch hier gab es fast keine Herbstlaubfärbung, sondern ein sattes Grün dominierte die Farbe der Wälder.
Neben mir saßen 2 ältere Frauen, die sicherlich schon oft die Strecke gefahren sind, denn sie schenkten der herrlichen Landschaft überhaupt keine Beachtung. Die beiden tratschten mit Feuereifer und so weit ich es mitbekommen habe, ist eine gewisse Anna dabei überhaupt gar nicht gut weggekommen. Aller 10 min holte die eine Frau 2 Bonbon aus der Tasche, die die beiden weihevoll und stumm auswickelten und sich bedächtig in den Mund steckten. Es war wie wenn man Geld in einen Automaten steckt. Die Bonbons lieferten neue Energie für neue Wortschwälle . Das Bonbonpapier wurde übrigens zu kleinen ordentlichen Kügelchen zusammengerollt und in die Rahmen der Zugfenster gedrückt. Als wir losgefahren sind sah der Rahmen ganz normal aus und am Ende der Fahrt hatte er - mit einigem Abstand gesehen- bunte Knospen. Und zu meiner Entschuldigung muss ich sagen, ich hätte ja sehr gern an den Damen vorbei in die Landschaft geschaut, aber wenn sie etwas ganz empörendes über Anna zu berichten hatten, steckten sie die Köpfe zusammen, so dass ich einfach nicht an ihnen vorbei schauen konnte. Ich kam nicht dran vorbei!
Nach ein paar Kilometern kam der Schaffner ins Abteil zur Fahrkartenkontrolle. Von den 8 Mitreisenden in unserem Abteil waren wir die einzigen die sich Fahrkarten gekauft hatten. Die anderen steckten dem Schaffner einfach etwas Geld zu. So kamen sie wahrscheinlich billiger und der Schaffner konnte sein Gehalt aufbessern. Mittelfristig gesehen ist diese Verfahrensweise aber ...sagen wir mal ...dumm, denn wenn die Bahngesellschaft kein Geld durch Fahrkartenverkäufe einnimmt, wird das Bewirtschaften der Strecke unwirtschaftlich und vielleicht einmal stillgelegt. Dann verliert der Schaffner seinen Job und die Reisenden müssen mit dem Auto oder Fuhrwerk die klapprigen Wege durch das Gebirge tuckern.
Nach 2 Stunden fuhren wir förmlich durch den Wald heraus und für ein paar Kilometer durch Wiesenland und verwilderte Obstgärten. Sicherlich ging es hier einmal sehr lebhaft zu als die Bauern ihre Felder und Gärten noch bewirtschaftet haben. Nun ist alles verlassenes Ödland.
Der Bahnhof von Oravita ist ganz typisch für die kleinen Bahnhöfe in Rumänien. Die Bahnsteigkanten sind mit Persilweiß nachgezogen und alles was man anstreichen kann, wurde in den Nationalfarben blau, gelb, rot angepinselt.

Reisebericht Rumänien 2006 von ©Gudrun Pauksch Wir hatten nun 2 Stunden Aufenthalt in Oravita die wir nutzten uns die Umgebung anzuschauen. Viel war an diesem Tag nicht los. Auf dem Bahnhofvorplatz tummelten sich ein paar Zigeunerfamilien und die kleinen dunklen Kneipen waren von düsteren Gestalten die aus schmierigen Gefäßen ihren Ţuică (Schnaps) tranken belegt. Zum Gemüsemarkt geht es ein paar Stufen hinauf und obwohl Sonntag war und auch schon fast Mittag, trafen wir ein paar ältere Leute an, die noch auf ein Geschäft hofften. Sie verkauften unter anderen herrlichen Speck, für den wir uns sehr interessierten. Deshalb durften wir auch kosten und im Überschwang der Gefühle kauften wir die großen dicken Stücken auf (ungefähr 4 kg) Der Speck aus Oravita ist so gut, dass ein Teil davon noch heute in meinem Kühlschrank lagert und kein bisschen ranzig ist. Außerdem gab es noch den bunten kleinen scharfen Paprika, der in Essig in Plastikflaschen eingelegt wird. Auch da legten wir uns einen Vorrat an. Danach gönnten wir uns eine leckeren Tschorba de Vacă (Rindfleischsuppe) in einem kleinen Restaurant das sich genau an der Treppe zum Eingang des Marktes befindet. Diese kostete mit mehreren Kaffee insgesamt 15 Lei (1:3,5) In dem kleinen Raum saßen zusammengedrängt Kartenspieler die mit sehr großem Ernst Karten spielten. Auf den Tischen standen Stapel von Geldstücken und das Ganze hatte die Atmosphäre eines Mix aus Werkskantine und Spielkasino.

Reisebericht Rumänien 2006 von ©Gudrun Pauksch Überhaupt waren viele Bettelkinder und Zigeuner mit scharfen Blick auf alles was eventuell abfallen könnte unterwegs.
Die Zeit war zu knapp größere Erkundungen in Orsova zu absolvieren und wir bummelten gemächlich zum Bahnhof zurück nicht ohne vorher noch einige Interessante Typen zu fotografieren.
Als wir uns die Fahrkarte kaufen wollten, geschah eine lustige Episode, die wir im Rumänienadventskalender 2006 verewigt als Bildgeschichte verewigt haben. Wir wurden nämlich Zeuge wie der Fahrplanwechsel in echter rumänischer Handarbeit vollzogen wurde.
Die Rückfahrt nach Anina war genau so schön wie die Hinfahrt. Unser Abteil war wieder sehr gut gefüllt und der Schaffner kassierte dieses Mal ganz offen (bei der Hinfahrt kam es uns vor als wollte er etwas diskret sein wegen der ausländischen Mitreisenden)
In einen der Fahrgäste habe ich mich unsterblich verliebt, es war dieser Opa!
Wieder fuhren wir durch Schluchten und an steilen Felswänden entlang und an vielen verfallenen Werken wie Kiesgruben und Betrieben vorbei , deren einstige Bestimmung nicht mehr zu ahnen waren.

Reisebericht Rumänien 2006 von ©Gudrun Pauksch Lustig fand ich die sehr imposanten  Bahnschranken, die auch am kleinsten Feldweg mit lautem Jaulen die eventuell mal vorbei kommenden Pferdefuhrwerke für den 10 Mal am Tag vorbeisausenden Bummelzug warnten.
Am Bahnhof Anina stiegen wir ins Auto und fuhren auf einer neuen Teerstraße in Richtung Reschitza. Unterwegs haben wir noch den Straßenarbeiter Bogdan von unserer kleinen Küchenfete in der Vornacht getroffen der stolz auf einer riesigen Planierraupe saß und uns majestätisch zuwinkte. In Reschitza suchten wir eine Pension, die uns von einer Bekannten empfohlen wurde. Ich hatte eine Beschreibung aber irgendwie kamen wir nicht klar und fuhren viel zu weit bis zum Lacul Secu. Nach einigen Befragungen der einheimischen Bevölkerung und Anrufen bei Herrn Feith, dem Vermieter, fanden wir doch die Pension, die wie schon die von vergangener Nacht unscheinbar am Wegesrand lag und an der wir immer missgestimmter einige Male vorbeigerauscht waren.
Die Pension war nicht sensationell und erheblich teuerer als unsere Unterkunft in der vorhergehenden Nacht (900.000 alte Lei = 90 neue Lei bzw. 30 Euro ohne Frühstück) Wir buchten für 2 Nächte.

Reisebericht Rumänien 2006 von ©Gudrun Pauksch Und nun noch ein kleines Kapitel "Rumänien richtig reisen"
Wir wollten uns den Reisestaub abduschen und Thomas machte den Anfang. Nach ca. 6 Minuten hörte ich ihn erst schimpfen und dann sehr seltsame Geräusche von sich geben. Huchhh, Uiiiii, Hachhhhh! Als ich der Sache näher auf die Spur ging, stellte sich heraus, dass er nur kaltes Wasser zum Duschen und Haare waschen hatte. Ich war aber auch schmutzig und wollte unbedingt auch sauber werden und beschloss in den sauren Apfel zu beißen und die Körperreinigung auch mit kalten Wasser zu vollziehen. Todesmutig stieg ich in die Duschkabine. Da ja sowieso nur kaltes Wasser da war, drehte ich den Kaltwasserhahn auf und...natürlich kam schönes angenehm warmes Wasser...nichts geht über eine angenehme Dusche nach Tagen ...
Nachdem wir nun sauber waren fuhren wir in die Stadt und landeten in einem ziemlich feinen Restaurant. Das Personal ignorierte uns erst mal und Thomas noch geladen von der Eiskalten dusche, blubberte den Kellner voll.
Wir bekamen die Speisekarte und ich war sehr begeistert. Außer einer meiner Lieblingsspeisen gebackenes Hirn gab es auch noch gekochte Schafshoden. Das wollte ich unbedingt probieren. Allerdings genierte ich mich diese delikate Speise zu bestellen. Obwohl Thomas SOWAS nie essen würde, bestellte er das Essen für mich, aber leider gab es nur das Hirn, die Hoden waren alle! Aus dieser Konstellation kann man ja nun verschiedene Schlüsse ziehen.

Für uns gab es nun 1 große Grillplatte, Suppen, eingelegten Paprika, 1x Eierkuchen, 3 Fanta und ein Bier und das für 50 Lei!

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Montag, 09.10.2006

Ein schöner Tag mit Horst

Wir haben recht gut beim Feith geschlafen. Während des Frühstücks unterhielten wir uns mit ihm. Er ist ein Banater Schwabe der nach seiner Auswanderung aus Rumänien nach Deutschland zurück nach Rumänien gekehrt ist, um in Reschitza die Pension zu betreiben. Er erzählte uns, dass er ganz große Probleme habe zuverlässige und ehrliche Leute zu bekommen die sein Haus führen, wenn er sich in Deutschland aufhält.

Um ca. 10 Uhr fuhren wir wieder in die Stadt um Horst Neff, einen ganz lieben Freund, den bisher nur ich kannte, zu besuchen. Als ich ihn das erste Mal mit einem anderen Rumänienbekannten besuchte, stand für mich fest, Horst ist genau der Mensch, von dem ich mich gern retten lassen würde, wenn ich in Not wäre. Einige Jahre später war ich noch einmal bei Horst zu Gast. Mit Karpatenwilli verbrachte ich einige Tage in Wolfsberg im Semenicgebirge und wir wollten gemeinsam die bekannte Comanic-Höhle besuchen. Horst hat von Freunden aus Deutschland immer wieder Ausrüstungsgegenstände für Wanderungen und Camping geschenkt bekommen. Horst findet aber, dass die guten Sachen aus dem Westen geschont werden müssen und die alten Dinge schon auch noch gut sind, besonders wenn man sie repariert. Und Horst repariert und tüftelt wahnsinnig gern. Am meisten beeindruckt mich seine Konstruktion im Bad in seinem Haus in Reschitza. Da spielt Angeldraht eine Rolle und es läuft aus einem Schlauch heißes Wasser in die Badewanne wenn der Badeofen geheizt ist. Den tieferen Sinn dieser "Anlage" habe ich bei aller Faszination bis heute nicht verstanden.
Karpatenwilli, Horst und ich wollten also 2005 die Comanic-Höhle begehen. Natürlich hat Horst auch jede Menge Taschenlampen in allen Größen und Formen vorrätig, aber selbstverständlich sollten auch die geschont werden. Horst bastelte deshalb mit seinem Höhlenforscherkollegen stundenlang an einer alten Carbidlampe herum, die er mit in die Höhle nehmen wollte. Schließlich war er der Meinung, dass die Lampe ausreichend funktioniert und wir starteten unsere Exkursion. Karpatenwilli, ganz im Dienst wie immer wenn er in Romania unterwegs ist, hatte eine gute Taschenlampe und Fotoausrüstung dabei, denn er wollte Fotos von der Höhle für seine Homepage schießen. Ich war zum ersten Mal in einer so ziemlich unzivilisierten Höhle unterwegs. Damit ich die Hände zum abstützen, tasten und umherkriechen frei habe, hatte ich auf Willis anraten nur meine kleine Kopflampe mitgenommen.
Ich, bisher nur in den zivilisierten Höhlen wie der Rübelandhöhle und Feengrotte etc. unterwegs, hätte nie gedacht, dass das Dunkel in einer Höhle so dunkel sein kann. Willi schwebte als ob er alles sieht leichtfüßig über die Steine und das Geröll welches auf dem Weg lag. Für mich war das schwieriger. Ich war unsicher und stieß überall an, fiel hin und war nach 100 m Höhle schon von oben bis unten schlammig. Horst blieb in meiner Nähe, aber seine Carbidlampe ging aller paar Meter aus und musste wieder in Gang gebracht werden. Wir kamen nur sehr stockend voran. Nach dem Felsen mit dem Muschelabdruck ging es einen kleinen Felsabhang hinunter, den man eigentlich kletternd bewältigen kann. Ich war aber den glatten matschigen Felsen eh ich mich versehen konnte hinunter gerutscht. Willi, schon lange vor mir auf elegante Art unten angekommen, sah mich auf sich zurutschen und konnte sich vor Lachen kaum auf den Beinen halten. Ich sah aus wie eine Schlammkugel. Unterdessen war Horsts Lampe wieder ausgegangen und konnte auch nicht mehr in Gang gesetzt werden. Horst und ich beschlossen Willi mit Fotoausrüstung ziehen zu lassen und zurück zu gehen, einzig und allein im Lichte meiner winzig kleinen Kopfleuchte. Horst lotste mich durch den unebenen Tunnel und ich lieferte das notwendige Licht. So kam es , dass mein Traum, mich einmal von Horst retten zu lassen in Erfüllung ging und ich ihn gleichzeitig gewissermaßen auch rettete.

Ja, dass ist die Geschichte von Horst, den der Rumänienreisende immer erkennen wird, wenn er im Banater Bergland unterwegs ist. Horst ist der große kräftige ältere Mann, mit der Figur eines Reckens und der Axt über der Schulter, denn ein Horst verlässt nie ohne Axt das Haus.

Nun waren Thomas und ich aber in der Stadt und trafen Horst in seinem mitten im Zentrum gelegenen Haus.

Er kam uns schon entgegen gelaufen, als wir in die Straße eingebogen waren. Es war eine sehr schöne und herzliche Begrüßung. Bald fragte uns Horst aber, wo wir die vorhergehende Nacht verbracht hatten und ich sagte ihm, dass wir in einer Pension waren, war Horst richtig richtig sauer. Ich hatte zu tun ihn zu beruhigen und Horst bestand darauf, dass wir unser Gepäck bei Feith abholen und mit ihm nach Wolfsberg fahren um dort zu übernachten. Wir waren unsicher, aber Horst meinte, er kommt mit und klärt das. Keine Wiederrede.

Reisebericht Rumänien 2006 von ©Gudrun Pauksch Horst kannte Feith und ehe wir uns versahen übernahm er das Kommando. Er packte unseren Vermieter am Genick und meine schmunzelnd "Sei nicht bös, ich nehm Dir Deine Gäste" und Feith blieb gar nichts anderes übrig als Einverstanden zu sein. Thomas bezahlte und nun machten wir uns zu dritt auf dem Weg nach Wolfsberg, einen Ort der ursprünglich von Banater Schwaben besiedelt war. Heute ist dieser schmucke Gebirgsort fast eine Ferienanlage, in der nur noch eine handvoll Menschen leben. Die meisten Häuser sind Wochenendhäuser oder Ferienhäuser für Banater Schwaben und auch Böhmer die nach Deutschland ausgesiedelt sind und sich im Urlaub in die alte Heimat zurück ziehen. In manchen Häusern haben sich auch Rumänen aus Timisoara oder Reschitza ihre Feriendomizile eingerichtet. Auch im Nachbardorf Weidenthal (Brebu Nou) leben fast keine Bauern mehr. Unser Bekannten Gerd und Rodica Ballas aus der Nähe von Frankfurt haben sich da ein Häuschen zugelegt und werden nun ihre Zeit des Vorruhestandes da genießen. Bevor wir nach Wolfsberg fuhren ging es also zu Familie Ballas. Rodica bot uns einen Holunderschnaps an und Gerd zeigte uns stolz seine neuen Besitztümer ganz in der Nähe eines Naherholungsgebietes. Gerd ist richtig in das Dorfleben integriert und ganz selbstbewusst pfeift er mit seinem Quad durch das Dorf, hier ein Schwätzchen mit dem neuen Polizisten, da ein paar Bemerkungen zu den Arbeitern die das neue Telefonkabel verlegen und sein Dorn im Auge ist das Müllproblem. Nachdem er erfolgreich die Müllhaufen am Badeteich bekämpft hat, gab es nun schon wieder ein neues Problem. Hirten (?) hatten über Nacht in den  am See befindlichen  Müllcontainern gewühlt, wahrscheinlich auf der Suche nach verwertbarem, und den Inhalt weit über die Wiese verstreut. Da konnte man den sonst so gutmütigen Gerd mal so richtig wütend erleben.

Nachdem wir Gerd und sein Dorf ausführlich besichtigt und gebührend bewundert hatten, fuhren wir ein Stück zurück nach Wolfsberg. Dort hat Horst sich in das Nebengebäude eines der Bauernhäuser eingemietet. Der Hausbesitzer kommt nur selten und ist froh, wenn Horst nach dem rechten sieht, das Grundstück pflegt und ihm alles vorbereitet, wenn er mal zu Besuch kommt.

Reisebericht Rumänien 2006 von ©Gudrun Pauksch Reisebericht Rumänien 2006 von ©Gudrun Pauksch

Das ganze Grundstück ist sehr HORSTIG, denn wie schon erwähnt, Horst bastelt gern und macht aus allem etwas, wie z.B. auf dem obigen Bild aus der Dusche.

Es ist einfach schön mit Horst zusammen zu sein. Mit seinem "alten" Deutsch im Banater Dialekt und seine durch sein Leben in Rumänien gefärbten Ansichten sind seine Erzählungen für mich etwas sehr bewahrenswertes, gerade auch weil er nichts im Bösen erzählt sondern allem etwas freundliches entgegenbringt. Er erzählte uns von Autounfällen in der Reibung (Reibung = Kurve) , seinen vielen Wanderungen mit denen er schon ganz früh in seinem Leben begonnen hat (ohne Zelt nur im Schlafsack im Fagaraschgebirge - dass die Zehen dabei erfroren ist nicht so richtig schlimm) , seiner Leidenschaft für Höhlen und auch vom Besuch meiner Schwester und ihren Kindern Richard und Johanna und Christian im letzten Sommer.

Nebenbei läuft auch bei Horst die Schnapsbrennerei. Lustig ist, dass er keinen Tropfen davon trinkt, weil sein Großvater, den er sehr gern gehabt hat, in der Hinsicht ein schlechtes Vorbild für ihn war. So muss nun die liebe Edith immer seinen Schnaps kosten. Dass das sehr gut funktioniert merkt man daran, dass der Schnaps, den Horst von den Birnen vorm Haus herstellt für mich der allerbeste selbstgebrannte in ganz Rumänien ist.

Reisebericht Rumänien 2006 von ©Gudrun Pauksch Nachdem wir das Häuschen bezogen hatten, machten wir uns auf dem Weg zum Kreuzberg, den Hausberg von Wolfsberg. Es hieß, wir machen einen Spaziergang und so hatte ich nur Sandalen an. Das war nicht besonders klug, denn die  kleine Wanderung führte durch Wiesen mit Anstieg und es war ziemlich wackelig. Die Männer schritten vorneweg und ich spazierte hinterher. Es gab aber auch viel zu entdecken. Überall gab es Pilze und Blumen und im sicheren Abstand verfolgte uns ein schöner großer Hund. Auf dem Kreuzberg am Kreuz gibt es eine Sitzgelegenheit und von da aus hat man den Eindruck die gaaaaanze Welt zu sehen. Wir ließen uns nieder und genossen den Ausblick .

Auf dem Rückweg- Horst hatte meine ungeschickte Schuhwahl bemerkt und wählte einen BEQUEMEREN Weg- fanden wir Unmengen von Braunkappen und Birkenpilzen. Ich machte mich sofort ans sammeln, aber Horst meinte, dass man diese Pilze nicht essen könnte. Er mag nämlich nur "Buchenschwammeln" ist da sehr eigen. Ich konnte nicht verstehen, wie man die leckeren Pilze am Wegesrand stehen lassen kann und sammelte mit Thomas schnell eine übergroße Mahlzeit zusammen.

Zurück am Haus machten wir uns über die Zubereitung her, schön mit Zwiebeln und Speck, eine riesengroße Pfanne. Die Katzen, die eigentlich nicht gefüttert werden (außer mal mit einem Stück Brot mit dem die bereits ausgekratzte Pfanne ausgewischt wurde) waren ganz närrisch und umkreisten unseren Pilzputz- und Speckschneidetisch. Wir hatten zu tun, dass es nicht Pilze mit Katzenbraten gab.

Reisebericht Rumänien 2006 von ©Gudrun Pauksch Reisebericht Rumänien 2006 von ©Gudrun Pauksch

Während wir putzen und bruzelten kramte Horst auf dem Grundstück herum. Bei ihm hat alle seine eigene Ordnung und er stellte uns seine kleinen Konstruktionen und Erfindungen vor. Schön ist, dass er dabei über sich selber schmunzelt. Sein größter Traum wäre, so erzählte er uns, einen Skilift zu haben. Der zum Haus gehörende Garten ist nämlich im Winter eine ideale Skipiste, ganz steil mit schönem Auslauf. Aber jedes Mal mit den Ski wieder hinauf zu kraxeln ist sehr anstrengend. Thomas registrierte Horsts Traum und schickte ihm später über Gerd Ballas ein ordentliches Drahtseil mit diversen Zubehör. Nun hoffen wir nur, dass Horst das Seil auch für den Skilift nutzt und nicht, wie es seine Art ist, es viiiiel zu schade findet und aufhebt bis....ja bis...oder für... den Sankt Nimmerleinstag.

Zu meiner Verwunderung aß dann Horst dann tatsächlich auch von unseren Pilzen und lobte die Zubereitung. Er hätte nun auch keine Angst mehr , dass er davon vergiftet werden würde, meinte er.

Am Abend schaute dann Gerd Ballas noch mit gut gekühlten Bier vorbei und wir hielten ein kleines Schwätzchen.

Auf einem riesengroßen zusammengestoppelten Bett auf dem schon so viele gute Rumänienfreunde von mir geschlafen haben, schliefen Thomas und ich richtig gut und tief.

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Dienstag, 10.10.2006

Ein Einkaufstag in Reschitza

An diesem Tag habe ich kein Tagebuch geführt und kann deshalb auch nur lückenhaft und aus der Erinnerung berichten.

Zunächst einmal hatten wir sehr gut in Wolfsberg geschlafen. Horst wollte mit uns eine Wanderung machen und Thomas freute sich schon sehr darauf,. Nur ich hatte ein Problem. Mein Knöchel war über Nacht geschwollen, wahrscheinlich lag das daran, dass ich unseren kurzen Spaziergang am Vorabend in Sandalen absolviert habe. Ich sagte also dass ich nicht mitgehen werde. Die Männer waren nicht böse, denn nun konnten sie eine richtige Männertour machen. Horst musterte Thomas und sagte entschlossen, "der verträgt was". Ich wurde also in Reschitza abgesetzt und die Männer packten sich Proviant ein und zogen von dannen.

Ich war nun frei und hatte den ganzen Tag für mich. Ich besuchte den Markt um Gemüse und Käse zu kaufen und schlenderte durch ein großes Kaufhaus. Schließlich traf ich mich noch mit Yvonne, einer Bekannten aus der Internetrumänienszene, die in Reschitza geboren ist und nun in Deutschland lebt. Gemeinsam mit ihrem Mann war sie gerade dabei die Wohnung in Reschitza zu renovieren und wir besuchten beide noch mal den Markt und kauften gemeinsam Fliesen ein.

Irgendwann kam dann Edith von der Arbeit zurück und noch etwas später Thomas und Horst. Die beiden waren richtige Helden und strahlten vor Stolz auf ihre Wanderung. Ich bin mir sicher, dass dieser Tag mit Horst für Thomas der schönste der ganzen Rumänienreise war. Er berichtet noch heute sehr gern von dieser Wanderung durch eine Schlucht und den Aufstieg durch fast senkrechte Felswände, wo es kaum Stellen gab mal einen Fuß gerade zu stellen.

Den Abend verbrachten wir gemütlich mit Horst und Edith, 2 wirklich lieben Freunden, die fürsorgliche Gastgeber sind und mit denen wir uns gut und lieb unterhalten können.

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Mittwoch, 11.10.2006

Heimfahrt

Tja, nun war unser Urlaub zu Ende. Ganz zeitig stiegen wir ins Auto und fuhren geradewegs mit einer Mittags- und ein paar Pinkelpausen nach Hause!

Gudrun Pauksch

Juli 2007