Die Schlafwagennacht hatte ich trotz bedrohlicher Schaukelei des Zuges und der dreimaligen Passkontrolle, ebenso wie die anderen Mitreisenden, gut überstanden. Nach dem wunderbaren Frühstück bei Wagners, den meisten von Ihnen gut bekannt, stiegen wir auch gleich in ernste Gespräche ein. Die Zukunft des Pfarrhauses hat was von einer unendlichen Geschichte mit offenem Ausgang, die Personalsorgen des Scholtener Altersheimes drücken sehr (Arbeit im Westen lockt!), stagnierender Kleiderverkauf und die Bäckerei, die um Aufträge kämpft, waren die wichtigsten Themen. Es wird angedacht, einen Kleinwagen für das Altersheim zu finanzieren, damit die langen Wege auf den "Rüttelpisten" für das Pflegepersonal zu bewältigen sind. Ansonsten gibt es viele Ideen von Pastor Wagner: "Wenn das so kommt, dann könnten wir es eben so angehen", die von eindrucksvoller Energie zeugen.
Weiter geht's nach Scholten in wahrhaft bewegter Fahrt, wegen der Strassen natürlich, mit unserm Pastor am Steuer. Uns drängt es, die dortige frisch renovierte Kirche in Augenschein zu nehmen. Erfrischend hell, stilvoll und von einladender Schönheit fasziniert dieses Gotteshaus. Die Scholtener und Pastor Servatius sind mit Recht stolz auf dieses Ergebnis und uns bereitet es große Freude gemeinsam die letzten Vorbereitungen für den regionalen Einweihungsgottesdienst zu treffen.
Dann gibt es Wiedersehensfreude, viel, sehr viel! Und ich erfahre wichtiges über dieses Land: es gibt kaum noch Arbeitskräfte, die Sachsen sind zu allermeist in Deutschland, die Rumänen arbeiten in Polen und die Zigeuner sind eben nicht immer willkommen. Eine Rente von rund 70 Euro muss zum Leben reichen. Das geht eben nur mit ein bisschen Landwirtschaft und die in echter mühsamer "Handarbeit".
Ich lerne das Altenheim kennen. Ein bescheidenes Haus, aber
mit besonderen Qualitäten.
Vor dem Haus sitzen, zum großen Teil in Rollstühlen, die
Bewohner. Manche halten Hund und Katze gleichzeitig auf dem Schoß, eine fegt
mit fast liebevoller Sorgfalt den Hof, ein anderer macht trotz
Orientierungsschwierigkeiten kleine Ausflüge ins Dorf und die ruhige Stimmung
wird hin und wieder unterbrochen vom eiligen Schritt und herzlichem Lachen des
Direktors.
Und die Abende in privater Runde, manchmal als Chorprobe der
Bläser, bei Kuchen und Wein, sind von besonderer Nähe, Freude und auch Wehmut
geprägt. Momente des Glücks!
Dann wieder Situationen, wo verzweifelte Einsamkeit
durchbricht und das Herz bluten
lässt. Unbestrittener Höhepunkt der
Reise war der Einweihungsgottesdienst mit rund 450 Gläubigen. Begleitet von
deren Gesang, den Posaunenchören ist "Großer
Gott, wir loben Dich" wirklich ein besonderes Gebet! So wie der Klang von
Posaunen und Trompeten, nicht nur beim traditionellen Maiblasen, überhaupt eine
starke Verbindung schafft.
Dann muss Abschied genommen werden. Ohne Gastgeschenke, wie Speck und Wein mit dem dazugehörigen Krug, dürfen wie nicht auf die Heimreise gehen. Aufkommende Wehmut, eine herzliche Umarmung und das erbetene Versprechen wiederzukommen, gehen mir an die Nieren. In meinen Ohren klingt noch immer das oft gehörte, freundliche: "Kommen sie auf ein 'Glas' Gespräch, kommen sie und bedienen sie sich...".