"Kommen Sie NICHT nach Otelec - sie erkennen es nicht wieder!" Diese Worte des ehemaligen Vizebürgermeisters Laci Biro drückten Ende April dieses Jahres die Verzweiflung aus, die ihn so wie die meisten Bewohner Otelecs ergriffen hatte, nachdem mehr als der Hälfte der Häuser durch die Wasserfluten der Temesch zerstört worden waren.
"Kommen Sie nach Otelec - sie erkennen es nicht wieder" , könnte dieser Satz abgewandelt im nächsten Jahr lauten. Nur ein fehlendes Wort zwischen den 2 Sätzen, aber ein riesengroßer Bedeutungsunterschied. Was ist in den letzten Monaten geschehen, dass die Menschen in unserer Partnerpfarre wieder Mut bekommen haben, zum Besuch ihres Dorfes einzuladen.
Mehr als 2 Monaten
standen Teile des Dorfes trotz massiver Hilfe aus Ungarn und auch Österreich
unter Wasser. Fachleute des ungarischen Hochwasserschutzes und Feuerwehrleute
aus Niederösterreich hatten mehrere Wochen hindurch 20 Millionen Kubikmeter
Wasser in den Bega-Kanal abgepumpt, da in diesem ebenen Gebiet keine natürliche
Abflussmöglichkeit für die Wassermassen gegeben war. Am 20. April hatte die
Hochwasser führende Temes in 25 km Entfernung von Otelec den Damm an mehreren
Stellen durchbrochen und über 3 Wochen floss Wasser ungehindert in die tiefer
liegenden Gebiete, wobei Otelec genau am tiefsten Punkt dieses Gebietes liegt.
Fast das gesamte Dorf musste evakuiert werden, die meisten fanden bei Freunden
oder Verwandten in den Nachbardörfern Unterkunft. Innerhalb weniger Tage hatte
das Wasser die luftgetrockneten Lehmziegel so aufgeweicht, dass 150 Häuser
vollkommen zusammenstürzten. Der Hausrat konnte in vielen Fällen nicht gerettet
werden, da die Wasserfluten überraschend über das Dorf hereinbrachen und die
Menschen fluchtartig ihre Häuser verlassen mussten.
Nun - mehr als 4 Monate später
- ist Otelec eine Großbaustelle. LKWs transportieren Ziegel, Sand, Beton und
Bauholz. 150 Bauarbeiter aus dem ganzen Land arbeiten daran, dass zumindest die
meisten der obdachlos gewordenen Menschen vor Einbruch des Winters wieder ein
Dach über dem Kopf haben. Der Baufortschritt ist von Gasse zu Gasse sehr
verschieden, da in manchen Teilen des Dorfes das Wasser viel länger stand und
dadurch erst spät mit dem Bau eines Ersatzheimes begonnen werden konnte.
Während von manchen Häusern erst die Fundamente zu sehen sind, haben andere
schon einen Dachstuhl. Manche Dorfbewohner beklagen sich auch, dass die
Beseitigung der Hausruinen nur sehr schleppend vonstatten ging, da die dazu
notwendigen Baumaschinen und LKWs fehlten. Auch die Kommission, die die Schäden
aufnahm, zeichnete sich nicht durch besonderen Eifer aus. Ein zusätzliches
Problem ergab sich daraus, dass bei manchen Häusern, die von den Wassermassen
nur gering getroffen wurden, durch das nasse Erdreich und die schlechten
Fundamente erst nachdem die Kommission die Schadenbegutachtung durchgeführt
hatte , Mauern einsanken.
Einem Besucher von Otelec bietet sich Anfang September ein sehr gemischtes Bild.
Einerseits bemerkt er
durch die rege Bautätigkeit den Willen der rumänischen Regierung, den Menschen
zu helfen. Andererseits hört er die Klagen vieler Dorfbewohner, dass ihr neues
Haus nur halb so groß ist wie ihr früheres und es ungerecht sei, dass die Größe
des neu errichteten Hauses nur von der Zahl der im Haus lebenden Personen
abhängig sei und nicht vom ursprünglichen Ausmaß und Bauzustand des Hauses.
Auch wird bemängelt, dass die Bauarbeiter viel zu langsam arbeiteten und
eigenes Handanlegen nicht erwünscht
sei. Der rumänische Staat hatte den Hochwasseropfern versprochen, bis Ende
September die neuen Häuser schlüsselfertig zu übergeben, was wohl als
Schuldgeständnis an er Misere anzusehen ist, da die gebrochenen Dämme jahrelang
nicht kontrolliert und ausgebessert wurden.
Nun ist von einer
Fertigstellung bis Anfang Dezember die Rede, aber auch dieses Ziel scheint bei
vielen Häusern nicht erreichbar. Bei Beginn des Wiederaufbaues sind die in den
Nachbardörfern einquartierten Menschen wieder nach in ihr Heimatdorf
zurückgesiedelt, um beim Neubau ihres zerstörten Hauses dabei zu sein bzw.
mitzuhelfen und wohnen unter unbeschreiblichen Zuständen in Kuh- und
Schweineställen oder Scheunen. Die Brunnen sind verseucht und das gesamte
Trinkwasser muss von einer mobilen Wasseraufbereitungsanlage, die Tschechien
zur Verfügung stellt, geholt werden.
Dort wo sonst um diese Zeit der Mais oder die Sonnenblumen heranreifen, findet man nur meterhohes Unkraut. Das über Monate stehende Wasser hat auch die Bodenlebewesen zum Absterben gebracht. Das wird in den nächsten Jahren weitaus schlechtere Ernten bewirken, eine Katastrophe in einem Gebiet, in dem fast die gesamte Bevölkerung von der Landwirtschaft lebt. Viele der Haustiere sind auch in den Wasserfluten ertrunken oder mussten zu Billigstpreisen an Händler verkauft werden, welche die Notsituation der Menschen ausnutzten.
Andererseits erfuhren die
Dorfbewohner viel Hilfsbereitschaft aus dem In- und Ausland. Die Otelecer
Schulkinder hatten während der Ferien mehrmals die Möglichkeit kostenlos 2
Wochen auf einem Ferienlager in Ungarn oder Rumänien zu verbringen. Seit Juli kocht
eine mobile Küche des Malteser Hilfsdienstes täglich für 75 Personen
Mittagessen. Daneben gibt es für Bedürftige Lebensmittelpakete von der
rumänischen Caritas. Spezielle Trockenlegungsgeräte aus Tschechien saugten die
Feuchtigkeit aus den Häusern, bei denen die Mauern nicht einstürzten.
Mit Freude aufgenommen wurde von den Ortsbewohnern auch die Nachricht, dass die Pfarre Birkfeld den 150 betroffenen Familien 20.000 Euro für den Ankauf von Einrichtungsgegenständen zur Verfügung stellt. Dieses Geld wurde Anfang September auf das Konto der örtlichen Vereinigung "Pro Otelec" überwiesen .
In einem Dankbrief, den der Vorsitzende Gabor Talpai nach Birkfeld geschickt hat, schreibt er:
Liebe Birkfelder!
Wir Oteleker sind in diesem Jahr durch die verheerende Überflutung unseres Dorfes auf eine große Probe gestellt worden, die wir noch nicht ganz bestanden haben. Wir- die Gemeinschaft "Pro Otelec" und ich als Vorsitzender bemühen uns, die Geschicke unseres Dorfes gut zu leiten und wir tun alles, was uns möglich ist, dass Otelec wiedererstehen kann.
In diesem Brief möchte ich Euch für alles danken, was ihr für uns getan habt, vor allem für die großzügigen Spenden von insgesamt 20 000 Euro.
Wir werden das überwiesene Geld so rasch wie möglich an die Hilfsbedürftigen verteilen. Ich werde mich bemühen, die Birkfelder Pfarrgemeinde sowohl durch Briefe als auch durch Fotos zu informieren, wie der Wiederaufbau unseres Dorfes voranschreitet.
Natürlich wissen wir, dass dieser Dankbrief nur ein schwaches Mittel ist, um unseren Dank für eure Hilfe auszudrücken. Daher möchten wir in den nächsten Jahren möglichst viele Birkfelder zu uns nach Otelec einladen, damit wir unsere Dankbarkeit durch unsere Gastfreundschaft zeigen können.
Wir wünschen allen Familien Gesundheit und Gottes Segen.
Für die Vereinigung "Pro Otelec"
Talpai Gabor