Autor: Robbie
Datum: 02.08.04 16:30
Hallo Dia,
danke für deinen tollen Beitrag! Das hat mir sehr geholfen. Die Wahrheit liegt wohl zwischen dem Beitrag von Anna und Dir, das schließt sich nicht aus. Im Grunde hast du einiges gesagt, was ich bisher so nicht ausdrücken konnte- und vor allem, was meine Frau bisher nicht so ausdrücken konnte.
Vor allem die Sache, daß sie nicht gleichzeitig einige Dinge parallel machen kann und was mich bisher verrückt machte, hast du mir bestätigt als eine "rumänische Eigenheit". hatte ich in meinem Ursprungsbeitrag ganz oben nämlich vergessen zu erwähnen: Einen Behördengang machen und dabei 2 Dinge gleichzeitig zu erledigen ist für sie ein unmöglicher Gedanke, für mich das normalste von der Welt weil ich es gewöhnt bin, effizient zu denken und zu handeln, liegt wohl an meinem Job. Aber nicht nur Behördengänge, auch andere Dinge im Leben sind wohl von dieser Denkweise geprägt.
Du hast mir Hoffnung gemacht, daß wenn sie ab 1. September ihre Ausbildung macht und weg von der Gastfamilie kommt (Ihre Ausbildung macht sie bei einer Rumänin, die schon lange in D arbeitet), die Dinge langsam doch besser werden.
Bisher dachte ich "fördern und fordern" sind der beste Weg zur schnellen Integration, aber wir müssen wohl doch noch viel mehr Gespräche führen und ich muß meine Ungeduld zügeln. Sie fühlt sich wahnsinnig schnell unter Druck gesetzt, zumindest ein bißchen was von Fred's angesprochenen sozialen Phobie spielt da bestimmt auch eine Rolle. Einmal z.B. ging ich mit ihr in ein Kaufhaus, neue Jeans anprobieren und als sie mehr als 2 mal testen sollte bekam sie die Panik, sie fing an zu heulen und wollte so schnell wie möglich aus dem Kaufhaus.
Ach ja: falls der Eindruck entstanden wäre, ich wolle mir Ihre Zuneigung "erkaufen" durch Geschenke, so ist es nicht. Klar mache ich meiner Frau gerne Geschenke (nicht nur praktische, ich kauf auch mal Blumen oder Pralinen, Dessous auch, aber das zählt ja mehr unter sich-selbst-beschenken ), aber nicht mehr als andere Männer ihren Frauen, schätze ich mal.
Noch was: Weil ich mich letztens beschwerte das wir kaum etwas unternehmen schlug sie vor, zusammen ins Freibad zu gehen, was ich toll fand. Dort stellte sich dann aber heraus, daß sie zwar schwimmen konnte, es aber eigentlich hasste und außerdem Panik bekam wenn das was tiefer als Stehhöhe war. Weil ihr das Wasser etwas zu kalt war wollte sie auch gleich wieder raus, obwohl hunderten von Leuten offenbar die temperatur angenehm war - so auch mir. Ich reagierte zum Glück verständnisvoll, obwohl es mich innerlich schockierte, kam nämlich hiermit halt noch eine weitere Phobie hinzu, von der ich nichts wußte.
Aber danach hatten wir ein gutes Gespräch in dem sie mir erzählte, daß sie in Ro von ihren Eltern kaum Freiheiten bekam, was das ausgehen und das erlernen und ausüben von Sportarten betraf, das wäre alles zu gefährlich, beim Schwimmen könne man ertrinken. Sogar tanzen durfte sie nicht, weil man dabei ausrutschen und sich ein Bein brechen könnte! Man kann also allgemein sagen, daß ihre Erziehung nie dahin zielte, Selbstbewußtsein zu entwickeln, indem man irgendwelche Aufgaben gemeistert hatte, an denen man wachsen kann.
Jetzt, wo wir verheiratet sind, wird es wohl endlich Zeit, sich kennenzulernen....
Vielleicht kann ich ihr helfen, mit der Zeit selbstbewußter zu sein und Interesse an einigen Dingen zu entwickeln, an die sie heute nicht denkt. Sonst gibt sie es auch noch an ihre Kinder weiter. Als ich z.B. letztens erzählte, ich wäre früher ein guter Windsurfer gewesen und ich im nächsten Urlaub dieses Hobby mal gerne wieder ausüben würde sagte sie mir, wie schrecklich diese Vorstellung wäre und sie keine ruhige Minute dabei hätte und ob ich ihr zuliebe nicht besser darauf verzichten würde: Ich könnte ja ertrinken oder von einem Hai gefressen werden...
Ich muß auch viel mehr in Betracht ziehen, daß sie eben keine Deutsche ist. Sie spricht und schreibt nämlich nahezu fehlerfrei Deutsch, ist überhaupt sehr sprachgewandt. Sie wird auch interessanterweise ungern daran erinnert, daß sie Rumänin ist und läßt kein gutes Haar an dem Land und seinen Bewohnern- eine echte Identitätskrise nennt man das wohl...
Also nochmals danke, alle Antworten haben mir sehr geholfen, besonders deine, Dia.
Gruß
Frank
|
|