Autor: Buecherwurm
Datum: 03.06.10 18:56
ADZ vom 03.06.2010
Vom Eisenbahnverkehr fast völlig abgeschnitten
Schon der Bahnhof von Fogarasch deutet auf eine Stadt, in der kaum etwas geschieht
Von Dieter Drotleff
Sprach man von Fogarasch/Fagaras vor der Wende, machte man immer gleich die Verbindung zur „Chemiefestung“ des Landes, in der Tausende Stadtbewohner und Pendler aus dem Umfeld gesicherte Arbeitsplätze im Chemiekombinat oder in dem Werk für Chemieausrüstungen hatten. Nach deren völligem Zusammenbruch und der Privatisierung nur geringer Teile dieser ehemaligen Großbetriebe suchten vor allem die jungen Menschen Zuflucht im Ausland. Italien, Spanien aber auch andere westeuropäische Länder bieten den freiwilligen Auswanderern Arbeitsplätze, die deren beruflicher Ausbildung oft nicht entsprechen, doch eine verhältnismäßig gute Entlohnung gewährleisten. Anlässlich der Feiertage sind dann die Straßen von Fogarasch von den ausländischen Wagen überfüllt, es werden Trauungen vollzogen, die in Urlaub befindlichen Heimkehrer stürmen die Geschäfte und die Stadt erweckt als zweitgrößte Ortschaft (40.000 Einwohner) des Kreises Kronstadt wieder den Eindruck älterer guter Zeiten.
Für die hier in der Stadt noch lebenden Bewohner, aber auch für jene aus dem Umfeld, ist besonderes seit dem Vorjahr, als die zwischen Arpas und Porumbacu befindliche Eisenbahnbrücke durch ein Unwetter praktisch nicht mehr benutzbar wurde, ein weiteres Problem hinzugekommen. Seither gibt es keine direkte Eisenbahnverbindung mehr von Fogarasch nach Hermannstadt. Die bisher da verkehrenden Eilzüge wurden umgeleitet, obwohl laut Kursbuch auf der Strecke von Kronstadt/Brasov bis Hermannstadt/Sibiu, mit Aufenthalt in Fogarasch, normaler Eisenbahnverkehr herrscht. Müssen die Fogarascher am frühen Morgen wichtigen Dingen in Kronstadt oder Hermannstadt nachgehen oder ins Ausland reisen, so wird das durch den ausfallenden Eisenbahnverkehr zu einem ernsten Problem.
Bis Kronstadt sind noch Personenzüge im Einsatz, in Richtung Hermannstadt kann man nur bis Arpas reisen, dann muss man auf gut Glück per Anhalter mit dem Wagen bis Porumbacu fahren, um dann erneut in einen Personenzug einzusteigen und bis Hermannstadt zu gelangen. Und wenn man diese Tortur bei angenehmem Wetter noch auf sich nimmt, ist davon im Winter dringend abzuraten.
Gleich nachdem im Vorjahr ein Pfeiler der Eisenbahnbrücke unterspült wurde, erklärten Vertreter des Transportministeriums, der Schaden werde rasch behoben. Doch bei genauerer technischen Überprüfung wurde festgestellt, dass beträchtliche Gelder notwendig sind, die aber nicht vorhanden sind. So steht in den Sternen geschrieben, wann die Brücke wieder instand gesetzt sein wird und der normale Eisenbahnverkehr aufgenommen werden kann.
Heute trifft man nur noch sehr wenige Fahrgäste auf dem Bahnhof von Fogarasch an. Bei der Hälfte der Eisenbahnzüge ist im Fahrplan der Vermerk „anulat“ zu lesen. Ebenfalls wegen der schadhaften Brücke treffen kaum noch Güterzüge ein, auch weil die noch in der Stadt bestehenden Unternehmen auf den Straßenverkehr umgestiegen sind und nur noch selten den Eisenbahntransport benutzen. Fragt man die im Dienst befindliche Kassiererin, die kaum noch Reisende bedient, ob Aussichten auf die Wiederaufnahme des normalen Eisenbahnverkehrs bestehen, kommt die resignierte Antwort, dass der Bahnhof sogar ganz geschlossen werden und das Personal die Reihen der Arbeitslosen verstärken könnte.
Problematisch aber ist der Ferntransport der Fogarascher allgemein. Ist der Busverkehr zum Kreisvorort an Wochentagen stündlich bis 20 Uhr gesichert, so verkehren an Feiertagen und sonntags die Busse nur jede zweite Stunde, und natürlich nur bei Tag. Auch der beim Bahnhof befindliche Busbahnhof für die Überlandbusse in die nahe gelegenen Ortschaften liegt still. Allein von der Haltestelle hinter der Burg fahren Busse in einige Gemeinden. Will man nach Hermannstadt gelangen, stehen einem die durchfahrenden Busse der verschiedenen Transportgesellschaften zur Verfügung, die die Verbindung aus Städten der Moldau oder Nordsiebenbürgens mit Hermannstadt und weiter mit Deva herstellen.
Doch hat man nie die Gewissheit, in einen solchen Bus einsteigen zu können, da es meistens keine freien Plätze mehr gibt. Auch der Zeitpunkt der Durchfahrt ist unsicher, da diesbezüglich nirgends genaue Angaben angebracht sind. Die Busse halten meistens an unterschiedlichen Stellen, um Parkgebühren zu sparen. An Wochenenden wird die Lage ganz dramatisch, da die umliegenden Gemeinden und Dörfer ganz isoliert sind. Man ist auf den eigenen Wagen angewiesen. Viele Fogarascher haben sich mit dieser Lage abgefunden und fragt man sie, wie sie denn in die umliegenden Ortschaften gelangen, kommt unweigerlich die Antwort: „Cu ia-ma nene“ (wörtlich „nimm mich mit, Onkel“, per Anhalter).
|
|