Autor: Henri
Datum: 18.11.04 11:27
Also, ich war vor etwa einem Jahr in einer aehnlichen Situation, hab mein Unternehmen verloren (hatte mich zu sehr an einen Kunden gehaengt, der Pleite gegangen ist) und danach eine Weile durchgehangen, weil arbeitslos kannte ich bis dahin nicht.
Ich bin ebenfalls aus der IT-Branche, habe versucht in D wieder Fuss zu fassen, gelang mir aber nicht.
Durch einen idiotischen Zufall hatte ich eine Rumaenin ueber das Internet kennengelernt, eine Weile mit ihr Kontakt gehabt, der langsam intensiver wurde (nach heutiger Sicht nur von meiner Seite) und bin prompt reingefallen.
Diese nette Dame war aber nur aufs Geld aus, hat mir die tollsten Luegengeschichten erzaehlt (kranke Familie, Bruder ohne Geld...), ich hab sie zweimal besucht, ich war so bloed, alles zu glauben, was sie mir erzaehlte (klar, weil ich es glauben wollte, wer fuehlt sich nicht geschmeichelt, wenn einem eine junge huebsche Lady schoene Augen macht, ...)
Lange Rede kurzer Sinn, beim 2. Besuch machte mich eine nette, (zunaechst) voellig unbeteiligte Frau (rum. Angestellte in meinem Hotel), mit der ich ins Gespraech kam) darauf aufmerksam, dass die Geschichten meiner Bekanntschaft so nicht stimmen konnten. Ich konfrontierte sie damit, sie gab zu, dass alles nur gespielt war, ergriff die Flucht und ward nie wieder gesehen.
Was sollte ich jetzt noch in RO? Ich fuhr also nach Hause, konnte aber Rumaenien nicht mehr aus dem Sinn bekommen. Und es kam wie es kommen musste, ich telefonierte endlos mit Alis (die Hotelangestellte), es dauerte eine Weile, doch dann beschloss ich erneut nach RO zu fahren um Sie zu besuchen. Sie war nicht an irgendwelchem Geld interessiert, hatte ihr eigenes Einkommen, keine kranken Eltern usw., na jedenfalls funkte es gewaltig, wir beschlossen zusammen zu bleiben und es war klar, dass das nicht in Deutschland sein sollte, wo ich irgendwie auch nicht mehr so richtig zu Hause war.
Also fuhren wir zusammen nach Deutschland (sie mit einer handgeschriebenen Einladung von mir, das ging ganz gut), loesten meine Wohnung auf, verkauften alles was sich zu Geld machen liess und wir nicht mitnehmen konnten (Ebay ging da prima), luden den Rest in mein Auto und fuhren nach RO, das Abenteuer begann. Seltsamerweise gab es keine Probleme an der rum. Grenze mit dem ganzen Hausrat im Auto.
Da klar war, dass wir nach Bukarest gehen wuerden (ihre Eltern, Freunde leben hier und sie arbeitete auch hier), liessen wir uns provisorisch bei ihren Eltern nieder und gingen dann auf Wohnungssuche. Das ist nicht wirklich schwierig, die Auswahl ist gross und beginnt bei 60 Euro/mon (Das ist dann aber wirklich Schrott). Die meisten Wohnungen sind moebliert (na ja, nicht wirklich schoen und fuer gewoehnliche deutsche Ansprueche unzureichend) und in Blocks (absolut haessliche Bauten, wie Plattenbau im Osten nur schlimmer ), nach ein paar Tagen hatten wir eine Garsoniera (Apartment mit einem Raum, Kueche, Flur und Bad) in einem Bloc zum mon. Preis von 170 Euro.
Nett eingerichtet und nette Vermieter. Wir zogen also ein (im Maerz diesen Jahres) und rechneten mal, was wir so monatlich zum Leben brauchten (wohlgemerkt in Bukarest, das ist teurer als der Rest des Landes).
Alis Einkommen lag zu dem Zeitpunkt bei 5 Mio Lei (ca. 125 Euro) pro Monat.
Unsere Kosten waren:
Wohnung 170 Euro
Nebenkosten
(Strom, Heiz) ca. 30 Euro (jetzt im Winter etwas teurer)
Hausmeister 10 Euro (zahle ich nicht, Aufzug geht meistens nicht, warmes Wasser Gluecksache, oft KEIN Wasser)
Telefon (Festnetz) 10 Euro (wir nutzen das Telefon nur fuer Stadtgespraeche)
Handykarten 10 Euro
Internet 20 Euro (der billigste Kabelzugang 256KBit/s)
Kabel TV 7 Euro
Benzin Auto 40 Euro (wir fahren nicht so viel rum und der Sprit is mit 29000 Lei/l billiger als in D )
Monatskarte RATB 6 Euro (Monatskarte Bus/Tram das ist das billigste Verkehrsmittel und faehrt ueberall)
Sonst. Kosten Auto 20 Euro (Versicherung, Wartung etc.)
Einkaufen/Essen 150 Euro (Supermarkt wie CORA, Carrefour, Selgros etc is billig, wenn man keinen Luxus braucht)
Sonstiges 50 Euro (Kleidung, mal Kino, sehr selten Restaurant, oder Freunde treffen in Mall...)
Alles in allem geben wir also im Monat ca. 550 Euro aus, das ist fuer Bukarester Verhaeltnisse nicht so extrem teuer, zieht man also die 125 Euro von Alis Einkommen ab, bleiben 425 Euro, die vom Ersparten kommen mussten. Da der Verkauf von meinen Sachen nicht so wahnsinnig viel gebracht hatte, konnte das fuer etwa 1 1/2 Jahre reichen, aber irgendwie wollte ich auch nicht zu Hause rumhaengen, waehrend Alis arbeiten ging.
Also beschloss ich, mir eine Arbeit zu suchen. Ich spreche fliessend englisch und halbwegs franzoesich, rumaenisch lerne ich mit Eifer, also auf dem Internet nach einem Job gesucht und man glaubt es kaum, auch einen gefunden.
Mittlerweile arbeite ich seit drei Monaten in einem IT-Unternehmen und verdiene 500 Euro im Monat. Klar, das ist fuer deutsche Verhaeltnisse nicht mal der Sozialhilfesatz, hier ist es aber ein ueberdurchschnittliches Einkommen.
Alis hat einen neuen, besser bezahlten Job in der engl. Botschaft gefunden (375 Eur im Monat) so das wir ganz gut ueber die Runden kommen.
Im Moment arbeite ich daran, die entspr. Papiere von den rumaenischen (und deutschen) Behoerden zu bekommen, damit ich hochoffiziell arbeiten kann. Aber darueber koennte ich ein gesondertes BUCH schreiben, als ehem. Selbststaendiger in Deutschland glaubt man, mit allen Wassern gewaschen zu sein, was die Behoerden angeht, aber weit gefehlt Freunde, hier ist das alles noch einen Tacken unglaublicher und komplizierter, aber wie gesagt, das wuerde hier den Rahmen sprengen .
Ich lebe also jetzt nahezu 9 Monate in Rumaenien und bereue es nicht eine Sekunde lang. Klar, hier gibt es Sachen, die einem Klischee-Deutschen die Haare zu Berge stehen lassen wuerden, aber wenn ich so waere, waere ich nicht hier.
Meines Erachtens nach ist die SPRACHE das wichtigste Integrationsinstrument, wenn man die halbswegs beherrscht, ist das ein prima Land zum Leben (als ich das erste Mal mit meiner Schwiegermutter in spe, die kein englisch kann, eine kleine Unterhaltung in rumaenisch fuehrte, umarmte die mich ganz stolz...), klar bin ich immer noch ein Fremder und jeder merkt das an meinem Kauderwelsch wenn ich mal wieder nicht das Wort finde und an meiner grausamen Grammatik (das ist doch eine kranke deklination in rum. teilweise), aber es wird taeglich besser.
Ein Wille zur Toleranz (Ah, nu conteaza..) muss aber in einem erheblichen Mass vorhanden sein, wenn man hier nicht oefters mal ausrasten will, denn es ist schon manches anders... vielleicht sollte ich doch mal mit dem Buch anfangen
.
Wenn noch Fragen sind, ich versuche gerne alles zu beantworten.
Alis si Henri
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