Autor: TerenyiAndre
Datum: 26.10.04 15:23
Hallo Silke,
danke für Deine Zuschrift. Meine "Emigration" dauert bereits länger als Du denkst. Obwohl ich in D. geboren wurde, fühle ich mich im Osten zuhause, und es ist eigentlich keine Emigration, eher eine Rückkehr.
Ich stamme aus einer deutsch-ungarischen Familie, die etwa 800 Jahre lang in einem deutschen Siedlungsgebiet an den südlichen Ausläufern der Hohen Tatra gelebt hat und während des Krieges von dort vertrieben wurde. Mein Vater lebt heute wieder in der Slowakei nahe seines Geburtsortes mit herrlichem Ausblick auf die Hohe Tatra.
Die Generation meiner Grosseltern hat noch ungarische Schulen besucht. Die Generation meines Vaters konnte kaum mehr als drei Brocken Ungarisch, da inzwischen Slowakisch die Staatssprache war. Ich habe mir im Alter von etwa 40 Jahren Ungarisch selbst beigebracht und beherrsche es inzwischen so gut, dass kein Ungar mich mehr für einen Ausländer hält. Immer wieder höre ich die Frage "Mikor hagyta el az országot?" (Wann haben Sie das Land verlassen?)
Mit 16 Jahren habe ich Rumänisch gelernt obwohl weder in meiner Familie noch in meinem Bekanntenkreis jemand diese Sprache konnte. Diese damals eher nutzlosen Sprachkenntnisse sind heute für mich sehr wertvoll.
Ich unterhalte seit vielen Jahren gute Kontakte nach Tschechien, Slowakei, Ungarn, Rumänien und in andere Länder. Ich spreche auch fliessend Tschechisch, Slowakisch, kann auch Russisch und lese Bücher in all diesen, und etwa einem Dutzend weiterer Sprachen. Z.B. Eminescu, Kogalniceanu, Neculce in Rumänisch, Petöfi, Krúdy, Kolozsvári Grandpierre, Mikszáth, Esterházy u.v.a. in Ungarisch. Ich sammle Musik aus all diesen Ländern und habe im Laufe der Jahre viele teils auch abgelegene Gegenden zwischen Tschechien und der Ukraine besucht. In Prag z.B. kenne ich mich viel besser aus, und bin ich mehr zuhause als in irgendeiner deutschen Stadt.
Mich hat der Lauf der Dinge nun leider in eine nicht sehr rosige Lage gebracht. Mein Vermögen hat sich binnen weniger Jahre dramatisch um einen sechsstelligen Betrag verringert. Zum Glück gibt es einen Menschen, der in dieser schwierigen Situation zu mir hält. Meine Freundin gehört der ungarischen Minderheit an. Wir können uns in Ungarisch, Rumänisch und Französisch verständigen. Ich halte täglich mit Ihr Kontakt per ICQ, SMS bzw. Telefon.
Noch ist zwar hier nicht alles verloren, aber ich muss mir trotzdem etwas einfallen lassen. Meine Einkommensbilanz ist derzeit leider negativ. Ich muss drauflegen und nun ist es naheliegend, hier die Notbremse zu ziehen und nach RO zu gehen, wo man man derzeit für das gleiche Geld wesentlich länger leben kann als hier.
Schreib mir doch etwas über Eure Pläne.
Gruß André
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