Autor: Jo46
Datum: 12.11.18 23:18
@andyu2
Ich war ebenfalls mehrere Jahre als Expat in drei der Balkanländer, seit 5 Jahren allerdings zurück in DE.
Was Sie zur Situation in DE schreiben, kann ich nur eindringlich unterstreichen - es gibt hier scheinbar noch einige User, die den Unterschied zwischen Gesinnungsethik und Verantwortungsethik nicht kennen und noch in Wolkenkuckucksheim leben.
Ich denke daher, dass wir sowohl was die Auslandserfahrung, als auch die Beurteilung der Situation in DE anbetrifft, einige Gemeinsamkeiten haben.
Meiner Meinung und Erfahrung nach lohnt es sich, über den Text von Eddy in der ADZ, als auch seinen näheren Erläuterungen hier, ernsthaft und sachlich zu diskutieren.
Eddy schreibt aus der Perspektive eines Deutschen, der vor vielen Jahren - warum auch immer - DE verlassen und sich im Banat niedergelassen hat. Er lebt kein Expat-Leben, sondern dass eines normalen Bürgers und daher kann ich seine Gedanken hinsichtlich der vielen, vielen Dinge, die in RO nicht funktionieren, durchaus verstehen.
Meine Frau ist Rumänin und wir sind öfters im Jahr dort.
Eddy schrieb u.a. über das Gesundheitswesen. Meine Schwiegermutter erkrankte dieses Jahr durchaus ernsthaft und ich habe ihr eine Behandlung in DE organisiert und damit wohl indirekt ihr Leben gerettet. Ohne auf die Details einzugehen: in RO wäre diese OP so nicht möglich gewesen.
Aus meinem zurückliegenden, beruflichen Zeiten weiß ich, dass es viele echt beeindruckend ausgebildete und hochmotivierte, junge Menschen gibt, die etwas erreichen wollen. Mit denen habe ich zusammengearbeitet und inzwischen ist die Mehrheit von denen hier in Deutschland - weil ich es Ihnen nach meiner eigenen Rückkehr angeboten habe und sie die Situation ähnlich wie Eddy einschätzen: es geht tendenziell eher in die falsche Richtung.
Korruption im Machtapparat und im Alltag, Bürokratie, fehlende Rechtssicherheit, robuste Alltagskultur um es höflich zu sagen, Ignoranz und fehlende Bildung, Migration nach Westen um zu arbeiten, Gleichgültigkeit.
Alles Faktoren, die Eddy wohl meinen wird und die sich objektiv nicht ernsthaft bestreiten lassen.
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Aufgrund der Ereignisse ab September 2015 und der weiterhin ohne Aussicht auf Änderung verfolgten Politik der Abschaffung Deutschlands, wie wir es bisher kannten, haben wir uns 2017 entschlossen, DE in Bälde zu verlassen und uns in Siebenbürgen niederzulassen. Wir kauften eine wirklich nette Immobilie in Kronstadt und ich kenne diese Stadt schon seit 2009. Jedes Mal wenn ich dort war - noch lange vor unserer Entscheidung - fühlte ich ein Stück mehr Verbundenheit - das Wort heimatliches Gefühl ist zu hoch gegriffen - und ich begann mich mit der Geschichte der Deutschen in Siebenbürgen und anderen Regionen wie dem Banat zu beschäftigen.
Und ja - auch hier stimme ich mit Eddy größtenteils überein: es überkommt einen irgendwie. Kultur, Tradition, Rückkehrer, Architektur und immer noch überall die Spuren der Vergangenheit.
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Und trotzdem haben wir entschieden, DE zu verlassen und nach RO zu gehen. Warum? Auch hier gibt Eddy selbst - unabsichtlich - die Antwort.
Zitat aus seinem Text in der ADZ:
"So sieht sich dieses Land in großem Maße der Grundlage einer jeden Gesellschaft beraubt – nämlich der des Vertrauens – , was gleichwohl den Hauptunterschied zu Deutschland ausmacht (und was so viele Menschen nach wie vor zur Emigration drängt). Aufgrund der Inhomogenität der Bevölkerung ist es heute schwer vorstellbar, dieses notwendige Vertrauen von dem ich sprach und ein damit einhergehendes gutes Zusammenleben zumindest im Kleinen, also auf kommunaler Ebene, aufzubauen. Doch gerade hier könnte eine konkrete Chance verborgen sein…"
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Dieser Unterschied zu DE, von dem Eddy schreibt, geht gerade vor die Hunde.
Die "Inhomogenität" nimmt in DE atemberaubende Ausmaße an und die Gesellschaft zerfasert. Die bürgerlichen "Gutmenschen" in den besseren Gegenden mit Erbschaften in der Rückhand und gut bezahlten Jobs meist im öffentlichen Dienst und den eher weniger Bevorteilten, die sich nun mit nie gekannter Gewaltkriminalität, mit der Verwandlung ihrer Wohnorte in muslimisch- afrikanische Vorstädte nach französischem Vorbild, mit Wohnungsnot und Bildungselend in den Schulen auseinandersetzen müssen.
Die ganz Reichen schweigen meist, weil sie global denken und bei Bedarf das Land sofort mitsamt ihrem Geld verlassen können (es hat noch nie soviel Migration aus DE von Einkommensmillionären gegeben, wie seit 2015).
Und so kommt der zweite Teil von Eddys Text der Wahrheit (oder besser meiner Hoffnung) schon sehr nahe. "Zusammenleben im Kleinen" - kommunale Cluster schaffen und sich engagieren - das könnte auch für einige Regionen ROs eine Lösung sein.
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Und dazu noch meine These:
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Ich weiß aus Kontakten vor Ort, dass ich nicht allein bin mit all diesen Gedanken. Die Entwicklung - auch wirtschaftlich (Euro, Autoindustrie, Energiewende, Sozialstaat für alle - wird in Deutschland zu einer gefährlichen Entwicklung führen. Es werden sich immer mehr Menschen entschließen, zu emigrieren. Junge, gut ausgebildete Leute nach USA, Neuseeland, evtl. Kanada oder Australien. Eher Ältere gehen Richtung Osteuropa - Polen, Tschechien, Ungarn und einige auch nach RO. Das ist eine Chance für RO ebenso wie für emigrierte Deutsche. Steile These - ich weiß. Aber denken wir mal Deutschland in 10 Jahren...
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@Eddy: Respekt für Ihren Text ! Zurück nach DE ist aber keine sinnvolle Alternative.
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