Autor: Goldsarmal
Datum: 25.08.09 16:49
Genau,
ich vermisse es auch.
Was war das doch für Zeiten! Wie wir uns die Nacht über die Beine in den Bauch gestanden, das verbindet, um auf den Laster zu warten, mit Fleisch, wie man munkelte und was haben wir uns angesehen und herzlich gelacht, als der nur mit Hühnerkrallen und -köpfen beladen war.
Wißt ihr noch, die gemütlichen Abende, wie draußen der Eiswind um den Block pfiff, und die ganze Familie um die kleinen blauen Flämmchen um den Herd zusammenrückte, die weinenden Kinder abgelenkt wurden, durch die schönen Eisblumen an den Innenseiten der Fensterscheiben. Das war eben noch ein ganz anderer Zusammenhalt. Und wir froren gern, für unseren geliebten Führer.
Die Gespräche mit den Nachbarn aus dem 5.Stock oder vom Parterre als wir morgens im Hof der neuen Blöcke die uns die Weisheit des Führers anstelle unserer Geburtshäuser hingestellt hatte, vor den Scheißhäusern anstanden um unseren Stuhlgang zu verrichten.
Die Sorglosigkeit, die Unbeschwertheit sich nicht um die Zensuren der Kinder in der Schule bekümmern zu müssen. Denn wozu solltens den kleine Einsteins werden, ob Überflieger oder Dorftrottel, wenn man nicht die rechten Leute kannte, so kamens eh alle ins Kombinat.
Und Lesen oder Schreiben, wozu? Um Bürgermeister zu werden, reichte es doch, seinen Krakel unters Papier malen zu können.
Und was für Spaß die Kinder hatten, diese Abenteuer, die Mädchen in den lustigen Ferienlagern und zur Auflockerung des langweiligen Partei-Unterrichts, wie sie mit Maschinengewehr und Panzerfaust spielen durften. Oder Rüben jäten. Langeweile kam da nie auf. Und die Buben in den Sommerferien, wißts noch, wie sie geschaufelt haben und freudig das Schiffshebewerk erbaut haben, was man da für eine Lebenserfahrung mitbekommt, wenn man Seit an Seit mit Sträflingen rackert und sich hin und wieder das Genick bricht! Sowas gibts ja heute gar nicht mehr.
Und es war ja auch nicht so mühevoll wie heute, wo man so viel denken muß, was kauf ich mir den Schönes als nächstes und wo bring ich das Geld her. Es gab ja nur wenig und es reichte ja schon, den Nachbarn zu denunzieren oder den ungeliebten Cousin ans Messer zu liefern, wenn man sich auch mal was gönnen wollte.
Und was es alles in dem Land gab, was wir nur aus den alten Abenteurromanen kannten.
Eine Lepra-Kolonie! Und Heime für unartige oder dumme Kinder, wo keines mehr wieder kam.
Und das Wetter war auch besser, immer 5 Grad wärmer im Winter als heute. Und die lustigen Paraden mit den bunten Fähnchen und die schönen Hymnen auf unsere Madame Curie, die wir alle auswending kannten. Und die indischen Filme im Kino, wie wir sie vermissen.
Und Mutti mußte auch nich soviel waschen, weil eh alles grau wurde, wenn mans auf die Leine draußen hing. Grau wie die Gesichter vom Opi, ders auf der Lunge hatte oder von Brüderchen und Schwesterchen, die das Athma dahingerafft.
Und die dummen Ungarn und die Zigeuner, die mußten wir noch heimlich verprügeln, heut kann das ja jeder, wo ist denn da noch der Witz dran.
Und es war immer für Unterhaltung gesorgt! Wie spannend das Spiel war, die Nachbarn, die Arbeitskollegen, die Freunde und die Familie auszuhorchen und selbst sich nicht zu verplappern.
Und fast jeder hat mitgespielt!
In der lustigen Lotterie, ob man selber abgeholt wird oder ein anderer.
Und wenn Papi nach einer Zeit als Krüppel von den Verhören zurück kam, wie hielt da die Familie zusammen. Da hat man sich eben noch umeinander gekümmert.
Oder was waren das für Familienzusammenkünfte, regelrechte Feiern, wie man sie unserer anonymen Gesellschaft gar nicht mehr kennt, wenn Mutti viel zu früh wegen einer unbekannten Erkrankung oder eines "Herzanfall" von ihrem Besuch bei der Sicherheit zurück kam, leider in einer Holzkiste.
Hach, es war halt noch vieles in Ordnung, damals, in der guten, alten Zeit.
Nur eines, c-wolf, eines was wir jetzt und hier haben, das konnten wir damals nicht.
Nämlich, wenn es hieß: Wenn es Dir hier nicht paßt, dann geh halt nach drüben!
Dann konnten wir nicht nach drüben.
Aber wie gut, daß es dort noch genügend aufrechte Leute von damals und von heute jetzt in der Politik, in der Verwaltung und in der Wirtschaft in Rumänien gibt, die diese uns so liebgewordenen, doch leider so arg bedrohten Traditionen und Lebensstile allen erhalten wollen.
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