Autor: MrsMcFeet
Datum: 14.07.06 17:45
Hallo an alle,
ich habe oft meinen deutschen Freunden versucht zu erklären und zu erzählen wie ich die damalige Zeit und die Geschehnisse in Medias und ganz Rumänien erlebt habe.
Ich war noch sehr jung, neun Jahre alt und wusste nicht so recht was geschieht.
Ich glaube die politischen Zusammenhänge habe ich damals nicht wirklich begriffen ich habe einfach nur gespürt das etwas Großes und Bedrohliches in der Luft lag.
Meine Eltern haben zu der Zeit bei meinen Großeltern im Haus mitgewohnt, wie bei vielen Familien war das in Rumänien nicht außergewöhnlich dass mehrere Generationen unter einem Dach leben.
Beide waren sie berufstätig und meine Oma sollte an diesem Tag wie so oft auf mich aufpassen. Im Radio hörten wir, dass alle Arbeiter an diesem Tag streiken und sich auf dem Rathausplatz versammeln sollten.
Wir Kinder und die Alten waren zu Hause und meine Freunde und ich saßen am Strasseneck und starrten die ganze Zeit auf die Auffahrt, warteten dass unsere Eltern nach Hause kamen.
Ich weiß noch wie still und ängstlich wir alle waren. Sonst tobten wir rum ärgerten uns und spielten, wie das Kinder nun mal tun, aber an diesem Tag saßen wir alle nebeneinander und keiner sagte ein Wort.
Aus der nahe gelegenen Stadt hörten wir Rufe, Gesänge und Parollen und uns befiehl eine Gänsehaut.
Ich hatte mich nicht getraut meine Großeltern zu fragen was das alles zu bedeuten hatte, ich weiß noch dass uns Kindern verboten wurde über Ceausescu und Politik zu reden (sofern wir was dazu zu sagen gehabt hätten), wir wurden ermahnt, das was in den Wohnungen besprochen wurde nicht nach draussen zu tragen und das wars wohl auch was mich in diesen Tagen davon abhielt irgendjemanden zu fragen was da vor sich ging.
Später dann hielten wir das warten nicht mehr aus und wir gingen nach Hause und setzten uns vor den Fernseher.
Wir beobachteten das ganze aus der Ferne...die Übernahme des Senders durch Iliescu der im Rollstuhl saß und eindringliche Worte zum Volk sprach. Die Männer mit Gewehren im Hintergrund, die Bilder von den Panzern die in Bukarest und anderen Städten durch die Strassen fuhren, die Schüße, die Verwundeten.
Ich weiß nur dass ich damals furchtbare Angst um meine Eltern hatte...ich hatte Angst sie würden erschossen oder verletzt werden, dennoch hatte ich die Ganze Zeit das Gefühl, dass es richtig war was geschah, dass es einem guten Zewck diente. Das etwas schreckliches zu Ende gehen würde und wir eine bessere Zukunft haben würden.
Meine Eltern kamen dann irgendwann abends wieder nach Hause und ab da saßen wir dann alle nur noch vor dem Fernseher.
Wir haben die ganze Berichterstattung rund um die Uhr beobachtet. Alles lag still, es wurde keine Hausarbeit mehr gemacht, die Tiere wurden nicht gefüttert, für Tage ging keiner mehr zur Arbeit und alle waren angespannt und verunsichert.
An die genauen Einzelheiten der Berichterstattung und der ganzen Geschehnisse kann ich mich nicht mehr erinnern.
Die Bilder der Erstürmung des Rathaus in Bukarest sind mir noch in Erinnerung geblieben, der Hubschrauber mit dem Ceausescu und seine Frau fliehen wollten und die Sprecher, die sich darüber lustig machten dass er mit dem Kopf voran aus dem Helikopter stieg, anstelle die Beine erst rauszuschwingen, was ihn ziemlich lächerlich aussehen ließ.
Ich kann mich noch an die rufe erinnern: "ole, ole,ole,ole Causescu numai e!" und "Victorie!"
Das "V" - Zeichen, dass die Menschen in die Höhe hielten, die Freude und die euphorischen Berichte von Menschen die gekämpft hatten, die Trauer um die Toten und Verwundeten.
Iliescu der unter Tränen mitteilte, dass sein Sohn bei dem Versuch die Freiheit für unser Land zu erkämpfen von einem Panzer überrollt wurde.
Die Gefangennahme Ceausescus und seiner Familie.
Das notdürftige Gerichtsverfahren...die Inhalte verstand ich nicht...das Urteil - Execution - hingegen schon.
Die Schüße auf ihn und seine Frau, die Aufnahmen von den Toten, mit Blut bespritzt, seine typische Fellmütze und der Lammfellmantel den er trug.
Das merkwürdige war, dass innerhalb meiner Familie und auch die Nachbarn und Verwandten kaum über die Geschehnisse redeten...vielleicht taten es die Erwachsenen unter sich ja schon und wir Kinder haben nur nichts davon mitbekommen oder sie hatten immer noch Angst. Angst vor dem Ungewissen, Angst was als nächstes kommen würde, Angst davor ob die die jetzt an die Macht kamen nicht schlimmer waren als ihre Vorgänger.
Woran ich mich noch erinnern kann ist das Lied "Lambada" von Kaoma. Ich weiß nicht ob das in anderen Teilen des Landes auch so war´, bei uns jedenfalls sang das jedes Kind, alle wollten Lambada tanzen und für uns war dieses Lied der Inbegriff der Freiheit.
Das Gefühl der Erleichterung kam bei meiner Familie jedoch erst dadurch auf, dass wir einen Bescheid erhielten, dass wir nach Deutschland ausreisen konnten.
Bereits im Juni des drauffolgenden Jahres reisten wir ab.
Das Haus meiner Großeltern, das mein Großvater mit eigenen Händen erbaut hatte und in dem meine Familie über dreißig Jahre gelebt hatte wurde zu einem Spottpreis verkauft, unser Hab und Gut, Möbel und Kleidung an die Nachbarn verschenkt (meine damalige beste Freundin hat heute noch unser Sofa im Zimmer stehen).
Wir hatten zwei große Holzkisten in die wir das nötigste einpackten. Ein paar Decken, Bettwäsche, Kleidung, Töpfe und was meine Eltern noch so für wichtig erachteten. Schmuck un Wertgegenstände wurde übereilt und hastig verkauft damit Geld für die Reise und die Anfangszeit im neuen Land zur Verfügung stand.
Der Abschied war schlimm.
Unsere Nachbarn, Freunde und Verwandte verbrachten den letzten Abend mit uns zusammen, meine Freundin lag neben mir im Bett und wir lauschten ihren ausgelassenen Gesprächen, wir konnten schließlich nicht schlafen.
Ich wusste nicht wann und ob ich sie je wieder sehen würde, meine Eltern wussten nicht wie sie sich hier zurecht finden würden, mein Vater ist Rumäne, konnte die Sprache nicht nur ein paar Brocken Sächsisch und alles war so aufregend und ungewiss zugleich.
Der Abschied am Bahnhof war Tränenreich und die Bahnfahrt lang und beschwerlich. Wir brachen auf in eine völlig, unbekannte Welt.
Das waren meine Erinnerungen an die Revolution und das was daraus folgte, wenn es jemanden ähnlich ging oder einige Details, an die ich nicht mehr erinnern kann, ergänzen könnte würde ich mich sehr freuen.
Letztendlich kann ich sagen hatte ich eine wundervolle Kindheit in Rumänien, die ich nicht missen möchte. Auch darüber dass ich die Revolution miterlebt habe, freue ich mich, weil sie mich geprägt hat und zu dem Menschen gemacht hat der ich heute bin.
Liebe Grüße MrsMcFeet
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