Autor: XTramp
Datum: 07.11.17 16:59
In Deutschland ist auch nicht alles perfekt. Die Leute hier haben größtenteils verlernt, zu improvisieren. Dann muss man richtig Geld in die Hand nehmen oder es bleibt liegen, bis es eine fertige Lösung gibt.
Improvisieren ist für viele Menschen etwas negatives. Für mich eher nicht. Für mich bedeutet es, aus einer Situation das bestmöglichste zu machen. Klar, manchmal gelingt auch das nicht.
Beim Renovieren meines Hauses in Rumänien (ich habe ein 150 Jahre altes Siebenbürgerhaus gekauft) möchte ich die Substanz und den Charakter des Hauses erhalten, aber dennoch nicht auf den gewohnten Komfort verzichten. Das Holzhäuschen mit dem Herz in der Tür schräg hinten im Hof wird durch ein modernes Hänge-WC im Haus ersetzt und es gibt auch eine Dusche. Der Brunnen wird künftig nur noch zum Garten bewässern und für Brauchwasser (Toilettenspülung...) benutzt etc.
Aber es kommen keine Thermopan-Fenster rein, die Wände bekommen wieder einen Kalkputz und die Dächer sind wieder mit den über 100 Jahre alten, handgestrichenen Biberschwanz-Ziegeln gedeckt.
Improvisieren musste ich, weil das Dach der alten Tischlerwerkstatt, die künftig der Wohnraum für unsere Gäste wird, schon vor Jahren eingefallen ist und der Regen die Lehmfugen ausgewaschen hat. Ursprünglich wollte ich die Ziegelmauer als Sichtmauerwerk haben, aber die Wände waren durch die ausgewaschenen Fugen einfach zu weich geworden. Also habe ich sie mit Spezialputz und Baustahl-Matten verfestigt. Der geplante hölzerne Ringanker (wie vorher) musste einem aus Beton weichen, sonst hätte ich die Wände abtragen und neu aufmauern müssen.
Als dann die Fußpfetten für den Dachstuhl aufgelegt wurden, habe ich den Handwerker gebeten, dass er zwischen den Beton des Ringankers und die Fußpfetten einen Streifen Dachpappe als Feuchtigkeitssperre machen soll. Der hat dann gleich den Hilfsarbeiter angewiesen, eine zu holen. Dieser wiederum hat dann mit dem Handwerker diskutiert, wofür das sein soll, das hat er noch nirgends gesehen.
Da bin ich dann halt typisch deutsch und auch der ehemalige Bautechniker in mir will so etwas haben. Ich mache das lieber einmal richtig und dann habe ich Ruhe.
Mittlerweile hat die Baufirma, die für mich arbeitet, Gefallen daran gefunden. Denn jetzt können sie mal wieder zeigen, was sie wirklich drauf haben. Einen Kalkputz in mehreren Schichten richtig aufzubringen braucht mehr Zeit als ein Fertigputz oder ein Zementputz, dadurch wird es ein wenig teurer. Das können oder wollen viele vor Ort nicht zahlen, weshalb der Handwerker dann dem Wunsch des Kunden folgt und einen Zementputz auf die weichen Feldbrandziegel aufbringt - obwohl es weiß, dass dies nur eine Reparatur auf Zeit ist, weil der harte Zementmörtel den weichen Ziegel bald wieder zerstört.
Als ich anfangs klar gemacht habe, dass bei mir kein Bauschaum eingesetzt wird und auch keine Nagellaschen, sondern der Dachstuhl richtig abgebunden wird, hat man mich erst nicht verstanden. Erst recht nicht, als ich die maroden, handgehauenen Eichenbalken aufgearbeitet habe.
Mittlerweile sieht man schon, wie es werden soll und jetzt ist allen Beteiligten auch klar, warum ich das so und nicht anders will. Zumindest die Firma, die die meisten Sachen für mich macht, fühlt sich an der Handwerker-Ehre gepackt und will mir zeigen, dass sie echte Handwerker sind, die die alten Techniken noch drauf haben.
Allerdings nicht, ohne vorher auszutesten, ob ich wirklich vom Fach bin ;)
Natürlich ärgere ich mich auch über dies und jenes. Aber die Freude, die ich dort habe, die wiegt das locker auf. Ob das in 10 Jahren immer noch so ist, wird sich noch zeigen.
Fred
Nachricht bearbeitet (07.11.17 17:02)
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