Autor: XTramp
Datum: 11.09.17 12:42
Volksgruppen pauschal (vor)zu verurteilen ist sicher der schlechteste Weg, um gerade in Rumänien Fuß zu fassen.
Ich bin auch Deutscher ganz ohne rumänischen Wurzeln und habe mir letztes Jahr ein Haus in Siebenbürgen gekauft, auch um dort meinen Unruhestand zu verbringen. Für die Kaufentscheidung habe ich in etwa 4 Jahre gebraucht. Dabei meine ich nicht die Auswahl des Hauses, sondern eher wo das steht. Anfangs war ich ziemlich fixiert auf den Südwesten, den Bereich Caras-Severin. Ich war dort vorher schon öfter, es gefällt mir da und - ebenso wie Du - ziehe ich das hügelige/bergige dem Flachland vor. Alles in allem entdecke ich zumindest teilweise die gleichen Ansätze bei Dir wie ich sie hatte. Wobei das Thema Nachbarn dabei nie vorkam. Denn wer sagt Dir denn, dass Der super Nachbar, den Du beim Kauf Deines Hauses hast, nicht kurze Zeit später weg ist und Du bekommst einen, mit dem Du nicht klar kommst? Vielleicht ist Dein Nachbar auch ein Deutscher, der aber den Charakter hat, den Du pauschal den Zigeunern unterstellst.
Gelandet bin ich jetzt unweit vom geografischen Mittelpunkt Rumäniens. Nach Norden und Westen das liebliche Hügelland des Harbachtals, nach Süden und Osten hin das Fagarasmassiv. Ich habe rumänische Nachbarn, es gibt noch einige deutsch sprechende und auch die 'Zigeuner', wie Du sie nennst, sind freundlich und sehr hilfsbereit. Von den Bewohnern des Ortes wird behauptet, dass die fleißigste Frau im Ort eine Zigeunerin ist. Dass sie sehr fleißig ist, kann ich auch aus eigener Erfahrung bestätigen.
Für mich hat es sich gelohnt, meine ursprünglichen Pläne über Bord zu werfen. Denn die waren viel zu flach gestrickt. Ich muss dazu sagen, dass ich seit 2006 bisher über 30Mal in Rumänien war und mich dabei auf das Land und die Leute eingelassen habe. Es ist, wie weiter oben schon beschrieben: Man muss sich dem Land anpassen, in dem man heimisch werden will. Das war für mich noch nie so das Thema, ich habe schon viele Länder bereist. Aber ebenso musste ich meine Kaufentscheidung an meine Zukunft in Rumänien anpassen.
Ich hatte ein Grundstück mit traumhafter Lage angeboten bekommen zu einem sehr attraktiven Preis. War auch sofort verliebt in den Grund. Doch nach einem Gespräch mit einem rumänischen Freund habe ich das at acta gelegt. Er kennt die Gegend auch. In dem Ort, wo das Grundstück liegt, gibt es kein Magazin, keinen Arzt, es leben dort nur Menschen, die schon immer da leben etc.
Bedeutet für mich: Es dürfte sehr schwierig werden, mit meiner Lebensweise in der Dorfgemeinschaft integriert zu werden. Ich werde dort immer der Außenseiter bleiben. Was in Deutschland so klingt wie: Na und? Was solls? - ist in Rumänien evtl. fatal. Da braucht man sich untereinander früher oder später.
Wenn man älter wird, muss man öfter mal zum Arzt, man tut sich vielleicht nicht mehr so leicht, jedesmal mit dem Auto 20km dahin zu fahren etc.
Ich tue mir mit der rumänischen Sprache noch immer schwer, vor allem, wenn schnell gesprochen oder genuschelt wird. Liegt auch daran, dass ich selten mehr als 2 Wochen am Stück vor Ort bin und hier in Deutschland niemanden habe, mit dem ich die Sprache üben kann.
Um so mehr freue ich mich über die deutschsprachigen im Ort, die meinem Hirn zwischendurch eine Erholungspause gönnen oder bei Gesprächen mit den Handwerkern auch mal übersetzen helfen, ob nun am Telefon oder persönlich. Meine bessere Hälfte spricht derzeit noch so gut wie gar nicht rumänisch. Neben der Freude an dem Land hilft ihr auch die Möglichkeit, deutsch sprechen zu können sehr. Sie braucht nicht so daran zu arbeiten wie ich, weil sie durch meine Kommunikation viel leichter in die Sprache eintauchen kann.
Wir haben hier viele kleine Lebensmittelläden im Ort, einen Gebrauchswarenladen, wo man Nägel, Schlösser, Schlüssel, Faden für den Freischneider etc. bekommt. Eine Tankstelle, eine Bank, einen Arzt, Kindergarten, Schule, Baufirmen, Schreiner ... alles, was man braucht. Und es verkehrt ein Bus zwischen Schässburg und Fogarasch, so dass man auch ohne Auto in die größeren Orte kommt.
Gleichzeitig ist der Ort mit ca. 1.400 Einwohnern überschaubar, so dass ich nach einem Jahr schon überraschend gut in die Dorfgemeinschaft integriert bin. Hätte ich so nicht geglaubt. Warum das wichtig ist, wurde mir spätestens dann bewusst, als ich legales Bauholz für die Renovierung meines Hauses gesucht habe. Die Sägewerke, wo ich vorstellig wurde, hatten schlichtweg keines. Ich habe jemanden im Ort gefragt, der kannte wieder jemanden, der hat dann mit ein paar Sägewerksbesitzern telefoniert (Sonntag Abend um 21:30) und dann bekam ich eine Adresse, wo ich einen Tag später mit meiner Liste vorbeigefahren bin. Zwei Tage später war das Holz bei mir auf dem Hof. Alleine würde ich vermutlich heute noch suchen oder hätte mir welches aus Verzweiflung aus Deutschland liefern lassen.
Für mich war das Leben in Rumänien schon immer beeindruckend. Es ist so anders als in Deutschland und sicher nicht leichter. Man lernt aber auch, was wir hier in Deutschland mit unserem Streben nach Wohlstand und Konsum alles verpassen.
Der Kompromiss, den Du und Deine Frau im Bezug auf die Wahl des Wohnortes treffen müsst, wird nur eine von vielen sein und vermutlich noch nicht mal der größte. Von daher rate ich Dir mit der Erfahrung eines ähnlich gesinnten: Nimm Dir Zeit, um Deinen Platz zu finden. Und enge den Radius nicht gleich von vorne herein so arg ein. Wenn ihr einen Ort findet, an dem Du Dich wirklich zu Hause fühlst, dann wird Deine Frau - wenn ihr wirklich was an Dir liegt - auch mit einem Kompromiss im Bezug auf die Entfernung zu Bukarest leben können. Es hilft doch nichts, nur Deine Frau glücklich zu machen, wenn Du dabei zerbrichst.
Fred
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