Autor: Bransbruno
Datum: 13.09.17 07:56
Das hier hab ich vor gut 12 Jahren in Bran geschrieben.
Rumänische Eigenarten
oder
Der Rumäne, das unbekannte Wesen
Von Bruno Römer zu Törzburg
Teil 1
Das Land Rumänien hat solch feinen Charme, den kein Reiseführer richtig beschreiben kann:
• unberührte Natur, freilaufende Braunbären (habe ich selbst gesehen), Esel und sonstiges Getier
• der unbeschreibbare Fischreichtum im Donaudelta
• die schönen Berge und Höhen, die glasklaren Gebirgsbäche der Karpaten
• in manchen Dörfern, abseits der „Hauptstraßen“, scheint die Zeit stehen geblieben zu sein.
Noch ist dieses schöne Land von der Reiseflut west- und ostdeutscher Wohnmobile und Wildcamper verschont worden. Auch die gelbschwarzen Nummernschilder an den Wohnmobilen der reisefreudigen Niederländer sind noch selten zu sehen.
Rumänen sind in der Regel freundliche, offene Menschen, die nicht gleich hinter jedem den schnellen Euro wittern.
Die Gastfreundschaft der einfachen Menschen auf dem Lande kennt kaum Grenzen. Sollten sie in irgendeinem Dorf nach einer bestimmten Person oder Adresse suchen, werden sie wahrscheinlich aufgefordert, erst einmal Platz zu nehmen. Nachdem der Hausherr seine Lebensgeschichte, einschließlich der glorreichen Zeit beim Militär, vorgetragen hat, die 88-jährige Hausfrau auf ihren „grauen Star“ (der leider zum Verlust des linken Auges führte) hingewiesen hat, geht’s zur Hausbesichtigung. Es wird alles gezeigt, von der Küche über Schlafzimmer bis zur Toilette. Hier wird besonders auf das Wasserklosett hingewiesen. Man hat ja schließlich einen gehobenen Standard. Auch wenn das Aborthäuschen im Hinterhof neben dem Hühnerstall noch recht benutzt aussieht.
Vorweg, in Rumänien gehen die Uhren etwas anders oder gar nicht. Die Bürokratie, so denke ich, haben nicht die Preußen, sondern die Rumänen erfunden! Dies nur, damit sie die nachfolgenden Episoden und Geschichten verstehen.
Im Straßenverkehr
Der Straßenbelag hat es zumeist nicht verdient, so bezeichnet zu werden. Von Belag ist zumeist nichts zu sehen! Die meist knietiefen Löcher führen zu dem allseits beliebten Slalomfahren. Dies auch oder gerade bei Gegenverkehr! Hiernach müssten eigentlich die Rumänen ständig Olympiasieger in der Slalomabfahrt sein.
In der Regel wird man, wenn man einem Schlagloch ausweicht, in drei andere tiefere hineinfahren. Vulkaniseure sind daher in allen Orten und Dörfern anzutreffen und haben immer viel zu tun. Es gibt sogar einen Ort in der Nähe von Brasov mit dem Namen Vulkan!
Einige Leute meinen, dass mitunter die Schlaglöscher so groß seien, dass in ihnen ein Pkw verschwinden und wenden könnte. Ich persönlich halte das mit dem Wenden für leicht übertrieben.
Manche Anwohner sind sehr erfinderisch. So kann es sein, dass in manchem Straßenloch ein alter Reifen, ein Pappkarton oder der Ast eines Baumes liegt. Da weiß man doch gleich, woran man ist.
Es gibt Tankstellen, zu deren Säulen die Autofahrer mit einem günstigen Literpreis gelockt werden. Erst an der Zapfsäule steht dann ganz klein der Tagespreis des Kraftstoffes. Die Preisanzeigen sind wegen der großen Zahlen (1 Euro = 36.000,- Lei) mit einem „000“ Zettel beklebt.
Dafür bekommt ein ausländischer Wagen an fast jeder Ampel (in den großen Städten) die Fensterscheiben geputzt. Danach geben die freundlichen Boys Ihnen auch noch die Hand und wünschen Drum Bun (= gute Fahrt) oder Ähnliches.
Der Durchschnittsrumäne hat ein sehr gutes Verhältnis zur Exekutive. Deshalb blinken sich Kfz-Fahrer freundlich zu, wenn sie unterwegs einen Streifenwagen (Verkehrskontrolle) am Straßenrand sehen. An den Dorfeingängen hängen überall Warnhinweisschilder zur Radarkontrolle. Gesehen habe ich bisher noch nicht ein einziges solches Gerät. Trotzdem sollte man tunlichst die vorgeschriebenen 60 km/h einhalten. Es werden nämlich bevorzugt Fahrzeuge mit fremden Nummernschildern angehalten. Denke, die Polizisten sammeln diese seltenen Nummernschilder. Ein für Fremde teures Hobby!
Ein Rumäne überholt grundsätzlich nur in unübersichtlichen Kurven. No Risk … no Fun! Was kritische Kurven sind, erkennt man an den vielen kleinen Kreuzen (liebevoll mit Blumen und Kerzen verziert) und den vereinzelten Autowracks an den Straßenrändern.
Mittellinien oder Verkehrszeichen sind nur für Ausländer angebracht. Denn nur diese können die Strafen auch bezahlen. Einheimische beißen dem Polizisten ein Ohr ab. Um dies zu vermeiden, werden Fahrzeuge mit dem RO-Kennzeichen kaum angehalten. Auch nicht dann, wenn sich eine Gruppe von Bauarbeitern auf der Ladefläche eines Kippers tummelt, der Auspuff des Lkws das ganze Dorf einnebelt, so daß die Dorffeuerwehr ausrückt, oder bei ähnlich banalen Dingen.
Ist man mit dem Pkw unterwegs, winken einem viele Menschen am Straßenrand freundlich zu. Auffallend oder zumeist an den Bushaltestellen.
Ein Fahrzeugführer wird mit einem Hupkonzert überzogen, wenn er auch nur eine Sekunde, nachdem die Ampel auf Grün umschaltete, noch nicht mit qualmenden Reifen die Kreuzung verlassen hat. Er ist halt in der Poleposition!
Für Touristen wird an den Straßenrändern, auf meist landschaftlich reizvollen Strecken, Käse, Honig, Sirup und auch Fleisch angeboten. Bei Letzterem weiß man nicht immer, um was es sich dort wirklich handelt, da oft mehr Fliegen als Fleisch am Haken hängen.
Der Sirup wird dem Käufer zum Kosten im Flaschendeckel angeboten. Mit viel Glück erhält man zum süßen Sirup auch noch ein paar resistente Bazillen wie Syphilis oder Schanker kostenlos dazu.
Nachts oder bei Anbruch der Dämmerung fahren Radfahrer (auf dem Heimweg von der Kneipe!) und Pferdefuhrwerke (auf Holzsuche im Wald oder sonst wo…) prinzipiell ohne Beleuchtung. Die Ortschaften und deren Straßen sind wenig oder meist gar nicht beleuchtet. So kann es auch passieren, dass aus der Dunkelheit ein stark alkoholisierter Mensch hervortaumelt, mitten auf der Strasse, und Sie die Faust schwingend verflucht. Wie kann es auch angehen, dass Sie als vorschriftsgemäßer Pkw-Fahrer mit guten Scheinwerfern auf der Straße herumfahren, wo doch diese von einem Betrunkenen beansprucht wird. Was Positives: Im Falle eines Unfalles wird dem Pkw-Fahrer natürlich die gesamte Schuld zugesprochen.
Pferdewagen, die vom Zahn der Zeit so angeknabbert sind, dass sie auch durch die findigsten Ausbesserungen (Draht und Klebeband) nicht mehr verkehrstüchtig sind, werden sporadisch von der Polizei ausgemustert. Dies geschieht meist spektakulär bei laufender Kamera eines der Nachrichtensender. Ohne Geraufe und Gezeter geht das aber nicht ab. Sieger in diesem Match ist natürlich die Polizia. Danach trottelt der ehemalige „Wagenführer“ mit seinem Pferdchen etwas zerzaust und tieftraurig nach Hause. Ein Arbeitsloser mehr in der nicht existierenden Statistik.
Ähnlich ergeht es den Schrottautos, die zu Hunderten die Städte und deren Parkraum füllen. Mir ist ein Fahrzeug bekannt, bei dem durch die Stoßstange ein kleiner Baum wächst. Auch hier werden manchmal Fahrzeuge ohne Nummernschild bzw. abgelaufenem TÜV von der Stadt entsorgt. Die Ausreden der Fahrzeughalter sind druckreif. Solche Aktionen werden gerne vor den Wahlen im Beisein der zu wählenden Politiker und der Presse vorgenommen. Grundtenor: Seht her, ich bin für eine saubere Stadt!
Die Straßenbahnen (ausrangierte deutsche Fahrzeuge) erinnern einen an die 60er Jahre. Sie sind zum Teil noch im Originallack mit der deutschen Werbung versehen. Die Kuckident- Werbung grüßt aus Bukarest! Die Bestuhlung besteht aus grellgrünen Plastikhartschalen. Nostalgie pur! Eine solche Bahnfahrt wird durch das Rütteln und Schütteln zum körperlichen Erlebnis.
Fahrkarten verdienen nicht wirklich ihren Namen. Sie werden aus so etwas wie Butterbrotpapier hergestellt. Der Aufdruck ist kaum entzifferbar. Als Entwerter ist ein manueller Locher aus Gusseisen an den Haltestangen befestigt. Der Entwerter reißt ein kleines Loch in den briefmarkengroßen (also sehr kleinen) Fahrschein. Damit sich der Fahrgast nicht langweilt, wird er von einzelnen verkannten Musikern oder recht frommen Kindern unterhalten. Die kleinen Heiligen beten für die Fahrgäste, dass sie in den Himmel kommen, und betteln. Eine Fahrt mit der Bimmelbahn ist so preiswert, dass es kaum Schwarzfahrer und demzufolge auch wenig Kontrolleure gibt.
Mehr oder weniger liebevoll zu Pick-ups umgearbeitete Dacia-Pkw sind keine Seltenheit. Die Spuren einer ungeübten „Flex“ sind unübersehbar. TÜV- Abnahme? Keine Ahnung?
Serie wird fortgesetzt.
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