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Aus: Chrismar, F. S.: Skizzen einer Reise durch Ungarn in die Türkei, Pest 1857, Kapitel Hermannstadt, S. 69-72.
Am vierten Tage unserer Reise von Temeswar erreichten wir endlich jenes schöne und fruchtbare Thal, in dessen Mitte das freundliche Hermannstadt höchst anmutig gelegen ist. Himmelanstrebend dehnte sich nun die Bergkette vor uns aus, die hier eine unbezwingliche Grenzemauer, zwischen der das Schloß des Rothen-Thurm-Passes die einzig mögliche Verbindung mit der Walachei beherrscht. Der mächtige Surul, einer der höchsten Berge Siebenbürgens, streckt sein kahles Felsenhaupt aus dunklen Tannenwäldern empor, und war, wie beinahe alle benachbarten Gebirgsspitzen, noch mit Schnee bedeckt während die Fluren der Ebene im frischen Grün und mit tausend Frühlingsblumen gleich einem reichen golddurchwirkten Teppich sich längs dieser Gebirgswand hinzogen.
Hermannstadt, als der Sitz des Generalcommandos von Siebenbürgen, hat eine bedeutende Garnison. Die vielen Wachposten, welche in der Stadt verteilt sind, lassen sogleich die militärische Herrschaft erkennen. Eine Menge von Kaufmannsgewölben, worunter einige sehr geschmackvoll eingerichtet sind, deuten auf einen lebhaften Verkehr; doch soll hier der Handel in früherer Zeit bei weitem beträchtlicher gewesen sein als gegenwärtig. Die Häuser sind im Durchschnitt hübsch und wohnlich gebaut, die Straßen regelmäßig und gut gepflastert. Einen besonders gefälligen Anblick gewährt der Hauptplatz; man wähnt sich in ein altes deutsches Reichstädtchen versetzt; auch wohnen hier alle Nobili der sächsischen Nation. Etwas kleinstädtisch mag es mitunter wohl zugehen, und manches Original zu Kotzbue’s Komödien unter diesen ehrenfesten Bürgern zu treffen sein. Als bemerkenswerth erzählen uns alte Historiker, daß früher die Bewohner von Hermannstadt häufig von Zipperlein heimgesucht wurden. Ob sie sich dieser Auszeichnung noch gegenwärtig zu erfreuen haben, konnt’ ich nicht mit Gewissheit erfahren. Übrigens sind sie ein industridses, biederes und gastfreundliches Volk, diese Sachsen. Im Allgemeinen aber gefielen mir die Landbewohner bei weitem besser als die Städter.
Bei unserer Ankunft hatten wir Mühe ein Quartier zu finden, indem man uns höchst misstrauisch befragte, ob wir etwa aus der Contumaz kämen. Die Furcht vor der Pest scheint die guten Hermannstadter nicht wenig zu beunruhigen. Der Wirth zum Gasthof des römischen Kaisers öffnete uns endlich gefällig seine Zimmer. Die Firma schien uns gewaltig viel zu versprechen, zudem war dieses Gasthaus als das erste in der Stadt bezeichnet, doch fanden wir unsere Erwartungen schmählich betrogen. Die Zimmer waren schlecht, die Bedienung noch schlechter. Eine Bouteille Tokaier, welche wir auf das Wohl der Siebenbürger zu leeren gedachten, hatte sich im Keller dieses Wirthes zu Essig verwandelt und war ungenießbar. Auch seine anderen Weine konnten uns keineswegs zu Excessen verleiten; nur die Küche der Frau Wirthin war zu loben, und die vortreffliche Rechenkunst ihres Mannes, die uns nicht wenig in Erstaunen setzte.
Das eingetretene Regenwetter verhinderte uns die Annehmlichkeiten von Hermannstadt und seinen Umgebungen genauer kennen zu lernen. Da unserer Zeit zu kostbar war, um sie in einem geschlossenen Zimmer eines schlechten Gasthauses hinzubringen, so setzten wir schon am zweiten Tage unsere Reise weiter. Mit größter Gefälligkeit wurden uns beim Generalcommando die Pässe nach der Walachei visiert; da aber der directe Weg über den Rothen-Thurm-Paß durch das Austreten der Gebirgswasser gefährlich zu passieren war, und wir auch keine erwünschte Reisegesellschaft dorthin vorfanden, so zogen wir es vor, uns nach Kronstadt zu wenden, welches fortwährend den lebhaftesten Verkehr mit Bukarest unterhält und als der Stapelplatz allen Handels nach der Türkei zu betrachten ist.
Erstellt am 28.11.2003.