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Aus: Chrismar, F. S.: Skizzen einer Reise durch Ungarn in die Türkei, Pest 1857, Kapitel Kronstadt, S. 73-78.
Auf den ganzen Wege von Hermannstadt bis Kronstadt hatten wir fortwährend die hohe Gebiergskette der walachischen Grenze zu unserer Rechten. Das anhaltend schlechte Wetter machte unsere Reise sehr beschwerlich, indem hier die Straße nicht überall in dem besten Zustände sich befindet.
Unser erstes Nachtquartier war Fogaras, der Hauptort des Militärgrenzbezirkes gleichen Namens. Der Ort ist sehr ausgedehnt und hat ein altes Castell in seiner Mitte. Am zweiten Tage passiert wir zwischen Persany und Feketehalom einen bedeutenden Wald, der gerade damals wegen einer Räuberbande übel berüchtigt war. Es begegneten uns auch mehrere Militärpatrouillen, welche zur Sicherung der Reisenden die Gegend durchstreifen.
Am Morgen des dritten Tages gegen 10 Uhr erreichten wir Kronstadt, wo eben Wochenmarkt gehalten wurde. Die Menge der hier zusammenströmenden Landleute, die Lebhaftigkeit und das Gewühl war außerordentlich. Wir hatten Mühe uns Weg zu machen, und nur langsam bewegte sich unser Wagen durch das alterthümliche Thor.
Man bekommt die Stadt nicht eher zu Gesicht, als bis man sich hart vor ihren Mauern befindet. Ein isolierte Berg, mit einem Schloß auf seiner Spitze, verbirgt sie den Blicken des Reisenden, der von dieser Seite kommt. Biegt man um die Ecke dieses Berges, so findet man sich gleichsam wie durch einen Zauberschlag in der Mitte einer lebhaften, wohl bevölkerten Stadt. Ihre Lage ist höchst romantisch. Ein Halbzirkel bedeutend hoher Berge, die sich hart an den Mauern der Stadt emporheben, bildet den Hintergrund. Die südliche Hälfte dieses Gebirgsmantels ist steil und mit einem dichten Buchenwalde überzogen, die westliche Hälfte aber höchst malerisch mit freundlichen Gärten und Pavillons bedeckt, die den reichen Einwohnern Kronstadts zum Sommeraufenthalte dienen. Zwischen diesen Höhen und dem isoliert stehenden Schloßberge hindurch bietet sich eine liebliche Fernsicht in eine reiche, von Dörfern und kleinen Wäldchen durchschnittene Ebene, deren Horizont wieder von dem violetten Streif jener Gebirgskette umzogen ist, welche die Grenze der Moldau bildet.
Kronstadt selbst ist nicht groß und rings von Mauern eingeschlossen, die Vorstädte aber denen sich bedeutend aus. Die stattliche Pfarrkirche, ganz in altgothischem Style erbaut, beherrscht ernst die Masse der Wohnungen und gibt mit den Thürmchen der Stadttore dem Ganzen eine alterthümliche Form. Als Gründer dieser Stadt nennt uns die Geschichte die Deutschen Ordensritter, Cruciferi de Hospitali S. Mariae, welche im Jahre 1199 dem König Emerich von Ungarn gegen seinen Bruder Andreas kräftigen Beistand geleistet hatten und zum Lohne ihre Tapferkeit einen Strich Landes an der heutigen walachischen Grenze, das sogenannte Burzenland, zum Geschenke erhielten, wo sie im Jahre 1203 die Erbauung von Kronstadt begonnen haben.
Hier im äußersten Winkel von Siebenbürgen, ja im äußersten Winkel der europäischen Civilisation, fanden wir uns noch so heimisch, das bürgerliche und gesellschaftliche Leben so gemüthlich, daß wir uns gern entschlossen, einige Tage zu verweilen, um den Abgang einer Karavane nach Bukarest abzuwarten, mit der wir unsere Reise in größerer Sicherheit verfolgen konnten. Die Zeit verstrich uns hier auf das angenehmste, und ein freundliches Wetter, das wir seit dem ersten Tage unserer Ankunft genossen, begünstigte unserer Ausflüge in der höchst romantischen Umgegend. Jeden Abend fanden wir auf der Promenade, welche außerhalb der Stadtthore gelegen und mit jungen Baumanlagen geziert ist, die schöne Welt von Kronstadt versammelt. Hier sieht man geputzte Frauen und Mädchen, zierliche Uniformen der Garnison, und neben der ehrbaren, sittsamen Tracht der sächsischen Bürger griechische und türkische Costumes in bunter Mannichfaltigkeit. Unter den Bewohnern der Stadt nehmen die griechischen Kaufleute einen vorzüglichen Rang ein, daher hier sehr viel griechisch gesprochen wird. Nächst der ungarischen und sächsischen Sprache ist die walachische in Kronstadt die gebräuchlichste, ja die herrschende, da sie zur allgemeinen Verständigung der verschiedenen Bewohner unter sich dient. Diese Sprache ist nicht nur an und für sich angenehm, sondern auch sehr leicht zu erlernen; der Hauptgrund aber, warum sie in Kronstadt zur allgemeinen Umgangssprache geworden ist, liegt wohl darin, weil die Walachen sehr zahlreich und gleichsam die unentbehrlichen beweglichen Maschinen sind, durch welche der große Handel mit der Türkei betrieben und unterhalten wird.
Wir hatten in Kronstadt Gelegenheit einige Spiele und Festlichkeiten der gemeinen Walachen kennen zu lernen. Ein sonderbares Schauspiel geben sie den Kronstädtern alljährig durch einen scheinbares Kriegsmanöver, dessen Wiederholung gerade in der Zeit unseres dortigen Aufenthaltes fiel. Ich weiß nicht in welchem Kopfe eines ihrer Vorfahren einst der Gedanke entsprungen war, sich mit seinen Ekel Mitbrüdern gegen die Bürger von Kronstadt aufzulehnen, und einem gewaltsamen Angriff auf die Stadt zu wagen. Sie wurden zurückgeschlagen, und mussten zur Strafe und Demüthigung darauf alljährlich, wie noch gegenwärtig ihre Nachkommen, das Manöver jenes unglücklichen Versuchs wiederholen. Sie beschließen dieses Schauspiel mit Lustbarkeiten und Tänzen, von welchen besonders die letztern sehr characteristisch sind. Einige wollen in diesen Tänzen die Tänze der alten Römer erkennen, wie man überhaupt in vielen Gebräuche der Walachen untrügliche Beweise ihres römischen Ursprungs findet, und sie selbst sich nur Romani oder romagnesch, d. i. Römer zu nennen pflegen. Diese Abkömmlinge römischer Colonisten in Dacien sind unter die ältesten Einwohner Siebenbürgens zu zählen, wo ihre Vorfahren sich besonders in Silva Blacorum, dem heutigen Fogaras, zahlreich niederließen.
Mit einer Karavane dieser Romani setzten wir unsere Reise wieder weiter. Als wir von dem freundlichen Kronstadt Abschied nahmen, sagten wir auch der ganzen civilisierten Welt ein Lebewohl. Rauh und steil lag ein wilder Gebirgspfad vor uns, der uns nach tagelanger beschwerlicher Reise in jene Gegenden führen sollte, wo Bewohner und Regierung, Sitten und Lebensweise, im grellsten Gegensatze zu den übrigen Ländern Europas stehen.
Erstellt am 31.10.2003.