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"Ich befinde mich politisch auf dem Parkplatz und warte auf den richtigen Moment, um loszufahren.
Vielleicht schaffe ich es, der Demokratisierung in Rumänien den nötigen Anstoß zu geben", sagte Elöd Kincses im Sommer
2004 seiner Tochter Rèka. Er versuchte gerade zum fünften Mal, als Unabhängiger in das rumänische Parlament gewählt zu werden.
Auch dieses Mal sollte er scheitern. Rèka Kincses Familie, die zur ungarischen Minderheit in Rumänien gehört, lebt in Targu
Mures im Osten Transsilvaniens. 1989 übernahm ihr Vater, der sich als Anwalt für Verfolgte des Ceausescu-Regimes einsetzte,
eine folgenschwere Aufgabe: Er verteidigte den Pfarrer Làszlo Tökès aus Temesvàr, der ausländischen Fernsehsendern regimekritische
Interviews gegeben hatte. Die Ereignisse rund um den Fall Tökès führten zu den ersten Demonstrationen in Rumänien seit 25 Jahren
Diktatur. Zunächst galt Elöd Kincses als Held. Nach dem Sturz Ceausescus übernahm er die politische Führung des Bezirks Mures.
Doch wenige Wochen nach der Wende, im März 1990, kam es zu Unruhen zwischen Ungarn und Rumänen, die zum ersten ethnischen Konflikt
mit Todesopfern in Osteuropa nach der Wende eskalierten. Während Elöd Kincses manchen Vertretern der ungarischen Minderheit in
seinen Forderungen nach Gleichberechtigung zu wenig radikal war, galt er der rumänischen Seite als ungarischer Extremist.
Gemeinsam machten beide Seiten Elöd Kincses für die Ausschreitungen in Targu Mures verantwortlich. Kincses musste das Land
und seine Familie verlassen. Als er nach sechs Jahren aus dem Exil zurückkehrte, begann er für einen Sitz im Parlament zu
kandidieren, wurde aber bei jeder Wahl von seinen politischen Gegnern kaltgestellt. So auch im Herbst 2004, wo ihn ein kurz
vor dem Wahlkampf in Kraft getretenes Gesetz von den Wahlen ausschloss. Die 1972 geborene rumänische Filmemacherin Rèka Kincses,
Regiestudentin an der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin, setzt sich in ihrem persönlichen Dokumentarfilm mit der Geschichte
ihres Vaters, mit seiner Person, dem Scheitern seines politischen Engagements und dessen Auswirkungen auf die ganze Familie auseinander.
War sie noch vor der Wende stolz auf ihn, so zweifelte sie bald an seiner Haltung: War sein Kampf wirklich ein gerechter oder beruhte
er doch auf einer falschen Einschätzung der politischen Situation? War er mutig oder einfach nur verbohrt? Warum konnte er im neuen
System keinen Fuß fassen? Neben Beobachtungen während des Wahlkampfs im Herbst 2004 zeichnet Réka Kincses in lebhaften und oft
kontroversen Gesprächen mit ihrer Familie, anhand von Archivmaterial aus dem Frühjahr 1990 sowie Gesprächen mit politischen
Widersachern ihres Vaters die Ereignisse seit der rumänischen Revolution 1989 nach. "Balkan Champion" verbindet die außergewöhnliche
Geschichte der Familie Kincses mit einem Stück jüngerer europäischer Zeitgeschichte und erzählt von Freundschaft und Verrat,
politischen Intrigen und von der Schwierigkeit, zwischen Integrität und Halsstarrigkeit, zwischen Pragmatismus und Opportunismus
zu unterscheiden. Der Dokumentarfilm wurde mit großem Erfolg auf nationalen und internationalen Filmfestivals präsentiert.
Auf der Duisburger Filmwoche 2006 erhielt er sowohl den Förderpreis der Stadt Duisburg als auch den Publikumspreis der Rheinischen
Post. International wurde er unter anderem bei der Ungarischen Filmwoche 2007 als bester Dokumentarfilm ausgezeichnet.
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