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Etwas glühende Kohle, eine handvoll Blei, ein Eimer Wasser und der richtige
Zauberspruch - das sind die Arbeitsmittel von Dorfhexe Marikanini, der guten Seele von Miklosvar,
einem Dorf am Fuß der rumänischen Karpaten. Ihre Fähigkeit zu "heilen"
und zu helfen wird in ihrer Heimat nicht beargwöhnt - im Gegenteil, der Beruf der Dorfhexe
ist in der Abgeschiedenheit Transsilvaniens etwas ganz Selbstverständliches. Der Glaube an
die Kraft ihrer guten Magie ist eng verbunden mit dem festen Glauben an Gott. Aber das allein
reicht noch nicht. In einer Gegend, wo Reformierte, Orthodoxe und Katholiken leben, ist auch
die Konfession entscheidend: "Man muss katholisch sein", sagt Oma Marikanini,
"sonst funktioniert das Ganze nicht". Graf Kalnoky, der vor einigen Jahren das
Stammschloss seiner Familie zurückkaufte und sich nun bemüht, der ganzen Region
auf die Beine zu helfen, ist glücklicherweise katholisch. Deshalb hat er gute Chancen,
dass Hexe Marikaninis Zauber gegen seine Schlafstörungen auch wirkt. Jedenfalls hat sie
schon einmal die bösen Geister aus seinem Haus vertrieben, so dass zumindest seine
Angestellten sich wieder hinein trauen. Dorfpfarrer Akos Szabo hat ein entspanntes Verhältnis
zur Hexerei. Schließlich nehmen ihm die alten Frauen mit ihren magischen Ritualen einen Teil
der Arbeit ab. Marikanini und ihre Kolleginnen fühlen sich nämlich auch für die
persönlichen Nöte ihrer Mitmenschen zuständig. Miklosvar und seine Nachbardörfer
wirken wie einem alten Märchen entsprungen. Pferdewagen und Ziehbrunnen sind noch genau so
selbstverständlich wie baufällige Holzhäuser und tiefe Schlaglöcher in den
unbefestigten Straßen. Es gibt keinen Arzt und erst recht keinen Psychotherapeuten,
wenn die Seele krank ist. Kein Wunder also, dass die Heilerfahrungen und magischen Sprüche
von Dorfhexe Marikanini gefragt sind.
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